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Kontrolle in Dienstleistungsbeziehungen - Der Kampf um Selbstbestimmung

Titel: Kontrolle in Dienstleistungsbeziehungen - Der Kampf um Selbstbestimmung

Hausarbeit , 2001 , 12 Seiten

Autor:in: Katharina S. (Autor:in)

Psychologie - Arbeit, Betrieb, Organisation
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Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kontrollarten
2.1. Verhaltenskontrolle
2.2. Kognitive Kontrolle

3. Strategien des Kontrollgewinns und Kontrollerhalts

4. Auswirkungen von Kontrolle auf andere Arbeitsfaktoren: Empirische Befunde

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Kontrolle ist neben sozialer Unterstützung die wichtigste Ressource, die vor den ne- gativen Wirkungen von Arbeitsbelastungen schützt. Es wird angenommen, dass Kontrolle ein wichtiger entlastender Faktor ist, der Stress vermeidet bzw. die Be- wältigung von Stress erleichtert. Nach dem Anforderungs-Kontroll-Modell von Kara- sek (1979, zitiert nach Singh, 2000) ist ein Stressjob durch eine geringe Kontrolle und hohe Anforderungen gekennzeichnet. Im Gegensatz dazu bezeichnet Karasek einen Job mit ähnlich hohen Anforderungen aber hoher Kontrolle als aktiven Job, der weniger stresserzeugend ist.

Kontrolle ist also ein bedeutsamer Faktor bei der Bewältigung von Anforderungen, nicht nur im Arbeitsleben. Seligman (1975, zitiert nach Nerdinger, 1994) postuliert in seiner Theorie der „gelernten Hilflosigkeit“, dass erlebter Kontrollverlust zu Hoffnungslosigkeit und Depression führen kann.

Heute gilt in der Psychologie die Annahme eines universellen Kontrollmotivs als bestätigte theoretische Ausgangslage. „Als Kontrollmotiv wird das grundlegende Bedürfnis nach Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit verstanden, das sich je in konkreten Situationen als Versuch äußert, die zielführenden Bedingungen zu kontrollieren“ (Nerdinger, 1994, S. 137).

Im sekundären Sektor der Wirtschaft, dem produzierenden Gewerbe, kann die Kon- trolle der Arbeiter über die zielführenden Bedingungen durch strukturelle Maßnah- men einfach erhöht werden. Möglich wäre z.B. eine freie Arbeitszeiteinteilung oder die stärkere Selbstbestimmung bei den einzelnen Fertigungs- bzw. Arbeitsschritten. Im tertiären Sektor, dem Dienstleistungsgewerbe, stehen die Angestellten jedoch nicht einem Rohstoff gegenüber, der nach den Vorstellungen des Arbeiters bearbei- tet werden kann. Hier ist die wichtigste zielführende Bedingung ein anderer Mensch: der Kunde, der Gast, der Patient oder der Klient. Hieraus resultiert ein wesentliches Problem. Die individuellen Kontrollmotive zweier Menschen treffen in einer sozialen Situation aufeinander, der Kontrollgewinn des einen bedeutet immer auch gleichzei- tig einen Kontrollverlust des anderen (Zapf, 1999). Verschiedene Arten der Kontrolle im Dienstleistungsbereich, unterschiedliche Strate- gien im Kampf um Kontrolle und empirische Befunde über die Auswirkungen von Kontrolle auf andere Arbeitsfaktoren sollen im folgenden Referat dargestellt werden.

2. Kontrollarten

Es werden zwei grundlegende Arten der Kontrolle in Dienstleistungsberufen differenziert: die Verhaltenskontrolle und die kognitive Kontrolle.

2.1. Verhaltenskontrolle

Nach Nerdinger (1994) hat ein Mensch Verhaltenskontrolle, wenn er eine Situa- tion durch das eigene Verhalten beeinflussen kann. Für den Dienstleistungsbe- reich bedeutet dies die Steuerung und Beeinflussung der Bedienten durch den Dienstleistenden. Ziel dabei ist es, die Interaktion mit dem Bedienten so zu gestalten, dass ein reibungsloser Ablauf der Dienstleistung möglich wird. Aber auch der Bediente strebt nach Verhaltenskontrolle, indem er z.B. versucht, den Dienstleistenden direkt zu bestimmten Handlungen aufzufordern. (Beispiel: Kunden in der Schlange an der Supermarktkasse rufen eine Angestellte herbei, damit diese eine zusätzliche Kasse öffnet.) Das Ziel der Bedienten dabei ist, in erster Linie Geld und Zeit zu sparen (Rafaeli, 1989). Besonders in statusniederen Dienstleistungsberufen, z.B. Kellnerin, Verkäuferin1, sind die Dienstleistenden häufig den unmittelbaren Beeinflussungsversuchen der Bedienten ausgesetzt, da diese zum einen die Ausführung der Dienstleistung beobachten können und zum anderen glauben, diese fachmännisch beurteilen zu können. Deshalb ist es be- sonders schwierig für statusniedere Dienstleistende, die Interaktion mit dem Be- dienten in ihrem Sinne zu steuern. Oft kann das nur indirekt und subtil gesche- hen, z.B. durch Einsatz der Persönlichkeit oder durch soziales Handeln. Der Dienstleistende kann versuchen, durch bewusstes Darstellen einer bestimmten Persönlichkeit das Verhalten des Bedienten zu steuern (im Sinne der Impression Management Theory von Goffman, 1959, zitiert nach Zapf, 1999) oder er kann durch die Herstellung einer bestimmten sozialen Situation die Handlungen des Bedienten dirigieren (Nerdinger, 1994). Konkrete Einflussstrategien werden im Abschnitt 3 dargestellt.

Für statushohe Dienstleistungsberufe, z.B. Anwältin, Ärztin, stellt sich dieses Problem weniger dar. Hier ist es häufig ausreichend, dass der Dienstleistende die äußeren Symbole seines Status präsentiert (z.B. weißer Kittel der Mediziner). Die Bedienten sehen sich einem Experten gegenüber, dem sie fachlich unterlegen sind. Folglich sind hier die Bestrebungen nach Verhaltenskontrolle über den Dienstleistenden eingeschränkt, der Bediente muss dem Dienstleistenden ver- trauen. In statushohen Dienstleistungsberufen verfügt also der Dienstleistende über die Verhaltenskontrolle, was dazu führen kann, dass sich der Bediente aus- geliefert fühlt. Dies wird häufig von Patienten in Krankenhäusern beklagt (Nerdin- ger, 1994).

Die Dienstleistungsbeziehung findet in ihrer tatsächlichen Ausführung zwischen zwei Parteien statt: zwischen dem Dienstleistenden und dem Bedienten. Der Be- diente kann also direkte Kontrolle über den Dienstleistenden ausüben (Rafaeli, 1989). Der Dienstleistende agiert jedoch meist als Repräsentant einer Organisa- tion. Diese Organisation versucht ebenfalls, Verhaltenskontrolle über den Dienst- leistenden zu erhalten. Dies geschieht zum einen durch konkrete Ablaufpläne, die vorschreiben, wie die Interaktion mit dem Bedienten stattfinden soll. Hierin ist z.B. enthalten, dass bei der Handelskette Tchibo jeder Kunde gefragt werden soll, ob er zu seinem ausgewählten Gebrauchsartikel noch einen Kaffee kaufen möchte und dass jedem Kunden das neue Werbemagazin angeboten wird (persönliche Erfahrungen). Zum anderen üben die Organisationen auch Kontrolle über die Emotionen ihrer Angestellten aus, indem sie verlangen, dass die „Display Rules“ (Zapf, 1999, S. 4) befolgt werden. Diese Display Rules sind Regeln, welche Art von Gefühlen ein Dienstleistender gegenüber einem Bedienten zeigen soll. Das bewusste zur Schau stellen von bestimmten Emotionen ist also ein Teil der Arbeit von Dienstleistenden, der von der Organisation gefordert wird. Die Legitimation der Organisation zur Verhaltenskontrolle über den Dienstleistenden resultiert aus dem Machtverhältnis zwischen Arbeitgeber und Angestelltem. Die Organisation verfügt über die Belohnungsgewalt, indem sie über Gehalt bzw. Lohn, Beförde- rung, Kündigung u.ä. bestimmen kann (Rafaeli, 1989).

Da der Dienstleistende das Glied zwischen der Organisation und dem Kunden bildet, wird von zwei Seiten versucht, sein Verhalten zu kontrollieren. Um diese Anforderungen bewältigen zu können, muss er über elaborierte kognitive Strate- gien verfügen.

2.2. Kognitive Kontrolle

Kognitive Kontrolle beschreibt nach Nerdinger (1994) zum einen die retrospektive Erklärung und zum anderen die Vorhersagbarkeit von Ereignissen. Die retrospektive Form der kognitiven Kontrolle kann als Coping situationsspezifischer Belastungen angesehen werden. Sie hilft vor allem dabei, negative Erfahrungen umzudeuten und zu verarbeiten.

Die Vorhersage von Ereignissen ist die Voraussetzung für das Ausüben von Ver- haltenskontrolle, die Situation muss antizipiert werden, um Strategien der Beein- flussung auswählen zu können. Die prospektive Form der kognitiven Kontrolle wird durch die starke Normierung der meisten Dienstleistungsbegegnungen so- wohl für den Bedienten als auch für den Dienstleistenden erleichtert. Für den Be- dienten kommt hinzu, dass er über die entscheidende Machtquelle verfügt: Geld. Der Dienstleistende wird vom Bedienten als Verbindungsglied zwischen der Or- ganisation und ihm, dem Kunden, wahrgenommen. Da er sein Geld an diese Or- ganisation gibt, erwartetet er, in gewisser Weise über den Dienstleistenden verfü- gen zu dürfen, indem er z.B. den Ablauf der Interaktion bestimmt (Rafaeli, 1989). Auch darüber wird ein Gefühl der kognitiven Kontrolle hergestellt, besonders bei statusniederen Dienstleistungen.

Die Dienstleistenden versuchen die Situation vorauszusehen, indem sie das Ver- halten des Bedienten antizipieren. Dazu werden sogenannte Kliententypologien eingesetzt, die im Verlauf des Berufslebens aus Erfahrungen gewonnen werden oder durch Kollegen oder Vorgesetzte vermittelt wurden. Es handelt sich um eine Form der psychologischen Diagnostik, bei der Personen aufgrund von wenigen Merkmalen zu einem Schema bzw. zu einer Kategorie zugeordnet werden. Die stereotype Kategorisierung erleichtert für den Dienstleistenden den Kontakt mit fremden Personen und vermittelt so kognitive Kontrolle. Die Zuordnung bestimmt dann das Verhalten des Dienstleistendens gegenüber dem Bedienten. Die Typo- logisierung geschieht dabei nach Mennerick (1974, zitiert nach Nerdinger, 1994) auf der Basis fünf verschiedener Dimensionen:

1. Unterstützung bei der Arbeit: ein „guter“ Kunde hält sich an die impliziten Spielregeln und hat keine Extrawünsche, d.h. er unterstützt den Dienstleisten- den bei seiner Arbeit
2. vorbereitende Kontakte: bezieht sich auf die Möglichkeit, den Kontakt mit dem Bedienten vorzubereiten, indem man zuvor Informationen über den Bedienten erhält
3. zusätzlicher Gewinn: das zu erwartende Trinkgeld wird aufgrund fester Regeln vorhergesagt (z.B. Männer geben mehr als Frauen, ältere Personen geben mehr als jüngere), die Bemühungen der Kellnerinnen richten sich nach dem zu erwartenden Trinkgeld
4. Gefahr: in manchen Dienstleistungsberufen kann es lebenswichtig sein, das Bedrohungspotential einer Person aufgrund weniger Merkmale schnell vor- herzusagen; Taxifahrerinnen haben folgende Kriterien, nach denen die Ge- fährlichkeit eingeschätzt werden kann: Geschlecht, Alter, Sitzverhalten, Grad der Alkoholisierung, allgemeines Verhalten (Gesten, Kleidung, Tätowierungen, etc.)
5. moralische Akzeptanz: d.h. der Bediente verhält sich so, dass die moralischen Standards des Dienstleistendens nicht verletzt werden

Die Art der Typologie aufgrund einer der Dimensionen richtet sich nach der spe- zifischen Arbeitssituation des Dienstleistendens. Im Vordergrund des Interesses steht dabei immer der störungsfreie Ablauf der Interaktion mit dem Bedienten und die Erfüllung des Dienstleistungsauftrages. Auch retrospektiv wird die Kliententy- pologie eingesetzt. Durch die Zuordnung eines Bedienten zu einer negativ be- werteten Kategorie kann eine unangenehme Interaktion im Nachhinein anders beurteilt werden, was zu subjektiver Entlastung führt (Nerdinger, 1994).

3. Strategien des Kontrollgewinns und Kontrollerhalts

Im Kampf um die Kontrolle in der Dienstleistungsbeziehung zwischen Dienstleistendem und Bedientem müssen sich besonders statusniedere Dienstleistende subtiler Strategien bedienen. Die unmittelbare Einflussnahme auf den Bedienten verbieten die impliziten Normen und oft auch die Verhaltensregeln der Organisation, die verlangen, dass der Kunde freundlich und entgegenkommend zu behandeln ist. Dienstleistende sehen sich so dem Problem gegenüber, dass sie auf der einen Seite vom Kunden direkt kontrolliert werden und sich auf der anderen Seite selbst nur indirekt zur Wehr setzen dürfen.

Rafaeli (1989) untersuchte dazu Supermarktkassiererinnen in Israel. Unter der Fragestellung, in welcher Beziehung die Servicekräfte zu ihrer Organisation und zu ihren Kunden stehen, führte er unstrukturierte und teilnehmende Beobachtun- gen durch und interviewte die Kassiererinnen. Dabei fand er heraus, dass die Or- ganisation die größte legitimierte Kontrolle über die Kassiererinnen hat, diese je- doch eher indirekt ist. Die Kassiererinnen widersetzen sich diesem Einfluss, in- dem sie die Regeln der Organisation (z.B. „Nicht Essen am Arbeitsplatz!“) miss- achten, häufig sogar mit dem Wissen des direkten Vorgesetzten (Marktleiter). Die Kunden haben die größte direkte Kontrolle über die Kassiererinnen, diese ist allerdings wenig legitimiert. Deshalb ist es für die Kassiererinnen hier möglich und auch notwendig, direkt den Einflussversuchen der Kunden entgegenzuwirken.

Rafaeli (1989) identifizierte dabei vier Strategien, mit denen statusniedere Dienstleistende versuchen, die Verhaltenskontrolle über ihre Bedienten zu gewinnen: Ignorieren des Kunden, Zurückweisen der Kontrollversuche des Kunden, Reagieren auf die Kontrollversuche des Kunden und Einbindung des Kunden in den Ablauf, so dass dieser gar nicht erst versucht, den Ablauf zu kontrollieren. Diese Strategien werden als Handlungskontinuum angesehen, welches von passiv über reaktiv bis hin zu proaktiv reicht.

Das Ignorieren des Kunden ist dabei die passivste Form. Diese Strategie ist ge- kennzeichnet durch das Vermeiden von Augenkontakt mit dem Kunden, aber auch durch das Überhören von Kundenkommentaren. Der Kunde wird als Objekt angesehen, welches „bearbeitet“ werden muss. Durch diese Impersonalisierung gewinnt der Dienstleistende subjektive Kontrolle über den Ablauf der Interaktion, außerdem ermöglicht es ihm, sich nur auf den Kassiervorgang zu konzentrieren und so Fehler zu vermeiden. Aus diesem Grunde ist diese Strategie besonders bei Berufsanfängerinnen verbreitet.

Das Zurückweisen der Kontrollversuche durch den Bedienten äußert sich auf der Verhaltensebene genauso wie das Ignorieren, d.h. der Kunde wird Übersehen und Überhört. Für den Dienstleistenden bedeutet es jedoch einen kognitiven Un- terschied, indem er sein Verhalten internal rechtfertigt, wobei er sich sagt, dass der Kunde kein Recht hat, ihn zu kontrollieren. Diese Strategie beinhaltet also eine aktive Komponente.

Beim Reagieren auf die Kontrollversuche zeigt der Dienstleistende auch nach außen, dass er nicht bereit ist, sich durch den Kunden beeinflussen zu lassen.

Dies kann durch Gesten und Verhaltensweisen, aber auch verbal ausgedrückt werden.

Die aktivste Strategie der Verhaltenskontrolle ist das Einbinden des Kunden in den Dienstleistungsvorgang. Dabei wird der Kunde so beschäftigt, dass ihm keine Zeit bleibt, die Kassiererin beeinflussen zu können. Eine Form dieser Strategie ist, den Kunden mit kleinen Tätigkeiten zu beauftragen, (z.B.: „bitte legen Sie jetzt das Gemüse auf die Waage“). Eine andere Möglichkeit ist der Small Talk oder das Erzählen von Witzen. Dadurch wird zusätzlich zum reibungslosen Ablauf des Kassiervorgangs oft auch eine positive, freundliche Stimmung in der Dienstleistungsbeziehung erzeugt. Diese Strategie erfordert große Berufserfahrung der Kassiererin, da neben der eigentlichen Aufgabe des Kassierens die Unterhaltung des Kunden geleistet werden muss (Rafaeli, 1989).

Die letztgenannte Form der Verhaltenskontrolle wird auch von Flugbegleiterinnen eingesetzt. Die oberste Aufgabe des Flugpersonals ist die Aufrechterhaltung der Sicherheit während des Fluges. Dies ist jedoch den meisten Fluggästen wenig bewusst. Sie glauben vielmehr, dass die Flugbegleiterinnen als Servicepersonal für das Wohl des Gastes zu sorgen haben. Die Flugbegleiterinnen müssen also dafür Sorge tragen, dass die Fluggäste ihren Anweisungen Folge leisten, ohne sich bevormundet zu fühlen. Das gelingt am einfachsten, wenn eine angenehme Stimmung in der Interaktion vorherrscht. Deshalb versuchen Flugbegleiterinnen gezielt, eine freundliche Atmosphäre zu erzeugen, indem sie besonders unange- nehme, unhöfliche Fluggäste durch Aufheiterungsversuche in eine positive Stim- mung versetzen. Gelingt ihnen dies, hilft das bei der Ausführung der primären Aufgabe, nämlich der Gewährleistung der Sicherheit. Hinzukommt, dass die Er- zeugung von guter Stimmung als eigene Leistung empfunden wird und die Steue- rung anderer Menschen als Befriedigung erlebt wird (Nerdinger, 1994).

Der Bediente soll in den bisher genannten Strategien in dem Sinne beeinflusst werden, den Ablauf der Dienstleistungsbeziehung nicht zu stören. Das geschieht, indem verhindert wird, dass der Kunde bzw. Gast seine eigenen Kontrollversuche wirksam einsetzt. Eine andere Form der Beeinflussung der Bedienten greift im Verkauf. Hier wird nicht nur verhindert, dass der Kunde eigene Kontrollvorstellun- gen durchsetzt. Hier wird sogar versucht, die Intentionen und Wünsche des Kun- den gezielt in eine von der Verkäuferin vorgegebene Richtung zu verändern. Das geschieht, indem soziale Mechanismen z.B. der Hilfsbereitschaft oder Reziprozi- tät instrumentalisiert werden, um finanzielle Gewinne zu erzielen. Mit Hilfe psy- chologischer Einflussstrategien versuchen Verkäuferinnen Ziele zu erreichen, die mit den Zielen des Bedienten nicht übereinstimmen. Sie „versuchen, die sozialen Mechanismen der Begegnung dazu zu nutzen, dem Bedienten klar zu machen, dass er viel mehr oder ganz andere Probleme hat - zu deren Lösung wiederum die geeigneten Produkte parat stehen“ (Nerdinger, 1994, S.150). Das gilt natürlich nicht für alle Verkaufssituationen. Jedoch führen die Erfahrungen der Kunden mit solchen Beeinflussungsversuchen dazu, dass sie ein generelles Misstrauen ge- genüber Verkäuferinnen entwickeln und infolgedessen die Selbstbedienung bevorzugen (Nerdinger, 1994).

4. Auswirkungen von Kontrolle auf andere Arbeitsfaktoren: Empirische Be- funde

Dass Kontrolle über die Arbeitsbedingungen eine grundlegende Ressource der Stressbewältigung darstellt, ist ein anerkannter Befund in der Arbeitspsychologie. Für den Dienstleistungsbereich wurde dieser Zusammenhang in zahlreichen Studien überprüft.

Ein Hauptbelastungsfaktor in Dienstleistungsberufen resultiert aus den Display Rules. Diese werden problematisch, wenn über einen längeren Zeitraum hinweg Emotionen gezeigt werden müssen, die den tatsächlich empfundenen Gefühlen widersprechen. Ein Mensch erlebt dann emotionale Dissonanz, wenn er nicht die Kontrolle besitzt, seine gezeigten Emotionen an seine Persönlichkeit und seinen persönlichen Stil anzupassen (Zapf, 1999). Abraham (1998, zitiert nach Zapf, 1999) und Morris & Feldman (1997, zitiert nach Zapf, 1999) fanden eine signifikante negative Korrelation zwischen Kontrolle und emotionaler Dissonanz. Zapf, Vogt, Seifert, Mertini & Isic (1999, zitiert nach Zapf, 1999) fanden außerdem einen signifikanten negativen Zusammenhang zwischen Interaktionskontrolle und emotionaler Dissonanz. Dienstleistende, die die Interaktion mit dem Bedienten in ihrem Sinne gestalten, können eine Situation herstellen, in der sie demnach tatsächlich die von ihnen geforderten Emotionen empfinden. Dies entspricht den Strategien der Flugbegleiterinnen, die bei ihren Gästen eine freundliche Stimmung erzeugen, in der es ihnen dann leichter fällt, selbst diese positive Emotion zu zeigen.

Seifert, Mertini und Zapf (1999, zitiert nach Zapf, 1999) fanden einen positiven Zusammenhang zwischen dem Wohlbefinden der Dienstleistenden auf der einen Seite und der Aufgabenkontrolle und der generellen Partizipation bei Entscheidungen auf der anderen, nicht jedoch zwischen Wohlbefinden und Interaktionskontrolle.

In einer Studie über die Produktivität und Qualität von Dienstleistenden unter- suchte Singh (2000) die Call-Center-Mitarbeiter einer amerikanischen Finanzservice-Oranisation. Über eine Fragebogenerhebung ermittelte er den Ein- fluss von Aufgabenkontrolle und sozialer Unterstützung durch den Vorgesetzten auf die Stressbewältigung. Für die soziale Unterstützung konnten keine direkten Effekte auf den Stress der Dienstleistenden nachgewiesen werden. Es zeigte sich jedoch, dass die Aufgabenkontrolle einen signifikanten Einfluss auf das Stress- empfinden und die -bewältigung hat. Eine hohe Kontrolle reduzierte die Burnout- Tendenzen und die Kündigungswünsche und führte gleichzeitig zu einer höheren Bindung an die Organisation, was auf eine höhere Arbeitszufriedenheit schließen lässt.

Zusammenfassend kann aufgrund der zitierten Ergebnisse angenommen werden, dass Kontrolle über die Arbeitsbedingungen ein entscheidender Faktor für das Wohlbefinden von Dienstleistenden ist.

5. Fazit

Durch die Besonderheiten der sozialen Interaktionen sind die Anforderungen, die an Beschäftigte im dienstleistenden Sektor gestellt werden, sehr verschieden von denen im produzierenden Gewerbe. Deshalb ist es unerlässlich, diese Berufe in der A&O-Psychologie als eigenständigen Forschungsbereich zu betrachten. Die Ergebnisse der allgemeinen Arbeitspsychologie können nicht einfach übertragen werden.

Hinzu kommt, dass der Dienstleistungsbereich in den letzten Jahren einen immer größeren Anteil an der Gesamtwirtschaft eingenommen hat und diese Tendenz weiter steigt. Es müssen darum von Seiten der Wirtschaft mit Hilfe der Psychologie Wege gefunden werden, die negativen Auswirkungen der Dienstleistungsarbeit zu verringern. Möglichkeiten des Kontrollgewinns und - erhalts können in die spezifischen Dienstleistungssituationen integriert werden.

Dies könnte zum Beispiel geschehen, indem überflüssig strenge Display Rules und Verhaltensanweisungen durch die Organisationen vermieden werden und den Angestellten mehr Handlungsspielraum überlassen wird. Die allgemeinen sozialen Normen sind sicher eine ausreichende Basis für die konfliktfreie Abwicklung einer Dienstleistungsbeziehung. Dies führt eventuell auch zu einem respektvolleren Umgang miteinander, da der Dienstleistende vom Bedienten nicht mehr als Marionette der Organisation sondern als gleichberechtigter Partner angesehen wird. Darüber würden dann weitere negative Effekte vermieden.

So könnten stressbedingte Erkrankungen, wie z.B. das Burnout-Syndrom in Dienstleistungsberufen langfristig reduziert werden. Davon profitieren schließlich die einzelnen Serviceorganisationen, da der Krankenstand geringer und die Produktivität der Angestellten erhöht werden wird.

6. Literaturverzeichnis

Abraham, R. (1998). Emotional Dissonance in Organizations: Antecedents, Consequences and Moderators. Genetic, Social, and General Psychology Monographs, 124, 229 - 246 [zitiert nach Zapf, 1999]

Goffman, E. (1959). The Presentation of Self in Everyday Life. New York: Doubleday Anchor. [zitiert nach Zapf, 1999]

Karasek, R. A., Jr. (1979). Job Demands, Job Decision Latitude, and Mental

Strain: Implications for Job Redesign. Administrative Science Quarterly, 24, 285- 310. [zitiert nach Singh, 2000]

Mennerick, L.A. (1974). Client Typologies. A Method of Coping with Conflict in the Service-Worker-Client-Relationship. Sociology of Work and Occupations, 1, 396 - 418 [zitiert nach Nerdinger, 1994]

Morris, J.A. & Feldman, D.C. (1997). Managing Emotions in the Workplace. Journal of Managerial Issues, 9, 257 - 274. [zitiert nach Zapf, 1999]

Nerdinger, F. W. (1994). Zur Psychologie der Dienstleistung. Stuttgart: SchäferPoeschel.

Rafaeli, A. (1989). When Cashiers meet Customers: An Analysis of the Role of Supermarket Cashiers. Academy of Management Journal, 32, No.2,245-273.

Seifert, C., Mertini, H. & Zapf, D. (1999). Emotionsarbeit in der Hotelbranche

(Emotion Work in the Hotel Sector). Arbeit erstellt für die Berufsgenossenschaft Nahrung. Mannheim: BGN. [zitiert nach Zapf, 1999]

Seligman, M.E. (1975). Helplessness: On Depression, Development and Death. San Francisco: Freeman. [zitiert nach Nerdinger, 1994]

Singh, J. (2000). Performance Productivity and Quality of Frontline Employees in Service Organizations. Journal of Marketing, 64, 15-35.

Zapf, D. (1999). Emotion Work and Well - Being. A Review of the Literature and Some Conceptual Considerations. Unveröffentlichtes Manuskript. Frankfurt (M): Goethe-Universität.

Zapf, D., Vogt, C., Seifert, C., Mertini, H. & Isic, A. (1999). Emotion Work as a Source of Stress. The Concept and Development of an Instrument. European Journal of Work and Organizationla Psychology, 8, 371 - 400. [zitiert nach Zapf, 1999]

[...]


Häufig gestellte Fragen zu "Kontrolle im Dienstleistungsbereich"

Was ist das zentrale Thema des Textes?

Der Text befasst sich mit dem Konzept der Kontrolle im Dienstleistungsbereich, insbesondere wie Dienstleistende und Bediente (Kunden, Gäste, Patienten usw.) Kontrolle ausüben und wahrnehmen, und welche Auswirkungen dies auf Arbeitsbedingungen und Wohlbefinden hat.

Welche Arten von Kontrolle werden unterschieden?

Es werden zwei grundlegende Arten von Kontrolle differenziert: Verhaltenskontrolle (Beeinflussung einer Situation durch eigenes Verhalten) und kognitive Kontrolle (retrospektive Erklärung und Vorhersagbarkeit von Ereignissen).

Was versteht man unter Verhaltenskontrolle im Dienstleistungsbereich?

Verhaltenskontrolle bezieht sich auf die Steuerung und Beeinflussung der Bedienten durch den Dienstleistenden, um einen reibungslosen Ablauf der Dienstleistung zu gewährleisten. Aber auch der Bediente strebt nach Verhaltenskontrolle.

Was ist kognitive Kontrolle?

Kognitive Kontrolle beschreibt zum einen die retrospektive Erklärung und zum anderen die Vorhersagbarkeit von Ereignissen. Sie hilft, negative Erfahrungen zu verarbeiten und die prospektive Verhaltenskontrolle durch Antizipation von Situationen zu ermöglichen.

Welche Strategien nutzen Dienstleistende, um Kontrolle zu gewinnen oder zu erhalten?

Der Text nennt Strategien wie das Ignorieren des Kunden, Zurückweisen von Kontrollversuchen, Reagieren auf Kontrollversuche und Einbinden des Kunden in den Ablauf. Diese reichen von passiv bis proaktiv.

Wie beeinflusst die Organisation die Kontrolle der Dienstleistenden?

Organisationen üben Verhaltenskontrolle durch Ablaufpläne, die vorschreiben, wie die Interaktion mit dem Bedienten stattfinden soll, und durch "Display Rules", die festlegen, welche Emotionen gezeigt werden sollen.

Was sind "Display Rules"?

Display Rules sind Regeln, welche Art von Gefühlen ein Dienstleistender gegenüber einem Bedienten zeigen soll. Das bewusste zur Schau stellen von bestimmten Emotionen ist also ein Teil der Arbeit von Dienstleistenden, der von der Organisation gefordert wird.

Welche Auswirkungen hat Kontrolle auf andere Arbeitsfaktoren?

Studien zeigen eine negative Korrelation zwischen Kontrolle und emotionaler Dissonanz sowie positive Zusammenhänge zwischen Aufgabenkontrolle und Wohlbefinden. Hohe Kontrolle reduziert Burnout-Tendenzen und Kündigungswünsche.

Was ist emotionale Dissonanz und wie hängt sie mit Kontrolle zusammen?

Emotionale Dissonanz entsteht, wenn Emotionen gezeigt werden müssen, die den tatsächlich empfundenen Gefühlen widersprechen. Mangelnde Kontrolle über die Anpassung der gezeigten Emotionen an die eigene Persönlichkeit verstärkt emotionale Dissonanz.

Welche Rolle spielt die soziale Unterstützung durch Vorgesetzte?

Die soziale Unterstützung durch Vorgesetzte hat laut einer Studie keine direkten Auswirkungen auf den Stress der Dienstleistenden, während die Aufgabenkontrolle einen signifikanten Einfluss auf das Stressempfinden und die -bewältigung hat.

Was ist die Schlussfolgerung des Textes?

Kontrolle über die Arbeitsbedingungen ist ein entscheidender Faktor für das Wohlbefinden von Dienstleistenden, und die Arbeits- und Organisationspsychologie sollte Dienstleistungsberufe als eigenständigen Forschungsbereich betrachten.

Welche Implikationen hat das für Unternehmen im Dienstleistungsbereich?

Unternehmen sollten Wege finden, die negativen Auswirkungen der Dienstleistungsarbeit zu verringern, indem sie Möglichkeiten des Kontrollgewinns und -erhalts in die spezifischen Dienstleistungssituationen integrieren. Weniger starre Regeln und mehr Handlungsspielraum für Angestellte könnten positive Auswirkungen haben.

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Details

Titel
Kontrolle in Dienstleistungsbeziehungen - Der Kampf um Selbstbestimmung
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Veranstaltung
Handlungsregulation in Organisationen
Autor
Katharina S. (Autor:in)
Erscheinungsjahr
2001
Seiten
12
Katalognummer
V104233
ISBN (eBook)
9783640025886
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kontrolle Dienstleistungsbeziehungen Kampf Selbstbestimmung Handlungsregulation Organisationen
Produktsicherheit
GRIN Publishing GmbH
Arbeit zitieren
Katharina S. (Autor:in), 2001, Kontrolle in Dienstleistungsbeziehungen - Der Kampf um Selbstbestimmung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104233
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