Der heilige Sebastian von Gianlorenzo Bernini und die römische Skulptur in der Epoche des Barock


Seminararbeit, 2018

26 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Das Leben von Gianlorenzo Bernini

3. Legende und Entwicklung der Darstellung des Heiligen Sebastian

4. Die Skulptur des heiligen Sebastian von Gianlorenzo Bernini

5. Die römische Skulptur in der Epoche des Barock

6. Schlusswort

7. Bibliographie

8. Abbildungsnachweis

9. Abbildungen

1. Einleitung

Gianlorenzo Bernini (1598-1680) hat die Entwicklung der barocken Skulptur Roms maßgeblich geprägt. Er war zu Beginn der Schüler seines Vaters Pietro Bernini und viel schon in seinen jungen Jahren vielen Förderern und Mäzenen auf. Er verwirklichte Aufträge für nicht weniger als acht Päpste.

In seinen Arbeiten werden Architektur und Skulptur in einem theatralischen Einklang und auch dramatischen Harmonie vereint und der Betrachter wird in die Komposition miteinberechnet. Seine Skulpturen und architektonischen Werke zählen auch heute noch zu den herausragendsten Werken des Barocks des päpstlichen Roms.

In dieser Arbeit werde ich vor allem auf den Beginn seiner Karriere eingehen mit einem seiner frühsten skulpturalen Werke, der Figur des Hl. Sebastian. Aber natürlich ist an dieser Skulptur nicht nur sein künstlerisches Talent erkennbar, sondern auch seine Gabe ganze Geschichten oder mehrere Szenen in einer einzelnen Figur so zu schildern, dass man auf Anhieb erkennt, um was beziehungsweise um wen es sich dabei handelt. Aufgrund seiner einzigartigen Kunstauffassung entwickelt er eine neue Form der Skulptur, die auch in seinen Frühwerken spürbar ist, obwohl sie noch stark von den Arbeiten seines Vaters beeinflusst ist.

2. Das Leben von Gianlorenzo Bernini

Gianlorenzo Bernini (Abb. 2) wurde am 7. Dezember 1598 in Neapel als Sohn des florentinischen Bildhauer Pietro Bernini (1562-1629) und der Neapolitanerin Angelica Galante geboren. Zusammen mit seinem Vater zog Gianlorenzo Bernini im Jahr 1605 nach Rom. Er wuchs in der Werkstatt seines Vaters auf.1

Bereits im Alter von 20 Jahren erregte Bernini durch sein künstlerisches Talent und meisterhaftes Können die Aufmerksamkeit große Kunstmäzene, unter anderem die des Papstes und auch Kardinals Scipione Borghese (1576-1671). Für diesen schuf er zwischen 1618 und 1625 vier Skulpturen, die später zu seinen berühmtesten Werken gehören sollten, die Borghese-Figuren.

In denselben Jahren begann er in päpstlichen Aufträgen zu arbeiten. Er arbeitet für nicht weniger als acht Päpste. Er schuf unter anderem den Baldachin des Hochaltars von St. Peter (1623), den Vorplatz der Kirche St. Peter (1654-1667) und auch den Vierströmebrunnen (1648-1651) auf der Piazza Navona in Rom. Er veränderte das Aussehen eines Grabmals grundlegend und schuf mit seinen Grabmälern von Papst Urban VIII. und Papst Alexander VII. etwas Neues. Bernini selbst befand das Werk in der Cornaro Kapelle (1644-1652), die Verzückung der Hl. Theresa, als sein Meisterwerk.

Im Jahr 1639 vermählte er sich mit Caterina Tezio. Mit ihr bekam er insgesamt elf Kinder, fünf Söhne und sechs Töchter.

Im Jahr 1665 folgte Bernini dem Ruf des Königs Ludwigs XIV nach Paris, um am Neubau des Louvre in Paris mitzuarbeiten und Pläne vorzulegen. Claude Perrault wurde ihm aber vorgezogen, da seine Pläne zu „italienisch“ wären.

Am 28. November 1680 verstarb Bernini und wurde in seinem Familiengrab in der Kirche Santa Maria Maggiore in Rom beerdigt.2 3

3. Legende und Entwicklung der Darstellung des Heiligen Sebastian

Der heilige Sebastian ist eine wichtige Figur der Heiligen und spielt auch eine zentrale Rolle in der frühen christlichen Religion. Er ist neben Petrus und Paulus der dritte Schutzpatron von Rom.4

Er ist ein besonderer Heiliger, da er nicht nur aufgrund seines Glaubens starb, sondere auch aufgrund seines sozialen Handelns. Das Buch „Legenda Aurea“ liefert viele Informationen zu seinem Leben.5 Die Legenda Aurea war das im Mittelalter meist verbreitete Volksbuch mir religiösem Inhalt. Es entstand in den Jahren zwischen 1236 und 1273 und wurde von Erzbischof von Genau Jacobus de Voragine verfasst. Das Buch war beliebter und wurde öfter gelesen als die Bibel. Es enthält eine Sammlung von Heiligenlegenden und deren Lebensgeschichten, unter anderem auch die des heiligen Sebastian.6

Wann und wo genau Sebastian geboren wurde ist unklar. Laut Legenda Aurea kam er aus der südfranzösischen Stadt Narbonne. Er war Hauptmann in der kaiserlichen Wache unter Kaiser Diokletian. Er war Christ, was er aber verheimlichen musste, da die christliche Religion noch nicht anerkannt war. Aber dank seiner Stellung konnte er gefangenen Christen helfen und beistehen. Zudem bekehrte er Personen und veranlasst auch die Beerdigung von Märtyrern.

Kaiser Diokletian ließ ihn an einen Baum binden und von Bogenschützen erschießen, als er von Sebastians Glaubensrichtung erfuhr. Man hielt ihn für tot und ließ ihn am Hinrichtungsort liegen. Er war aber nicht tot. Die Witwe Irene fand ihn und pflegte ihn gesund.7

Nach seiner Genesung erschien er dem Kaiser öffentlich und klagte seine Grausamkeit und die Christenverfolgung an. Kaiser Diokletian gab darauf den Befehlt ihn in einem Hippodrom zu Tode zu peitschen und ihn in einen Abwasserkanal zu werfen. Sebastian erschien daraufhin einer Christin im Traum und verriet ihr seinen Aufenthaltsort. Diese barg seinen Leichnam und sorgte für seine Bestattung in der Via Appia, an der Stell an der sich heute die nach ihm benannten Katakomben befinden und die Kirche San Sebastiano fuori le mura, die schon im 4. Jahrhundert errichtet wurde. Das Jahr seines Martyriums war 288 n. Chr.8

Zu Beginn wurde der heilige Sebastian nur an vereinzelten Orten verehrt, dazu gehörten Nordafrika, Spanien und Ravenna. Als um 680 in Rom das Ende einer Pestepidemie dem Herumtragen seiner Gebeine durch die Straßen zugeschrieben wurde, verstärkte sich die Verehrung rasch. Deshalb ist der heilige Sebastian nicht nur der Patron der Bogenschützen und Soldaten, sondern es wird auch gegen Seuchen zu ihm gebetet.

Erste Darstellungen findet man in Mosaiken in Ravenna aus dem 5. und 6. Jahrhundert, die den heiligen Sebastian noch als bekleideten älteren Mann mit grauen Haaren und Bart mit dem Märtyrersiegeskranz zeigen und bis ins 15. Jahrhundert hält diese Darstellungsweise. Leider ist aus dem 5. und 6. Jahrhundert nicht mehr viel erhalten, ein passendes Beispiel für den noch nicht idealisierten Sebastian gibt der die linke Tafel des geschlossenen Polyptychons des Isenheimer Altars (Abb. 3) von Mathias Grünewald (1470-1528) von 1512-1516, die den heiligen Sebastian noch in alter Tradition darstellt.

Im Laufe der Zeit ändert sich die Darstellung jedoch und nun wird er meist nur noch in der Szene seines Martyriums an den Baum gefesselt und mit Pfeilen durchbohrt gezeigt.9

In den Jahrzehnten zwischen 1450 und 1500 verändert sich die Darstellungsform des heiligen Sebastian sehr, vor allem in Italien. Es entwickelt sie die Form der schönen und jungen Aktfigur des Sebastian. Der Typus der idealisierten Schönheit entspricht den Normen der Renaissance und so auch der Antike. Auch wird Sebastian nicht mehr schmerzgepeinigt dargestellt, sondern zunehmend losgelöst von dem physischen Leiden, wie in Sandro Botticellis (1445-1510) heiligen Sebastian (Abb. 4) von 1474 oder der heilige Sebastian (Abb. 5) von Antonello de Messina (1430-1479) von 1476.10

Es wird selten die Szene seiner Geißelung oder Erschlagung gezeigt. Also wird nicht der kurze endgültige Tod als sein wahres Martyrium angesehen, sondern das andauernde Leiden seiner Erschießung.

Diese Schönheit und die Jugendlichkeit sollen nicht nur seine schöne Seele präsentieren, sondern auch eine Verbindung und zugleich auch Ähnlichkeit zu Christus aufzeigen.11

Als Höhepunkt dieser verjüngenden Entwicklung kann man wohl den heiligen Sebastian (Abb. 6) von Pietro Perugino (1448-1523) von 1498 nennen. Wenn man dieses Werk bis dahin entstandenen gegenüberstellt, wie dem Polyptychon des Martyriums des heiligen Sebastian (Abb. 7) von Giovanni del Biondo von 1380-1390, erkennt man die starke Idealisierung von Perugino. Man sieht nur einen schönen Jüngling ohne Zeichen jegliches Leidens. Nur zwei Pfeile sind zu erkennen. Bei Biondos Sebastian ist das ganz anders. Dort erkennt man einen leidenden Mann mit fahler Haut und mit sehr vielen Pfeilen im Körper.12

Gianlorenzo Berninis heiliger Sebastian (Abb. 1) aus dem 17. Jahrhundert ist eine Mischung aus beidem, er ist jung und schön, aber er leidet auch.

4. Die Skulptur des heiligen Sebastian

Es gibt eine Liste von Berninis Arbeiten, die unter seiner direkten Aufsicht entstand und später vom italienischen Künstlers und Kunsttheoretiker Filippo Baldinucci (1624-1697) in seinem Buch zum Leben von Gianlorenzo Bernini veröffentlicht wurde. In dieser Auflistung kommt der heilige Sebastian nach den Skulpturengruppen der Villa auf dem Pinciohügel. Der heilige Sebastian wird also noch mit seinem Haushalt und seiner Barberini-Periode in Verbindung gebracht. Darauf folgten die Borghese-Phase und die Strozzi-Zeit.

Anfangs wurde die Skulptur Pietro Bernini zugeschrieben und auf das Jahr 1625 geschätzt, zu Beginn des Pontifikats von Urban VIII, trotz Baldinuccis eindeutig gegenteiligen Beweis. Diese späte Chronologie wurde dem britisch-US-amerikanischen Kunsthistoriker Rudolf Wittkower (1901-1971) in Frage gestellt, der ein Datum von etwa 1617-18 befürwortete. Eine Ansicht, die 1998 durch die Veröffentlichung eines Dokuments vom 29. Dezember 1617 bestätigt wurde, in der sich ein Zahlungsauftrag zur Statue befindet.

Im Jahr 1968 stellte der amerikanische Historiker Irving Lavin (1927) die Hypothese auf, dass der Marmorblock für den heiligen Sebastian derselbe war, den Nicolas Cordier für die Barberini-Kapelle in St. Andrea della Valle als Johannes den Täufer zu formen begonnen hatte. Als Cordier 1612 starb, bekam ihn Pietro Bernini für den heiligen Johannes den Täufer, den er für die gleiche Kapelle neu schnitzen sollte und 1616 vollendete.

Um 1616 haben Pietro und Gianlorenzo Bernini Maffeo Barberini (1598-1644), später Papst Urban VIII, vorgeschlagen, eine weitere Statue in die Altarnische der Barberini-Kapelle in der Kirche San Andrea della Valle zu platzieren, die den heiligen Sebastian mit Pfeilen darstellt. So bekam Gianlorenzo den Auftrag für den heiligen Sebastian. Sie wurde aber nie dort aufgestellt.

Es ist sicher, dass der Marmor am 28. Juni 1628 von Carlo Barberini in den Palazzo alle Quattro Fontane geschickt wurde, wo er in die Sammlung seines Sohnes Francesco Barberini gelangte. Heute befindet er sich in einer privaten Sammlung und ist zurzeit ausgestellt im Museum Thyssen-Bornemisza in Madrid. Das Werk wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Recht restauriert.13

Sie ist eines der Frühwerke des Künstlers Gianlorenzo Bernini und wurde zwischen 1616 und 1617 geschaffen. Sie ist nicht lebensgroß. Ihr Maße sind: 98,8x42x49 cm. Diese Figur wird als die früheste vollständige barocke Skulptur beschrieben und ist sicherlich Berninis erstes vollständiges autonomes Werk, das keine nennenswerte Verbindung zum Stil seines Vaters Pietro aufweist.14

Der heilige Sebastian sitzt auf einem schmalen Felsen und ist an den sich dahinter befindenden Baumstumpf gelehnt. Sein Kopf ist nach hinten gefallen. Die Augen sind ein bisschen geöffnet, aber man erkennt keine Pupille, und der Mund ist ein bisschen geöffnet. Ansonsten wirken seine Gesichtszüge regungslos. Er scheint das Leiden wiederstandlos zu ertragen, was auch seine Körperhaltung wiederspiegelt, die energielos erscheint. Sein rechter Arm ist über einen waagerecht herausschauenden Ast gefesselt, der im rechten Winkel zum Stamm des Baumes steht. Es scheint fast so als würde nur diese Fessel verhindern, dass er vom Felsen rutscht. Seine linke Hand liegt schlapp auf seinem Oberschenkel mit der Handinnenseite nach oben und in seiner linken Seite, direkt ober dem Arm, steckt ein Pfeil. Einen weiteren erkennt man direkt unter seiner rechten Achselhöhle. Seine Lenden sind nur von einem kleinen Stückchen Stoff bedeckt.15 Seine Füße sind in einer kontrapostähnlichen Stellung arrangiert. Hinter seinem linken Fuß und vor seinem rechten erkennt man Pfeile, die überkreuzt daliegen und ähnlich fungieren wie Beigaben einer antiken Statue. Er wirkt nicht von Schmerz erfüllt, sondern stark ermattet, aber noch am Leben.16

Bernini schließt sich der Darstellungsweise der schönen Jünglings an und konzipiert seinen Sebastian mit idealisierter und anmutiger Schönheit. Der Körper ist anatomisch korrekt und vor allem die Muskulatur zeichnet sich schön ab. Er entspricht vollends dem klassischen Ideal der Schönheit. Der Körper ist muskulös und schlank und das Gesicht schön. Zudem lässt Berninis besonders feine Oberflächenbehandlung des Steines die Skulptur von innen heraus lebendig erschienen.17

Er ist als Sitzfigur konzipiert. Rudolf Wittkower erstellte die Hypothese, dass das mit dem ursprünglichen Aufstellungsort zusammenhinge, da sie für die Barberini-Kapelle in der Kirche San Andrea della Valle vorgesehen war. Bernini hätte sich an die schon vorhanden vier Figuren der seitlichen Nischen orientieren müssen. Das waren alles Sitzfiguren, in denen sich der sitzende heilige Sebastian passend einreiht.18

Wenn man den Sebastian mit zwei solchen Figuren vergleicht, der Maria Magdalena (Abb. 9) von Cristoforo Stati (1556-1619) oder dem Johannes den Täufer (Abb. 10) von Pietro Bernini, erkennt man, dass der Unterschied größer nicht sein könnte. Beide sind umringt von vielen Attributen und Beigaben, die den Heiligen sofort erkennt lassen. Die Skulptur des Sebastian jedoch umgibt nichts, das von der Figur selbst ablenken könnte. Gianlorenzo Bernini konzentriert sich viel mehr auf die Figur selbst und das Sterben durch die Pfeile. Der Baum und der Felsen auf denen er sitzt sind als landschaftlicher Hintergrund zu verstehen, der die Darstellung auch abgrenzt.19

Durch die Weise wie Bernini seinen Sebastian sitzen lässt, kann man ein Vorbild der Körperhaltung erkennen. Nämlich Lorenzo Giovanni di Ludovico (1490-1541), auch Lorenzetto genannt, Skulptur des Jonas (Abb. 11) von 1522-1527, die sich in der Chigi-Kapelle in der Kirche S. Maria del Popolo befindet. Diese Skulptur wurde von Raffael Santi (1483-1520) entworfen. Beide Skulpturen lassen eine Antikenannäherung erkennen.

Der Typus des sitzenden Sebastian war auch in der Malerei ein nicht ganz selten gesehenes Motiv. Es gibt schon Beispiele aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts in Mittelitalien von einer sitzenden Darstellung des heiligen Sebastian, der wahrscheinlich auch Bernini bekannt gewesen war. Nämlich der hl. Sebastian (Abb. 12) von Giovanni Baglione (1571-1643) von 1601. Vorher war der Typus Sebastian als Aktfigur stehend vor einer Säule oder einem Baum vorherrschend. Man muss sich aber vor Augen führen, dass der stehende Märtyrer, wie er bis jetzt bevorzugt war, den Eindruck hinterlässt, dass er das Martyrium übersteht. Hingegen der sitzende Heilige kann viel besser die Erschöpfung und den sich nähernden Tod zeigen, wie es beim Sebastian von Bernini der Fall ist.20

Leon Battista Alberti (1404-1472) erklärt in seinem Malereitraktat de picutra, wie schwierig es sei einen toten Körper darzustellen. Am heiligen Sebastian von Bernini erkennt man gut, den Schwebezustand zwischen Tod und Leben. Der herabgesunkene Körper oder der nach hinten gefallenen Kopf zeigen meisterhaft den Nahen Tod. Dem dagegen steht die Muskulatur des linken Beines und auch der Brust und des Bauchbereichs. Sie zeigt, dass noch Leben in seinem Körper steckt. Bernini schafft diese künstlerische Herausforderung und lässt seine Skulptur leblos erschienen aber zugleich doch nicht leblos.21

Einige Kunsthistoriker sind der Meinung, der heilige Sebastian hat einen Gesichtsausdruck wie der sterbende Christus. Es gibt also eine Ähnlichkeit zwischen der Passion Christi und dem sterbenden Sebastian. Das erkennt man gut an der Beweinung Christie (Abb. 14) von Annibale Carracci (1560-1609) von 1606.

Zudem weist der Berninis gefesselter Sebastian eine Ähnlichkeit mit dem gegeißelten Christus auf. Dafür sind Abrecht Dürers (1471-1528) Kupferstich der Geißelung Christi (Abb. 15) und sein Kupferstich des heiligen Sebastian (Abb. 16) gute Beispiele. Es gibt noch zahleiche weitere Beispiele für die Verbindung zwischen Sebastian und Christus. Bernini erreicht mit der Aktfigur des Sebastian die Ähnlichkeit mir Christus und mit dieser Ähnlichkeit zum Passionstypus erhält Sebastian auch einen sakralen Wesenszug.

Der Barberinische Faun (Abb. 17) von 220 v. Chr. lässt sich als Vorbild des Sebastian aufführen. Bernini bekam den Auftrag von Maffeo Barberini diese hellenistische Skulptur in seiner Werkstatt zu restaurieren. Bernini ergänze nicht nur die fehlenden Teile, sondern versuchte auch einen barocken Touch in die Figur zu bringen. Man erkennt gut wie er ihm als Vorbild für den Sebastian gedient hat. Die Haltung des Kopfes, die des umwickelten Armes oder auch der Felsen und vieles mehr findet man auch beim heiligen Sebastian.22

Wenn man ein weiteres plastisches Vorbilde für die Darstellung des heiligen Sebastian finden will, braucht man auch nicht lange suchen. Bernini setzte sich mit Michelangelos Pietá (Abb. 18) von 1498-1499 auseinander und verarbeitete dies auch in seinem Sebastian. Es gibt mehrere Ansatzpunkte an denen die Verwandtschaft spürbar ist. Abgesehen von der ähnlichen Proportionierung der Skulptur auch die bildhauerischen Feinheiten der Arbeit, die Bernini meisterhaft beherrschte. Wenn man Michelangelos Pietá genau von oben, also aus der Vogelperspektive betrachtet erscheint Berninis Sebastian wie eine vertikale Fassung der Christusfigur.23 Zudem weisen Haare des Sebastian mit den bis in den Nacken fallenden und in der Mitte gescheitelten Locken sowie der Schnurrbart mit dem nicht sehr dichten Kinn- und Backenbart greifen unübersehbar auf die Pietá hin.24

[...]


1 Vgl. Dr. Ernst Benkard, Meister der Plastik. Giovanni Lorenzo Bernini, Frankfurt am Main 1926, 3.

2 Vgl. Rudolf Wittkower, Gian Lorenzo Bernini. The Sculptor of the Roman Baroque, London 1955, 46-47.

3 Vgl. O.A. Ein Leben für Rom. Gianlorenzo Bernini, in: GEO Epochen Edition 11 (04/2015), URL: https://www.geo.de/magazine/geo-epoche-edition/1067-rtkl-ein-leben-fuer-rom-gianlorenzo-bernini [15.02.2018]

4 Vgl. Sebastian Schütze, Kardinal Maffeo Barberini und die Entstehung des römischen Hochbarock, München 2007, 208.

5 Vgl. Jakob Hartmann, Erotik des Leids: Heiliger Sebastian. Eine Ikonographie frühbürgerlicher Subjektbildung, in: NEUE kunstwissenschaftliche forschungen 1 (10/2014), 67-79, bes. 67, URL: http://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/nkf/article/viewFile/16745/10646 [17.02.2018]

6 Vgl. Joachim Schäfer, „Legenda Aurea“, in: Joachim Schäfer (Hg.), Okumenisches Heiligenlexion, URL: https://www.heiligenlexikon.de/Legenda_Aurea/Legenda_Aurea.htm [17.02.2018]

7 Hartmann 2014 (wie Anm. 5), 67.

8 Vgl. Joachim Schäfer, Sebastian, in: Joachim Schäfer (Hg.), Okumenisches Heiligenlexion, URL: https://www.heiligenlexikon.de/BiographienS/Sebastian.htm [16.02.2018]

9 Vgl. Schäfer 2016 (wie Anm. 8).

10 Vgl. Hartmann 2014 (wie Anm. 5), 68-70.

11 Vgl. Schütze 2007 (wie Anm. 5), 213.

12 Vgl. Hartmann 2014 (wie Anm. 5), 68ff.

13 Vgl. Andrea Bacchi, Gian Lorenzo Bernini. Saint Sebastian, in: Andrea Bacchi/Anna Coliva (Hg.), Bernini, Ausstellungskatalog, Galleria Borghese Rom, Rom 2017, 42.

14 Vgl. ebd., 42.

15 Vgl. Schütze 2007 (wie Anm. 5), 211.

16 Vgl. Hans Kaufmann, Giovanni Lorenzo Bernini. Die figürliche Komposition, Berlin 1970, 25f.

17 Vgl. Schütze 2007 (wie Anm. 5), 216.

18 Vgl. Kaufmann 1970 (wie Anm. 17), 26f.

19 Vgl. ebd., 26f.

20 Vgl. ebd., 27f.

21 Vgl. Schütze 2007 (wie Anm. 5), 211ff.

22 Vgl. Kaufmann 1970 (wie Anm. 15), 27f.

23 Vgl. Schütze 2007 (wie Anm. 5), 220f.

24 Vgl. Kaufmann 1970 (wie Anm. 15), 27f.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Der heilige Sebastian von Gianlorenzo Bernini und die römische Skulptur in der Epoche des Barock
Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Note
1,00
Autor
Jahr
2018
Seiten
26
Katalognummer
V1042879
ISBN (eBook)
9783346466105
ISBN (Buch)
9783346466112
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sebastian, gianlorenzo, bernini, skulptur, epoche, barock
Arbeit zitieren
Anna Gallmetzer (Autor:in), 2018, Der heilige Sebastian von Gianlorenzo Bernini und die römische Skulptur in der Epoche des Barock, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1042879

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