Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Geschichtliche Hintergründe
2.1 Die Biographie Kaiserin Elisabeths
2.2 Die ungarische Nationaltracht als Hofkleidung
2.3 Bedeutungsebenen der Tracht
3. Tracht als Ausdrucksmittel am Beispiel Elisabeths
3.1 Kollektive Zugehörigkeit und Repräsentation
3.2 Provokation und Abgrenzung
3.3 Identität und Individualisierung
3.4 Selbst-Inszenierung und Unterhaltungswert
4. Schlusswort
5. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
»Da kommt er [Majláth] als Lehrer in das Haus, und plötzlich strömt in das so aufnahmsfähige Herz der jungen Kaiserbraut Majláths ganze poetische Welt, die eine rein ungarische ist. Das Singen und Sagen von Liebe, Lust und Leid, von der Begeisterung und dem nationalen Stolz des ungarischen Volkes. Und sie horcht auf bei dieser für sie ganz neuen Weise. Das Ritterliche, das in jedem Ungarn lebt, den Mut und die Kraft dieses schneidigen Reitervolkes malt ihr Majláth in glühenden Farben aus. Sie hat noch kaum einen anderen Ungarn gesehen und das Land nicht betreten, da durchglüht sie schon das gleiche Gefühl, das diesen feurigen Patrioten durchpulst.«1
Trotz seiner Loyalität für die Wiener Regierung trägt der ungarische Lehrer Johann Mailáth seiner Schülerin Elisabeth, der zukünftigen Königin von Ungarn, die österreichische Geschichte im ungarischen Sinne vor. Diese Unterrichtsstunden im Kreise der herzoglichen Familie in Bayern dürften bei der 15-Jährigen die Basis für ihre spätere politische Anschauung gelegt haben und sind in ihrer Bedeutung kaum zu unterschätzen. Obgleich sie sich überwiegend aus der Politik heraushält, macht Elisabeth doch eine Ausnahme, als es um Ungarn geht: 1867 ist ihr Einfluss entscheidend für den »Ausgleich« zwischen Österreich und Ungarn, dessen Höhepunkt die Königskrönung in Budapest darstellt.
Elisabeths Begeisterung für Ungarn spiegelt sich auch in ihrer Garderobe wider: Zeitlebens trägt sie zu besonderen Anlässen ungarische Nationaltracht und setzt damit eindeutige Zeichen. An ihrem Beispiel lassen sich auch heute – in einer Zeit, da »Tracht« nicht nur bei den Besuchern des Münchner Oktoberfestes eine neue Konjunktur erlebt – die unterschiedlichen Bedeutungs- und Ausdrucksebenen des Tragens von Tracht allgemein beleuchten.
Nach einem knappen historischen Überblick über die ungarische Nationaltracht als Hofkleidung sollen im Folgenden die zeitlosen Aspekte des Tragens von Tracht anhand biographischer Aspekte aus dem Leben Elisabeths betrachtet werden. Die dabei herauskristallisierten zentralen Motive erscheinen auf den ersten Blick widersprüchlich – in einem Wechselspiel zwischen Aspekten wie Tradition, Repräsentation, Kollektiv, Uniformität und nationaler Zugehörigkeit; zwischen Symbol, Stereotyp und Unterhaltung auf der einen, Individualisierung und Abgrenzung, Selbstinszenierung und Provokation auf der anderen Seite. Es wird dabei deutlich erkennbar, dass es beim Tragen von Tracht stets um Konzepte der Repräsentation und der Identitätsbildung geht, deren Grenzen häufig schwer greifbar und ineinander verschwommen bleiben.
2. Geschichtliche Hintergründe
Sich zu offiziellen Anlässen oder auf Bildnissen in ungarischer Nationaltracht zu präsentieren, darf keineswegs nur als Eigenart Elisabeths betrachtet werden. Vielmehr handelt es sich dabei seit dem 17. Jahrhundert um eine Tradition unter den Herrschern des Hauses Habsburg, deren Entwicklung im Folgenden skizziert werden soll. Eine Beschreibung der Merkmale dieser Tracht verdeutlicht, dass es sich dabei nicht um die klassische ungarische Volkstracht, mit typischen Elementen wie Mieder, Schnürung oder Haube2, sondern um eine Sonderform handelt, die als politisches Ausdrucksmittel verstanden werden muss und einer Uniformierung bzw. Kostümierung nahekommen kann. In Bezug auf Elisabeth soll des Weiteren die historische Abwandlung der ungarischen Nationaltracht hin zur weiblichen Variante dieser Bekleidungsform erläutert werden. Dass das Tragen von Tracht für Elisabeth mehr ist als Tradition oder modisches Statement, soll anhand ihrer Biografie in den folgenden Kapiteln deutlich werden.
2.1 Die Biographie Kaiserin Elisabeths
Elisabeth Amalie Eugenie wird am 24.12.1837 in München, als Tochter von Herzog Max und Herzogin Ludovika in Bayern, geboren. Sie verbringt eine unbeschwerte Kindheit in München sowie im Sommersitz der Familie in Possenhofen am Starnberger See. Nach der Verlobung mit Kaiser Franz Joseph 1853 in Bad Ischl, findet am 24. April 1854 die Hochzeit in Wien statt. Elisabeth bringt vier Kinder zur Welt. Tochter Sophie verstirbt zweijährig während einer Ungarnreise. Im selben Jahr erblickt Tochter Gisela das Licht der Welt, 1858 der Thronfolger Kronprinz Rudolf. An ihren Kindern und deren Erziehung zeigt Elisabeth nach dem Tod der ersten Tochter nur noch wenig Interesse, mit Ausnahme von Marie Valerie, die sie gerne als »Die Einzige« bezeichnet. Aufgrund ihrer schlechten gesundheitlichen Verfassung verbringt Elisabeth ab 1860 längere Kuraufenthalte, u.a. auf Madeira, Korfu und in Venedig. Diese ersten Reisen stellen den Beginn einer lebenslangen Odysee dar, die Elisabeth quer durch Europa und darüber hinaus führen soll, stets auf Distanz zu dem ungeliebten Wiener Hof und der Familie. Ihres Rufes als eine der schönsten Frauen ihrer Zeit ist sich Elisabeth durchaus bewusst. Sie betreibt einen regelrechten Schönheitskult, der u.a. extreme Diäten sowie an die Grenzen der Belastbarkeit stoßende Turnübungen umfasst. Neben den enormen Strapazen, die Elisabeth ihrem Körper zufügt und dem schlechten gesundheitlichen Zustand, leidet Elisabeth zeitlebens unter Melancholie, was sie in ihren zahlreichen, im Stile ihres Vorbilds Heinrich Heine verfassten Gedichten, zum Ausdruck bringt. Elisabeth hält sich zumeist aus der Politik heraus, macht aber eine Ausnahme bei Ungarn. Mit ihrer liberalen und freiheitsliebenden Einstellung setzt sie sich für die Gleichstellung Ungarns mit Österreich ein und gewinnt so die Zuneigung des ungarischen Volkes. 1867 werden Elisabeth und Franz Joseph zu König und Königin von Ungarn gekrönt. Nach der Erreichung des Kompromisses mit Ungarn zieht sich Elisabeth aus der Politik zurück; das einzige politische Engagement ihres Lebens ist erfolgreich. Ein Jahr später wird Elisabeths jüngste Tochter Marie Valerie geboren, die auch »das ungarische Kind« genannt wird. Einen besonders großen Schicksalsschlag erleidet Elisabeth 1889: Kronprinz Rudolf nimmt sich in Mayerling das Leben. Elisabeth trägt von diesem Tage an ausnahmslos schwarze Kleidung und zieht sich mehr denn je von ihren repräsentativen und familiären Pflichten zurück. Während eines Aufenthalts in Genf wird die 61-Jährige am 10. September 1898 von dem italienischen Anarchisten Luigi Lucheni auf offener Straße erstochen.
2.2 Die ungarische Nationaltracht als Hofkleidung
Die ungarische Hoftracht, u.a. bestehend aus einem kaftanartigen Leibrock und einem langen Mantel, entwickelt sich im 16. Jh. aus der traditionellen, asiatisch geprägten Husarenuniform und erlebt im 17. Jh. ihre Blütezeit.3 Als charakteristisches Gewand der ungarischen Husaren ist sie bei Rittertunieren, Umzügen und Feierlichkeiten sowie teilweise auch als modisches Kostüm für westeuropäische Kinder weit verbreitet. Zu dieser Zeit kommt ihr, als Ausdrucksform nationaler Identität, als Synonym für den Begriff und die Idee des »hungarus«, wie auch als Symbol des Zusammenhalts und der Solidarität, besondere Bedeutung zu.
Spätestens mit der Krönung Ferdinands III. im Jahre 1625 erlangt die Husarenuniform Verbindlichkeit als Kostüm des habsburgischen Thronfolgers in seiner Rolle als König von Ungarn.4 Erzherzog Matthias wird auf einem Kupferstich erstmals im kompletten ungarischen Krönungsornat abgebildet: mit Stephanskrone, Szepter, Reichsapfel und im Krönungsmantel des heiligen Stephan. Diese neue Darstellungsweise entspricht auch einem generellen, von der Krone eingeleiteten Trend zu einer stärkeren Sakralisierung und zeremoniellen Distanzierung des Herrschers. Anlässlich der Krönung Joseph I. im Jahre 1687 stößt die Thematik auf noch größere Resonanz, zumal der Wiener Hof, wie auch die süddeutschen Verlage, mit ihrer reichspatriotischen Kundschaft, nach der Niederschlagung des ungarischen Magnatenaufstandes und der Rückeroberung Budas aus osmanischer Hand, an aktuellen Darstellungen besonderes interessiert sind.5 Ab der zweiten Hälfte des 16. Jh. werden Männer in zeitgenössischen Darstellungen ausschließlich in ungarischer Tracht gezeigt. Der ungarische Adel trägt am Wiener Hof die als ureigen empfundene Landestracht, was letzten Endes dazu führt, dass auch der ungarische Herrscher, obgleich Habsburger, seinen Rang zunehmend durch seine Kleidung andeutet.6 Somit ist die ungarische Nationaltracht zwar als inoffizielle höfische Kleidung in Wien zugelassen, wird jedoch erst unter der Herrschaft Maria Theresias (1717-1780) offiziell gestattet. Die Herrscherin ist sich der Bedeutung und Wirkung der Nationaltracht bewusst und nutzt sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit, um die Ungarn für sich zu gewinnen. Maria Theresia geht dabei weit über die bloße Duldung des ungarischen Kleidungsstils hinaus: Nicht nur sie selbst bedient sich immer wieder dieser Garderobe und macht sie am Wiener Hof populär; vielmehr stattet sie die adelige ungarische Leibwache mit einer opulenten ungarischen Montur aus und kleidet ihre Kinder demonstrativ in dieser Aufmachung. Josef II. wird als Kind auf offiziellen Bildnissen häufig in ungarischer Tracht porträtiert – wohl auch, um seine Bedeutung als nächster ungarischer König hervorzuheben.7
Ab Mitte des 18. Jh. weist der Kleidungsstil ungarischer Männer vermehrt Einflüsse der europäischen Mode auf, was sich insbesondere an der Erscheinungsform des ungarischen, am Hof gebräuchlichen Festgewandes zeigt. Die Entwicklung der ungarischen Festkleidung wird dabei auch von der militärischen und der Husarenkleidung beeinflusst, zumal im 18. Jh. diese – gerade für Kavallerie geeignete, oft veränderte – Uniform europaweit populär wird.
Die Bekleidung der Frauen wird erst ab der zweiten Hälfte des 16. Jh. »hungarisiert«, was jedoch nicht die Übernahme osmanischer Bekleidungsformen bedeutet. Vielmehr kommt es zur Herausbildung einer lokalen Mode, einer Mischung unterschiedlichster Formen der deutsch-italienischen und spanischen Renaissance- bzw. Barockkleidung, die sich lediglich in weiblichen, nicht aber in männlichen Porträtdarstellungen zeigt. Dies könnte nahelegen, dass die Betonung des Nationalen überwiegend eine Frage des männlichen Geschmacks ist. Der Schnitt der Damenkleidung folgt zunehmend der französischen Mode – kombiniert mit geschnürten Taillen, Hemden mit weiten Ärmeln, Schürzen und weiten Röcken. Gemahlinnen der Herrscher tragen regelmäßig ungarische Festkleidung. Die ersten Gemälde Maria Theresias, nach der Krönung 1741, zeigen sie im ungarischen Krönungskleid, dessen prunkvolle Stickerei mit Perlen und Edelsteinen die traditionelle Verschnürung der Herrenkleidung abwandelt.8 Die Herrscherin wird im modischen Kleid präsentiert, während nur die Stephanskrone – allein oder in Kombination mit der Wenzelskrone – auf ihren königlichen Rang verweist.9
In den 1830er-Jahren kehrt die schneiderische Taille, entsprechend der vorherrschenden Mode, wieder in die Höhe der anatomischen Taille zurück. Meist wird sie aus weißem, grünem, rotem oder lila Samt oder Seide angefertigt und mit Goldstickereien versehen, deren Motive die der französischen Hoftracht kopieren. Schürze und Schleier sind aus Seidenmusselin oder Tüll, ebenso wie die kleinen, ein Hemd imitierenden Puffärmel, und sind in ähnlicher Weise mit Gold- oder Silberstickereien verziert. Typischerweise gehören Jungfernkranz oder Haube, Schleier, Taillenstück, Rock und Schürze zum ungarisch-höfischen Festgewand, dessen weniger opulente Variante zum klassischen ungarischen Festkostüm wurde.10
Elisabeth erhält 1854, nach ihrer Heirat mit Kaiser Franz Joseph, ein ungarisches Festkleid. Zu dieser Zeit scheint die ungarische Nationaltracht bei gewissen Anlässen für Angehörige des Hauses Habsburg, besonders bei Besuchen in Ungarn, ein Muss zu sein. Das wohl bekannteste Kleid trägt Elisabeth 1867 bei ihrer Krönung zur Königin von Ungarn. Es ist aus weißer, silberbestickter Seide und besitzt eine Taille aus schwarzem, perlenbesetztem Samt, wurde jedoch nicht von einem ungarischen, sondern vom damals bekannten Pariser Couturier Charles F. Worth angefertigt. Zahllose Fotografien und Gemälde haben Elisabeth in diesem Kleid verewigt, wenn auch meist ungenau. Das Kleid selbst wurde nach der Krönung dem Bistum Veszprém übergeben, das daraus zwei Messgewänder und einen Vespermantel anfertigen ließ. Ein Messgewand und der Mantel befinden sich heute in der Matthiaskirche in Budapest.11
2.3 Bedeutungsebenen der Tracht
Der Frage, warum und von wem Tracht getragen wird, wurde aus soziologischer und kostümgeschichtlicher Sicht bislang wenig zielführend nachgegangen.12 Nach wie vor herrscht Uneinigkeit bezüglich der Definition des Begriffes »Tracht«, obgleich dieser auch im Alltagsgebrauch in aller Munde ist. Was ist also mit Tracht gemeint?
Bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts steht »Tracht«, abgeleitet von »tragen«, zusammenfassend für Kleidung im Allgemeinen, ebenso wie für Frisuren, das gesamte Auftreten und die Gestik.13 Erst im Zuge der Aufklärung und der französischen Revolution kommt es zu Reformen, als infolge der Industrialisierung Veränderungen sozialer und ökonomischer Verhältnisse auch stoffliche Novationen mit sich bringen. Besser gestellte Kreise orientieren sich nun à la Mode, während sie über den Verlust einer vertrauten Welt klagen. So taucht in der Romantik die Bezeichnung »Volkstracht« auf, die auf der fragwürdigen Vorstellung beruht, (Bauern-)Tracht sei von der ländlichen Bevölkerung über Jahrhunderte unverändert getragen worden. Dabei ist Mode keineswegs als Antithese zur Tracht zu verstehen, zumal Kleidung und Tracht keine zeitlose Erscheinung sind: »Als Ausdruck lebendigen Lebensvollzugs sind sie immer von modischen Einflüssen abhängig und zeitlichem Wandel unterworfen.«14 Für Maximilian Seefelder, Heimatpfleger des Bezirks Niederbayern, liegt jedoch eben darin ein weiteres, grundlegendes Problem, da Wandel nicht als natürlicher Prozess akzeptiert, sondern vielmehr als Kulturverfall apostrophiert wird. »Das hat nichts mit Erkenntnis zu tun, das ist Ideologie, die den Blick verengt und die Fachdiskussion bestenfalls erschwert.«15
Warum trägt man Tracht? Die jeweiligen Akteure, ihre Praxen und Beweggründe können erste Antworten auf diese Frage liefern: »Einmal entstehen sie aus spezifischen Kreations- und Innovationsvorgängen, Auswahlprinzipien, Ausscheidungsverfahren oder Neubewertungen, sind zugleich aber abhängig von bedingenden Faktoren wie ökonomischen Antrieben, praktischen Bedürfnissen oder ideologischen Leitbildern.«16 So stellen Kleidungsstücke generell Objekte mit bestimmten Funktionen dar, die aber auch als Zeichen zu deuten sind: Sie sprechen eine Sprache und werden durch ihren Zeichencharakter zu Kommunikationsträgern, deren Sprache jedoch verschlüsselt ist und deren Code es zu knacken gilt.17
3. Tracht als Ausdrucksmittel am Beispiel Elisabeths
Bereits als Kind trägt Elisabeth, die ihre Kindheit in München und Possenhofen am Starnberger See verbringt, bayerische Tracht, spricht bayerischen Dialekt und zeigt auf diese Weise ihre Nähe zum Volk. Tatsächlich sind Tracht, Mode und Kleidung allgemein »gleichermaßen als kulturelles Gestaltungsprinzip zu verstehen, das nicht nur den Körper, sondern sämtliche Äußerungsweisen des Menschen, seine Gestik, seine Handlungen, die Haltung, Gefühle, sämtliche Aktionen also und Reaktionen zu ergreifen und zu beeinflussen vermag.«18
Soziologischen Klassikern zufolge schützt Kleidung vor Witterung, verdeckt die Nacktheit und verhilft zur Repräsentation.19 Der Wunsch nach Repräsentation ersetzt dabei nach und nach die Schutzfunktion und ist als ein Urtrieb des Menschen anzusehen. Dies gilt auch für Tracht, die als besonderes Ausdrucksmittel verstanden werden kann. Das Wort »Tracht« steht für mehrere Kleidungsformen: Neben der »volkstümlichen Tracht« unterscheidet man Sonderformen, wie etwa Amts- oder Ordenstrachten. Im Gegensatz zur Mode, die individuellen und heute sogar internationalen Charakter hat, werden Trachten ursprünglich nur von einem bestimmten Stand getragen, der einzig und allein Anspruch auf sie hat.20
In diesem Sinne bekennt sich Kaiserin Elisabeth ab den 1860er-Jahren öffentlich zu der in Wien so unbeliebten ungarischen Nation. Wie ein Zeichen für die Zukunft erscheint es den Ungarn, als kurz nach dem Eintritt Elisabeths in die österreichische Geschichte die Stephanskrone, die 1849 vom Rebellenführer Kossuth nach der Revolution vergraben wurde, wiedergefunden wird. Dieses Heiligtum der ungarischen Nation soll nun zur nötigen Versöhnung zwischen Österreich und Ungarn mahnen.21 Nach alter Tradition ist es Aufgabe der ungarischen Königin, die Krönungsgewänder eigenhändig zu flicken. Da die Krönungsinsignien und -gewänder vier Jahre lang in feuchter Erde gelegen haben, erweist sich eine Reparatur diesmal als besonders nötig. Ungarische Zeitungen wissen indes zu berichten, dass Elisabeth, zusammen mit ihrer Tochter Gisela, sowohl den Prunkmantel des heiligen Stephan als auch die durchlöcherten Krönungsstrümpfe gestopft hat. Zudem soll sie die Füllung der Stephanskrone geflickt und der Kopfweite des Kaisers angepasst haben, obgleich all dies kaum nachprüfbar und – nicht zuletzt aufgrund des Zeitmangels – wenig wahrscheinlich erscheint.22
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1 Conte Corti, Egon Caesar (2006): Elisabeth. Die seltsame Frau, S. 40.
2 Vgl. Gáborján, Alice (1985): Ungarische Volkstrachten.
3 Vgl. Földi-Dózsa, Katalin (2001): Die ungarische Nationaltracht als Hofkleidung, S. 23.
4 Vgl. Polleroß, Friedrich (2010): Austriacus Hungariae Rex. Zur Darstellung der Habsburger als ungarische Könige in der frühneuzeitlichen Graphik, S. 65.
5 Vgl. Polleroß (2010), S. 66.
6 Vgl. Földi-Dózsa (2001), S. 23.
7 Vgl. ebd., S. 25.
8 Vgl. Polleroß (2010), S. 67.
9 Vgl. Polleroß (2010), S. 68.
10 Vgl. Földi-Dózsa (2001), S. 26.
11 Vgl. ebd., S. 27.
12 Vgl. Egger, Simone (2008): Phänomen Wiesntracht. Identitätspraxen einer urbanen Gesellschaft, S. 22.
13 Vgl. ebd., S. 15.
14 Egger (2008), S. 16.
15 Ebd.
16 Ebd., S. 81.
17 Vgl. ebd., S. 83.
18 Katschnig-Fasch, Elisabeth (1987): Projektionen und Inszenierungen. Überlegungen zu einer geschlechtsspezifischen Interpretation der Kleidung, S. 127.
19 Vgl. Ilg, Karl (1987): Die wellenförmigen Bewegungen in Mode und Tracht, ihre Ursachen und Folgen, S. 46.
20 Vgl. ebd., S. 47.
21 Vgl. Hamann, Brigitte (2004): Elisabeth. Kaiserin wider Willen, S. 42.
22 Vgl. ebd., S. 257.