Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Personenbeschreibung
2. Ableitung diagnostischer Fragestellungen und Untersuchungshypothesen
3. Hypothetische Wahl diagnostischer Mittel
4. Untersuchungsbericht
4.1 Untersuchungsmethode und Darstellung der Durchführung
4.2 Darstellung der Ergebnisse
4.3 Interpretation der Ergebnisse
5. Förderung
6. Reflexion
7. Literaturverzeichnis
8. Anhang
8.1 Leitfaden des Erstgesprächs
8.2 Protokoll des Erstgesprächs
8.3 Beobachtungsprotokoll zur Testdurchführung
8.4 Teststeckbrief AVEM
1. Personenbeschreibung
Das Kind, das sich zur Befragung bereit erklärt hat, wird im Folgenden aus Gründen der Anonymität als Lukas bezeichnet. Das geführte Interview liegt der Arbeit als Tondatei im Anhang bei.
Lukas ist zum Zeitpunkt der Durchführung des Interviews 13 Jahre alt und besucht die 7. Klasse einer Realschule. Es handelt sich dabei um eine staatliche Schule mit Real - und Hauptschulzweig. Lukas bekommt Leistungsbewertungen durch übliche Schulnoten, welche in einem Online-Portal eingetragen werden und für seine Eltern einzusehen sind. Lukas geht gerne in die Schule und findet seine Schule gut, er mag besonders den Umgang mit den Freunden aus seiner Klasse, das gemeinsame Lernen und auch den regelmäßigen Tagesablauf. Allerdings kritisiert Lukas auch, dass es in seiner Schule oft zu Vandalismus und Konflikten kommt. Lukas steht jeden Morgen 6.30 Uhr auf, macht sein Frühstück für die Schule und läuft zu seiner Bushaltstelle und fährt mit dem Bus in die Schule. Sein Schulalltag endet 12.50 Uhr, danach fährt er mit dem Bus nach Hause. In der Regel verbringt er dann etwa eine halbe Stunde mit Hausaufgaben, danach verbringt er seine Freizeit vor allem mit seinen Freunden im Freien, am liebsten fährt er Fahrrad. Lukas‘ Noten sind im mittleren Bereich, abhängig vom Fach. Er selber schätzt seinen Leistungsstand im Vergleich zu seinen Klassenkameraden im oberen mittleren Bereich ein. Lukas kennt seine Noten sehr genau und kann sich selber gut einschätzen und seinen eigenen Leistungsstand gut reflektieren. Seine Lieblingsfächer sind Sport, Deutsch und Chemie, in den Fächern Deutsch, Sport und Kunst hat er gute bis sehr gute Leistungen. Lukas macht seine Lieblingsfächer allerdings weniger von seinen Leistungen abhängig, sondern eher von der Lehrkraft und der Unterrichtsmethode. So berichtet er in Deutsch von regelmäßigen Gruppenarbeiten und selbstgesteuertem Lernen und offenem Unterricht. Am Sportunterricht mag er besonders, dass er verschiedene Wahlmöglichkeiten hat und sich selber ausleben kann. Besonders gut gefällt ihm, wenn er als Schüler selber aktiv werden kann und handlungs- und produktionsorientierter Unterricht durchgeführt wird. Weniger gerne mag Lukas die Fächer Mathe und Physik, besonders in Mathe sind seine Noten im Bereich einer 4. Lukas ist mit dieser Note zwar nicht vollumfänglich zufrieden, legt aber keinen Wert auf eine wirkliche Verbesserung, da ihm besonders Mathe und Geographie nur wenig Spaß bereiten und er diese Fächer als „nicht wichtig“ erachtet. Innerhalb seiner Klasse fühlt Lukas sich sehr wohl, auch wenn immer mal wieder Konflikte entstehen. Aus diesen hält Lukas sich am liebsten heraus, außer er sieht das Wohl seiner Freunde gefährdet. Er hat aber eher kein Interesse an einer regelmäßigen Vermittlerrolle, auch wenn er von sich sagt, dass er gut zuhören kann. Lukas sieht darin auch seine Stärken, er sagt von sich, dass er im Unterricht aufmerksam ist und sich die meisten Sachen gut merken kann. Am liebsten absolviert er Leistungsbewertungen in Form von Gruppenarbeit mit Plakaten und Referaten. Allerdings mag er es nicht so gerne, alleine vor der Klasse zu sprechen. Auch eine gut funktionierende Arbeitsgruppe ist Lukas sehr wichtig, deswegen versucht er eher mit den leistungsstärkeren Mitschüler_innen zusammen zu arbeiten. Generell legt Lukas keinen überdurchschnittlich hohen Wert auf seine schulische Ausbildung. Er sieht die Schule eher als Pflicht und möchte diese schnell hinter sich bringen.
Lukas wohnt mit seinen Eltern und seiner älteren Schwester in einem Einfamilienhaus in einer ländlichen Gegend. Lukas‘ Mutter ist halbtags berufstätig, Lukas‘ Vater hatte kurz vor seiner Geburt einen schweren Unfall und ist halsabwärts gelähmt und benötigt deshalb eine umfassende Pflege. Diese übernimmt Lukas‘ Mutter, Lukas und seine Schwester übernehmen ebenfalls verschiedene Aufgaben. Lukas erzählt mir, dass in seiner Familie schulische Leistungen keine wichtige Rolle spielen und seine Eltern nur selten Einblick in seine Noten nehmen. Er zeigt aber gerne seinen Großeltern seine guten Noten, diese loben ihn dann dafür. Lukas bekommt für seine schulischen Leistungen keine Rückmeldung von seinen Eltern. Er versucht trotzdem regelmäßig seine Hausaufgaben zu machen, erzählt aber, dass ihm das besonders im Sommer sehr schwerfällt, weil er lieber mit seinen Freunden draußen sein möchte. Länger als 30 Minuten am Tag möchte sich Lukas nach der Schulzeit nicht mit Hausaufgaben beschäftigen, da ihm sonst - auch auf Grund seiner familiären Verpflichtungen - nur sehr wenig Freizeit bleibt und Schule für ihn nicht oberste Priorität hat. Für anstehende Leistungsbewertungen bereitet sich Lukas alleine vor, in dem er den anstehenden Lernstoff mehrmals durchließt. Übungsaufgaben würde er allerdings nicht lösen, da ihm da der Aufwand zu groß ist. Besonders in Mathe hat Lukas vor dem Test oft die Befürchtung einige Inhalte nicht verstanden zu haben. Allerdings konnte er mir keine Lernstrategie benennen und wusste auch nicht, wo er sich vorher Hilfe holen könnte. Lukas hatte auf seinem letzten Zeugnis in Mathe eine 4, damit ist er zwar nicht zufrieden, allerdings möchte er sich auch nicht übermäßig bemühen, dies zu ändern. Besonders bei neuen Themen in der Schule hat Lukas oft Schwierigkeiten diese gleich zu verstehen, er sagt, dass er nur selten schon Vorwissen dazu hat.
Lukas schätzt seine schulischen Leistungen insgesamt als gut ein und ist damit zufrieden. Er sagt aber selber, dass er mit mehr Arbeitsaufwand wesentlich bessere Ergebnisse erzielen könnte. Er vergleicht seine Noten gerne mit denen seiner Schwester und seiner Eltern. Da er da meistens die besten Leistungen erzielen kann, ist er zufrieden damit. Generell spricht Lukas nicht gerne über seine weniger guten Schulnoten, weil sie ihm ein Gefühl von schlechtem Gewissen bereiten. Während des Interviews berichtet er mir von seinen Noten und benennt zunächst einige Noten besser. Im Laufe des Gesprächs revidierte er allerdings seine Aussagen und entschuldigte sich für die kleinen Unwahrheiten. Wenn Lukas Hilfe bei Schulaufgaben benötigt, wendet er sich an seine Freunde. Später möchte Lukas gerne eine handwerkliche Arbeit verrichten, sein Traumberuf ist Zweiradmechaniker, er schätzt seine Chancen als gut ein. Er berichtet mir von seinem handwerklichen Geschick und, dass sein Vater ihn oft anleitet bei Reparaturen und ähnlichem. Sein Ziel ist ein Realschulabschluss und danach einen guten Ausbildungsplatz zu finden.
2. Ableitung diagnostischer Fragestellungen und Untersuchungshypothesen
Im Interview mit Lukas wurde ersichtlich, dass Lukas besondere Schwierigkeiten hinsichtlich seiner Motivation hat. Er selbst schätzt seine schulischen Leistungen als recht gut ein und ist damit im Großen und Ganzen zufrieden, allerdings sind seine Ansprüche und die seiner Eltern ebenfalls nicht besonders hoch. Seine Noten bewegen sich meistens zwischen zwei und drei, in einigen Fächern wie Physik, Geografie und Mathe tendieren sie aber oft auch in den unteren Bereich. Lukas bekommt von seinen Eltern keinerlei Rückmeldung zu seinen Noten und generell spielt die schulische Ausbildung in seinem familiären Umfeld eine eher untergeordnete Rolle. Es scheint als hätte Lukas Schwierigkeiten, sein schulisches Potenzial voll zu nutzen. Da ich mich im Folgenden besonders mit den Hintergründen seiner eher schwach ausgeprägten Motivation befassen will, leitet sich für meine Untersuchung folgende Fragstellung ab:
Basieren die verbesserungswürdigen Schulleistungen des Schülers auf der unterdurchschnittlich ausgeprägten Motivationskompetenz?
Basiert die unterdurchschnittliche Motivationskompetenz des Schülers auf der geringen familiären Resonanz hinsichtlich seiner schulischen Ausbildung?
Um dieser Fragestellung entsprechen zu können, muss zunächst der Stellenwert der Motivationskompetenz für das erfolgreiche Lernen untersucht werden. Zieht man dazu das Schichtenmodell der Schulleistung1 nach Hesse und Latzko zu Rate, wird deutlich, dass die Lernmotivation unter den sogenannten proximalen Faktoren zu finden ist, also tendenziell einen großen Einfluss auf die Schulleistungen haben und stehen in der Wirkungskette weit vorne. Auch das Modell der Produktivitätsfaktoren der Schulleistungen von Walberg und Kollegen2 postuliert hohen Einfluss der Motivation auf die Schulleistungen mit einem Korrelationskoeffizienten von 0.29. Natürlich muss hier auch angemerkt werden, dass eine hohe Lernmotivation nicht alleine ausreicht für gute schulische Leistungen. Da der untersuchte Schüler aber durchaus gute bis sehr gute Schulleistungen erbringen kann, kann man davon ausgehen, dass er über eine gute intellektuelle Befähigung verfügt. Im GIV-Modell von Pressley, Boskowski und Schneider3 finden sich Merkmale, welche einen erfolgreichen Lerner beschreiben. Besonders im Hinblick auf Lukas sind folgende Punkte auffällig:
„Sie planen ihr Lernverhalten.“
„Sie nutzen effiziente Lernstrategien und wissen, wie, wann und warum die Strategien eingesetzt werden“
„Sie vertrauen in ihre Lernfähigkeiten und sind davon überzeugt, dass sie sich stets weiter verbessern können und halten dies auch für wünschenswert.“
Im Interview mit Lukas wurde aber deutlich, dass er besonders bei diesen Punkten Schwierigkeiten hat. Er versucht zwar immer vor anstehenden Tests zu lernen, möchte dabei aber keinen übermäßigen Arbeitsaufwand betreiben und macht den Lernaufwand oft davon abhängig, wie wichtig ihm der anstehende Test oder das Fach erscheint und vor allem auch davon, wie viel Freizeit ihm dann noch zur Verfügung steht. Lukas setzt Lernstrategien, wenn nur unbewusst ein. Meist besteht sein Lernprozess zu Hause aus ein - bis zweimaligem Durchlesen des Lehrstoffes. Er weiß zwar, dass er auch Übungsaufgaben lösen könnte, ist aber nicht bereit, diesen Mehraufwand zu betreiben. Lukas hat zwar ein eigenes Zimmer und genug Raum für eine ruhige Lernatmosphäre, nimmt sich aber nicht genügend Zeit dafür. Er kennt keine festen „Arbeitszeiten“ zu Hause, da ihm das „Lernen zu Hause“ nie gelernt wurde. Auch im letzten, oben aufgeführten Punkt des GIV-Modells finden sich Unstimmigkeiten in Lukas‘ Verhalten. Er vertraut zwar durchaus in seine Fähigkeiten, forciert aber nicht unbedingt deren ständige Verbesserung.
Lukas ist zwar in der Lage seine Leistungsfortschritte zu überwachen und verhält sich sogar überdurchschnittlich reflexiv. Er weiß, dass seine schulischen Leistungen verbessert werden können und sieht auch das Problem bei sich und benennt seine fehlende Motivation als auschlaggebend. Lukas bekommt allerdings keinerlei Feedback zu seinen Schulnoten, außer von seiner Klassenlehrerin. Lukas erzählt, dass seine Lehrer_innen zufrieden mit ihm sind, da sein Leistungsstand im oberen Drittel der Klasse einzuordnen ist. Der generelle Leistungsdurchschnitt der Klasse erscheint allerdings aus meiner Sicht eher gering, die Lehrkräfte müssen sich aus Zeitmangel wohl vor allem auf die Schüler_innen konzentrieren, die deutlich mehr Schwierigkeiten haben als Lukas.
Lukas erfährt von seinen Eltern für seine Schulnoten nur sehr selten Lob. Seine Eltern nehmen nur unregelmäßig Einblick in seine Noten, wenn, fallen ihnen jedoch die schlechteren Noten mehr auf und sie kritisieren Lukas dafür. Aus dem Interview geht hervor, dass Lukas seine weniger guten Schulleistungen sehr unangenehm sind, vielleicht auch deshalb, weil er dafür Kritik erntet.
Lukas Hauptproblem liegt also an einer negativen Lernmotivation, diese ist aber kein einheitliches Konstrukt, sondern besteht aus vielen Teilbereichen, von denen einige für Lukas Diagnostik von Relevanz sind.4 Lukas hat grundsätzlich Interesse an und für die Schule und verbindet sie mit positiven Emotionen, allerdings fehlt Lukas intrinsische Motivation, da er die Relevanz von Schule für sein eigenes Leben nicht vollständig erkennt. Andererseits erlebt Lukas auch keine äußeren Anreize wie Lob oder Anerkennung seitens seiner Eltern und entwickelt deshalb auch keine extrinsische Motivation. Auch wenn in der Forschung die extrinsische Motivation oft negativ dargestellt wird, so ist diese doch besser als gar keine. Da in Lukas‘ Familie schulische Ausbildung keine übergeordnete Rolle spielt, sondern eher Werte wie handwerkliches Geschick und praktische Fähigkeiten anerkannt werden, konnte Lukas keine Motivationskompetenz entwickeln und somit sein schulisches Potenzial nicht voll ausschöpfen. Aus diesen theoretischen Überlegungen ergeben sich daher folgende Hypothesen:
Die unterdurchschnittliche Motivationskompetenz des Schülers basiert auf der geringen familiären Resonanz hinsichtlich seiner schulischen Leistungen.
Die unterdurchschnittliche Lernmotivation beruht auf der fehlenden Anerkennung des Schülers und seiner Familie der Relevanz einer schulischen Ausbildung und einer damit einhergehenden niedrigen Zielsetzung.
3. Hypothetische Wahl diagnostischer Mittel
Lukas‘ Fall muss natürlich immer in einen schulischen Kontext gesetzt werden. Er hat generell oft gute Noten und befindet sich nicht in einer Versetzungsgefährdung und es ist erstmal davon auszugehen, dass er seinen Realschulabschluss absolvieren wird. Trotzdem zeigte das Interview einige Punkte in denen Handlungsbedarf besteht und die Lukas das Lernen erleichtern können. In jedem Fall müsste ein Gespräch mit den Eltern von Lukas geführt werden um ihnen ihre Rolle in Lukas‘ Lernprozess aufzuzeigen. Durch häufigeres Lob und Anerkennung seiner schulischen Leistungen könnte sich Lukas‘ Motivation steigern und somit auch seine schulischen Leistungen. Es sollte aber auch ein erneutes Gespräch mit Lukas stattfinden, um ihn auf seine Probleme aufmerksam zu machen und hier besonders seine hohe Reflexionskompetenz zu nutzen und neue Lernstrategien für ihn zu finden. Auf Grund seiner ungewöhnlichen und teilweise auch fordernden familiären Situation wäre es ratsam eine Familienberatung aufzusuchen, auch um Ratschläge zum Umgang der Kinder mit der Behinderung ihres Vaters zu finden. Es sollte in jedem Fall eine Überbelastung des Kindes durch außergewöhnlich große häusliche Pflichten vermieden werden. Außerdem wäre es hilfreich mit Lukas, feste Zeiten für Hausaufgaben zu vereinbaren und diese dann auch zu kontrollieren. Trotzdem ist auch ein Gespräch mit der Schule bzw. mit der Klassenlehrerin wichtig, um aufzuzeigen, dass Lukas durchaus ungenutztes Potenzial hat und in der Schule mehr gefördert werden sollte.
Grundsätzlich ist es trotzdem von größter Wichtigkeit, dass Lukas weiterhin im Mittelpunkt der Untersuchung steht. Um seine Probleme hinsichtlich der Lernmotivation noch genauer diagnostizieren zu können, wäre ein anschließender Test notwendig. Hier würde sich der SELLMO (Skalen zur Erfassung der Lern - und Leistungsmotivation) sehr gut eignen. Er eignet sich für die Klassenstufen 3 bis 10 aller Schulformen und passt damit sehr gut zu Lukas Diagnostik. Mit den SELLMO können die Zielorientierungen erfasst und überprüft werden, welche entscheidende Auswirkungen auf die Lern- und Leistungssituation haben.
4. Untersuchungsbericht
4.1 Untersuchungsmethode und Darstellung der Durchführung
Es wurde der Test Arbeitsbezogenes Verhaltens - und Erlebensmuster (AVEM) von Uwe Schaarschmidt und Andreas W. Fischer durchgeführt. Dieser Test bezieht sich vor allem auf das Arbeits - und Berufsleben der untersuchten Personen und soll Fragen zur Personalentwicklung und zur Arbeitsgestaltung unter Gesundheitsbezug klären. Mit Hilfe des Testes können Aussagen über förderliche und gefährdende Verhaltensmuster hinsichtlich des Arbeitsalltages getroffen werden und somit entsprechende Maßnahmen zur Prävention oder Rehabilitation getroffen werden. Der Test besteht aus 66 Fragen, die sich auf 11 verschiedenen Dimensionen verteilen. Die Ergebnisse dieser Fragen unter Bezugnahme der erwähnten Dimensionen ergeben vier unterschiedliche Verhaltens- und Erlebensmuster: Muster G (Gesundheit), Muster S (Schonung), Risikomuster A (Selbstüberforderung) und Risikomuster B (Resignation). Muster G beschreibt also ein Verhalten, welches durch hohes Arbeitsengagement, Widerstandsfähigkeit bei Problemen und einem generellen positiven Lebensgefühl charakterisiert wird. Hier ist eine Intervention nicht erforderlich, da das Verhalten als gesundheitsförderlich eingestuft wird. Anders verhält sich das Muster S, hier ist das Arbeitsengagement eher gering ausgeprägt bei einer hohen Distanz zu Problemen im Arbeitsalltag, gleichzeitig besteht aber auch eine hohe Widerstandsfähigkeit und generell eine relative Lebenszufriedenheit. Genauso wie Muster G ist auch Muster S nicht gesundheitsschädigend, es kann aber hinsichtlich des Motivationsaspekts interveniert werden. Im Gegensatz dazu steht das Risikomuster A, hier kann ein überhöhtes Arbeitsengagement festgestellt werden und außerdem eine geringe Distanzierungsfähigkeit zu Problemen im Berufsleben. Charakteristisch sind außerdem eine geringe Widerstandsfähigkeit und ein allgemein eingeschränktes Lebensgefühl. Da dieses Verhaltens- und Erlebensmuster gesundheitsgefährdend ist, ist eine Intervention unbedingt notwendig. Ebenso verhält es sich bei dem Risikomuster B, hier ist allerdings gleichzeitig das Arbeitsengagement sehr gering ausgeprägt und die betroffene Person neigt zu Resignation und hat ein deutlich eingeschränktes Lebensgefühl - auch hier ist eine Intervention unbedingt nötig.
Der AVEM-Test wurde während des Seminars durchgeführt. Die Testperson war ein 32jähriger, männlicher Lehramtsstudierender mit Abitur. Der Proband machte einen entspannten und motivierten Eindruck und wir unterhielten uns vorher kurz über das Studienleben allgemein. Der Test dauerte insgesamt circa 15 Minuten, wobei der Proband während der Durchführung sehr konzentriert wirkte. Nach der Aushändigung des Testes schaute sich die Versuchsperson zunächst alle Seiten des Testes an und las sich zunächst alle 66 Fragen aufmerksam durch. Danach nahm sich die Testperson ein Lineal und einen Stift und kreuzte nacheinander jede Frage zügig, aber sehr genau an. Er rutschte dabei mit seinem Lineal jeweils um eine Zeile nach unten, um keine Frage zu übersehen oder auszulassen. Nachdem er alle Fragen beantwortet hatte, begann der Proband erneut alle Fragen von der ersten beginnend zu lesen und seine gegebenen Antworten zu kontrollieren. Nachdem er seinen Test beendete, legte er alle Blätter akkurat zusammen. Er achtet dabei sehr offensichtlich darauf, dass alle Blätter genau übereinander lagen und Stift und Lineal in gleichem Abstand davon lagen. Nach Beendigung des Tests sprachen wir kurz darüber, wie die Testperson sich dabei fühlte. Der Proband versicherte mir, dass er den Test möglichst genau absolviert hatte und seine Antworten wahrheitsgemäß seien.
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1 Vgl. Hesse, Ingrid / Latzko, Brigitte: Diagnostik für Lehrkräfte. 3. Aufl., Verlag Barbara Budrich, Opladen/ Toronto, 2017, S. 100.
2 Ebd. S. 101.
3 Ebd. S. 104.
4 Ebd. S. 142.