Familienpolitische Maßnahmen und Instrumente. Ein Vergleich mit Deutschland und Dänemark unter Einbeziehung gleichstellungspolitischer Aspekte


Bachelorarbeit, 2009

88 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

1. Theoretische Grundlagen zu Familienpolitik
1.1 Begriffsbestimmung
1.2 Wirkungsanalyse von Familienpolitik
1.3 Regimeansatz und Leitbilder in den Wohlfahrtsstaaten Deutschland und Dänemark

2. Historische Grundlagen zu Familienpolitik
2.1 Deutschland
2.2 Dänemark

3. Familienpolitische Maßnahmen im Vergleich
3.1 Organisation der Familienpolitik in Deutschland und Dänemark
3.2 Ausgaben für Ehe und Familie im Vergleich
3.3 Monetäre Leistungen
3.4 Zeitpolitik
3.5 Infrastrukturleistungen
3.5.1 Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren
3.5.2 Kinderbetreuung für Kinder von drei Jahren bis zum Schuleintritt
3.5.3 Kinderbetreuung für Schulkinder
3.6 Zusammenfassung

4. Individuelle Lebenslagen in Deutschland und Dänemark
4.1 Die Erwerbssituation von Frauen
4.2 Die Kinderrate im Vergleich

5. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Durchschnittliche Zahl der Lebendgeburten in Europa

Abbildung 2: Gesamtfruchtbarkeitsziffer im europäischen Vergleich 1980 und 2006

Abbildung 3: Öffentliche Ausgaben für Familie und Kinder in Deutschland und Dänemark

Abbildung 4: Bevölkerung nach Altersklasse in Deutschland und Dänemark

Abbildung 5: Ehe- und familienbezogene Maßnahmen in Deutschland

Abbildung 6: Ausgaben für Familienpolitik im europäischen Vergleich

Abbildung 7: Kinderbetreuungsquote für unter dreijährige Kinder in de EU 25

Abbildung 8: Betreuungsquote in den einzelnen Bundesländern

Abbildung 9: Tagespflegepersonen nach Berufsausbildungsabschlüssen in Deutschland

Abbildung 10: Kinderbetreuung von unter Dreijährigen in Dänemark

Abbildung 11: Betreuungsquote (3-6 Jahre) in einer öffentlichen Einrichtung in Deutschland

Abbildung 12: Betreuungszeiten in West- und Ostdeutschland

Abbildung 13: Kinder (3-5 Jahre) in öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen in Dänemark

Abbildung 14: Schulkinder (6-10 Jahre) in Nachmittagsbetreuung in Deutschland

Abbildung 15: Schulkinder (6-9 Jahre) in Nachmittagsbetreuung in Dänemark

Abbildung 16: außereheliche Geburten in Europa

Abbildung 17: Einstellung zu Ehe in Deutschland

Abbildung 18: Erwerbsstatus von Frauen in West- und Ostdeutschland

Abbildung 19: Beschäftigungsquote von Frauen nach Anzahl der Kinder in Deutschland und Dänemark

Abbildung 20: Gesamtfruchtbarkeitsziffer in Deutschland und Dänemark

Abbildung 21: Erwerbstätigenquote von Müttern und Vätern

Abbildung 22: Inanspruchnahme Elterngeld nach Geschlecht

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Typologisierung von Wohlfahrtsstaaten

Tabelle 2: Male Breadwinner und das Individual Model

Tabelle 3: Familienpolitik in der BRD und DDR

Tabelle 4: Monetäre Leistungen im Vergleich

Tabelle 5: Freistellungsregelungen in Deutschland

Tabelle 6: Freistellungsregelungen in Dänemark

Tabelle 7: Durchschnittliche Zahl der Lebendgeburten in Europa

Tabelle 8: Ausgaben für Familienpolitik im europäischen Vergleich

Tabelle 9: Kinderbetreuungsquote für unter dreijährige Kinder

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Seit der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder im Oktober 1998 in einem Moment situativer Vergesslichkeit Familienpolitik als „Gedöns“ bezeichnete, ist diese mehr und mehr in den Blick der Öffentlichkeit geraten. Die Neuregelungen zum Bundeselterngeldgesetz vom 1. Januar 2007 sind jedoch, zumindest was die inhaltliche Ausgestaltung angeht, nicht neu. Bereits 1985 wurden erste Vorschläge zu einem „Elternurlaub“ gemacht. Vorgesehen war eine zwölf Monate lange Freistellung mit einer Verlängerung um drei Monate, wenn Eltern sich die Aufgabe teilen. Die Vertreterinnen Christine Bergmann und die spätere Familienministerin Renate Schmidt setzten sich mit ihren Ideen nicht durch und erst 20 Jahre später zogen die Sozialdemokraten mit dem Elterngeld in den Wahlkampf (vgl. Wehner 2007).

Nach einer repräsentativen Umfrage zu Familienleben und Familienpolitik erwarten 63 Prozent der Bevölkerung1 eine Erleichterung von der Politik, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. 48 Prozent wünschen sich ein größeres Angebot an Ganztagskindergärten und Ganztagsschulen und 44 Prozent fordern ein größeres Angebot an Kinderkrippen. 64 Prozent der Befragten glauben, dass in Deutschland die Möglichkeit zur Vereinbarung von Familie und Beruf schlechter gelöst sei als in anderen Ländern (vgl. Familienmonitor 2008: 3 ff.). Gleichzeitig denken 84 Prozent der Frauen in Deutschland, dass der Beruf ein wichtiger Aspekt persönlicher Unabhängigkeit ist (vgl. Familienforschung BW 2002).

Im Zusammenhang mit dem Feld Familienpolitik reißen die unzähligen Diskussionen rund um das Gebiet der Demografie nicht ab. Vielfach geht es dabei um die veröffentlichten Zahlen zur zusammengefassten Geburtenziffer2 und deren tatsächlichen Wahrheitsgehalt (vgl. Schwentker 2006).

Trotz dieser Debatten zeigt sich, dass es europaweit einen sichtlichen Geburtenrückgang über die letzten Jahrzehnte zu verzeichnen gibt (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Durchschnittliche Zahl der Lebendgeburten in Europa (in Tsd.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eurostat: Europa in Zahlen 2009

Detaillierte Zahlenangaben im Anhang.

Die Ursachen für die sinkenden Geburtenraten sind ein komplexes Gebilde aus verschiedenen Einflussfaktoren. Unbestritten ist der Einfluss der Verbreitung von Verhütungsmitteln (vgl. Dienel 2002: 25).

Gleichwohl verliefen die länderspezifischen Veränderungen keineswegs einheitlich (Abbildung 2, siehe S. 8).

Abbildung 2: Gesamtfruchtbarkeitsziffer im europäischen Vergleich 1980 und 2006

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

*Belgien 2002, Italien 2005 Quelle: Eurostat: Europa in Zahlen

Im Vergleich zeigt sich heute, dass in Deutschland die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau bei unter 1,5 liegt, während die skandinavischen Länder im Schnitt 1,8 Kinder bekommen (vgl. Europa in Zahlen 2009:154). Es stellt sich die Frage, wie wohlfahrtsstaatliche Regulierungen im Bezug auf Familie in diesen Ländern ausgestaltet sind.

Mit dem Rückgang der Kinderrate in Europa stieg gleichzeitig die Frauenerwerbstätigenquote. Nach Dressel (2005) liegen die Gründe für die steigende Frauenerwerbstätigkeit in der verbesserten schulischen und beruflichen Ausbildung (vgl. Dressel 2005: 100 ff.).

Heute sind 59 Prozent der Frauen in Europa erwerbstätig (vgl. Europäische Kommission 2009).

In Deutschland stehen Frauen, insbesondere Mütter vorwiegend in Teilzeitbeschäftigungen und geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen (vgl. Dressel 2005: 106 f.).

International vergleichende Studien kommen gleichzeitig zu dem Ergebnis, dass ein eklatanter Zusammenhang zwischen der Kinderrate, der Erwerbstätigkeit von Müttern und damit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf besteht (vgl. Kemmerling 2003).

Während die Diskussionen über und innerhalb der Familienpolitik in Deutschland einer Schlacht, geprägt von Ideologie und Moralvorstellungen gleichen, scheinen die skandinavischen Länder familienpolitische Regulierungen so auszurichten, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschlechterunabhängig möglich ist.

Das traditionelle Ernährermodell, das in Westeuropa lange als Leitbild der Familienpolitik galt, hat sich verändert. Die Pluralisierung der Lebensformen macht eine Familienpolitik, die sich an den einzelnen Mitgliedern von Familie orientiert daher unumgänglich (vgl. Rüling / Kassner 2007: 12 f.).

Problemstellung

Während die Ausgaben für familienpolitische Leistungen insgesamt in Deutschland (3 Prozent) niedriger als in Dänemark (3,4 Prozent) sind, zeigt sich bei genauer Betrachtung, dass in Deutschland ein Großteil der Mittel in monetäre Leistungen (1,4 Prozent) fließt, während die Summen für Infrastrukturleistungen mit 0,7 Prozent deutlich geringer ausfallen. In Dänemark geht ein großer Teil der Mittel in Infrastrukturleistungen (1,8 Prozent), die verbleibende Summe fließt in monetäre Leistungen (1,6 Prozent) (vgl. Abbildung 3, folgende Seite).

Abbildung 3: Öffentliche Ausgaben für Familie und Kinder in Deutschland und Dänemark 2006 (in Prozent des BIP)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: OECD: Social Expenditure Database 2009, Families and Children

In Deutschland werden 0,9 Prozent in steuerliche Regulierungen für Ehe und Familie investiert, während in Dänemark Paare individuell besteuert werden (vgl. Sonderegger 2004:15).

Nach Kaufmann (1993) ist die Familienpolitik der Bundesrepublik Deutschland insgesamt ein schlecht strukturiertes Feld. Die inhaltliche Ausgestaltung der Regulierungen ist widersprüchlich und agiert häufig isoliert von anderen Politikbereichen (vgl. Kaufmann 1993: 141).

Die zentrale Arbeitshypothese der vorliegenden Arbeit, die ebenso gleichstellungspolitische Aspekte innerhalb der Familienpolitik berücksichtigt, lautet im Folgenden: je höher die Summen für monetäre Leistungen und je geringer sie für Infrastrukturleistungen sind, desto schlechter lässt sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf realisieren und desto geringer ist die Kinderrate. Oder anders gesagt: Die Familienpolitik in Deutschland ist viel zu stark auf Geldleistungen fixiert. "Damit sind die Anreize völlig falsch gesetzt". Es mangelt an Betreuungsleistungen, denn diese werden noch immer vernachlässigt (Eichhorst 2002).

Diese Hypothese wird unter Anwendung von äußeren Faktoren auf die Familienplanung bearbeitet. Im Kontext der Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht insbesondere die Arbeitsmarktintegration von Müttern im Vordergrund. Um den Einfluss von Familienpolitik auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen, insbesondere Mütter zu untersuchen, wird die Familienpolitik Deutschland in einen europäischen Kontext gebracht. Die Methode des Vergleichens eignet sich, um die Wirkung familienpolitischer Regulierungen zu prüfen. Dänemark, als einziges skandinavisches Nachbarland Deutschlands, wird im Hinblick auf die dort existierenden wohlfahrtsstaatlichen Regulierungen untersucht. In Dänemark stehen mehr als 77 Prozent der Frauen (2002) mit zwei Kindern in Vollzeitbeschäftigung (siehe S. 62 ff.).

Familienpolitik als Querschnittspolitik greift in verschiedene Bereiche wie bspw. Bildungspolitik oder Finanzpolitik (vgl. Wingen 1997: 19). Die Ausweitung der Wirkungen von Familienpolitik auf alle Bereiche würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Es werden Regulierungen im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf untersucht, insbesondere sogenannte explizite und implizite familienpolitische Maßnahmen (Spieß 2006). Die Analyse der Familienpolitik wird nicht im Hinblick auf die gesellschaftlichen Funktion von Familie untersucht, vielmehr geht es um die Fragestellung wie Familienmitglieder durch wohlfahrtsstaatliche Regulierungen profitieren oder auch benachteiligt werden. Neben den familienpolitischen Instrumenten und Maßnahmen wird ein Blick auf die Lebenswelt junger Menschen geworfen. Leitende Fragestellung ist dabei wie die Lebensplanung von Menschen in Deutschland und Dänemark aussieht und welchen äußeren Faktoren sie im Bezug auf Familiengründung ausgesetzt sind.

Die Analyse beschränkt sich auf staatlichen Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Betriebliche Familienpolitik, familienunterstützende Projekte und weitere Initiativen werden aufgrund des Umfangs nicht berücksichtigt.

Die Arbeit gliedert sich fünf Kapitel.

Kapitel 1 bietet einen Überblick über die theoretischen Grundlagen zu Familienpolitik. Es folgen eine Begriffsbestimmung und der Einstieg in Wirkungsanalysen zu Familienpolitik. Im Anschluss wird der wohlfahrtsstaatliche Regimeansatz von Esping-Andersen (1990) und Diane Sainsbury (1996) skizziert. In diesem Kontext wird ebenso das Leitbild von Familie in beiden Ländern analysiert und interpretiert.

Kapitel 2 beschreibt die historischen Grundlagen zur Entstehung der Familienpolitik in Deutschland und Dänemark. Diesbezüglich werden die wichtigsten Stationen zu familienpolitischen Regulierungen dargestellt.

In Kapitel 3 werden die Ausgangslage im Bezug auf Familienpolitik in Deutschland und Dänemark dargestellt. Es werden sowohl die organisatorischen Rahmenbedingungen erläutert als auch die finanziellen Ausgaben. Im Anschluss werden die familienpolitischen Regulierungen beider Länder in monetäre Leistungen, zeitpolitische Regulierungen und Infrastrukturleistungen gruppiert. Verglichen werden die Höhe der Ausgaben, der Umfang zu Freistellungsregelungen bei Geburt und Kindererziehung sowie die außerhäusliche Betreuung von Kindern. Im Hinblick auf die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zeigen sich Unterschiede in den einzelnen Bundesländern, was dazu führt, dass dieser Bereich differenzierter betrachtet wird. Ziel dieses Kapitels ist es, die Ausgestaltung der Familienpolitik in Deutschland und Dänemark zu analysieren und Differenzen festzustellen.

Kapitel 4 behandelt die individuellen Lebenslagen von Menschen in Deutschland und Dänemark. Dabei werden insbesondere Faktoren erläutert, die Einfluss auf die Familiengründung haben. Untersucht werden außerdem die Kinderrate und die Erwerbstätigenquote von Müttern in beiden Ländern.

In Kapitel 5 werden die Analyseergebnisse zusammengetragen und diskutiert. Es erfolgt ein Ausblick im Hinblick auf die Reformierung der Familienpolitik in Deutschland.

An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass aus Gründen der besseren Lesbarkeit die männliche Schreibweise verwendet wird. Die Angaben beziehen sich stets auf beide Geschlechter.

1. Theoretische Grundlagen zu Familienpolitik

1.1 Begriffsbestimmung

Definition Familienpolitik

Im internationalen Vergleich gibt es keine einheitlich anerkannte Definition zu Familienpolitik (vgl. Sachverständigenkommission 2005: 63 ff.). Zunächst gilt es daher den Gegenstand der Untersuchung näher zu bestimmen.

Familie meint, bezogen auf die vorliegende Analyse, Erwachsene und minderjährige Kinder, die in einer Eltern-Kind-Beziehung zueinander stehen und in einem Haushalt leben (vgl. Lenz / Böhnisch 1999: 25 ff).

Im Fokus stehen Kinder, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

1.2 Wirkungsanalyse von Familienpolitik

Während in den Wirtschaftswissenschaften die Entscheidung für oder gegen ein Kind oftmals im Hinblick auf Kosten- / Nutzenfaktor betrachtet wird (Meier 2005), zeigt sich in der Realität, dass diese Entscheidung von vielen Faktoren abhängig ist (vgl. Träger 2009:57).

Lengerer (2004) betont gleichzeitig, dass Familienpolitik zwar menschliches Verhalten nicht bestimmen kann, allerdings können Rahmenbedingungen für individuelle Handlungsentscheidung gesetzt werden (vgl. Lengerer 2004: 98).

Nach Gerlach (2008) ist eine Wirkungsorientierung hinsichtlich familienpolitischer Regulierungen in Deutschland kaum nachweisbar. Die Gründe sind teilweise politischer Natur, teils liegen sie in der Systematik von Wirkungsanalysen. Die politischen Ursachen begründen sich durch die wechselnden parteipolitischen Zusammensetzungen der jeweiligen Regierung und den damit verbundenen Änderungen der Leistungen des Familienlastenausgleichs. Veranschaulichen lässt sich dies am Kindergeld in Deutschland. Zunächst wurde es für dritte Kinder gezahlt (siehe S. 20), dann für zweite und erste, mal einkommensabhängig, dann wieder einkommensunabhängig, mal mit Zuschlag, mal ohne. Zur Jahrtausendwende würde diese flexible Handhabung mit einem Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts beendet. Innerhalb systematischer Wirkungsanalysen von Familienpolitik liegt die Herausforderung insbesondere in den Methoden. Eine in Frage stehende familienpolitische Maßnahme müsste eindeutig als unabhängige Variable einzuordnen sein, aus der sich ein kausaler Zusammenhang nachweisen lässt. Generatives Verhalten wird jedoch von einer Vielzahl von Einflussfaktoren bestimmt, die nicht alle kontrolliert werden können. Nach Gerlach zeigen sich jedoch in international vergleichenden Analysen Hinweise, die eine (Mit)Verursachung von familienbezogenem Verhalten, besonders im Hinblick auf die reproduktive Funktion, plausibel erscheinen lassen (vgl. Gerlach 2008: 69).

1.3 Regimeansatz und Leitbilder in den Wohlfahrtsstaaten Deutschland und Dänemark

Leitbilder, insbesondere zum Familienleben, beinhalten normative Vorstellungen über die erstrebenswerte Gestaltung von dem wie „man“ leben oder welche Ziele „man“ anstreben sollte (vgl. Klima 2007: 394).

Kulturelle Leitbilder von Familie werden dabei durch den Wohlfahrtsstaat transportiert und geprägt. Das Leitbild in Dänemark kann mit Hilfe der Typologisierung von Diane Sainsbury charakterisiert werden. Theoretische Grundlagen gehen in der Wohlfahrtsforschung unter anderem auf das Theoriekonzept von Lewis / Ostner (1994) zurück, das auf der Basis von G0sta Esping-Andersens Regimeansatz „Three Worlds of Welfare Captalism“ (1990) eine Weiterentwicklung darstellt. Die fehlenden Genderperspektive, die von vielen feministischen Autorinnen kritisiert wurde, ist unter anderem von Birgit Pfau-Effinger (1998) und Diane Sainsbury (1996) ergänzt worden. Die Kritik richtete sich dabei vor allem auf die fehlende Abhandlung von Arbeitsteilung im innerfamiliären Bereich (vgl. Sonderegger 2004: 8).

Esping-Andersens Theoriekonzept unterscheidet drei Typen von Wohlfahrts­staaten. Diese Unterscheidung in die jeweiligen Wohlfahrtstypen werden bestimmt vom Niveau und der Art der Dekommodifizierung3 4. Nach Esping- Andersen existieren liberale Wohlfahrtsstaaten, konservative Wohlfahrtsstaaten und sozialdemokratische Regime. Andersen ordnet Deutschland dem konservativen Wohlfahrtstaat zu, während die skandinavischen Länder zu den sozialdemokratischen Regimen zählen. Der konservative Wohlfahrtsstaat zeichnet sich durch ein höheres Niveau der Dekommodifizierung aus, bei dem der Staat und auch nicht staatliche Organisationen eine große Rolle spielen. Der Arbeitsmarkt und das Ausbildungssystem sind stark reguliert und im Bezug auf Familie wird ein traditionelles Leitbild verfolgt, das durch staatliche Maßnahmen ergänzt wird. Das Sozialversicherungssystem ist hoch entwickelt und basiert auf dem Modell des Alleinverdieners. Leistungen werden von vorheriger Erwerbstätigkeit abhängig gemacht. Bei den sozialdemokratischen Regimen findet sich das höchste Niveau der Dekommodifizierung wieder. In diesen Ländern ist die soziale Gleichheit ein explizites staatliches Ziel, das mit einer aktivierenden Arbeitsmarkpolitik einhergeht und damit die Zielsetzung einer hohen Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern vorsieht. Das System der sozialen Grundsicherung ist auf hohem Niveau und das gesamte soziale Sicherungssystem ist vorwiegend aus Steuern finanziert (vgl. Strengmann-Kuhn 2005: 3 ff.).

Tatsächlich zeigt die Realität, dass es eher Mischformen dieser Typen in den einzelnen Ländern gibt (Tabelle 1).

Tabelle 1: Typologisierung von Wohlfahrtsstaaten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Andersen 1990:74

In der geschlechtersensiblen Wohlfahrtsforschung herrscht Einigkeit darüber, dass das „Male Breadwinner Model“ oder auch „Modell der männlichen Versorgerehe“ ein Modell ist, in dem der Mann einer Erwerbstätigkeit nachgeht während die Frau Aufgaben im Bereich Erziehung und Haushalt übernimmt (vgl. Sonderegger 2004: 8).

Sainsbury typologisiert in „Gender, Equality and Welfare States“ zwei Modelle: das „Male Breadwinner Model“ und das „Individual Model“. Im ersteren steht die Ehe im Vordergrund, die mit der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit des Mannes und der Verantwortung der Frau für Haushalt und Kinder einhergeht. Das vorherrschende Steuersystem unterstützt dabei die Ehe. Arbeitsmarkt und Löhne sind darauf ausgerichtet, dass ein Lohn für die Familie als ausreichend gilt. In der Auffassung des „Individual Model“ werden beide Geschlechter als Individuen betrachtet, was mit einem individualisierten Steuersystem einhergeht. Die Betreuung von Kindern wird entweder durch den Staat oder innerhalb der Partnerschaft organisiert (Tabelle 2) (vgl. Sonderegger 2004: 8).

Tabelle 2: Male Breadwinner und das Individual Model

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Sainsbury 1996: 42

Auf der Basis dieser Typologisierung kann das familiäre Leitbild Dänemarks dem des „Individual Model“ zugeordnet werden. Charakteristisch für das Leitbild ist eine Arbeitsmarkt-, Lohn- und Familienpolitik, die auf beide Geschlechter ausgerichtet ist und Gleichheit zwischen den Geschlechtern herstellt (vgl. Sonderegger 2004: 9).

In Deutschland gilt zunächst zu berücksichtigen, dass sich mit der Wiedervereinigung zwei Staaten mit unterschiedlichen Wirtschaftsystemen und mit unterschiedlichen Geschlechterkulturen vereinten (vgl. Rüling / Kassner 2007: 18).

Das Familienleitbild der DDR basierte auf Prinzipien, die der Frau eine wirtschaftliche Selbständigkeit garantieren sollte. Gestützt wurde dies mit der Gesetzgebung zum Aufbau von Kindertageseinrichtungen. Diese Maßnahmen sollten es ermöglichen den Anforderungen als Staatsbürgerin und Mutter gerecht zu werden. (vgl. Gerlach 2008:40) Frauen in der DDR sollten neben ihrer Arbeit im Produktionssystem auch eine Reproduktionsfunktion übernehmen, um die Bevölkerung der DDR zu erhöhen (vgl. Schröder: 527).

In der Bundesrepublik war das Familienleitbild durch das Modell der „bürgerlichen“ Familie geprägt. Nach Gerlach (2008) dominierte in diesem Modell der erwerbstätige Vater, während sich die Mutter der Familie und dem Haushalt widmete (vgl. Gerlach 2008: 41).

Es zeigt sich, dass auch heute, 20 Jahre nach der Vereinigung, sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber herrschen, wie Familie „auszusehen hat“. Barbara Vinken setzt sich in ihrem Buch Die deutsche Mutter mit der vorherrschenden Ideologie auseinander und kommt dabei zu sehr unterschiedlichen Auffassungen. Ihr Fazit ist letztlich: „Auch heute noch glauben die Deutschen, dass nur die gesunde Kleinfamilie mit einer Mutter, die selbstlos einen Raum der Liebe für die Ihren schafft, gegen die harte, kalte Karrierewelt, in der Mütter keinen Platz haben, bestehen kann.“ (Vinken 2007)

Eine solch' polarisierende Annahme kann allerdings aufgeweicht werden. Untersuchungen zeigen, dass sich Männer in Deutschland durchaus wünschen mehr in die Familienarbeit einbezogen zu werden. Die regionalen Unterschiede sind dabei sehr groß. So haben die Bundesländer Berlin (21 Prozent) und Bayern die meisten Väter in Elternzeit (20 Prozent) aufzuweisen. Insgesamt nutzen im Jahr 2008 18 Prozent der Väter das Elterngeld. Davon blieben 46 Prozent von ihnen für ein bis zwei Monate zu Hause und 14 Prozent zwischen drei und acht Monaten. Lediglich fünf Prozent nutzen die Elternzeit für neun bis zwölf Monate. Insgesamt steigt der Großteil der Väter nur kurz aus dem Beruf aus. Eine leichte Aufwärtstendenz zeigt sich im Jahr 2009. Im dritten Quartal dieses Jahres nahmen insgesamt 20,7 Prozent der Väter Elternzeit (vgl. Pfahl / Reuyß 2009).

Auch wenn Deutschlands Familienleitbild dem männlichen Ernährermodell zugeordnet werden kann, zeigen sich Tendenzen zu einer Abspaltung. Das so genannte „modifizierte“ Ernährermodell, das heute in einer Vielzahl von Familien gelebt wird, bildet sich aus einem meist männlichen Hauptverdiener und einer in Teilzeit arbeitenden Frau bzw. Mutter (BMFSFJ 2009).

2. Historische Grundlagen zu Familienpolitik

2.1 Deutschland

"[...] Eine Mutter daheim ersetzt vielfach Autos, Musiktruhen und Auslands­reisen [...]".

Franz-Josef Wuermeling

Die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg markierte eine große Wende für Familien. Sie waren entwurzelt und zerrissen und konnten ihre Kinder meist nicht angemessen ernähren und bekleiden. In der Bundesrepublik Deutschland knüpfte die Politik an die Weimarer Zeit an und stellte mit Artikel 65 Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Im weiteren Verlauf wurde eine Kommission vom Bundesrat beauftragt, Vorschläge für familienunterstützende Leistungen zu formulieren (vgl. Dienel 2002: 27).

Im Folgenden werden die wichtigsten Stationen der Familienpolitik in der Bundesrepublik Deutschland skizziert.

Nach Wingen (1993) kann eine explizite6 Familienpolitik an der Errichtung des Bundesministeriums für Familienfragen im Herbst 1953 unter Bundeskanzler Konrad Adenauer festgemacht werden. Die Errichtung des Familienministeriums als eigenständige Organisationverwaltung war währenddessen auch Kritik ausgesetzt. Die These vom „Irrtum eines Familienministers“ wurde unter anderem von dem renommierten Soziologen Helmut Schelsky vertreten. Seine Kritik richtete sich auf die Institutionalisierung eines Familienministeriums überhaupt. Grundthese war, dass Familie bereits längst im Aufgabenspektrum der einzelnen Ministerien stehe und die staatliche Tätigkeit niemals die Familie als Ganzes erfassen dürfe. Damit bliebe einem Familienminister nur die Möglichkeit den Wert der Bedeutung von Familie zu propagieren und eine moralische Zensur des öffentlichen Lebens im Dienste der Familie zu sein. Für Schelsky waren die Folgen einer „universalen moralischen Familienpatronage“ damit vorprogrammiert (vgl. Wingen 1993: 8 ff.).

Unter Franz-Josef Wuermeling, der als erster Bundesminister für Familienfragen berufen wurde, entstanden erstmals 1952 einheitliche Schutzfristen für erwerbstätige werdende Mütter. Diese betrugen jeweils sechs Wochen vor und sechs Wochen nach der Geburt. Im Jahr 1955 wurde das Kindergeld eingeführt, zunächst jedoch erst ab dem dritten Kind. Damit waren viele Familien mit zwei Kindern ausgeschlossen. Alleinerziehende profitierten ebenso nicht vom Kindergeld, denn diese hatten in den wenigsten Fällen drei oder mehr Kinder (vgl. Dienel 2002: 28). Erst im Jahr 1961 wurde Kindergeld auch für die Zweitgeborenen eingeführt (vgl. BMFSFJ 2009).

Die Gesetzesgrundlage für das Kindergeld war am Konzept der „Normalfamilie“7 ausgerichtet und ging zudem davon aus, dass der Lohn der erwerbstätigen Männer für eine Familie mit zwei Kindern ausreichend sein müsse. Zunächst wurde das Kindergeld aus Familienausgleichskassen, in die Arbeitgeber einzahlten finanziert. Nachdem diese Regulierung kleine Betriebe stark finanziell belastete, wurde ab 1964 Kindergeld komplett aus Steuermitteln bezahlt (vgl. Dienel 2002: 28).

Bereits seit 1949 gab es in Deutschland steuerliche Begünstigung für Familien. Zunächst wurde ein steuerlicher Kinderfreibetrag von jährlich 600 DM eingeführt. In den darauffolgenden Jahren 1949 bis 1961 ist dann der Kinderfreibetrag auf 1200 DM angehoben wurden. (vgl. BMFSFJ 2009)

Die Förderung des Familien-Eigenheim-Baus als zinsloses Darlehen fiel ebenfalls in die Amtszeit von Franz-Josef Wuermeling (vgl. BMFFSJ). Damit erhielten Familien eine finanzielle Unterstützung vom Staat, die nach Gerlach (1996) die Erwerbstätigkeit von Frauen überflüssig machen sollte (vgl. Gerlach 1996: 189).

Die Mutterschutzgesetzgebung wurde 1945 zunächst unter den Großmächten aufgehoben und 1952 auf Drängen der Sozialdemokraten in neuer Verfassung wieder im Bundestag aufgenommen. Das Ehegattensplitting wurde im Jahre 1958 eingeführt und stellte eine finanzielle Familienförderung im Steuersystem dar. Dieses war - und ist auch heute noch - an die Ehe und nicht an das Vorhandensein von Kindern geknüpft. (vgl. Spieß 2006: 4) Das Ehegattensplitting war bei der Einführung durch ein Verfassungsgerichtsurteil erzwungen und entsprach nicht den Vorstellungen der Sozialdemokraten (vgl. Dienel 2002: 28). Eine finanzielle Erleichterung stellte es für Familienformen mit einem Hauptverdiener dar. Gleichzeitig benachteiligte es „Doppelverdiener­Ehen“ (vgl. Spieß 2006: 4).

In der Zeit von 1949 bis 1969, also bis zur Regierungsübernahme durch die Sozialliberale Koalition, wurde Familienpolitik in Deutschland vorwiegend als Institutionenpolitik betrieben. Diese war vor allem durch Maßnahmen gekennzeichnet, die an die Ehe gebunden waren. Die rechtlichen Rahmenbedingungen mit einem restriktiven Scheidungsrecht8 und die Ausrichtung der Familienpolitik auf nur einen Ernährer prägten die Vorstellung von Familie (vgl. Dienel 2002: 29).

Gleichberechtigung

Am 03.05.1957 beschloss der Deutsche Bundestag „Die Gleichheit von Mann und Frau“. Das Gesetz wurde im darauffolgenden Jahr am 01.07.1958 im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert (vgl. BMFSFJ 2009). Es revolutionierte damit formell die Geschlechterverhältnisse. Bereits im Jahr 1949 hatte das Grundgesetz bestimmt, dass „Männer und Frauen gleichberechtigt sind“. Dem Gegenüber stand damals der oben beschriebene Gehorsamsparagraph (vgl. Dribbusch 2008).

In den 1960er und 1970er Jahren setzte daraufhin ein Prozess ein, der einen Wechsel von der Institutionenpolitik zu einer Familienmitgliederpolitik bedeutete. Nicht mehr die Ehe stand im Fokus, sondern die einzelnen Mitglieder der Familie, insbesondere die Individualrechte von (Ehe-) Frauen und Kindern. Der zweite Familienbericht aus dem Jahr 1975 betonte gleichzeitig die Erziehung ausdrücklich als „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. Diese Forderung ging mit einer schrittweisen Umgestaltung der Kinderbetreuungs­systeme einher (vgl. Dienel 2002: 29). Für berufstätige Mütter wurde der Mutterschaftsurlaub im Jahr 1979 eingeführt. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt der Familienpolitik lag in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der gleichmäßigen Verteilung der Mittel des Familienlastenausgleichs (Kapitel 3.1). So wurde nach der Zahl der Kinder und unabhängig vom Einkommen Kindergeld für alle Kinder eingeführt und steuerliche Kinderfreibeträge abgeschafft (vgl. Gerlach 2004: 201).

Ab dem Jahr 1982 kehrte die christlich-liberale Regierung zum Modell eines einkommensbezogenen Familienlastenausgleichs zurück und führte die steuerlichen Freibeträge wieder ein. Das Kindergeld wurde wie einst, erst ab dem zweiten Kind und einkommensabhängig gezahlt. Im Jahr 1986 ersetzte das neu eingeführte Erziehungsgeld das Mutterschaftsgeld. Somit erhielten alle Eltern und nicht nur Erwerbstätige eine Leistung. Nach Gerlach (2004) symbolisierten diese Maßnahmen eine Annäherung an die veränderten Familienformen und sollten eine leistungsgerechte Bewertung von Familie bewirken. Diese gesellschaftliche Anerkennung von Familienarbeit fand später (2000) mit der Anrechnung der Kindererziehungsjahre in der Rentenversicherung Berücksichtigung (a.a.O.: 201 ff.).

Dienel (2002) konstatiert, dass sich besonders in den alten Bundesländern die traditionellen Vorstellungen von Familie nicht aufgelöst haben. Deutlich werde dies an dem noch immer andauernden Streit im Bereich Familienpolitik (vgl. Dienel 2002: 29).

Entwicklung in der DDR

Die Entwicklung der Sozial - bzw. Familienpolitik nahm in Folge der deutschen Teilung in Ostdeutschland eine andere Richtung als im Westen (vgl. Neumann / Schaper 2008: 37 ff.). Innerhalb der Sowjetischen Besatzungszone grenzte sie sich radikal von der der NS-Zeit ab und propagierte unter Einbeziehung der marxistischen Traditionen in Verbindung mit gezielten Regulierungen ein neues.

Frauenbild. Die Gleichstellung der Frau könne nur dann erreicht werden, wenn diese aus ihrer ökonomischen Abhängigkeit befreit werde. Die Familienpolitik zielte weiterhin darauf, zusätzliche Arbeitskräfte aus dem Kreis der Erwerbsfähigen zu gewinnen. Die Familienförderung war pronatalistisch angelegt und sollte die Lücke der fehlenden Arbeitskräfte schließen (vgl. Bast / Ostner 1992: 228 ff.).

Die politische Beeinflussung der Lebensgestaltung von Frauen in der DDR kann in einzelne Phasen zerlegt werden. Mit dem Übergang zu den einzelnen Phasen sind auch immer neue frauenpolitische Schwerpunkte entstanden. Es lassen sich folgende Phasen zusammenfassen:

1. 1945-1949
2. 1949-1960/61
3. 1961-1970
4. 1971-1989/90

Antifaschistisch-demokratische Umwälzung Schaffung der Grundlagen des Sozialismus umfassender Aufbau des Sozialismus beginnender Transformationsprozess der DDR-Gesellschaft / Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland (Trappe 1995: 36)

Im Folgenden werden die einzelnen Entwicklungsprozesse im Detail dargestellt. Die erste Politikphase markierte das Ende des zweiten Weltkriegs. Inhaltlich war diese Phase von der unmittelbaren Nachkriegszeit geprägt. In diesem Zeitraum versuchte die Familienpolitik Frauen durch Integration in gesellschaftliche Vereinigungen in das öffentliche Leben einzubeziehen und sie gleichzeitig politisch zu beeinflussen (a.a.O. 37).

Die zweite Phase (1949-1957) kann mit der Verabschiedung der ersten Verfassung der DDR eingeleitet werden. Der Verfassungsgrundsatz beinhaltete dabei unter anderem die Gleichberechtigung der Geschlechter. Diese Phase zielte auf die ganzheitliche Integration von Frauen in den Arbeitsprozess. Für die Umsetzung erfolgten große Anstrengungen mit ökonomischen und ideologischen Mitteln, die im Ganzen von einer Umstrukturierung auf organisatorischer Ebene getragen wurden (a.a.O. 37 ff.). So wurde im Jahr 1950 das Mutter- und Kinderschutzgesetz verabschiedet und bot damit großzügige finanzielle Beihilfen bei der Geburt und vollen Lohnausgleich während des Mutterschaftsurlaubs. Im folgenden Jahr begann der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, den sowohl der Staat als auch die Betriebe übernahmen (vgl. Dienel 2002: 31).

Die dritte Politikphase wurde mit der sogenannten Frauenoffensive 1958 eingeleitet. Das Ziel, Frauen in den Arbeitsmarkt zu integrieren wurde systematisch weiterverfolgt. Die Entscheidung für ein „Hausfrauendasein“ wurde dabei öffentlich angeprangert (vgl. Dienel 2002: 32). Diese dritte Politikphase kennzeichnete den Endpunkt eines Prozesses, in dem es seit der Gründung der DDR um die Schaffung einer „neuen sozialistischen Frauengeneration“ ging, die ihre Selbstentfaltung vor allem durch den kollektiven Arbeitsvollzug realisieren sollte. Die Zeit von 1958 bis 1964 war von der Verallgemeinerung der Berufstätigkeit von Frauen geprägt. Vermehrt ging es dabei um die berufliche Weiterbildung und Qualifizierung der Frau. Auch die vorrangige Zuständigkeit der Frau für die Familienarbeit rückte Ende der 1950er Jahre in das Blickfeld der Öffentlichkeit (vgl. Trappe 1995:38).

Die vierte Phase der Frauen- und Familienpolitik kann mit der Verabschiedung des Familiengesetzbuches 1965 eingeleitet werden. Erstmals wurde ein Leitbild der sozialistischen Familie formuliert und bildete damit das Fundament der Familienpolitik der SED. Neben der fortschreitenden beruflichen Qualifizierung der Frauen wurde vermehrt die Sozialisationsfunktion von Familie auf betont. Daraus ergab sich ein Widerspruch, der zu einer Abkehr der Frauen- und Familienpolitik hin zu einer Orientierung an der Berufstätigkeit der Frau führte (a.a.O. 38 f.). Der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen und familienergänzenden Dienstleistungen erfolgte nicht im erhofften Tempo, so 8 dass Frauen Mitte der 1960er Jahre einer immensen „Doppelbelastung“9 ausgesetzt waren und in Folge dessen die Geburtenrate stark sank (vgl. Dienel 2002: 38 ff.).

Die fünfte Politikphase in der DDR wurde mit den sozialpolitischen Maßnahmen der neu konzipierten Gesellschaftsstrategie eingeleitet (1972-1975). Zunehmend standen bevölkerungspolitische Absichten im Vordergrund, die mit Hilfe der Reproduktionsfunktion der Frau gelöst werden sollten. Die Zuständigkeit der öffentlichen Kindertageseinrichtungen für die Betreuung der Kinder sollte die Weichen für die Angleichung der Berufsverläufe der Frauen stellen (vgl. Trappe 1996: 39). Die Einführung eines Babyjahrs 1976 mit vollem Lohnausgleich, Kindergeld und die 40-Stunden-Woche für Mütter mit zwei Kindern sowie die Möglichkeit zur Freistellung bei Erkrankung der Kinder führte dann in den darauffolgenden Jahren zu einem leichten Anstieg der Geburtenrate (vgl. Dienel 2002: 32).

Die sechste und damit letzte Politikphase der Frauen - und Familienpolitik der DDR läutete die ab 1976 einsetzende „Babyjahr“-Regelung ein. Das bisherige Konzept wurde durch eine zeitlich begrenzte Freistellung nach der Geburt eines Kindes ersetzt (vgl. Trappe 1995: 39).

Einen Überblick über die wichtigsten familienpolitischen Maßnahmen im Vergleich bietet Tabelle 3:

Tabelle 3: Familienpolitik in der BRD und DDR (1949-1986)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Dienel 2002: 33, leicht geänderte Version

[...]


1 Bevölkerung ab 16 Jahre

2 Die zusammengefasste Geburtenziffer gibt an, wie viele Kinder eine Frau im Laufe ihres Lebens bekommen würde, wenn ihr Geburtenverhalten so wäre wie das aller Frauen zwischen 15 und 49 Jahren im jeweils betrachteten Jahr.

3 Verringerung der Martkabhängigkeit von Arbeitnehmern und Sozialleistungsempfängern

4 Verringerung der Martkabhängigkeit von Arbeitnehmern und Sozialleistungsempfängern

5 Art.6 GG (1): „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“

6 Eine explizite Familienpolitik zeichnet sich im Gegensatz zu einer impliziten durch ausdrücklich familienbezogene administrative Strukturen aus.

7 In den 50er Jahren dominierte das Modell der Versorgerehe mit dem Ehemann als Allein­verdiener. Die Frauen übernahmen vorwiegend die Verantwortung für Kindererziehung und Haushalt.

8 Gehorsamsparagraph: § 1354 BGB aus dem Jahr 1896, nachdem dem Ehemann das Recht zur Entscheidung aller gemeinschaftlichen Angelegenheiten zugesprochen wurde.

9 Das Wort Doppelbelastung wird häufig in der Alltagssprache verwendet und meint eine Mehrfachbelastung durch Erwerbstätigkeit und Familienarbeit

Ende der Leseprobe aus 88 Seiten

Details

Titel
Familienpolitische Maßnahmen und Instrumente. Ein Vergleich mit Deutschland und Dänemark unter Einbeziehung gleichstellungspolitischer Aspekte
Hochschule
Hochschule Koblenz (ehem. FH Koblenz)
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
88
Katalognummer
V1043534
ISBN (eBook)
9783346467195
ISBN (Buch)
9783346467201
Sprache
Deutsch
Schlagworte
familienpolitische, maßnahmen, instrumente, vergleich, deutschland, dänemark, einbeziehung, aspekte
Arbeit zitieren
Xenia Lehr (Autor:in), 2009, Familienpolitische Maßnahmen und Instrumente. Ein Vergleich mit Deutschland und Dänemark unter Einbeziehung gleichstellungspolitischer Aspekte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1043534

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