Schwarze Gesundheitsvorsorge


Referat (Ausarbeitung), 1999

4 Seiten


Leseprobe


Schwarze Gesundheitsvorsorge

Schwarze Gesundheitsvorsorge zielt darauf ab, die Wehrkraft des Gegners zu schwächen. Dies geschieht entweder durch Schüren der Angst vor Krankheit, oder, indem Krankheit als Rettung vor dem Tod dargestellt wird:

„Lieber ein paar Wochen krank, als ein Leben lang tot.“

Fallstudien

1. Flugblattbroschüre „Pest“

(Herkunft: England, 1943, ohne Codezeichen, Format ca. 90x140 mm, Broschüre 20 Seiten einschließlich Titel)

Hintergrund

- Kenntnis der verheerenden Folgen der Pestepidemie von 1347-1352 (25 Millionen Todesopfer in Europa)
- Seuchen bekannt als Begleiterscheinungen des Krieges: erhöhte Gefahr des Auftretens durch eingeschränkte Hygiene und mangelnde medizinische Versorgung
- Das Reichsgesundheitsamt rechnete tatsächlich mit dem Auftreten von Seuchen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Grundlage: Veröffentlichung des Reichsgesundheitsamtes „Ratschläge an Ärzte zur Bekämpfung der Pest“ (Deutschland 1942)
- Die Furcht vor der Pest wird geschürt, die Folgen erläutert
(„...so kämpft die deutsche Wissenschaft gegen den heimtückischen Gegner Pest, der schon so oft in der Weltgeschichte alleiniger Sieger auf den Schlachtfeldern Europas geblieben ist.“)
- Sensibilisierung und Verunsicherung der Leser, Aufforderung, bereits bei geringsten Anzeichen bakteriologische Untersuchungen vornehmen zu lassen

(„Nur, wenn jeder einzelne Volksgenosse seine Pflicht als Beobachtungsposten der Wissenschaft tut, wenn jede kleinste, unscheinbarste Bewegung des heimtückischen Gegners sofort erkannt und unverzüglich gemeldet wird, kann die entsetzliche Gefahr abgewendet werden.“; angeblich Symptome: „Ziehen“ in den Beinen, Kopfschmerzen, leichte Übelkeit, Pickel etc.)

- Behauptung, das Deutsche Volk habe nicht die Immunität gegen den Bazillus, über die unterentwickelte Länder verfügen € Angst der Soldaten, im Nahkampf mit Osteuropäern in Kontakt zu kommen
- Anstiften zu Verleumdungen

(Zur Anzeige verpflichtet ist „derjenige, der von einem derartigen Fall Kenntnis erhält, und Grund hat, anzunehmen, daß die unter 2-4 angeführten Personen ihre Anzeigepflicht vernachlässigen.“)

- Beunruhigung der Bevölkerung € Überbewertung der Symptome
- Schaffung von Mißtrauen zwischen Arzt und Patient, sowie zwischen Volk und Behörden Reaktionen
- Detaillierte Erörterung im „Deutschen Ärzteblatt“: „Nervenkrieg mit Pestflugblättern?“ (Deutschland 1944)
- Veröffentlichung in den „Mitteilungen für die Truppe“
- Aufgreifen dieser propagandistischen Vorgehensweise € Gerücht, Engländer und Amerikaner kämen als Träger der Pest in Frage

2. „Nationalpolitischer Unterricht im Heere. III. Hauptthema: Die Soldatenfrau in der Heimat. Thema 6: Eheliche Treue und falscher Verdacht“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Herkunft: England, 1943, ohne Codezeichen, Format ca. 140x210 mm, dreiseitig bedruckt, einfarbig)

Hintergrund

- Interesse an sexuellen Vorgängen
- Überanstrengung der Frauen beim Arbeitseinsatz
- Bestehende Sorge der Soldaten um die Treue der Ehefrauen (Angehörige der Heimatfront, Fremdarbeiter in den Fabriken)
- Unterernährung, mangelnde Qualität der Lebensmittel
- Kriegsbedingter Bedeutungszuwachs von Fruchtbarkeit und Kinderreichtum

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Beunruhigung der Soldaten durch Andeuten der Möglichkeit ehelicher Untreue

(„Es sind in der letzten Zeit des öfteren Fälle vorgekommen, in denen Wehrmachtsangehörige, die z.T. schon mehr als ein Jahr nicht auf Heimaturlaub gewesen sind, die Mitteilung erhalten, daß ihre Ehefrau sich im Zustande der Schwangerschaft befindet.“)

- Beunruhigung der Soldaten durch Hinweis auf mögliche Unfruchtbarkeit der Frau und Verdacht auf Scheinschwangerschaft

(„Aber in vielen Fällen [ ... ] wird es sich herausstellen, daß sie an einer Erscheinung leidet, die [ ... ] der medizinischen Wissenschaft als Pseudo-Schwangerschaft bekannt ist.“; „Die tatsächliche Ursache des Ausbleibens der Regel ist in einer Schädigung der weiblichen Fortpflanzungsorgane zu suchen“)

- Indirekte Aufforderung, die Frauen aus den Betrieben zu nehmen durch Nennung der Ursachen (Überanstrengung durch Betriebsarbeit, langes Stehen, giftige Substanzen in chemischen Betrieben) und Folgen:

(„Denn wiederholt sich der durch Überanstrengung hervorgerufene Ausfall der Regel über einen gewissen Zeitraum hinaus, so ist weitere Rückbildung und Entartung der Eierstöcke die Folge, und es besteht die ernste Gefahr dauernder Unfruchtbarkeit sowie eines frühzeitigen Altersverfalls.“)

- Hinweis auf schädigende Kriegsnahrung: „blähendes Kriegsbrot“

3. „Krankheit rettet“ von Dr. med. Wohltat

(Herkunft: England, ab 1943/44, Format 68 x 105 mm, 112 Seiten einschließlich Titel und Tarnung)

Rettung vor dem völligen Zusammenbruch, wenn der Patient im rechten Augenblick durch eine leichte, „richtige Krankheit“ gezwungen wird, auszuspannen.

- Die Schrift „Krankheit rettet“ vermittelt das notwendige, wissenschaftliche (!!!) Wissen, damit ein Arzt den „Übertreiber aus Notwehr“ nicht erkennen kann. Denn nur Patienten, die sich falsch benehmen, werden vom Arzt als Drückeberger entdeckt.

Denn: „Es ist nicht wahr, daß der Doktor den Simulanten immer reinlegen kann.“

- „Das ganze System der Anweisungen in diesem Heft ist dazu entworfen worden, um dem Doktor die gesamte Verantwortung zuzuschieben. Denn: Du simulierst nicht eine Krankheit, sondern der Arzt stellt sie von sich aus fest.“

4. Englisches Streichholzbriefchen

(Herkunft: Deutschland 1944/45, Codezeichen 145/9. 44, Format 41 x 605 mm, zweiseitig bedruckt, mehrfach gefaltet, als Streichholzbriefchen getarnt)

Ende der Leseprobe aus 4 Seiten

Details

Titel
Schwarze Gesundheitsvorsorge
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Hauptseminar: Theorie und Typologie der getarnten Propaganda
Autor
Jahr
1999
Seiten
4
Katalognummer
V104394
ISBN (eBook)
9783640027385
Dateigröße
339 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schwarze, Gesundheitsvorsorge, Hauptseminar, Theorie, Typologie, Propaganda
Arbeit zitieren
Isabel Lamotte (Autor:in), 1999, Schwarze Gesundheitsvorsorge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104394

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