Hayden White - Metahistory


Seminararbeit, 1999

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

I. DIE BEDEUTUNG DER GESCHICHTE

II. WAS IST GESCHICHTE :

III. METAHISTORIE

III.I. Erklärung durch formale Schlussfolgerung

III.II. Erklärung durch narrative Strukturierung

III.III. Erklärung durch ideologische Implikation

IV. DER HISTORIOGRAPHISCHE STIL

V. DIE TROPEN

VI. SCHLUSSBETRACHTUNG

BIBLIOGRAPHIE

Einleitung

Eine neue Welle rauscht über Europa herein; am stärksten auf dem Markt der Trivialliteratur. In vielen Buchläden gibt es bereits eine eigene Rubrik. Zwischen Science Fiction und Reiseführern, stehen die Geschichtsromane. Das so ein historischer Roman eine fiktionale Story enthält ist logisch, deshalb handelt es sich um einen Roman. Inwieweit aber auch ein reines Geschichtswerk eine Story besitzt, das wird klar beim Studium der Aufsätze von Hayden White. Diese Arbeit soll kurz und knapp den Tenor seiner drei Hauptaufsätze zu Historie und Fiktion erläutern. Im ersten Teil widmet sie sich der Bedeutung der Geschichtsschreibung seit Mitte des 19. Jahrhunderts, im zweiten teil fährt sie fort mit der Interpretation von Geschichte und endet schliesslich bei der Metahistorie Hayden Whites.

I. Die Bedeutung der Geschichte

Man glaubte im 19. Jahrhundert an die Vormacht der Geschichte. Von allen Wissenschaften war sie diejenige, die ohne Zweifel als Wichtigste galt. Es war darüber hinaus ihre Aufgabe, Kunst und Wissenschaft miteinander zu Verbinden, also ihren Vermittler zu spielen.

Eine solche Vermittlerposition konnte sie nur deshalb einnehmen, weil zu jener Zeit auch Kunst und Wissenschaft von ihrer Gegensätzlichkeit überzeugt waren. Hayden White sieht diese Gegensätzlichkeit begründet in der „[...] Angst des romantischen Künstlers vor der positivistischen Wissenschaft und die Verachtung des positivistischen Wissenschaftlers für die romantische Kunst.“1

Im Laufe der Zeit haben sich jedoch die Vorstellungen von Kunst und Wissenschaft geändert und beide haben sich einander angenähert. Eine solche Entwicklung führt dazu, dass ein Vermittler nicht mehr von Nöten wäre. Das Festhalten der Historiker an ihrem Status des 19. Jahrhunderts scheint nun wie ein Fliehen vor der ernsthaften Auseinandersetzung mit der neuen Literatur, Sozialwissenschaft und Philosophie des 20. Jahrhunderts. Nicht - Historiker sehen die Geschichte sogarals Feind von Kunst und Wissenschaft, weil sie als einzige nicht bereit ist, sich den neuen Entwicklungen zu unterwerfen, neue Wege zu gehen und ihr Weltbild zu ändern.

Vor allem in der Literatur zeigt sich die Ablehnung der Geschichte. So findet man immer wieder in Romanen die Figur des Historikers, als extremes Beispiel gescheiterter Existenz, die während ihres Geschichtsstudiums früher oder später dessen Sinnlosigkeit begreift.

Die Frage war nun also nicht mehr „[...]wie die Vergangenheit erforscht werden sollte, als vielmehr, ob sie überhaupt Gegenstand des Studiums sein sollte.“2

Als die Historiker nach dem 1. Weltkrieg nicht in der Lage sind Antworten auf die Fragen nach dem Warum zu geben, als sie keine Rechtfertigung finden konnten, warum sie die Menschheit nicht eher gewarnt hätten, verlieren sie auch noch den letzten Rest ihres Ansehens.

Joycens Stephen Dedalus sprach eine weit verbreitete Überzeugung aus, als er sagt die Geschichte sei ein Alptraum, von dem der abendländische Mensch erwachen müsse, wenn die Menschheit gerettet werden und ihr gedient sein solle.3

In der Verachtung der Geschichtswissenschaft kommt auch die Frage auf, wem sie zugeordnet werden sollte. Der Kunst oder der Wissenschaft. Von Seiten der Wissenschaft wird ihr methodisches Versagen vorgeworfen, von Seiten der Kunst ein Mangel an Sensibilität.

In dieser Identitätskrise, sagt Hayden White, „[...]dass es die aufgegebene Last des heutigen Historikers ist, die Würde des historischen Studiums auf einer Grundlage wiederherzustellen, die es in Übereinstimmung bringt mit den Zielen und Intentionen der intellektuellen Gesellschaft insgesamt, d.h. die Geschichtswissenschaft so zu transformieren, dass es dem Historiker möglich wird, ausdrücklich an der Befreiung der Gegenwart von der Last der Geschichte mitzuwirken.“4

Er ist nicht des Historikers Fehler, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, sondern dies mittels einer schlechten Kunst und einer schlechten Wissenschaft zu tun. So hat kein Historiker je einen bedeutenden Versuch unternommen, eine surrealistische, expressionistische oder exentialistische Geschichtsschreibung zu liefern.

Es stellt sich also die Frage, warum sich überhaupt mit der Geschichtswissenschaft auseinanderzusetzen.

Das Chaos der Erscheinungswelt liesse sich durch die historische Einbildungskraft in stabile Bilde fassen. So kann dem Menschen aufgezeigt werden, auf welche Weise die Vergangenheit benutzt werden könnte um einen ethisch verantwortbaren Übergang von der Gegenwart zur Zukunft zu bewerkstelligen. Durch die Geschichtsschreibung könnte das Verständnis des Einzelnen für die Gestaltung der Zukunft und die Anerkennung seiner Verantwortung verbessert werden.

„[...], denn nur die Geschichte vermittelt zwischen dem, was ist, und dem, was nach den Vorstellungen der Menschen sein soll, auf wirklich humanistische Weise.“5

II. Was ist Geschichte

Jede Geschichte besitzt ein Element der Interpretation, zum einen, weil der Historiker zwischen Daten auswählt und zum Anderen weil er zwischen den Quellen Lücken schliesst. Das Auswählen von Quellen, sprich die Kriterien dafür ob eine Quelle verwendet wird und eine andere nicht, geschieht nach rein subjektivem Ermessen des Historikers. Das Schliessen der zeitlichen Lücken zwischen der einen und der nächsten Quelle, gehorcht logischen Schlussfolgerungen, unterliegt aber dennoch der freien Interpretation des Historikers.

Nun stellt sich die Frage inwieweit historische Überlieferungen wirklich objektiv sind und inwieweit diese Überlieferungen als wissenschaftliche Darstellungen gelten können. Eine Antwort darauf zu geben ist nahezu unmöglich, denn eine Person die sich in diesem Genre auskennt, also selber forscht, wäre nicht objektiv, eine Person, die nicht auf diesem Gebiet forscht, besässe eventuell nicht ausreichend Hintergrundwissen.

Zu diesem Zweck wurde die Metahistorie entwickelt; um hinter die Voraussetzungen zu kommen, die Grundlagen dieser Forschungsdisziplin sind. Um die Fragen zu stellen, deren Antworten Gründe geben warum diese Forschungsdisziplin für bestimmte Probleme entwickelt wurde.6 Sie fragt wie die Struktur eines spezifisch historischen Bewusstseins aussieht, welche Erklärungen für das historische Material, mit dem sich Historiker befassen, gegeben werden können und wie wichtig in diesem Zusammenhang spezifisch historische Erklärungen sind. Welche Formen historischer Darstellung gibt es, was sind ihre Grundlagen und wie wichtig sind sie für ein gesichertes Wissen der Realität besonders im Bezug zu den Humanwissenschaften. Ist eine historische Erzählung ein sprachliches Kunstwerk oder ein wissenschaftlicher Beitrag.

Behauptet man eine historische Erzählung beinhalte grundsätzlich auch ein mythisches Element, so stösst man auf Seiten der „reinen“ Historiker, wie auf Seiten der Literaturtheoretiker auf Widerstand. Beide sprechen sich für eine klare Teilung von Fiktion und Geschichte aus.

Zur Verdeutlichung dieser Diskussion zitiert Hayden White hier Northon Frye, der sagt, der Historiker verfahre induktiv, indem er seine Fakten sammele und versuche, keine anderen formbestimmenden Schemata zu verwenden, als diejenigen, die er in den Fakten selbst sieht oder ehrlich überzeugt ist, in ihnen zu sehen. Er gehe, so Frye weiter, nicht von einer einigenden Form aus, wie der Dichter, sondern arbeite darauf hin. Hieraus folge, dass der Historiker, wie jeder, der diskursive Prosa schreibe, an der Wahrheit dessen, was er sagt oder

der Adäquatheit seiner sprachlichen Wiedergabe der ihm äussere Vorlage zu messen sei7. Diese Einstellung ist schon seit den Griechen das Ideal der Geschichtsschreibung, sie setzt jedoch den absoluten Gegensatz von Mythos und Geschichte voraus. Frye sagt man erkenne Fiktion an ihrer „prägenerischen Plotstruktur“, die dem Bestand der jüdisch - christlich religiösen Literatur entstammt. Nach dieser Theorie kann man jede Story theoretisch, also warum sie wie aufgebaut ist, verstehen, wenn man zuvor den archetypischen Mythos, also die Plotstruktur herausgefunden hat. Kurz alle Stories bauen auf den gleichen Mechanismen und Phantasien auf. Je mehr sich also eine Story von ihrem fiktionalen Aspekt entfernt und sich in Richtung der expliziten Formulierung des Themas bewegt, desto mehr wird sie diskursive Literatur und hört auf Literatur zu sein. Geschichte, die ein fiktionales Element oder eine mythische Plotstruktur enthält ist für Northon Frye ein „[...] Bastard zwischen Fiktion und Geschichte und somit unheilig“.8

Ganz anders als Frye beurteilt zum Beispiel Collingwood die Diskussion. Er behauptet, jeder Historiker sei gleichzeitig auch ein Geschichtenerzähler, der aus einer undefinierten Masse an Fakten, welche so für sich keinen Sinn ergäben, eine Geschichte schreiben muss. Dank der kreativen Einbildungskraft kann er nach Auswertung der Quellen sagen, wie es gewesen ist. Collingwood sagt aber auch, dass die Story von vorne herein in der Quelle steckt und die Fähigkeit des Historikers, diese Story zu finden , entscheidet später über die Geschichte.

Frye und Collingwood sind aus einer Menge von Teilnehmern in dieser Diskussion herausgegriffen. Die Darstellung des Disputes durch diese beiden Statements ist zwar Quantitativ ungenügend, jedoch verdeutlichen sie auch für andere repräsentativ, den Gegenstand der Diskussion.

Zu Frye sagt Hayden White, dass sich eine Erklärungswirkung beim Leser erst dadurch erzielen lasse, indem der Historiker aus blossen Chroniken, dadurch dass er ihnen eine Plotstruktur verleiht, eine Geschichte macht. Dieses Verfahren bezeichnet er als „Emplotment“.

Zu Collingwood sagt Hayden White, dass zufällig überlieferte Ereignisse niemals für sich selbst eine Geschichte darstellen können. Sie können dem Historiker höchstens die Elemente einer Geschichte stellen. Diese müssen dann durch weglassen, unterordnen bestimmter Ereignisse, durch beschreiben, motivische Wiederholung und Wechsel in Ton und Perspektive zu einer Geschichte gemacht werden.

„So ist zum Beispiel kein historisches Ereignis an sich tragisch; man kann es nur so sehen aus einer Perspektive oder einem Kontext einer strukturierten Folge von Ereignissen her, innerhalb derer es als Element eine herausragenden Platz einnimmt. Denn was sich in der Geschichtsschreibung aus der einen Perspektive als tragisch ausnimmt, stellt sich aus der anderen Perspektive als komisch dar,[...]“9

Allerdings gibt er durchaus Plotstrukturen, die von vorne herein auszuschliessen sind, die Geschichte J.F. Kennedy wäre zum Beispiel nicht komisch sondern allenfalls romantisch oder tragisch. Hat der Leser die Plotstruktur verstanden , empfindet er auch die Geschichte als verstanden. Jemand der die abendländische Definition einer Tragödie nicht kennt, wurde niemals das Tragische in ihr begreifen. Wenn also der Leser die Kodierung durch den Autor verstanden hat, so hat er auch die Geschichte verstanden.

So wird dem Leser die Vergangenheit nicht deshalb klar, weil er nun mehr Fakten zu einem Ereigniss besitzt, sondern weil ihm gezeigt worden ist wie sie einem verstehbaren Prozess entsprechen. Dazu muss der Autor eine figurative Sprache benutzen und keine terminologische, denn die terminologische macht nur dem etwas klar, der sie versteht.

„Und das heisst, dass historische Erzählungen rein als sprachliche Kunstwerke betrachtet durch die Form ihres figurativen Diskurses, in dem sie gestaltet sind, gekennzeichnet werden können.“10 Tatsache ist, dass Geschichte, also die reale Welt, wie sie sich in der Zeit entwickelt hat, auf die gleiche Art sinnvoll gemacht wird wie ein Autor oder Dichter dies versucht. Indem sie dem, was ursprünglich als problematisch oder geheimnisvoll erschien, die Gestalt einer erkennbaren, weil vertrauten Form geben.

III. Metahistorie

Um einem Text den Anschein von Erklärung zu geben, gibt es drei verschiedene Möglichkeiten:

- Die Erklärung durch formale Schlussfolgerung (Argument)
- Die Erklärung durch narrative Strukturierung (Emplotment)
- Die Erklärung durch ideologische Implikation11

Um nun innerhalb dieser drei Erklärungsstrategien eine bestimmte Wirkung zu erzielen, kann man jeweils vier verschiedene Ausdrucksweisen anwenden.

- Im Fall formaler Argumente:
- Formativismus
- Organismus
- Mechanismus
- Kontextualismus
- Im Fall der narrativen Strukturierung die Archetypen:
- Romanze
- Komödie
- Tragödie
- Satire
- Im Fall der ideologischen Implikation:
- Anarchismus
- Konservativismus
- Radikalismus
- Liberalismus

Aus seinem Bewusstseinszustand wählt der „Forscher“ aus diesen

Begriffskategorien aus und präfiguriert das historische Feld, also das

Rohmaterial, welches ihm zur Verfügung steht. Diese Präfiguration kann wiederum vier verschiedene Formen annehmen.

- Metapher
- Metonymie
- Synekdoche
- Ironie11

III.I. Erklärung durch formale Schlussfolgerung

Die formale Schlussfolgerung zur Erklärung der Texte kann auch explizite oder diskursive Schlussfolgerung genannt werden. Sie erklärt das Geschehen durch Kombinationsprinzipien, die zugleich als die mutmasslichen Gesetze der historischen Textauslegung gelten. Es wird hierbei eine Kette von Kausalfolgerungen konstruiert, an dessen Ende als Resultat das tatsächliche Ereignis steht, also das, was tatsächlich passiert ist. Geschichte ist hier sowohl Kunst, als auch Wissenschaft. Zum einen erzählt der Historiker, mittels einer narrativen Struktur, was geschehen ist, und zum anderen liefert er ein sprachliches Erklärungsmodell für den Entwicklungsprozess, welches dank allgemeingültiger Kausalgestzte von einem Zustand zum anderen führt.12

Nun könnten natürlich zwei Historiker von gleichem Rang und Namen zu Alternativen, wenn nicht sogar einander ausschliessenden Ergebnissen gelangen, obwohl beide zuvor logischen Schlussfolgerungen folgten. Nach Hayden White kann eine als diskursive Schlussfolgerung gefasste historische Erklärung vier verschiedene Formen annehmen. Das formativistische Konzept bezieht sich auf alle unverwechselbaren Merkmale der Gegenstände, d.h. eine bestimmte Menge von Gegenständen wird nach Gattung, Art, zugehörigen besonderen Eigenschaften und Bezeichnungen genau bestimmt. Den formativistischen Erklärungsansatz findet man in der Geschichtsschreibung vor allem dort, wo die Vielfalt und die Lebendigkeit des historischen Feldes geschildert wird und zum zentralen Vorhaben des Historikers wird.

Der organizistische Erklärungsansatz setzt dagegen eher auf Vereinfachung. Man versucht einzelne Dinge mehr als Teile eines synthetischen Geschehens zu betrachten. Ähnlich dem Verhältnis von Mikro - und Makro Kosmos. Individuelle Phänomene sind hier Teile von ganzheitlichen Prozessen. Reihen offensichtlich zerstreuter Elemente, werden zu einem Gebilde vereinigt oder verdichtet.13

Die organizistische Theorie vermeidet es, nach historischen Gesetzen, im Sinne von Kausalbeziehungen, zu fahnden. Sie verkörpert das Ziel auf welches sich der Prozess als Ganzes bewegt.

Mechanistische Erklärungsansätze sind ähnlich allgemein wie organizistische, jedoch sehen sie historische Objekte als Gegenstände einer Teil - Teil - Beziehung, die von Gesetzen gelenkt wird.

Eine Geschichte gilt nur dann als plausibel, oder vollständig, wenn die Gesetze aufgedeckt worden sind, denen die Geschichte genauso folge, wie die Natur den Gesetzen der Physik.14

Der Kontextualismus setzt die Ereignisse in den Kontext ihrer Erscheinung.

Warum hat sich etwas so und nicht anders zugetragen. Beantwortet wird dieses durch die Untersuchung der Beziehungen, welche die einen Geschehnisse zu den Anderen innerhalb ihres jeweiligen Umfeldes haben. Die Wechselbeziehungen zwischen einzelnen Ereignissen lassen sich aufzeigen, indem man die Fäden ausfindig macht, “[...] die das untersuchte Individuum oder die Institution mit der äusseren soziokulturellen Gegenwart verbinden.“15

III.II. Erklärung durch narrative Modellierung

Der Historiker kann den Verlauf der Ereignisse als Tragödie, als Komödie, als Romanze oder als Satire auslegen. Je nachdem gibt er ihr damit eine andere Erklärungswirkung. Durch diese vier Archetypen lassen sich die verschiedenen Effekte erklären, die Historiker durch ihre Art der Erzählung anstreben. Man unterscheidet hier zwischen diachronischen, prozessualen Erzählweisen und synchronischen b.z.w. statistischen Erzählweisen. Diachronische Erzählweisen stellen die geschichtlich Entwicklung der Sprache dar, synchronische den Zustand der Sprache in einem Zeitraum.

Die Tragödie und die Satire kommen dem Historiker entgegen, der in dem

Wirrwarr von Ereignissen einer Chronik, die ewige Wiederkehr des Gleichen im Verschieden darstellen, also eine durchgehende Struktur erzeugen will. Romanze und Komödie dagegen zeigen neue Kräfte oder Bedingungen innerhalb von Prozessen, die Zunächst in ihrem Wesen stabil scheinen.16

III.III. Erklärung durch ideologische Implikation

Ideologie meint hier ein Bündel sozialer Verhaltensregeln und Handlungsgeboten , die mit einer bestimmten Haltung gegenüber der Gesellschaft verbunden sind. „Derartige Gebote gehen mit formalen Argumenten einher, welche die Autorität einer „Wissenschaft“ oder „realistischen Weltansicht“ beanspruchen“17

Nach Hayden White gibt es vier ideologische Grundpositionen, die von Bedeutung sind. Der Anarchismus, der Konservativismus, der Radikalismus und der Liberalismus. Und so wie jede Ideologie ein bestimmtes Bild von der Geschichte hat und ihren Verlauf einschliesst, so ist auch jede Geschichtsschreibung an eine bestimmte Ideologie gebunden. Konservative stehen programmatischen Veränderungen des gesellschaftlichen Status Quo besonders misstrauisch gegenüber. Radikale, Liberale und Anarchisten, sehen solche Veränderungen der sozialen Ordnung entsprechend optimistisch. Am nächsten kommen sich noch Konservative und Liberale, beiden erscheint ein sozialer Wandel nur dann erfolgversprechend wenn er lediglich einzelne Teile betrifft nicht aber die gesamte Struktur. Hierbei definieren Konservative einen Wandel eher als eine allmählich fortschreitende Entwicklung wohingegen Liberale ihn als Regulierung oder Feinabstimmung eines Mechanismusses sehen.

Ganz im Gegenteil zu den beiden Erstgenannten sind Radikale und Anarchisten von der Notwendigkeit struktureller Eingriffe überzeugt. Radikale, um die Gesellschaft von Grund an neu aufzubauen und Anarchisten, um die Strukturen abzuschaffen und auf der Basis des gemeinsamen Sinnes für Humanität zu leben.

Auf die Geschichte angewendet, kann man zum Beispiel einer Serie von Ereignissen die Erzählstruktur einer Tragödie geben und sie wissenschaftlich erklären, in dem man sich auf die Gesetze der kausalen Determinierung beruft oder auf die mutmasslichen Gesetze der menschlichen Freiheit. Ersteres bedeutete, der Mensch ist, Kraft seiner Teilnahme an der Geschichte, an ein unentrinnbares Schicksal gebunden. Diese Version ist klar konservativ ausgerichtet.

Letzteres bedeutete, dass der Mensch durch seine Handlungsweise über sein Geschick verfügen kann, also ein radikaler Ansatz.

IV. Der historiographische Stil

Kombiniert man nun diese drei möglichen Erklärungseffekte miteinander, so entsteht daraus der historiographische Stil. Jedoch lässt sich nicht ohne weiteres jede mit jeder Form verbinden. Hayden White hat hier ein Schema erstellt, welches die idealen Kombinationen darstellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten18

Dieses Schema meint Hayden White nicht verpflichtend , doch kann das Gefühl des Lesers, die Geschichte „passe“ nicht, daher rühren, dass die Erzählstruktur nicht zur Argumentationsweise oder zur ideologischen Implikation passt. Natürlich kann man diese Form auch verwenden um absichtlich eine dialektische Spannung hervorzurufen.

V. Die Tropen

Bei der Analyse poetischer Sprache greifen sowohl die traditionelle Poetik, als auch die moderne Sprachtheorie auf vier Grundtropen zurück. Die Metapher, die Metonymie, die Synekdoche und die Ironie. Anhand dieser Trope lassen sich Gegenstände beschreiben, die im bildlich - symbolischen Diskurs unterschiedlich dargestellt sind. Durch sie kann man auch verstehen, wie Erfahrungsinhalte vorstrukturiert werden und schliesslich für eine bewusste

Aufnahme aufbereitet werden. Mit der Metapher lässt sich die Ähnlichkeit von Dingen durch Analogien oder Vergleiche charakterisieren. Durch die Metonymie kann man einen Gegenstand beschreiben, indem man nur einen Teil dieses Gegenstandes nennt und damit das ganze meint. Die Synekdoche bezieht sich zwar auch nur auf einen Teil und lässt somit auf ein Ganzes schließen, doch beschreibt sie wiederum nicht einen greifbaren Gegenstand, sondern eine Qualität, also eine Charaktereigenschaft. Mittels der Ironie kann schliesslich auf einen Sachverhalt aufmerksam gemacht werden, in dem man „[...] auf der bildlichen Ebene negiert, was auf der wörtliche Ebene als positiv erscheint“19

Zwar sind letztere drei Formen der Metapher, doch ist diese wesentlich darstellend, die Metonymie reduktorisch, die Synekdoche integrativ und die Ironie negatorisch.20

Angewendet auf die zuvor erläuterten Theorien, entspräche die Metapher der Darstellungsweise des Formativismus, sie deutet die Erfahrungswelt in Objekt - Objekt - Termini. Die Metonymie ist in mechanischer Weise reduktiv und präfiguriert in Teil - Teil - Termini. Die Synekdoche wiederum ist in organizistischem Sinne integrativ präfiguriert also in Objekt - Ganzes - Termini.

Der Grundmodus der Ironie ist eine offenkundig widersinnige Metapher. Sie bildet das sprachliche Paradigma einer radikal, selbstkritischen Denkweise und zwar auch gegenüber der Annahme, die Wahrheit der Dinge angemessen in Sprache fassen zu können.

Im Gegensatz zu den ersten drei Formen steht sie abseits jeglicher ideologischer Weltbilder und auch den archetypischen Erzählformen abweisend gegenüber. Zur Begründung liberaler oder konservativer Positionen lässt sie sich lediglich taktisch verwenden. Je nach dem, welcher Seite der Autor ironisch gegenübersteht. Radikal und anarchistisch kann sie offensiv angewendet werden, um jeweils die Ideale der anderen Seite ins Lächerliche zu ziehen.

VI. Schlussbetrachtung

Dieser Arbeit, wie auch der Hayden White, fehlt es an kurzen prägnanten Beispielen. Hayden White bezieht sich in seinem Text „Metahistory“ sowie auch in „Der historische Text als literarisches Kunstwerk“ häufig auf vollständige Texte bekannter Philosophen, Sprachwissenschaftler Historiker und Literaturtheoretiker. Er setzt so vom Leser das Studium dieser Werke voraus, und statuiert an ihnen seine Theorie. Im Rahmen dieser Arbeit ist das Studium besagter Bücher jedoch zu umfangreich. So bleibt am Ende nur die blosse Theorie Hayden Whites. Hinzukommt, dass diese wegen ihrer Komplexität auch nur auf ganze Werke angewendet werden kann So ist es nahezu unmöglich einen Teilaspekt herauszunehmen und an ihm die Theorie Hayden Whites darzustellen. Dadurch erscheint die Theorie so fast ohne anschauliche Beispiele ein wenig fade und schwer nachvollziehbar. Dennoch, die Arbeit als Ganzes betrachtet zeigt sie schliesslich doch recht anschaulich wie Fiktion und Geschichte in vielen Situationen ineinander spielen.

Bilbliographie

White, Hayden; „Auch Klio dichtet oder die Fiktion des Faktischen“; Klett - Cotta - Verlag; Stuttgart 1986.

White, Hayden; „Metahistory. Die Historische Einbildungskraft im 19.

Jahrhundert in Europa“; Ficher Taschenbuch Verlag; Frankfurt 1994

White, Hayden; „Der historische Text als literarisches Kunstwerk“ aus

„Geschichte schreiben in der Postmoderne“ Hrsg.: Christoph Conrad & Martina Kessel; Phillip Reclam Jun.; Stuttgart 1994

Microsoft „Encarta“ Edition 99 Enzyklopädie

[...]


1 Zitiert nach: White, Hayden; „Auch Klio dichtet oder die Fiktion des Faktischen“; S.37, Z.40 2

2Zitiert nach: White, Hayden; „Auch Klio dichtet oder die Fiktion des Faktischen“; S.48, Z.2

3Siehe auch: White, Hayden; „Auch Klio dichtet oder die Fiktion des Faktischen“; S.40, Z.36

4Zitiert nach: Zitiert nach: White, Hayden; „Auch Klio dichtet oder die Fiktion des Faktischen“; S.51, Z.26

5Zitiert nach: White, Hayden; „Auch Klio dichtet oder die Fiktion des Faktischen“; S.63, Z.1

6Siehe auch: White, Hayden; „Der historische Text als Literarisches Kunstwerk“ in „Geschichte schreiben in der Postmoderne“; S. 123

7Siehe auch: White, Hayden; „Der historische Text als Literarisches Kunstwerk“ in „Geschichte schreiben in der Postmoderne“; S.126

8Siehe auch: White, Hayden; „Der historische Text als Literarisches Kunstwerk“ in „Geschichte schreiben in der Postmoderne“; S.127

9Zitiert nach: : White, Hayden; „Der historische Text als Literarisches Kunstwerk“ in „Geschichte schreiben in der Postmoderne“; S.128

10Zitiert nach: : White, Hayden; „Der historische Text als Literarisches Kunstwerk“ in „Geschichte schreiben in der Postmoderne“; S.147, Z.11

11Übernommen aus: White, Hayden; „Metahistory. Die Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa“; S.10

12Siehe auch: White, Hayden; „Metahistory. Die Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa“; S.25

13Siehe auch: White, Hayden; „Metahistory. Die Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa“; S.30

14Siehe auch: White, Hayden; „Metahistory. Die Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa“; S.32

15Zitiert nach: White, Hayden; „Metahistory. Die Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa“; S.33; Z. 28

16Siehe auch: White, Hayden; „Metahistory. Die Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa“; S.25; Z. 16

17Zitiert nach: White, Hayden; „Metahistory. Die Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa“; S.39; Z. 1

18Entnommen: White, Hayden; „Metahistory. Die Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa“; S.48

19Zitiert nach: : White, Hayden; „Metahistory. Die Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa“; S.51; Z. 14

20Siehe auch: White, Hayden; „Metahistory. Die Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa“; S.51

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Hayden White - Metahistory
Hochschule
Universität Leipzig
Veranstaltung
Proseminar
Note
1,7
Autor
Jahr
1999
Seiten
17
Katalognummer
V104471
ISBN (eBook)
9783640028054
Dateigröße
366 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hayden, White, Metahistory, Proseminar
Arbeit zitieren
Janna Plote (Autor:in), 1999, Hayden White - Metahistory, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104471

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