Gramatikographie - Entwicklung der Darstellung von Wortstrukturen


Seminararbeit, 2000

21 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Wortanalyse in der spanischen Akademiegrammatik von
a. Silben
b. Stamm und Endung
c. Ergebnisse für einzelne Wortklassen

2. Prinzipien der strukturalistischen Morphemanalyse

3. Morphemanalyse von Verben in spanischen Grammatiken des Jahrhunderts
a. Morphemanalyse im Esbozo
b. Morphemanalyse bei Alcina und Blecua
c. Morphemanalyse bei Hernández Alonso
d. Vergleich der Ergebnisse mit Schwerpunkt auf Terminologie und konkreten Analyseergebnissen

4. Silben und Morphemanalyse von Verben bei Emilio Alarcos Llorac
a. Verbanalyse

5. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die vorliegende Arbeit soll die Entwicklung der Darstellung der Wortstruktur in ausgewählten spanischen Grammatiken des 20. Jahrhunderts aufzeigen. Sie ist unterteilt in vier Kapitel, die chronologisch die Entwicklung der Wortanalyse verdeutlichen.

Im ersten Kapitel wird der phonologische Ansatz der spanischen Akademiegrammatik von 1931 vorgestellt. Kapitel zwei gibt einen Überblick über die wesentlichen Merkmale und Neuerungen der strukturalistischen Morphemanalyse. Dieses Kapitel dient vor allem dazu, den Unterschied zwischen der spanischen Akademiegrammatik von 1931 und dem, ihr folgenden, Entwurf von 1973 zu erläutern.

Die zeitlich anschließenden Grammatiken werden im dritten Kapitel verglichen, dabei konzentriert sich diese Arbeit in der Analyseuntersuchung auf die Darstellung des Verbs und die damit verbundenen unterschiedlichen Termini. Eine Sonderstellung in der Grammatikschreibung nimmt das Werk von Alarcos Llorach ein. Deshalb wird es in Kapitel vier gesondert besprochen. Ziel der Arbeit ist es im Wesentlichen, den Übergang von der traditionellen zur strukturalistischen Wortanalyse darzustellen.

1. Wortanalyse in der spanischen Akademiegrammatik von 1931

a. Silben

Die Silbenuntersuchung ist in der „Gramática de la Real Academia Española“1noch unter dem Begriff Analogie zu finden. In späteren Grammatiken wird Analogie durch den Terminus Morphologie abgelöst.2 In der GRAE werden Silben als Ausdruck eines Lautes beschrieben. Dabei ist es irrelevant, ob dieser einfach oder zusammengesetzt ist. Silben, die auch für sich eine eigene Bedeutung tragen können, heißen „palabra“, „vocablo“, „voz“, „dicción“ oder „término“3. Ihre Bedeutung kann entweder einer Substanz entsprechen, einer Qualität oder einer Relation.

Es wird in dieser Grammatik nicht - wie später bei Alarcos Llorach4- darauf hingewiesen, dass sich die Silbe auf der lautlichen Ebene vom Morphem auf der Zeichenebene unterscheidet.

b. Stamm und Endung

In der GRAE werden alle Zeitformen des Verbs in zwei Elemente mit unterschiedlicher Bedeutung („valor ideológico“) geteilt: In einen Stamm („raiz“) und eine Endung („desinencia“). Der Stamm drückt die allgemeine Bedeutung des Verbs aus, während die Endung die Bedeutung der grammatischen Person, der Zeit und des Modus trägt.

Bei den einfachen Verben werden zwei Stämme unterschieden.

Ein Stamm wird aus den Buchstaben gebildet, die im Infinitiv den Endungen -ar, -er, und -ir vorangehen ( z.B. am-, tem- und part-) und der andere aus dem Infinitiv selber, wie zum Beispiel in „amar-ía“.

Laut GRAE entstanden die verschiedenen Verb - Endungen als Folge der lateinischen Abstammung. So wurde in der lateinischen Sprache die jeweilige Person nicht im Verb integriert sondern durch eine Form von „haber“ ausgedrückt. Später wurde z.B. aus einer Formen wie „amar- hía“ die Form „amar-ía“.

c. Ergebnisse für einzelne Wortklassen

Außer den Verben werden in der GRAE Substantive und Adjektive als eigene Wortklassen untersucht. Als grammatische Formveränderung („accidentes gramaticales“) der Substantive werden Genus und Numerus genannt.

Zum Genus zählen fünf verschiedene Formen: „masculino, feminino, neutro, epiceno, común y ambiguo“5. Die Zugehörigkeit einer bestimmten Genus - Form zu einem Substantiv hängt einerseits von der Bedeutung des jeweiligen Substantivs ab, andererseits von dessen Endung. So sind zum Beispiel Eigen- und Familiennamen von Männern und männlichen Tieren maskulin, die von Frauen und weiblichen Tieren feminin.

Im Folgenden werden alle möglichen Endungsbuchstaben aufgezählt und einem Genus zugeordnet. Zum Beispiel sind Substantive, die auf den Buchstaben „-a“ enden, in den meisten Fällen feminin.

Alle Abweichungen dieser Regel werden anschließend gesondert aufgelistet.

Der Numerus der Substantive wird aufgeteilt in Singular und Plural. Hierbei wird darauf hingewiesen, dass sich der Plural aus dem Singular bildet, indem ein oder mehr Buchstaben hinzugefügt werden. Anschließend werden die Regeln aufgezählt, nach denen sich der Plural formt. So wird zum Beispiel der Plural der Substantive, die auf einen Vokal enden, durch Anhängen von „-s“ gebildet, der Plural der Substantive, die auf einen Konsonanten enden, durch Anhängen von „-es“.

Substantive, die zum Beispiel bereits auf „-es“ enden, verändern sich nicht.

Regelabweichungen werden auch hier wieder gesondert aufgezählt: Beispielsweise Substantive, die etwas in sich singuläres bezeichnen, wie „das Chaos“ oder „la nada“.

Ähnlich wird in der GRAE mit den Adjektiven verfahren:

Adjektive, die auf „-o“ enden, richten sich nach einer Form im Maskulinum oder Neutrum.

Adjektive, die auf „-a“ enden, richten sich nach einer Form im Femininum.6Auch hier werden im Weiteren die Adjektive aufgeführt, die sich nicht diesen genannten Regeln unterordnen lassen, wie zum Beispiel Adjektive, die zwar auf „-o“ enden, dennoch aber feminin sind.

Die GRAE ist damit eine rein beschreibende Grammatik. Sie zählt für alle ihr bekannte Wortarten die verschiedenen Erscheinungsformen auf und versucht, sie anschließend zu klassifizieren.

2. Prinzipien der strukturalistischen Morphemanalyse

Eine zentrale Stellung innerhalb der strukturalistischen Methodik nimmt die Distribution ein. Dank ihr werden die sprachlichen Einheiten nicht mehr auf Grund ihrer Bedeutung, sondern auf Grund ihrer Umgebung, ihrer Position, ihres Vorkommens, ihrer Verteilung und ihres Kontextes klassifiziert.7

Obwohl die Distributionsanalyse zunächst nur auf die Phoneme angewendet wurde, stellte sich schnell heraus, dass sich Laute nicht nur akustisch voneinander unterscheiden. Die Erkenntnis, dass auch unterschiedliches Vorkommen in bestimmten Umgebungen zu Unterscheidungen führte, hatte zur Folge, dass es nun auch in der Morphologie und in der Syntax verschiedene Klassen gab. Mit Hilfe der Distributionsanalyse können nun einzelne Klassen allein auf Grund der formalen, messbaren und objektiven Beziehungen zwischen den Elementen ermittelt werden.

Die strukturalistische Morphemanalyse folgt im wesentlichen fünf Schritten. Zunächst wird ein Corpus konkreter Äußerungen erstellt. Dann werden Minimalpaare zum Zwecke der Segmentierung gebildet. Die Morphe werden als kleinste bedeutungstragende Einheiten identifiziert, schließlich zu Morphemen klassifiziert und dann als Realisierungsformen (Allomorphe) der Morpheme beschrieben.8

Morphe werden demnach als kleinste Bedeutungstragende Einheiten definiert, welche noch nicht klassifiziert sind. Morphe bilden zusammen - auf Grund bestimmter Merkmale und Gemeinsamkeiten - Klassen von Morphemen.

Beispiel: Die Morphe „am - a - mos“ werden zu folgenden Morphemen klassifiziert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Morphe, die zum gleichen Morphem gehören, nennt man Allomorphe oder auch Varianten des gleichen Morphems.

Um zu bestimmen, wann ein Morph zu einem Morphem gehört, haben die amerikanischen Strukturalisten (u.a. Harris, Hockett, Nida und Gleason) einige Kriterien aufgestellt, von denen hier die wichtigsten genannt werden sollen.

Morphe, die zu einem Morphem zusammengefasst werden,

- müssen hinreichend bedeutungsähnlich sein,
- dürfen in keiner Umgebung in Kontrast stehen,
- müssen die gleiche Rolle im grammatischen System der Sprache spielen.9

Aus der allgemeinen Definition „Morphe(me) sind die kleinsten noch bedeutungstragenden Einheiten“ ergibt sich, dass jedes Morph(em) eine Bedeutung hat. Sie können sowohl eine semantische Bedeutung haben, wie zum Beispiel „sol“, oder aber eine grammatikalische wie „-mos“. Mitunter kommt es vor, dass ein bestimmtes Wort Inhaltsmerkmale aufweist, die häufig durch ein eigenes Morphem gekennzeichnet sind, in einem bestimmten Fall aber keinen formalen Ausdruck haben. Als Beispiel lässt sich der Plural bei Substantiven wie „los lunes“ oder “las crisis“ anführen. Man hilft sich an dieser Stelle oft mit einer Art Kunstgriff, dem sogenannten Nullmorphem „los lunes-Ø“.10

Gerade um Leerstellen in einem Schema zu veranschaulichen, können Nullmorpheme ein wichtiges Hilfsmittel sein. Ihre Anwendung ist in der Linguistik jedoch umstritten:11

„One should, however, avoid the indiscriminate use of morphemic zeros. Otherwise, the description of a language becomes unduly sprinkled with zeros merely for the sake of structural congruence and balance.”12

Morphe(me) lassen sich nach drei Gesichtpunkten klassifizieren:

Sie sind frei oder gebunden, grammatisch oder lexikalisch und kommen als Wurzel oder als Affix vor.

Ein Morph(em) ist dann gebunden, wenn es nicht allein als Wort vorkommt. Es ist lexikalisch, wenn es eine außersprachliche Bedeutung hat und grammatisch, wenn es eine grammatische Bedeutung hat.

Ein Morphem bildet ein Affix, wenn es ein gebundenes, grammatisches, reihenbildendes Morph(em) ist. Ein Morphem bildet eine Wurzel, wenn es das unzerlegbare Kernstück des Satzes ist. Während Affixe immer gebunden, grammatisch und reihenbildend sind, können für Wurzeln diese Kriterien zutreffen, sie sind jedoch nicht notwendig.

Affixe lasen sich zum einen nach ihrer Position, zum anderen nach ihrer systematischen Funktion im Wort klassifizieren.

Bei der Position im Wort unterscheidet man Präfixe, Suffixe, Infixe und Circumfixe. In der spanischen Sprache kommen Circumfixe jedoch nicht vor. Präfixe gehen einer sprachlichen Form voran, Suffixe folgen ihr und Interfixe sind Teile innerhalb eines Suffixes.

Klassifiziert man die Affixe nach ihrer systematischen Funktion, erhält man Flexions-, Derivations-, und Stammerweiterungsaffixe. Flexionsaffixe drücken grammatische Kategorien wie Tempus, Modus, Person, Numerus u.s.w. aus, Derivationsaffixe bilden neue Wörter durch Ableitung aus dem Ursprungswort. Bei den Stammerweiterungsaffixen handelt es sich um die Vokale, die die verbalen Flexionsklassen charakterisieren: „cant-a-r, tem-e-r, dorm-i-r”. Da sie weder eine grammatische Kategorie ausdrücken, noch eine greifbare Bedeutung haben, werden sie nicht zur Endung gezählt, sondern als Erweiterung des Stamms gesehen. Man nennt sie daher auch Themavokale13.

Wörter bestehen nicht einfach aus einer linearen Kette von Morphemen. Sie sind vielmehr hierarchisch aufgebaut. Das lässt sich mittels der Konstituentenanalyse zeigen.

Wells und Nida haben eine Reihe von Prinzipien aufgestellt, die beim

Zerlegen von Wörtern mittels der Konstituentenanalyse helfen:

1. Die Zerlegungen sollen die Bedeutungsbeziehungen zwischen den Bestandteilen widerspiegeln.

2. Die Konstituenten sollen möglichst häufig und regelmäßig auftreten.

3. Die Zerlegungen sollen möglichst binär sein.

4. Diskontinuierliche Konstituenten sollen möglichst vermieden werden.

5. Die Zerlegungen sollen im Einklang mit der Gesamtstruktur der Sprache stehen.

6. Die Gesamtbeschreibung soll möglichst einfach sein.14

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vst- nicht erweiterter Verbstamm; SE- Stammerweiterungsaffix, VTh- erweiterter Verbstamm; V- flektierte Verbform15

Anhand dieser Konstituentenanalyse lassen sich alle Wörter in ihre Bestandteile und inneren Hierarchien zerlegen und genau analysieren.

3. Morphemanalyse von Verben in spanischen Grammatiken des 20. Jahrhunderts

Im folgenden Kapitel wird die Morphemanalyse des „Esbozo der una nueva Gramática de la lengua Española“16 von Juan Alcina Franch und José Manuel Blecua, sowie der „Gramática funcional de la lengua Española“ von Cesar Hernandez Alonso kurz erläutert. Die Darstellungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Verben und zeigen die wichtigsten Merkmale und Änderungen der einzelnen Analysen auf.

a. Morphemanalyse im Esbozo

Zunächst wird im Esbozo das Phonem vom sprachlichen Element abgegrenzt. Das Kriterium ist der größere Umfang des sprachlichen Elements. In Folge dessen obliegt ihm die Basis der Bedeutung.

Als eine dieser sprachlichen Elemente werden „palabras“ genannt. Sie können aus einem Wort oder mehreren Wörtern bestehen und werden charakterisiert durch ihre Fähigkeit zur Trennung. D. h. Teile von ihnen können voneinander getrennt werden, so dass zwischen ihnen gewissermaßen eine virtuelle Pause besteht, die man aber nicht als Pause erkennen kann.17

Eine normale Pause dagegen trennt einzelne Abschnitte sprachlicher Äußerungen, hier „grupos fonicos“ genannt. Die „grupos fonicos“ sind wie „palabras“ rein bezeichnende Elemente. Beide gehören entweder zu den sprachlichen oder zu den grammatikalischen Formen.

„Grupo fonico“ wird als freie Form beschrieben, d.h. sie beinhaltet für sich allein eine Aussage (z.B. „vamos“) und wird deshalb auch „palabra independiente“ genannt. Wörter, die nicht in der Lage sind für sich selbst zu stehen, heißen „palabras dependientes“.

Neben den „palabras“ und den „grupos fonicos“ wird im Esbozo noch eine weitere „forma linguistica“ aufgezählt. Die kleinste Form, die noch eine Bedeutung trägt, heißt „morfema“ (im Folgenden Morphem genannt). Stimmt das Morphem mit einem für sich stehenden Wort überein (wie zum Beispiel in „mar“), so nennt man es „palabra radical“. Wenn es Teil eines Morphems ist und nicht durch virtuelle Pausen trennbar ist (wie zum

Beispiel „sol“ in „solar“), dann nennt man es wegen seiner Untrennbarkeit „palabra trabado“.18

An dieser Stelle wird im Esbozo die Morphologie als das Studium der „morfemas trabados“, ihrer Klassen und ihrer Organisation im Körper des Wortes definiert.

Im Folgenden werden die Morpheme in drei weitere Kategorien aufgeteilt: Die „morfemas derivativos“, die „morfemas flexivos“ und die „composición“.

Die „morfemas derivativos“ nennt der Esbozo auch „morfemas sufijos“, die „morfemas flexivos“ auch „desinencias“.

Während die „morfemas derivativos“ umfassende Wortklassen behandeln und sowohl Adjektive als auch Substantive oder Adverbien etc. bilden können, behandeln die „morfemas flexivos“ alle Wörter der Klasse mit dem Namen Verb.

Die einzelnen Wortformen bilden im Esbozo sogenannte Reihen. Jede dieser Reihen hat verschiedene Kategorien (Person, Zeit, Modus, etc.), die sich in einem „quadro sistematico“19organisieren.

Die „morfemas derivativos“ haben in erster Linie einen lexikalischen Charakter und die „morfemas flexivos“ einen grammatikalischen.

Werden einem Wort alle seine Suffixe entzogen, dann bleibt etwas übrig, dass im Esbozo „radical“, „raíz“ oder aber auch „tema o base de derivación“ genannt wird. „Base“ ist in diesem Fall ein Substantiv, ein Adverb, ein Adjektiv, eine Präposition oder ähnliches und heißt dann auch „nombre primitivo“ oder „adjektivo primitivo“.20

Im Bezug auf die Verben und die „morfemas flexivos“ werden im Esbozo die Numerus und Person tragenden Morpheme „desinencias“, die Zeit und Modus tragenden Morpheme „caracteristicas“ genannt. „Radical“ und „caracteristica“ zusammen heißen „tema“.

Schließlich werden die zusammengesetzten Wörter definiert. Sie heißen „palabras compuestas“ und gehören praktisch allen grammatikalischen Kategorien an. Sie bestehen aus zwei oder mehr Wörtern und ihre Zusammensetzung nennt man „composición“.

b. Morphemanalyse bei Alcina und Blecua

Juan Alcína Franch und José Manuel Blecua verstehen das Konzept des Wortes als Ausdruck eines Begriffs, der für eine Sequenz von Lauten steht, die durch ein oder mehr Morpheme gebildet werden und durch Kommutation isoliert werden können.21

Hierbei kann man Morpheme entweder nach strikten morphologischen und funktionalen Kriterien in einzelne Klassen einteilen oder aber weiterhin das Wort als Realisation akustischer Lautketten von Morphemen verstehen.

Ein bestimmtes lexikalisches Morphem (zum Beispiel „-am“) kann in vier verschiedenen Wortarten realisiert werden:

a) amor / amores

b) am-or-os-o, am-or-os-a

c) am-o / am-as

d) am-or-os-a-mente

Diese vier Typen realisieren vier verschiedene Wortklassen auf lexikalischer Ebene:

a) Substantive,

b) Adjektive,

c) Verben und

d) Adverbien.

Charakterisiert werden sie durch bestimmte Flexions- und Derivationsmorpheme oder durch deren Neutralisation.

Alcína und Blecua teilen den Wörtern drei Morphemtypen zu. Die Lexem- Morpheme, die Flexions-Morpheme und die Derivations-Morpheme.

Flexions-Morpheme heißen auch „categorisadores“, weil sie in der Lage sind einfache oder durch Derivation aufgestockte Lexem-Morpheme in bestimmte Wortklassen umzuwandeln.

Flexions-Morpheme werden durch die nachstehende Morphemklassen gebildet: „genero“, „numero nominal“, „tiempo“, „numero verbal“, „modo aspecto” und „voz”.

Im Folgenden soll nun auf die Morphemanalyse der Verben näher eingegangen werden.

Jede Realisation eines Verbs wird hier „forma verbal“ genannt22; alle Verbformen mit denen sich ein Verb präsentieren kann heißen zusammen Konjugation.

Ein Lexem-Morphem, das im Diskurs als Verb realisiert wird, teilt sich in mehrere verschiedene Morphem -Klassen , die wiederum verschiedene grammatikalische Kategorien ausdrücken, wie z.B.:

a) Numerus

b) Person

c) Zeit, Modus, etc. (zusammengefasst als „auxiliares“)

Auf diese Weise hat jede Verbform ein:

-„morfema lexematico“
-„vocal temática“
-„morfema auxiliar“
-„morfema concordante“ (Numerus und Person)

Wird von einem Verb eines dieser Morpheme nicht besetzt, steht anstelle dessen ein Nullmorphem.

Bsp.:23

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

c. Morphemanalyse bei Hernández Alonso

Ausgehend von der allgemeinen Struktur der Wörter24besteht das spanische Verb aus:

Lexem + Morphem I + Morphem II25

Das Lexem ist der Träger des Inhalts. Dieser modifiziert und präzisiert sich durch die „clasemas“, die das Morphem I liefert. Es entspricht dem symbolischen Bereich der Sprache und wird durch die Kategorien Zeit, Aspekt und Modus modifiziert. Zeit und Aspekt grenzen es in seinem Bedeutungsinhalt ein. Der Modus repräsentiert den Standpunkt und die Haltung des Sprechers vor der Aussage des Verbs und vor dem Zuhörer.

Umgekehrt repräsentiert die Kategorie Person den deiktischen Bereich und legt den „actante I“ des Inhalts fest.26

Repräsentiert durch verschiedene „morfos“ oder auch Ausdruckselemente enthält das Morphem I den Inhalt der Verbalkategorien Zeit, Modus und Aspekt.

In diese Gruppe der Morpheme I wird der „vocal temática“ aufgenommen. Er ist dann Element des Übergangs zwischen Lexem und Morphem I; teils ohne spezielle Bedeutung und teils Ausdruck des gesamten Morphems.

Das Morphem II enthält die Kategorien Person und Numerus in einem Morphem. Neu schematisiert kann man sagen, dass die Grundform des Verbs dem folgenden Plan entspricht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten27

Die Morpheme der Zeit, des Modus und des Aspekts werden nur durch ein “morfo” repräsentiert. Die Tatsache, dass ein Morphem nicht durch ein „morfo“ sondern durch Ø ausgedrückt wird, ändert weder die Struktur noch die Funktion des Verbs.

Das Subsystem „no flexiva“ des Verbs (Infinitiv, Gerundium und Partizip) wird durch das Fehlen des Morphems II charakterisiert. Auf diese Weise drückt das „morfo“ des Morphems I in diesen Formen nur den Aspekt aus.

d. Vergleich der Ergebnisse mit Schwerpunkt auf Terminologie und konkrete Analyseergebnisse

Deutlich auffällig ist der starke Bruch zwischen der Akademie Grammatik von 1931 und dem zeitlich daran anschließenden Esbozo, der ursprünglich einer neuen Akademiegrammatik vorausgehen sollte.

Während 1931 Wörter noch ganz klar nach phonologischen und semantischen Kriterien untersucht werden hat im Esbozo bereits der Strukturalismus Einzug gehalten.

Sowohl der Esbozo als auch Alcina und Blecua versuchen, die traditionellen Beschreibungsverfahren mit modernen Analysemethoden zu verbinden. Wesentlich stärker noch als im Esbozo merkt man bei Alcina und Blecua den strukturalistischen Einfluss:

„Antes se entendía la palabra como expresión de una idea. Ahora se entiende como una serie de morfemas”28

Beide Grammatiken folgen in erster Linie einer morphologischen Wortklassendefinition, während Hernández Alonso29eine morphosyntaktischen Definition anwendet.

Die Herangehensweise an die Wortanalyse ist bei allen drei Grammatiken sehr unterschiedlich. Bezogen auf das Verb werden im Esbozo ausdrücklich alle Wörter der Klasse „Verb“ unter dem Terminus „morfemas flexivos“ zusammengefasst. Bei Alcina und Blecua taucht zwar derselbe Begriff auf, jedoch wird er nicht explizit den Verben zugeordnet. Vielmehr wird er hier umbenannt in „caracterisadores“. Diese können durch verschiedenen Morphemklassen wie z.B.: Genus, Tempus, Numerus, etc. gebildet werden. Jede Realisation eines Verbs mit Hilfe dieser Morphemklassen heißt „morfema verbal“.

Die Aufzählung der verschiedenen Morphemklassen mit deren Hilfe Verben gebildet werden können erscheint wiederum auch im Esbozo. Allerdings heißen sie hier Wortformen die sogenannte Reihen bilden und die wiederum verschiedene Kategorien beinhalten: Person, Tempus, Numerus, etc.

Hernandez Alonso erspart sich diese Art Aufteilung einzelner Morphemklassen und beginnt zunächst mit der Aufteilung aller Verbformen in drei Kategorien: Lexem, Morphem I und Morphem II.

Eine derartige Grundaufteilung der Verbformen erfolgt auch im Esbozo sowie bei Alcina und Blecua. Während der Esbozo das Verb in „radical, desinencia y caracteristica“ aufteilt, kommen Alcina und Blecua zu einer Vier - Teilung: „morfema lexematico, vocal temática, morfema auxiliar y morfema concordante“. Der als “radical” bezeichnete Teil im Esbozo entspricht dem „morfema lexematico“ bei Alcina und Blecua sowie dem Lexem bei Hernández Alonso.

„Desinencia“ trägt im Esbozo - wie „morfema concordante“ bei Alcina und Blecua- Numerus und Person. Bei Hernández Alonso entspricht dieser Morphemform das Morphem I. Zeit und Modus werden im Esbozo durch „caracteristica“ ausgedrückt, bei Alcina und Blecua durch „morfema auxiliar“ und bei Hernández Alonso durch das Morphem II.

Einzig der „vocal temática“ ist nur bei Alcina und Blecua extra aufgeführt. Sowohl der Esbozo als auch Hernández Alonso rechnen ihn zum Modus und Zeit tragenden Morphem dazu.

Hauptsächlich unterscheiden sich die drei Grammatiken in ihrer Termination und ihrer Herangehensweise an die Verbanalyse. In ihren Ergebnissen sind sie sich jedoch, wenn auch unterschiedlich benannt, durchaus ähnlich.

4. Silben und Morphemanalyse von Verben bei Emilio Alarcos Llorach

Die Grammatik von Alarcos Llorach ist in erster Linie ein Lehrbuch und für die Anwendung in der Schule geschrieben. So lässt sich auch deutlich in der Herangehensweise der Versuch zur Vereinfachung erkennen.30 Im Gegensatz zu allen anderen besprochenen Grammatiken, außer der Akademie Grammatik von 1931, weißt nur Alarcos Llorach ein eigenes Kapital für Silben auf31. Wesentlich darin ist der Hinweis auf das Trennen von Silben und Morphemen. Nur Alarcos weist ausdrücklich darauf hin, dass Silben nicht gleich Morpheme sind, da Silben auf der lautlichen Ebene und Morpheme auf der Zeichenebene funktionieren.

„En primer lugar, la sílaba es una manifestación fónica que de por sí no se asocia a ninguna unidad del significado o contenido. Por ello, debe discernirse entre secuencias silábicas y secuencias de significantes, pues no coinciden.“ 32

a. Verbanalyse

„Se llama verbo a una clase de palabras que funcionan como núcleo de la oración.[…]33

Als Kernstück des Satzes kann das Verb zwar alleine für sich stehen, impliziert aber innerhalb des Satzes als Prädikat eine Beziehung zum Subjekt. Dazu braucht es zwei Komponenten. Ein Zeichen mit lexikalischer Referenz und ein komplexes Zeichen mit grammatikalischer Referenz. Beide Zeichen setzen sich gegenseitig voraus und sind unerlässlich, um Verb zu sein.34

Das lexikalische Zeichen des Verbs besitzt im Prinzip keinen exklusiv verbalen Charakter. Es sind vielmehr die grammatischen Morpheme, die sich mit dem lexikalischen Zeichen verbinden und ihm am Ende diese Kategorie verleihen.

Der Inhalt von „amar“ zum Beispiel entwickelt sich nur durch die Integration bestimmter Verbalmorpheme zu einem Verb. Kombiniert man den Wortstamm „am-“ jedoch mit anderen Morphemen, kann es auch ein Substantiv oder Adjektiv sein.

Durch diese Teilung der Verbalausdrücke in kleine Segmente - jeder einzelne an verschiedene Inhalte gebunden - erhält man, was gemeinhin als „raíz“, „caracteristica“ und „desinencia“ bekannt ist.

Llorach weicht jedoch von dieser Art der Einteilung ab. Da es nicht immer möglich ist, das, was mit dem lexikalischen Inhalt korrespondiert, exklusiv Verbalmorpheme darstellt oder die Morpheme Numerus und Person des grammatikalischen Subjekts ausdrückt, in Phonemsequenzen zu teilen, hält es Llorach für angemessener, das Verb nur in zwei Teile zu gliedern. Ein Teil bezieht sich auf den Inhalt des Textes („raíz“), ein anderer Teil trägt die grammatischen Merkmale („terminación“).

So hat dann z.B. „amabamos“ lediglich noch einen Stamm „am-“ und eine Endung „-abamos“.

Llorach geht hier ganz deutlich den Schritt der Vereinfachung. Auch

umgeht er, indem er von der Existenz komplexer Morpheme ausgeht, damit den umstrittenen Begriff des Nullmorphems.

5. Schlussbetrachtung

Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln die Wortstrukturdarstellung der einzelnen Grammatiken dargestellt wurde, lässt sich der Übergang von der traditionellen zur strukturalistischen Wortanalyse gut erkennen. Während die GRAE noch ausschließlich auf Grund phonologischer Kriterien die Wortstruktur analysiert, greifen der Esbozo, Alcina und Blecua sowie Hernández Alonso ausschließlich auf morphologische Kriterien zurück. Hier sieht man bei allen drei Grammatiken den Einfluss der strukturellen Morphemanalyse.

Alarcos Llorach steht ebenfalls unter diesem Einfluss, wenngleich er auch eine Art Sonderrolle spielt. Durch die Einteilung der Wörter in lediglich zwei Elemente erinnert er an die GRAE von 1931, jedoch erwähnt Alarcos Llorach ausdrücklich den Unterschied von Morphem und Silbe. Die Verwendung von Komplex - Morphemen ermöglicht ihm ein einfacheres Aufteilen der Wortstruktur und trägt sicherlich auch dem Anspruch der Grammatik Rechnung, eine Lehrgrammatik zu sein.

Literaurverzeichnis

Alarcos Llorach, Emilio; „Gramática de la lengua española”; Espasa-Calpe; Madrid 1994

Alcina Franch, Juan / Blecua, José Manuel; „Gramática española”; Editorial

Ariel; Barcelona 1991

Dietrich, Wolf / Geckeler, Horst; „Einführung in die spanische

Sprachwissenschaft“; Erich Schmidt; Berlin 2000

Franke, Wilhelm; „Einführung in die Sprachwissenschaft in 100 Fragen und Antworten”; Buske; Hamburg 1996

Glück, Helmut (Hrsg.); „Metzler Lexikon Sprache“; Metzler; Stuttgart, Weimar 2000

Helbig, Gerhard; „Geschichte der neueren Sprachwissenschaft“; VEB Bibliographisches Institut; Leipzig 1986

Hernández Alonso, César; „Gramática funcional del español";Gredos; Madrid 1992

Linke, Angelika / Nussbaumer, Markus / Portmann, Paul R.; „Studienbuch Linguistik“; Niemeyer; Tübingen 1996

Neumann-Holzschuh, Ingrid; „Spanisch: Grammatikographie”; in “Lexikon der romanistischen Linguistik”; Bd. VI/I; Niemeyer; Tübingen 1992

Pöckl, Wolfgang / Rainer, Franz; „Einführung in die romanische

Sprachwissenschaft“; Niemeyer; Tübingen 1994

Real Academia Española; „Gramática de la lengua Española”; Espasa-Calpe; Madrid 1931

Real Academia Espñola: Comisión de Gramática; „Esbozo de una nueva Gramática de la lengua Española”; Espasa-Calpe; Madrid 1973

Schpack-Dolt, Nikolaus; „Einführung in die Morphologie des Spanischen“;

Niemeyer; Tübingen 1999

[...]


1Im weiteren Verlauf GRAE genannt.

2siehe auch: Neumann-Holzschuh, Ingrid; „Spanisch: Grammatikographie”; in “Lexikon der romanistischen Linguistik”; Bd. VI/I; S.630, 2.Absatz

3siehe auch: Real Academia Española; „Gramática de la lengua Española”; S. 10

4siehe auch: in dieser Arbeit S. 17

5siehe auch: Real Academia Española; „Gramática de la lengua Española”; S. 12

6siehe auch: Real Academia Española; „Gramática de la lengua Española”; S. 27

7siehe auch: Helbig, Gerhard; „Geschichte der neueren Sprachwissenschaft“; S. 95

8siehe auch: Franke, Wilhelm; “Einführung in die Sprachwissenschaft in 100 Fragen und Antworten“; S. 40

9siehe auch: Schpak-Doll, Nikolaus; „Einführung in die Morphologie des Spanischen“; S. 6

10eine weitere Möglichkeit ist, von komplexen Morphemen auszugehen, die mehrere Morphe in einem Zeichen verbinden. Siehe auch: Alarcos Llorach, Kapital IV in dieser Arbeit

11siehe auch: Schpak-Doll, Nikolaus; „Einführung in die Morphologie des Spanischen“; S. 11

12zitiert nach Nida in: Schpak-Doll, Nikolaus; „Einführung in die Morphologie des Spanischen“; S.11

13siehe auch: Schpak-Dolt, Nikolaus; “Einführung in die Morphologie des Spanischen“; S.19

14zitiert nach Schpak-Dolt, Nikolaus; „Einführung in die Morphologie des Spanischen“; S. 23

15Graphik übernommen aus: Schpak-Dolt, Nikolaus; „Einführung in die Morphologie des Spanischen“; S.27

16im folgenden nur Esbozo genannt

17vergleiche Silbendarstellung bei Alarcos Llorach; Kapitel IV dieser Arbeit

18siehe auch: Real Academia Espñola: Comisión de Gramática; „Esbozo de una nueva Gramática de la lengua Española” ; S. 164

19auch “Syntagma” genannt

20siehe auch: Real Academia Espñola: Comisión de Gramática; „Esbozo de una nueva Gramática de la lengua Española”; S. 166

21siehe auch: Alcina Franch, Juan / Blecua, José Manuel; „Gramática española”; S.490

22siehe auch: Alcina Franch, Juan / Blecua, José Manuel; „Gramática española”; S. 734

23Graphik übernommen aus: Alcina Franch, Juan / Blecua, José Manuel; „Gramática española”;

S. 735 und 763

24nach Pottier, nicht mitrechnend die wesentlichen, fakultativen Morpheme („temáticos“) sowie die Affixe jeglicher Art

25siehe auch: Alcina Franch, Juan / Blecua, José Manuel; „Gramática española”; S. 336

26siehe auch: Alcina Franch, Juan / Blecua, José Manuel; „Gramática española”; S. 337

27Graphik übernommen aus: Hernández Alonso, César; „Gramática funcional del español"; S. 337

28zitiert nach: Alcina Franch, Juan / Blecua, José Manuel; „Gramática española”; S. 490

29so in der Kapitelüberschrift „morfosintaxis“ genannt

30siehe auch diese Arbeit S. 17

31siehe auch: Alarcos Llorach, Emilio; „Gramática de la lengua espanola”; S. 36 - 46

32zitiert nach: Alarcos Llorach, Emilio; „Gramática de la lengua espanola”; S. 36

33zitiert nach: Alarcor Llorach, Emilio; „Gramática de la lengua espanola”; S. 137

34siehe auch: Alarcos Llorach, Emilio; „Gramática de la lengua espanola”; S. 137

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Details

Titel
Gramatikographie - Entwicklung der Darstellung von Wortstrukturen
Hochschule
Universität Leipzig
Veranstaltung
Proseminar
Autor
Jahr
2000
Seiten
21
Katalognummer
V104472
ISBN (eBook)
9783640028061
Dateigröße
390 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gramatikographie, Entwicklung, Darstellung, Wortstrukturen, Proseminar
Arbeit zitieren
Janna Plote (Autor:in), 2000, Gramatikographie - Entwicklung der Darstellung von Wortstrukturen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104472

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