Der Modus Operandi der Klimagerechtigkeitsbewegung

Die Interdependenz zwischen Kapitalismus und sozialen Bewegungen


Hausarbeit, 2021

16 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Konzept
2.1 Methodik: Literaturrecherche, Inhaltsanalyse
2.2 Vorbemerkungen: Kapitalismus, Gewalt & Klimagerechtigkeit

3. Literaturanalyse: Interdependenz zwischen Kapitalismus & Klimagerechtigkeitsbewegung
3.1 Elmar Altvater
3.2 Naomi Klein
3.3 Andreas Malm

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Ausgangspunkt für die vorliegende Hausarbeit ist das Seminar Geschichte der Energiepolitik, Klimadiplomatie und Klimagerechtigkeitsbewegung. Das Seminar ist Teil des Moduls Politische Systeme und Vergleich, was sich wiederum in das Angebot des Bachelor­Studienganges Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin einordnen lässt. Das Seminar begann mit einer Einführung in die Industrialisierung Europas. Es wurden die Auswirkungen der gekoppelten Entwicklung durch die Nutzung fossiler Brennträger und Verbreitung des Kapitalismus betrachtet. In der Seminargruppe wurde eine Zusammenfassung zu drei Jahrzehnten Klimadiplomatie erarbeitet und sich in den letzten Sitzungen der Politisierung des Klimawandels gewidmet. Dabei wurde vornehmlich die Bewegung für Klimagerechtigkeit untersucht und ein Blick auf die Klimawandelleugnung geworfen.

Die letzte Seminarsitzung war mit Klimadystopie und -Utopie aus Sicht der lenin schen Revolutionstheorie überschrieben. Die Pflichtlektüre dieser Sitzung bestand in einem Ausschnitt aus dem Buch Corona, Climate, Chronic Emergency: War Communism in the Twenty-First Century (2020) von Andreas Malm. Als Hinweis zur weiterführenden Lektüre tauchten das Buch Wie man eine Pipeline in die Luft jagt (2020) vom selben Autor, sowie das Fazit des Buches This Changes Everything: Capitalism vs. The Climate (2014) von Naomi Klein auf. Die Auswahl der Autor:innen und ihrer Werke durch Herrn Dr. Kunze als Lektüre für die letzte Seminarsitzung und damit die Herausstellung der Bücher als besonders bedeutsam im Kontext des Seminarthemas wurde erkannt. Der implizierte Anstoß zur näheren Beschäftigung damit im Allgemeinen und der Aufruf der Autor:innen in ihren Werk im Speziellen soll hiermit aufgegriffen werden.

Die gesellschaftliche und politische Suche nach Zukunftsperspektiven stellt einen zentralen Referenzpunkt der Klimagerechtigkeitsbewegung dar. Auf welche Art und Weise kann die Bewegung zu einer klimagerechten Welt beitragen, welche Vorbedingungen gibt es und welche Potenziale können ausgeschöpft werden? Diese Fragen werden von Wissenschaftler:innen und Akteur:innen sozialer Bewegungen aufgegriffen und bearbeitet.

Im Folgenden sollen die Voraussetzungen und Handlungsoptionen im Kampf für Klimagerechtigkeit aus der Perspektive der Bewegung zusammengetragen werden. Der Fokus der Diskussion soll dabei auf gegenseitigen Abhängigkeiten und Einflussfaktoren zwischen der Gesellschaftsordnung des Kapitalismus und dem Modus Operandi sozialer Bewegungen, konkret der Klimagerechtigkeitsbewegung, liegen. Am Ende soll eine Reflexion der Synthese­Ergebnisse stehen.

Zweck der Hausarbeit ist die Schärfung des Blickes auf den Diskurs innerhalb der Bewegung. Angetrieben wird die Analyse außerdem von der Frage nach dem Stellenwert von Gewaltanwendung in der Vorgehensweise der Klimagerechtigkeitsbewegung.

Im nächsten Abschnitt wird die Herangehensweise an die Literatur erläutert und Vorbemerkungen zu verwendeten Begriffen vorgestellt. Danach werden Positionen von Akteur:innen in Bezug auf die Fragestellung dargestellt. Es wird sich vornehmlich um Akteur:innen und Texte handeln, die im Kontext des Seminars auftauchten. Dahingehend ist klar, dass die vorliegende Arbeit die Thematik aus Sicht der Seminarliteratur betrachtet und die Tiefe der Analyse allein schon wegen des angestrebten Textumfanges begrenzt ist.

2. Konzept

2.1 Methodik: Literaturrecherche, Inhaltsanalyse

Um passende Literatur zu finden, wurde die Methode der systematischen Literaturrecherche angewandt. Dabei wurde sich vornehmlich auf Literatur festgelegt, die aus dem Seminarkontext stammt. Diese vermeintlich einseitige Bezugsquelle entspricht der Perspektive, die nachvollzogen werden soll. Das ist die Perspektive der Akteur:innen der Klimagerechtigkeitsbewegung. Der Großteil der Texte im Seminar stammen von Ebenjenen oder von Autor:innen aus dem näheren Umfeld der Bewegung.

Die ausgewählte Literatur wurde mittels einer rudimentären Form der qualitativen Inhaltsanalyse untersucht. Die Texte wurde gelesen, zusammengefasst, verglichen, kontextualisiert und Argumente gewichtet.

2.2 Vorbemerkungen: Kapitalismus, Gewalt & Klimagerechtigkeit

Obwohl in der Literatur und gerade in den hier verwendeten Texten große Einigkeit über die Eigenschaften und Funktionsweisen des Kapitalismus besteht, sollen die Aspekte des Begriffs Kapitalismus, die ihn in Relation zum Klimawandel und zur Klimagerechtigkeitsbewegung setzen, hervorgehoben und festgehalten werden.

Ein zentraler Aspekt ist die Inwertsetzung von Natur. Christoph Görg definiert den Begriff im Wörterbuch Klimadebatte (2015) als die ökonomische Bewertung der Natur. Der Vorgang würde in der Politik zunehmend als rationaler Umgang bewertet. Dabei sei es eine „Unterordnung unter die Gesetze der Kapitalakkumulation^] ... begleitet von weitreichenden sozial-ökologischen Konflikten“ (Görg, 2015, S. 109).

Jürgen Scheffran (2015) schreibt in derselben Publikation zu dem Begriff Klimakonflikte: Ursachen und Folgen des Klimawandels würden mit einem reaktiven Handlungsmuster begegnet. Man versuche den Klimawandel als Risiko für die Sicherheit abzuwehren und schaffe so ein „Klima der Gewalt“ (Scheffran, 2015, S. 179).

Gewalt in unterschiedlichen Formen spielt eine Rolle in der Beziehung zwischen Kapitalismus und sozialen Bewegungen. Gewalt kann die staatliche Gewalt meinen, definiert als „die Macht, Befugnis, das Recht und die Mittel, über jemanden, etwas zu bestimmen, zu herrschen“ (Dudenredaktion). Gewalt meint aber auch „gegen jemanden, etwas [rücksichtslos] angewendete physische oder psychische Kraft, mit der etwas erreicht werden soll“ (ebd.). Laut Heide Gerstenberger, verbinde kapitalistisches Wachstumsdenken Markt und Macht zu unmenschlichen und gewaltvollen Strukturen (Schnurer, 2017). Gewalt existiert zudem in Konflikten und Kriegen. Diese gingen vermehrt aus den ungleichen und sich stetig verschlechternden Lebens- und Existenzbedingungen hervor (Scheffran, 2015, S. 184-185).

Die vorherrschende politische Deutung des Klimawandels besteht in einer Bearbeitung „als globales Umweltproblem, das es anhand von Marktmechanismen zu bearbeiten gilt“ (Bedall, 2015, S. 133). Die Klimagerechtigkeitsbewegung zeichnet sich dadurch aus, dass sie Alternativen zu dieser Engführung anstrebt (ebd.). Die Alternative besteht unter anderem darin, Aspekte der Klimagerechtigkeit, die von der Politik wenig beachtet werden, zu berücksichtigen. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit den Ursachen des Klimawandels, die damit einhergehende Verantwortung, die Verteilung der Lasten des Klimawandels und - schutzes sowie die Entscheidungsfindung zu klimapolitischen Maßnahmen (Brunnengräber & Dietz, 2015, S. 157).

3. Literaturanalyse

Die gegenseitige Beeinflussung, wenn nicht Durchdringung von Kapitalismus und Klimagerechtigkeitsbewegung ist offensichtlich. Die Bewegung ist in die kapitalistische Gesellschaftsordnung eingebettet und handelt im Rahmen und in Mustern dieser. Trotz der Versuche, aus den Handlungslogiken des Kapitalismus auszubrechen, ihn gar zu überwinden, bringt die Bewegung die Gesellschaftsordnung mit hervor.

Die Partei DIE LINKE schreibt in einem Dossier zu dem Thema Klimagerechtigkeit „Wer das Klima effektiv schützen will, muss die Systemfrage stellen“ (Redaktion der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag). Das Bündnis Ende Gelände, prominenter Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung, artikuliert deutlich, was es unter der Systemfrage versteht. Die Aktivistin Ronja Weil von Ende Gelände sagt, es gehe um einen Systemwechsel. Abgelöst werden sollen Unternehmen und Strukturen, die die Klimakrise befeuern. Anstelle dieser solle ein solidarischeres Miteinander treten. Der Weg dorthin wird im Fall Ende Geländes zum Teil für sehr radikal gehalten und als Plan zum politischen Putsch interpretiert. Von Seiten Ende Geländes heißt es aber, man gehe den Weg friedlicher Proteste (Röhllig, 2020).

Unteilbar sei die Verknüpfung von Ursache und Folge. Kapitalistische Strukturen wären schuld am Klimawandel, so die Schlussfolgerung Naomi Kleins. Selbst The Guardian titelte zum Höhepunkt der Fridays for Future Demonstrationen 2019 „Ending climate change requires the end of capitalism“ (McDuff, 2019). Die Kausalität der beiden Punkte sieht auch Elmar Altvater gegeben und argumentiert für eine klimafreundliche Utopie als Ersatz für den Status quo.

3.1 Elmar Altvater

Der Politikwissenschaftler Elmar Altvater argumentiert in seinen Publikationen aus der Sicht einer kapitalismus- und globalisierungskritischen Politischen Ökonomie. Im Folgenden geht es primär um Argumente und Auszüge aus dem Werk Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen. Eine radikale Kapitalismuskritik (2005). Falls das Vorhaben des Buches nicht schon im Titel deutlich wurde, benennt es Altvater in der Einleitung ganz explizit. Mit dem Werk will er den Versuch „unternehmen, die Kapitalismuskritik zu radikalisieren“ (Altvater, 2005, S.10).

Altvater erklärt den Kapitalismus für obsolet und entwickelt konkrete Vorstellungen für ein Miteinander nach dem Kapitalismus. Im Laufe des Buches wird immer wieder auf die Bedeutung sozialer Bewegungen für den Wandel eingegangen. Zu der Transformation von Kapitalismus, hin zu einer alternativen Gesellschaftsform, schreibt er: „Eine Gesellschaft kann nur in einem revolutionären Prozess die den Kapitalismus charakterisierenden sozialen Formen überwinden“ (Altvater, 2005, S. 177). Politische Alternativen zum Kapitalismus würden in sozialen Bewegungen erfunden (ebd.). Eine mögliche Alternative bestehe in einer solidarischen und nachhaltigen Ökonomie. Diese Wirtschaftsweise wirke dem Raubbau an der Natur entgegen und entschärfe das den Klimawandel verursachende Energieregime, bestehend in der extensiven Verbrennung fossiler Brennstoffe und dem Raubbau an der Natur. Der Kapitalismus beruhe auf der Kapitalakkumulation und der Anhäufung von Privateigentum. Erst durch Nutzbarmachung fossiler Brennstoffe sei der Kapitalismus zu einem die Erde beherrschenden System geworden. Das die Erde umspannende ökonomische System sei der Pfeiler der aktuellen Machtstrukturen (Altvater, 2005, S.175). Alle Institutionen des Kapitalismus würden sich gegen umweltverträgliche Alternativen stellen (Altvater, 2005, S. 179). Da Machteliten ihre Stellung verteidigen würden, seien politische Alternativen immer strittig und würden Konflikte verursachen (Altvater, 2005, S. 195).

Der Kapitalismus verschlechtere die Lebensbedingungen einer Mehrheit zum Wohle einer privilegierten und wohlhabenden Minderheit. Die Lebensbedingungen bestünden in natürlichen Gegebenheiten wie dem Zugang zu Trinkwasser, der Luftqualität und Versorgung durch Lebensmittel. Durch den Kapitalismus würden sich sowohl die sozialen Bedingungen,als auch die natürlichen Gegebenheiten drastisch verschlechtern. Deshalb bliebe sozialen Bewegungen häufig nur noch die Besetzung von Orten, um gegen die Zustände zu protestieren und ihre Forderungen nach der Verbesserung der Lebensbedingungen selbst zu erfüllen (Altvater, 2005, S.198). Die angemessene Form der Auseinandersetzung für soziale Bewegungen mit den Missständen umzugehen, sei die vielfältige Vernetzung und Erarbeitung von Zielen (Altvater, 2005, S.200). Die Verschiedenheit der Akteure dürfe dabei nicht verschwinden (Altvater, 2005, S.201). Altvater verweist auf die von Rosa Luxemburg beschriebene Dialektik von Reform und Revolution. Soziale Bewegungen in

institutionalisierter Form wie Nicht-Regierungsorganisationen würden Gefahr laufen, von staatlichen oder privatwirtschaftlichen Unternehmen kooptiert zu werden. So würden sie „in den globalen Funktionsmodus der kapitalistischen Herrschaft integriert„ werden (Altvater, 2005, S.202). Akutes Leid würde so gelindert, doch im Endeffekt würden Akteure sozialer Bewegungen das System stabilisieren, dass Leid und Missstände hervorbringt und für sie verantwortlich ist. Die Hoffnung sei groß, dass aus dem System heraus eine Entwicklung von Alternativen geschehen könne. Doch die Hoffnung auf Vernunft, die soziale und ökologische Grenzen zur Kenntnis nimmt und das System dementsprechend umgestaltet, überschaue die Erkenntnis, das alle Akteure, die auf einen Wandel hinarbeiten, den Systemzwängen gehorchen (ebd.).

Die Lösung könne kein einmaliges Ereignis der Machtergreifung sein, sondern eine „radical transformation in patterns of production and consumption, of life and work, of gender relations, of the societal relation of mankind to nature“ (Altvater, 2006, S.19). Diese stehe in Verbindung mit der Nutzung regenerativer Energien. Volkssouveränität und Selbstverwaltung werden hier als erprobte Möglichkeiten der Organisation genannt. Es sei notwendig, sich im Stadium der Koexistenz solidarischer Selbstverwaltung und kapitalistischer Gesellschaftsordnung mit militärischer Gewalt gegen das konventionelle Regime zu verteidigen (Altvater, 2005, S.202-203). Die Ausübung militärischer Gewalt sei ein gängiger Modus der Marktwirtschaft. „Distributing oil resources is the exercise of political power and military violence to achieve dispossession by force“ (Altvater, 2007, S.50). So würden sich Konflikte über Land und Wasser weiter zuspitzen und gewalttätiger werden. Je dringender und verzweifelter die Verteilungsfrage von Ressourcen wird, desto höher wird der Handlungsbedarf für alle (Schwarz & Randall, 2003, S.16, zitiert nach Altvater, 2007, S.49). So wären schon in der Bush-Ära im US-amerikanischen Außenministerium Präventionsmaßnahmen für den drohenden Klimakollaps geplant worden. Die Strategie, die verfolgt würde, sei die „militärische Abwehr gegen die Folgen der klimatischen Änderungen“ (Altvater, 2005, S.174).

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Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Der Modus Operandi der Klimagerechtigkeitsbewegung
Untertitel
Die Interdependenz zwischen Kapitalismus und sozialen Bewegungen
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut)
Note
2,0
Jahr
2021
Seiten
16
Katalognummer
V1044990
ISBN (eBook)
9783346466853
ISBN (Buch)
9783346466860
Sprache
Deutsch
Schlagworte
modus, operandi, klimagerechtigkeitsbewegung, interdependenz, kapitalismus, bewegungen
Arbeit zitieren
Anonym, 2021, Der Modus Operandi der Klimagerechtigkeitsbewegung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1044990

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