Die Schaukel von Jean-Honoré Fragonard


Referat / Aufsatz (Schule), 2001

3 Seiten, Note: 13


Leseprobe


„Die Schaukel“ von Jean-Honoré Fragonard

Das Ancien Régime:

Die alte gesellschaftliche Ordnung vor der Revolution wird das Ancien Régieme genannt. Die Menschen lebten in einer ständischen Ordnung, die jedem seinen Platz und seine Lebenschance zuteilte. Durch Geburt war man Adeliger, Bürger, Bauer oder Standesloser und die Möglichkeit, sich über seinen Stand zu erheben war gering. Nutznießer dieser Ordnung waren der Adel, der von den wichtigsten königlichen Steuern befreit war, während die große Masse der wirtschaftlich Abhängigen die Lasten trug.

Die spielerisch verträumten Gemälde des Rokoko blendeten den Umstand weg, dass die Zeichen der Zeit längst auf Sturm standen. Die Privilegien der Adelsgesellschaft, die man seit den mittelalterlichen Zeiten bewahrt hatte, wurden mit dem wachsenden technischen Fortschritt in Frage gestellt. Wenig später, mit dem Auftakt der französischen Revolution im Jahre 1789, wurde die naive Lieblichkeit einer degenerierten Adelsgesellschaft durch den Aufstand des erstarkten Bürgertums bestraft. Der Perückenkopf jedes Comte oder Comtesse, die einmal in die Hände der bewaffneten bürgerlichen Jakobiner gefallen waren, purzelte bald vom Hacktisch der Guillotine in den Korb. Das mit wonnigem Schauer gaffende Straßenvolk durfte bei dieser Gelegenheit feststellen, dass das Blut die gleiche rote Farbe hatten wie bei jedermann sonst. Die sichere Zeit des blaublütigen Adels nahm hier vorerst ihr Ende.

Die Kunst des Rokoko:

Das Rokoko, ungefähr zwischen 1720 und 1780 als Spätphase des Barock auftretend, entwickelt jenes vor allem im Dekorations- und Malereibereich weiter. Die Weichzeichnergemälde von Fragonard und Boucher zeugen heute aus dieser Zeit.

Anstelle der Repräsentation tritt eine Vorlieb für das Intime, Spielerische und Perziöse. Bevorzugt thematisiert wird die ewige Jugend und Schönheit, die heiter-sinnliche Liebe, die lässig-höfliche Eleganz, die sich von der Wirklichkeit in die Idylle der Schäferstündchen flüchtet. In der Architektur des Rokoko blieb die pompöse Wuchtigkeit der Bauten zunächst erhalten, doch die Zielelemente im Innen- und Außenbereich veränderten sich. Wo sich im schweren Barock die Zierbänder noch streng geometrisch zu Schnecken-Voluten rollen, werden Fenster- und Türeinfassungen und die Mittelrisalite der Schlösser während des Rokoko vom unregelmäßigem Element der Rocaille umflossen.

Von diesem Zierelement der Rocaille, was soviel heißt wie „Geröll“, „angehäufte Steinchen“, „Grottenwerk“ oder „Muschelwerk“, leitet sich auch der deutsche Epochenname Rokoko ab.

Der Maler:

Jean-Honoré Fragonard wurde am 05.04.1732 in Grasse (Provence) geboren und starb am 22.08.1806 in Paris. Er fing mit dreizehn Jahren als Bürohilfe bei einem Notar an. Dieser bemerkte seine künstlerischen Fähigkeiten. Bereits 1747 kam er in das Maleratelier von Jean-Baptiste Siméon Chardin in die Lehre, wechselte aber ein Jahr später zu Francois Boucher, seinem Vorbild. Schon bald verstand er es, den Stil seines Lehrers so genau zu kopieren, dass selbst für Kenner kaum ein Unterschied zu finden war. So schrieb man anfangs die Anbetung der Hirten (1750, New York; Wildenstein Gallery) Boucher zu, ein Werk, das wie man nachträglich entdeckte, die Signatur Fragonards trägt. 1753 wechselte er in die École royale des élèves protéges. In dieser Phase setzte er sich besonders mit der flämischen Malerei auseinander und studierte Maler wie Rubens, Rembrandt, Hals und Ruisdael. 1756 ging er nach Rom an die Académie de France. Gleichzeitig mit ihm verbrachte auch Jean Baptiste Greuze seine Studienzeit in Rom. Fragonard schulte sich an Werken der Carracci, Cortonas, Caravaggios und Guido Renis. Durch Unterstüzung seines Mäzens konnte sein Romstipendium verlängert werden, was ihm ermöglichte, auch nach Neapel zu reisen, um Jusepe de Ribera und Francesco Solimena zu studieren. 1761 ging er nach Frankreich zurück. Ein Werk aus seiner Romzeit ist unter anderem das Bild Der Großpriester Coreos opfert sich um Kallirrhoe zu retten (1765, Paris; Louvre). Nach der Ausstellung im Salon erwarb es der franz. König. Mit diesem Kauf öffneten sich Fragonard die Türen, und er erhielt den Auftrag die Decke der Apollo-Gallerie auszumalen. Im Anschluss daran folgten erst einmal keine weiteren Historienbilder, sondern er widmete sich in dieser Zeit vor allem erotischen Szenen, illusionistischen Landschaften und Porträts (Rinaldo im Zauberwald; Das Gewitter; Bildnis eines Greises). Seine erotischen Bilder (Die Musikstunde; Wenn Vater und Mutter abwesend sind,...) waren der mythologischen Hülle fast immer entkleidet und konnten sich so zu echter Natürlichkeit entwickeln, da sie nicht wie Bouchers Werke auf mythologische Doppeldeutigkeiten angewiesen waren. Diese für damalige Vorstellungen freizügige Darstellung brachte Fragonard nicht selten den Bruch mit seinen Auftraggebern. So wurden die vier Tafeln, die die Stationen der Liebe in Schäferszenen darstellen (Verfolgung, Liebesbriefe, L’Escalade und Gekrönter Liebhaber) und 1770 als Auftrag der Mätresse des Königs, Madame Dubarys, an Fragonard gingen, von dieser zurückgewiesen. Der Kundenkreis Fragonards ist daher weniger am Hof und unter dem Adel zu finden als unter Kunstliebhabern und Gesinnungsgenossen. 1772 folgte vermutlich eine Reise in die Niederlande, 1773/74 ein zweite Italienreise. Um 1785 veränderte sich die Themenwahl des Malers. Er suchte neue Elemente in der Ideenwelt Rousseaus, wobei er sich einem fast starren Klassizismus näherte. Die Leichtigkeit seiner früheren Bilder wird aufgegeben. Die Revolution überstand Fragonard unter dem Schutz von Jacques Louis David verhältnismäßig gut, obwohl seine Kunst, zu der auch Buchillustrationen zählen, verboten war. Seine Produktivität nimmt in diesen letzten Jahren beträchtlich ab.

Bildbeschreibung:

Das Bild „Die Schaukel“ stellt drei Personen in einer Lichtung der wilden Natur dar. Ein alter Eichbaum und Efeuranken bilden einen umschließenden Rahmen um die zwei links und rechts stehenden Männer und die junge Adelige. Durch das Licht und der Anordnung der umliegenden Bäume und Sträucher wird der Blick des Betrachters zuerst auf die Frau gelenkt. Lasziv und vergnügt sitzt sie auf der gepolsterten Schaukel und genießt ihre zentrale Position. Die Pausbacken und großen Augen in ihrem Gesicht zeigen eine offensichtliche Anwendung des Kindchen-Schemas. Auffallend ist die glatte, helle, rosige Haut. Ebenfalls außergewöhnlich sind die sehr kleinen Extremitäten. Ihre gespreizten, angespannten Finger und Beine verfehlen ihre theatralische Wirkung nicht. Das Kleid ist, für die damalige Mode nicht untypisch, sehr füllig, spielerisch und dekorativ, also kostbar. Die rosa Farbe steht im Kontrast zu dem Grün der umrandenden Natur. Sie symbolisiert die Jugend und Schönheit.

Der jüngere Mann befindet sich links unterhalb von ihr. Angelehnt an den Sockel einer Engelsstatue liegt er ihr unterwürfig zu Füßen. Sein Rüschenhemd, der Hut und der kostbare Anzug lassen auf seine soziale Stellung schließen. Hierbei handelt es sich übrigens um den Auftraggeber, einen Baron. Fasziniert streckt er der Frau seinen linken Arm entgegen, in dem er auch den schwarzen Hut hält. Sein sehnsüchtiger Blick und die gespreizten Finger lassen auf sein Begehren schließen. Das Annähern und Entfernen, bedingt durch das Schwingen der Schaukel, reizen den begeisterten Mann. Er findet offensichtlichen Gefallen an dem galanten, neckischen Spiel. Grade die Kürze der Momente, die er hat, um der Frau unter den Rock zu sehn, erhöhen den abenteuerlichen Aspekt und somit sein Verlangen. Nicht die schnelle Erfüllung seiner Begierde ist hier wichtig, sondern die Stimulierung der Reize. Der Baron spielt den Verführer, der sich auf die Kosten anderer amüsiert. Dieser Hedonismus und die Kultivierung des Sinnesleben war sehr typisch für diese Zeit. Dass der Ehemann sich nichts ahnend im Hintergrund befindet, hatte eher einen zusätzlich anregenden Effekt. Obwohl er als einziger im Schatten steht und am schlechtesten zu erkennen ist, sieht man an den Falten in seinem Gesicht, dass er einige Jahre älter, als die andern ist. Durch ziehen an dem mit der Schaukel verbundenen Seil, setzt er diese in Bewegung. Auch er findet Gefallen an dieser Freizeitbeschäftigung. Die Unwissenheit und Naivität des Ehemannes machen ihn zum bemitleidenswerten Voyeur.

Ende der Leseprobe aus 3 Seiten

Details

Titel
Die Schaukel von Jean-Honoré Fragonard
Note
13
Autor
Jahr
2001
Seiten
3
Katalognummer
V104529
ISBN (eBook)
9783640028573
Dateigröße
327 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schaukel, Jean-Honoré, Fragonard
Arbeit zitieren
Karin Jung (Autor:in), 2001, Die Schaukel von Jean-Honoré Fragonard, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104529

Kommentare

  • Gast am 13.3.2014

    Schön geschrieben. Aber inhaltlich ist die Beschreibung leider falsch und somit auch die Interpretation. Der Baron ist der Mann der an den Seilen im Hintergrund steht. Der Mann der im Rosenbusch liegt ist der Voyeur.
    Den Hintergrund dazu gibt es in dem Buch: Geschichte der Landschaftsmalerei von Nils Büttner nach zu lesen.

Blick ins Buch
Titel: Die Schaukel von Jean-Honoré Fragonard



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