Was ist mobile Arbeit? Begriffsbestimmung, rechtliche Grundlagen und Zukunftsaussichten


Hausarbeit, 2019

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Mobilitätsbegriffe der empirischen Arbeitsmarktforschung

3. Versuch einer Definition des Begriffs Mobile Arbeit

4. Rechtliche Grundlagen für mobile Arbeit

5. Gesundheitliche Auswirkungen von mobiler Arbeit

6. Mobile Arbeit in der Zukunft

7. Fazit

1 Einleitung

Der Mensch muss arbeiten um zu leben - unsere Vorfahren waren allesamt »gelernte« Jäger und Sammler. Die Geschichte der Arbeit zieht sich durch die Geschichte der Menschheit, und mit zweifellos die Geschichte des Arbeitsplatzes. Schon in der Antike wurde unterschieden in ortsansässige Arbeiter und solche, die umherzogen. Letztere waren damals - wie auch im Mittelalter - in Verruf unehrlich und untugendhaft zu sein, außerdem hat »der Grundbesitzer weit mehr Interesse an der Landesverteidigung als der Besitzlose.«1

Im Mittelalter gab es das » fahrende Volk « aber auch das » geschenkte Handwerk «, also Gesellen, » die frei wandern durften und wo sie hinkamen, freie Zehrung und Geschenk erhielten «2. Dies könnte man als die Vorläufer der mobilen Arbeit bezeichnen, wobei der entscheidende Unterschied zu heute der ist, dass der Kunde natürlich vor Ort sein musste, während heute bei mobiler Arbeit Kunde und Arbeitsplatz völlig sein können. Dennoch hatten diese Gruppen keinen täglichen Arbeitsweg.

Von Arbeitsweg im heutigen Sinn kann eigentlich erst - mit Ausnahmen - seit der Industrialisierung gesprochen werden, als Fabriken errichtet und Bergwerksstollen angelegt wurden.3 Im Zuge der Landflucht bildeten sich große Siedlungen in der Nähe dieser Arbeitsstätten, weil die Arbeiter nur zu Fuß zur Arbeit gelangen konnten.

Heutzutage gilt ein Weg von bis zu 75 Minuten einfach bei einer Arbeitszeit von acht Stunden als zumutbar.4

Im Jahre 2017 pendelten zwischen Berlin und Brandenburg ca. 346.000 Menschen an einem Arbeitstag5, bei einem durchschnittlichen Arbeitsweg von 20 km werden also an solch einem Tag zusammengerechnet knapp sieben Millionen Kilometer allein in der Region Berlin-Brandenburg zur Arbeit zurückgelegt. Dies ist nicht nur aus ökologischer Sicht ein Desaster: Ein durchschnittlicher Pendler in dieser Region verbringt pro Jahr knapp 20 Tage mit pendeln, wohlgemerkt unbezahlt - das sind über zwei Jahre Lebenszeit in einem 40­jährigen Arbeitsleben, in denen viele nichts anderes tun können, weil sie sich auf die Straße konzentrieren müssen. Rüger et al. berichteten 2012 auf Grundlage einer Studie von » pairfam «6 dass jeder zweite Erwerbstätige Pendler ist (mit einem Arbeitsweg von über 29 Minuten einfach oder länger) und jeder fünfte Mitteldistanzpendler mit bis zu einer Stunde einfachem Arbeitsweg.7

Da wundert man sich nicht, dass es für viele Menschen - nach einem Bericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem Jahre 2015 jeder Dritte von denen, die nie von zuhause aus arbeiten8 - attraktiv ist, wenn sie ihre Arbeit von zuhause aus erledigen können. So entstand zunächst die so genannte » Telearbeit«9, die heute » Homeoffice« genannt wird, bei der der Angestellte die Arbeit von Zuhause aus erledigen kann. Heute werden diese beiden Begriffe zunehmend vom Begriff » Mobile Arbeit« ersetzt, der auch alle Tätigkeiten mit einschließt, die von überall aus, wo eine Internetverbindung besteht, erledigt werden können und nicht - im Gegensatz zur Telearbeit oder dem Home Office - von einem eigens eingerichteten Arbeitsplatz im Zuhause des Angestellten. Der Begriff Mobiles Arbeiten ist bis heute noch nicht legaldefiniert10, allerdings handelt es sich dabei nicht um Telearbeit, denn sie entspricht nicht den Kriterien, die in §2 ArbStättV aufgelistet sind.11

2 Mobilitätsbegriffe der empirischen Arbeitsmarktforschung

Nach dem Arbeitsmarktforscher George Sheldon wird der Begriff » Mobilität« im Kontext Arbeit häufig als Synonym für » Flexibilität « verwendet. Bereits 1973 präzisierte er die Unterscheidung der beiden Begriffe, später präzisierte er die Definitionen verschiedener Mobilitätsformen in Anlehnung an die begrifflichen Konventionen der Bundesanstalt für Arbeit:12 Arbeitsmarktflexibilität bezeichnet dabei die Gesamtheit der arbeitsmarktbezogenen Aktions- und Anpassungsprozesse, darunter fallen die Begriffe » Pendelmobilität « und » Wandermobilität « (der Möglichkeiten des Wohnortwechsels von Arbeitnehmern bezeichnet), die sich auf geografische Mobilität beziehen sowie die Begriffe » berufliche Mobilität«, die den Wechsel von Arbeitnehmern zwischen verschiedenen Berufen bezeichnet - auch » vertikale Mobilität « genannt13 - und »Ausbildungsmobilität«, was die Möglichkeiten des Berufswechsels verbunden mit Qualifikation und sozialem Auf­oder Abstieg meint und auch » horizontale Mobilität « genannt wird. Davon abzugrenzen ist der Begriff der » Mobilen Arbeit «, der in der einschlägigen Literatur nicht einheitlich definiert ist. Denn mit der technischen Entwicklung gibt es heutzutage mehr Möglichkeiten, Arbeit ortsunabhängig zu gestalten, als zur Zeit der ersten Telearbeitsplätze vor 30 Jahren.

3 Versuch einer Definition des Begriffs Mobile Arbeit

Die erste Form von Arbeit, die fern der festen Betriebsstätte des Arbeitgebers stattfindet, wurde als Telearbeit bezeichnet. Der Begriff Telearbeit ist ziemlich genau definiert14 als Arbeitsplatz im Zuhause des Angestellten, an dem Büroaufgaben erledigt werden - heute Homeoffice genannt. Der modernste Begriff für ortsunabhängige Arbeit, den man heute findet, lautet » Digitaler Nomade «: so werden Menschen bezeichnet, die - vorwiegend selbständig - mit Hilfe des Internets Geld verdienen und dabei ihre Ortsunabhängigkeit ausleben, wie beispielsweise »Reiseblogger«, die ihre Reisen online beschreiben und damit Geld verdienen.

Davon abzugrenzen ist allerdings der Sammelbegriff » Mobile Arbeit«, der weiter - vielleicht schon zu weit - gefasst ist. In der Literatur findet man verschiedene Formen mobiler Arbeit, eine genaue Definition hingegen nicht.

Einer Definition der ECaTT (Electronic Commerce and Telwork Trends) nach sind Arbeitnehmer, die mehr als zehn Stunden pro Woche außerhalb der zentralen Betriebsstätte oder der eigenen Wohnung arbeiten, » mobile Telearbeiter «.15 Alternativ wird diese Festlegung auch als EWork oder virtuelle Büroarbeit bezeichnet.16

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln zählt in ihrer Auswertung aus dem Jahre 2017 » Mobiles Arbeiten in Deutschland und Europa « Arbeitnehmer, die » mehrmals im Monat und häufiger außerhalb des Betriebes « arbeiten zu den mobilen Arbeitnehmern.17 Die Untersuchung unterteilt die mobilen Arbeiter in vier Mobilitätsgruppen: unterschieden wird zwischen Arbeit am Computer und » Offline «, wie beispielsweise beim Kundendienst, und zwischen » häufiger « Arbeitseinsätze außerhalb des Betriebes und eher » stationären « Arbeitseinsätzen. Dabei wird keine konkrete Zahl genannt.

Eine Studie der Hans Böckler Stiftung fasst sich ähnlich ungenau, sie unterteilt in » regelmäßig « von zuhause aus und » regelmäßig « von unterwegs aus, wobei diese Regelmäßigkeit nicht näher definiert ist.18

Der Forschungsbericht » Mobiles und Entgrenztes Arbeiten« der Bundesregierung schließt mobiles Arbeiten von unterwegs gar komplett aus und beschränkt sich nur auf die Angestellten, die von zuhause aus im Homeoffice arbeiten.19 Entgrenztes Arbeiten meint in dieser Studie Beschäftigungsverhältnisse, in denen sich Arbeit und Freizeit vermischen, es also keine festen Arbeitszeiten gibt.

Die in der Literatur gefundenen Klassifizierungen lassen sich grob einteilen in Unabhängigkeit von einer Produktionsstätte, Unabhängigkeit von direktem Kundenkontakt und aller Mischformen, auch die zeitlichen, bei denen ein Mitarbeiter an zwei oder drei Tagen pro Woche im Kundendienst und sonst in der Werkstatt arbeitet. Selbst diese weit gefasste Definition lässt einige Arbeitsverhältnisse umklassifiziert, beispielsweise bleibt unklar, ob der Beruf des Fernfahrers bei der Erhebung mit zur mobilen Arbeit gezählt wird, oder der Beruf des Kreuzfahrtschiffsmatrosen, der auf dem Schiff wohnt.

Die prägnanteste Form von Arbeit im Sinne mobiler Arbeit ist eine wertschöpfende Beschäftigung, die unabhängig von einer festen Produktionsstätte und zugleich unabhängig von direktem Kundenkontakt ist. Innerhalb dieser engen Eingrenzung genießen dabei all jene die größte Mobilität, die auch noch unabhängig vom Internet sind: ein Bestsellerautor ist mobiler als ein Informatiker, denn der kann seine Arbeit nicht in den Weiten von Alaska verrichten, wo es kein mobiles Internet gibt. Der Bestsellerautor ist auch ortsunabhängiger als ein Tätowierer, der mit seinen Tätowiervorlagen und seiner Tätowiermaschine in der Welt umherreist, denn er ist auf Menschenansammlungen - z.B. an Stränden oder in großen Städten - angewiesen, wo er Kunden findet.

Mobile Arbeit in der Moderne

Ein geschichtlicher Eckpunkt der Vorläufer der Mobilen Arbeit ist vielleicht der Erlass des » Heimarbeitsgesetz « von 1911, das erstmals auch Regelungen für » Räume, die zum Schlafen, Wohnen oder Kochen dienen, wenn darin gewerbliche Arbeit verrichtet wird « traf. Dabei wurde das Material vom Auftraggeber abgeholt und das Produkt - z.B. Besen oder Leinwand - zuhause angefertigt, also eine Art Vorläufer des Homeoffice. Bemerkenswert ist, dass der Auftraggeber dieser Heimarbeit den Arbeitnehmer - mit Hilfe der Behörden - zu » Zeitersparnis « drängen konnte und Zuwiderhandlungen mit Geldstrafe oder acht Tagen Haft bestraft wurden.20 Diese Werkstätten haben allerdings mit Mobiler Arbeit im heutigen Sinn nicht viel gemeinsam, die eigentliche Geschichte der ortsunabhängigen Arbeit beginnt mit den ersten Machbarkeitsstudien, die auch wegen der Ölkrise 1973 durchgeführt wurden.

[...]


1 Prof. Dr. Michael S. Aßländer: Der Weg zur bürgerlichen Erwerbsarbeit - historische Anmerkungen zum modernen Arbeitsbegriff. Universität Kassel (pdf)

2 Rudi Palla: Das Lexikon der untergegangenen Berufe. Eichborn, Frankfurt/Main. 1998, S.19

3 Sebastian Kühn: Digitale Nomaden. Selbstbestimmt leben - ortsunabhängig arbeiten. Redline Verlag, München: 2016, S.49

4 vgl. §140 Absatz 4 SGB III

5 Jeanette Carstensen, Holger Seibert, Doris Wiethölter: Pendlerbericht Berlin-Brandenburg 2017: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Berlin: 2019 (pdf)

6 Das Beziehungs- und Familienpanel (pairfam) wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert. Es handelt sich um eine interdisziplinäre Längsschnittstudie zur Erforschung partnerschaftlicher und familiärer Lebensformen in der Bundesrepublik Deutschland mit einem N = 12.402.

7 A.Ducki, H.T.Nguyen: Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt: Mobilität. Bericht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Medizin, Berlin, Dortmund, Dresden: 2016, S.14

8 Dr. Daniel Arnold et al.: Mobiles und entgrenztes Arbeiten. Forschungskooperation des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: 2015 (pdf), S.1

9 Birgit Godehardt: Telearbeit. Rahmenbedingungen und Potentiale. Westdeutscher Verlag, Opladen: 1994 S.40

10 10 Papier „Sachstand - Telearbeit und Mobiles Arbeiten - Merkmale, Voraussetzungen und rechtliche Rahmenbedingungen“ vom 10.Juli 2017 des Deutschen Bundestages (pdf), S.5

11 vgl. § 2 insbesondere Absatz 7 ArbStättV

12 vgl. George Sheldon: Die Behandlung qualitativ-struktureller Anpassungsprozesse in limitationalen Arbeitsmarktprozessen“. Verlag Rüegger, Diessenhofen: 1981, S.208ff.

13 Markus Frank: Mobilität der Arbeit und regionale Lebensqualität. Verlag Rüegger, Grüsch(Schweiz): 1989 S. 24

14 Papier „Sachstand - Telearbeit und Mobiles Arbeiten - Merkmale, Voraussetzungen und rechtliche Rahmenbedingungen“ vom 10.Juli 2017 des Deutschen Bundestages (pdf), S.4

15 vgl. www.flexibility.co.uk/flexwork/location/ecatthtm , abgerufen am 22.Juli 2019

16 Cornelia Brandt (Hrsg.): Mobile Arbeit - gute Arbeit? ver.di Berlin (pdf), S.65

17 Mobiles Arbeiten in Deutschland und Europa - Eine Auswertung auf Basis des European Working Conditions Survey 2015 (pdf)

18 Bericht „Telearbeiter sind gestresster“, 2017 (pdf)

19 Dr. Arnold et al.: Mobiles und Entgrenztes Arbeiten, Forschungsbericht 460 der Bundesregierung 2015 (pdf), S.2

20 vgl. Heimarbeitsgesetz von 1911 §§ 5,30

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Was ist mobile Arbeit? Begriffsbestimmung, rechtliche Grundlagen und Zukunftsaussichten
Hochschule
Fachhochschule Potsdam
Note
1,7
Autor
Jahr
2019
Seiten
18
Katalognummer
V1046082
ISBN (eBook)
9783346509857
ISBN (Buch)
9783346509864
Sprache
Deutsch
Schlagworte
arbeit, begriffsbestimmung, grundlagen, zukunftsaussichten
Arbeit zitieren
David Berger (Autor:in), 2019, Was ist mobile Arbeit? Begriffsbestimmung, rechtliche Grundlagen und Zukunftsaussichten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1046082

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