Segen oder schleichender Tod


Referat / Aufsatz (Schule), 2000

3 Seiten, Note: 1-


Leseprobe


Ein Segen oder der schleichende Tod?

Man liest es überall! Die Musikindustrie klagt über ihren Niedergang, sie zieht vor Gericht, sie versucht die Rettungsinseln auszuwerfen, doch es hilft nichts, der Eisberg rückt unaufhaltsam näher. Nach der Erfindung des CD-Brenners, dem rechten Hacken für die Musikindustrie, erfolgt gleich der nächste Schlag, der linke Hacken, mit dem Namen Mp3. Irgendwo in Dithmarschen, eine freundliche Runde raucht zusammen auf dem Schulhof. Es sind die „bekloppten Freaks, die sprechen über nichts anderes als über Computer“ sagt der 14jährige Junge aus der siebten Klasse ernst. Und weiter: „Mein Bruder ist auch in der Clique, zum Glück ist der noch nicht ganz so schlimm.“ Ich frage ihn, ob dieser Fanatismus denn nicht auch seine guten Seiten hätte. Und da fällt es ihm ein: „Doch Lars hat alles was ich hören möchte, er sammelt Mp3s! Inzwischen hat er ca. 7000 Stücke. Er sagt immer, dass nicht einmal RSH so viele Lieder im Sortiment hätte.“ Umgerechnet wären diese 7000 Mp3s ca. 350 Audio - CDs oder ca. 2 Wochen die Lars* (Namen generell von der Redaktion geändert), ohne das auch nur ein Song doppelt kommen würde, Musik hören könnte. Diese Zahlen sind erschreckend für die Musikindustrie, denn: „wenn jemand den er kennt eine bestimmte CD haben möchte brennt Lars die mal kurz!“

Nach dem Mittagessen, bei Lars und seinem Bruder, in seinem Zimmer. Ein Regal, ein Schreibtisch, ein Fouton, ein typisches Jugendzimmer. Doch den Computer sehe ich nicht auf Anhieb. Und Lars erklärt: „Den Rechner habe ich unter meinem Hochbett.“ Nun sehe ich das Hochbett, es war hinter einer großen Zimmerpflanze versteckt. Unter dem Hochbett stehen wiederum Regale, gefüllt mit CDs und elektronischen Teilen und auf einem kleinen Tisch vor einem der Regale der Computer. „So komme ich immer ganz leicht an meine CDs ran. Oben hab ich die Audios, da unter die Daten - CDs mit Spielen oder Programmen und darunter

Disketten, Treiber, Schraubenzieher, Rohlinge, und was sonst noch wichtig ist.“ Dann deutet er weiter in diese Höhle hinein und sagt: “Und da hinten sind meine Klamotten. So kann ich morgens nach dem Aufstehen gleich an den Rechner, den Brenner anschmeißen und mich dabei anziehen. Nach dem Duschen ist die erste CD fertig gebacken und ich schieb die nächste nach. Die ist dann nach dem Frühstück fertig. Ich brenne wie am Fliesband. Ich bin nämlich in einer Art Brenner-Ring, wird einer der Mitglieder dieses Rings gebeten eine Musik-CD zu brennen, schickt er den Kunden zu mir, dafür empfehle ich meinen Kumpel weiter wenn es um Computerspiele geht. Und wieder ein anderer kümmert sich um Programme. Die Musik ist jedoch unser Ertragreichster Zweig.“

Dafür gibt es eine simple aber ebenso einleuchtende Erklärung. In Deutschland besitzen „nur“ ca. 30% aller Haushalte ein PC und davon sind Schätzungsweise 10% fähig mit Mp3s umzugehen. „Woher soll ein Greenhorn (Neueinsteiger) denn wissen, dass man Winamp oder Sonic benutzen muss, um Mp3s abzuspielen, und wo soll er das herbekommen? Diese Programme findet man fast nur im Netz. “ , meint Lars „außerdem: meiner Mutter habe ich schon 1000 mal versucht zu erklären, dass sie die einzelnen Dateien nicht durch Doppelklick öffnen darf, weil sonst die gespeicherte Liste verschwindet und sie die nicht wiederfinden kann.“ Um es schlicht zu sagen: seine Mutter versteht nicht mit Mp3s umzugehen, obwohl sie einen Fachmann hat, der es ihr erklären kann. Jeder kann aber mit einem einfachen CD-Player umgehen. Folglich wandelt Lars die Mp3s zurück ins wav-Format und brennt dann die wav- Dateien auf CD. „Einen normalen CD-Player kann selbst ein Technik-Legastheniker wie meine Mutter bedienen.“ Warum er denn die Audio-Dateien erst in Mp3s umwandelt, wenn er sie später sowieso wieder zurück „konvertiert“. „Ein solcher Typ wie sie sind, dachte ich weiß so etwas“, kommt Lars` Antwort kopfschüttelnd und er beginnt zu erklären: „Mp3, erfunden vom Fraunhofer - Institut Erlangen. Es war eigentlich ein Abfallprodukt, als eine Möglichkeit gesucht wurde Videos zu komprimieren und ist eine Art Datenquetsche, die die riesigen Audio- oder halt Videocontainer auf handliche Päckchen verschnürt. Die Komprimierung beträgt ein zehntel der Originalgröße, wobei der Qualitätsverlust bei neuen Dateien minimal ist und erst nach dem kopieren einer kopierten Kopie auffällig wird. Und wegen eben dieser riesigen Komprimierung kann man auch alles aus dem Internet laden. Ein Lied dauert ja nur ein paar Minuten es herunter zu laden. Würde ich in den Laden fahren, um mir ein Album zu kaufen bräuchte ich eine halbe Stunde, würde über 30 DM ausgeben und wäre vermutlich auch noch nass geworden, weil ich in einen Schauer geraten wäre. So bezahle ich nur Telefonkosten für eine halbe Stunde, die es dauert ein Album runterzuladen. Das wären dann nicht mal 5 Mark.“ Ein schlechtes Gewissen hat er also nicht im Geringsten, denn außerdem würde es ja auch oft vorkommen, dass Lars nur ein Lied von dem Album gut wäre und der Rest der CD nur als Füllewerk diene.

Heute ist Sonntag. Lars hat heute ein paar Freunde zu sich eingeladen, natürlich kommen alle mit ihrem Rechner. „Was du heute miterlebst nennen wir Netzwerk-Session. Wir verbinden unsere Computer mit speziellen Kabeln und einem Hub, eine Art Mehrfachsteckdose für Datenleitungen. Die Vorteile gegenüber dem Internet liegen darin, das es bei weitem schneller als ISDN ist, man Spiele gegeneinander spielen kann und sich danach gegenseitig anbrüllen kann wie unfair das doch war oder so und es ist umsonst. Als seine Freunde angekommen sind bleiben auch diese nicht von meiner Fragerei nicht verschont. Wolfi, das ist sein Nickname, eine Art Spitzname für die virtuelle Welt, kam lachend auf das Thema Nummer eins der Hersteller: “Ich hab neulich mal gelesen, dass die Phonoindustrie versuchte ihre CDs vor Raubkopien zu schützen. Das war auf irgendeiner Konferenz. Die Bonzen konnten sich jedoch nicht auf einen Schutzstandart einigen, weil jeder sein Patent an die anderen verkaufen wollte und die drei zur Verfügung stehenden Programme nicht untereinander kompatibel sind. Außerdem gibt es genug Hacker, die den Code knacken würden.“ Ich unterbreche ihn, um zu fragen was denn Hacker sind. „Das sind Leute, die sich eine Art elektronischen Schlüssel bauen und den Schutz quasi wie ein Tor öffnen.“ Knaller, gerade angekommen, hatte wohl den vorherigen Teil meines Gesprächs mit Wolfi mitbekommen und ergänzte jetzt: „Schutz, Wolfi, das ist doch ein Scherz. Schutz vor Raubkopien wird nie richtig gewährleistet werden können und im Moment wirkt es bei den Firmen, die die CDs brennen mit dem Kopierschutz, als wenn ein Kaufhaus tagsüber seine Waren durch Detektive vor Räubern schützen würden, der Filialleiter aber keine Tür zum nächtlichen abschließen des Ladens hätte einbauen lassen. Der einzig wirksame Schutz vor Raubkopien wäre die Preise zu senken. Wer würde sich denn noch die Mühe machen den Krams den er braucht im Internet zu suchen, ihn runterzuladen und ihn dann au CD zu brennen? Außerdem würde sich das sogar fast bezahlt machen. Man würde Telefonkosten, Zeit und die Kosten für den Rohling sparen und als Dankeschön dafür bekommt man dann auch noch ein hübsches Cover dazu.“ Nickend stimmen auch die anderen Anwesenden zu.

Einen Tag später treffe ich mich mit Lars´ Kumpel Mark, der auch in dem beschriebenen Brennerring ist. Als wir auf das Thema Mp3 zu sprechen kommen, erwähnt er, dass er Mitglied in einer Band wäre. Ich frage, ob sie das Format Mp3 für ihre Band nutzen würden. Die kaum überraschende Antwort war natürlich „Ja“. Sie haben Songs aufgenommen und sie auf einer eigenen Homepage veröffentlicht. Sein Meinung zum illegalen kopieren von Mp3s ist genauso wie Lars`. „Die Phonoindustrie behauptet, sie könne keine Nachwuchskünstler mehr fördern, aufgrund den entstehenden Verlusten durch Raubkopien. Das ist doch purer Schachsinn, wer Künstler an die wirtschaftliche Welt anzukoppeln zerstört somit seine Freiheit. Die Phonoindustrie fördert die Kunst nicht, sondern beutet sie aus. [...] Künstler sollten künftig ihre Musik nur noch frei verfügbar machen, sozusagen als Werbung, und dann ihr Geld nur noch durch Konzerte verdienen. [...] So werden wir dann auch alle vor solchen Pseudostars wie Blümchen oder Britney Spears verschont. OK, das musste ich erst mal loswerden. Nun, was halte ich jetzt vom illegalen kopieren von Mp3s? Also, ich bin der Meinung, das Leute wie Lars nur die Forschung und Entwicklung antreiben. Würde es keine Leute geben, die Mp3s weiterkopieren usw. wäre die Norm doch sofort festgelegt, und so etwas wie der Mp3-Player wäre nie erfunden worden. Durch Leute wie Mark wird der Industrie doch erst klar, das das Mp3-Format Zukunft hat. Also investieren die Bonzen in Forschung, entwickeln ein Gerät und bauen es dann. Das fördert doch sogar den Arbeitsmarkt.“ Vielleicht könnte Mark mit dem was er gesagt hat recht haben, aber Fakt ist: Mp3s sind größtenteils illegal. An einem Tag werden groben Schätzungen nach, fast ausschließlich von Jugendlichen, ca. 17 Mio. Mp3s weltweit aus dem Internet heruntergeladen. Dadurch und durch Raubkopien gehen der Musikindutrie nach eigenen Angaben weltweit 70 Mrd. Mark im Jahr verloren und allein in Deutschland, dem drittgrößtem Absatzmarkt der Welt wurden ca.10% weniger CDs verkauft als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ein kleiner Ausschnitt aus Lars` Mp3 - Sammlung ! Bekannte Titel, wie z.B. „Cardigans - Erase and rewind“ fehlen natürlich nicht!

Ende der Leseprobe aus 3 Seiten

Details

Titel
Segen oder schleichender Tod
Note
1-
Autor
Jahr
2000
Seiten
3
Katalognummer
V104612
ISBN (eBook)
9783640029341
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
MP3-Tauschbörsen vs. Musikindustrie - Diese Arbeit ist genau das richtige für den, der eine freie Reportage machen soll.
Schlagworte
Segen
Arbeit zitieren
Florian Lesch (Autor:in), 2000, Segen oder schleichender Tod, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104612

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