Szenische Analyse - Lola Rennt


Ausarbeitung, 2001

8 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


I Der Film

1.) Inhalt

Manni verdient sich seinen Lebensunterhalt als Geldkurier für einen Autoschieber. Er ist noch neu in dem Job und wird von seinem Boss auf die Probe gestellt: Er soll 100.000 DM überbringen. In seiner Anspannung vergisst er, das Ticket für dir U-Bahn zu lösen - und wird natürlich kontrolliert. In Panik steigt er aus und vergisst die Tasche mit dem Geld in der U-Bahn.

Voller Panik ruft er Lola an. Er weiß nicht weiter und bittet sie, das Geld für ihn aufzutreiben. Sollte sie es nicht in 20 Minuten zu ihm schaffen - mit dem Geld - will er den Supermarkt „Bolle“ überfallen, um das Geld zu beschaffen. Lola ist von dieser Aussicht nicht sonderlich begeistert. Sie überlegt, und glaubt, bei ihrem Vater, einem „hohen Tier“ in einer Bank, am ehesten das Geld bekommen zu können. Und schon rennt sie los, um ihrem Manni beizustehen.

Ihr Vater hat dagegen ganz andere Probleme: Seine Geliebte stellt ihn vor die Entscheidung, mit ihr zusammenzuleben und seine Frau zu verlassen und gesteht ihm, dass sie schwanger ist. In diesem Moment platzt Lola herein und fordert 100.000 Mark von ihrem Vater, der über ihr plötzliches Auftau- chen natürlich nicht sonderlich erfreut ist. Aufgebracht durch das Verhalten Lolas, das er nicht nach- vollziehen kann, wirft er sie aus der Bank und teilt ihr eiskalt mit, dass sie „ein Kuckucksei“ sei, nicht seine Tochter.

Nachdem sich Lola wieder einigermaßen im Griff hat, rennt sie wieder los, erreicht Manni aber zu spät. Er hat bereits den Supermarkt betreten und angefangen, die Kassen zu leeren. Lola hilft ihm, indem sie einen alten Wachmann niederschlägt und mit seiner Waffe Manni beisteht. Gemeinsam fliehen sie, doch sie werden von der Polizei eingekreist, ein Schuss löst sich aus der Waffe eines der Beamten und trifft Lola.

Der Zuschauer taucht in Lolas Gedanken ein: Lola erinnert sich an ein Gespräch, das sie mit Manni geführt hat oder führt es selbst in Gedanken, in jedem Fall aber endet der Dialog damit, dass Lola „stopp“ sagt, woraufhin die Zeit zurückläuft bis zu dem Punkt, an dem Lola loslief.

Im Treppenhaus stürzt sie dieses Mal und fällt die Treppen herunter, was den gesamten Verlauf von Grund auf ändert: Die kommt etwas später bei ihrem Vater an, der in der Zwischenzeit erfahren hat, dass das Kind seine Geliebten nicht von ihm ist. Lola kommt in den Raum, als die beiden gerade in einen handfesten Beziehungsstreit verwickelt sind. Die Gemüter sind derart aufgeheizt, dass sie nicht einmal die Möglichkeit hat, die Situation zu erklären. Voller Wut verwüstet sie das Arbeitszimmer ihres Vaters und läuft heraus.

Einem plötzlichen Einfall folgend entwendet sie dem Wachmann die Dienstwaffe und kehrt zu ihrem Vater zurück, den sie als Geisel nimmt, um das Geld zu beschaffen. Nach einiger Zeit erhält sie das Geld, die 100.000 Mark, die Manni braucht, doch die Bank ist mittlerweile von Polizisten und Scharfschützen umstellt. Diese trauen Lola aber nicht den Überfall zu, sondern „retten“ sie aus der Schusslinie. Lola kann ihr Glück kaum fassen und rennt weiter.

Lola erreicht Manni, bevor dieser den Supermarkt überfallen kann. Überglücklich läuft er auf sie zu - und wird im nächsten Moment von einem Krankenwagen überfahren.

Wieder folgt eine Szene aus der Erinnerung Mannis oder ein inneres Zwiegespräch, und dieses Mal endet der Dialog mit den Worten Lolas: „Du bist aber nicht gestorben.“ Und wieder fängt die Geschichte von vorne an.

Auch dieses Mal ist alles ein klein wenig anders: Lola ist zwar etwa genauso schnell wie beim ersten Lauf, doch sie verhindert ungewollt einen Unfall, in den ein Geschäftspartner ihres Vaters verwickelt ist, so dass ihr Vater bereits die Bank verlassen hat, als Lola ihn erreicht.

Lola weiß nicht, was sie tun soll. Sie läuft weiter und schließt die Augen, bittet um ein Zeichen - das ihr gegeben wird. Sie läuft mit geschlossenen Augen vor einen LKW, der sie wach hupt, und findet sich direkt von einem Kasino wieder.

Im Kasino wechselt sie alles Geld, das sie bei sich trägt, in Spielchips um und setzt beim Roulette zwei Mal auf die Zwanzig - zwanzig Minuten. Sie gewinnt.

Ebenfalls durch das leicht geänderte Verhalten Lolas ändert sich das Schicksal Mannis, denn der Penner, der mit Manni in der U-Bahn gewesen ist und die Plastiktüte mit dem Geld an sich genommen hatte, fährt direkt an ihm vorbei. Er verfolgt ihn, kann ihn schließlich stellen und bekommt sein Geld zurück.

2.) Thema und Umsetzung

Der Film hat mehrere Themen, die sich gegenseitig ergänzen und stützen. Ein Thema ist mit Sicher- heit die Geschwindigkeit. Nicht nur Lola rennt, auch der Film rennt. Schnelle Schnitte, viele Kame- rafahrten und eine sich sehr schnell entwickelnde Story vermitteln suggestiv Schnelligkeit, Bewegung und Dynamik.

Ein weiterer Hauptaspekt des Filmes ist die Chaostheorie. Lola ist die Einzige, die sich an alle drei „Durchgänge“ erinnert, denn sie ist die Einzige, die ihr Wissen, das sie in den vorigen Versuchen, Manni zu retten, erworben hat, anwenden kann (sie lernt zum Beispiel, wie man mit einer Schusswaffe umgeht), und damit ist sie auch die Einzige, die den Lauf der Geschichte tatsächlich ändern kann. Sie tut das aber nicht nur bewusst, sondern auch unbewusst, indem sie sich auf Personen mal so und mal anders verhält, indem sie mal schneller und mal langsamer läuft oder einen geringfügig anderen Weg als zuvor wählt. Diese Veränderungen werden auch durch die schnappschussartigen Bilder, die ein- geschnitten werden, wenn Lola an Menschen vorbeirennt oder mit ihnen spricht oder in irgendeiner Art und Weise auf sie reagiert. Die erste Frau, der sie auf ihrem Weg zu Manni begegnet, sieht man in der ersten Schnappschussserie, wie ihr das Kind, das sie im Kinderwagen vor sich herschiebt, vom Jugendamt abgenommen wird, und wie sie daraufhin ein anderes Kind entführt. In der zweiten Schnappschusssequenz sieht man, dass sie im Lotto gewinnt und daraufhin berühmt wird. In der drit- ten Serie schließlich erfährt man, dass das leicht veränderte Zusammentreffen mit Lola sie zu einer religiösen Fanatikerin werden lässt.

Lola als Protagonistin führt ein weiteres Thema ein: Den Willen. Nur durch ihre Willenskraft rettet sie das Leben des Wachmannes der Bank, der sie am Ende des dritten Durchganges in einem Krankenwagen wieder trifft. Durch ihren Willen ändert die Kugel des Roulettespieles ihren Lauf und steuert zielgenau auf die 20 zu. Und nicht zuletzt ändert sie durch ihren Willen auch die Zeitlinie.

Weiterhin ist die Relativität ein Thema des Filmes. Die Szenen, die Lola oder Manni nicht unmittelbar erleben, vermitteln durch verwackelte Einstellungen und das Verwenden von Video- statt Filmmaterial den Eindruck der Unsicherheit. Der Zuschauer wird dadurch auf die Sichtweise von Lola und Manni beschränkt und die Szenen, die die beiden nicht unmittelbar erleben, werden relativiert.

Die Relativität wird aber auch durch die Geschichte vermittelt: Lola ändert den Lauf der Dinge, die eigentlich schon geschehen sind, die nicht mehr bewegt werden können. Sie ändert die Vergangenheit und damit die Zukunft und relativiert auch hier.

II Die Macher

1.) Der Regisseur: Tom Tykwer

Tom Tykwer wird 1965 in Wuppertal geboren und wächst praktisch im Kino auf. Er dreht schon mit elf Jahren erste Kurz- und Experimentalfilme auf Super-8-Film. 1979, mit 14 Jahren, beginnt er bereits beim Wuppertaler Kino Cinema zu arbeiten. Er bekommt den Generalschlüssel und schaut sich nachts und allein die Kopien seiner Lieblingsfilme an, wie „Blade Runner“. 1984 zieht er nach einem eher mäßigen Abitur und nach der Ableistung seines Zivildienstes in Frankfurt nach Berlin, wo er meh- rere Jahre im Kino Moviemento arbeitet. Dort lernt er auch seine späteren Partner der von ihm 1994 gegründeten Produktionsfirma „X-Filme Creative Pool“ kennen. Neben dem Produzenten Stefan Arndt sind die beiden Regisseure Wolfgang Becker und Dani Levy dabei. 1991 bringt er seinen ersten Kurz- film heraus. „Because“ wird auf den Hofer Filmtagen vorgestellt. 1993 folgt sein Regiedebüt „die tödli- che Maria“, der den Preis der deutschen Filmkritik erhält. 1997 kommt seine zweite Regiearbeit heraus, „Winterschläfer“, ein „erotisches Melodram und Thriller“, wofür er in mehreren Kategorien den deutschen Filmpreis erhält, unter anderem für die beste Kamera und die beste Regie. 1998 kommt sein bisher erfolgreichster Spielfilm in die Kinos: „Lola rennt“ wird in Deutschland gefeiert und in Über- see als Geheimtip gehandelt. In den USA hat der Film ungeahnten Erfolg.

2.) Kameramann: Frank Griebe

Er wird von Tom Tykwer als „sein Auge“ bezeichnet. Frank Griebe lernt Filmkopienfertiger, macht aber aus Interesse 1984 bis 1986 eine Ausbildung zum Kameraassistenten. Er arbeitet von 1986 bis 1993 als Assistent bei Film und Fernsehen. Ab 1991 ist er Kameramann, unter anderem bei Filmen Tyk- wers wie „die tödliche Maria“ und „Winterschläfer“. Er erhält 1993 den Kodak Förderpreis für Tom Tykwers Kinodebüt „Die tödliche Maria“. Außerdem bekommt er in dem darauffolgenden Jahr den deutschen Kamerapreis und 1995 den Studentenpreis beim Kamerafestival der Manaki-Brothers in Bitola. Für „Winterschläfer“ und „Zugvögel“ erhält er 1997 den deutschen Filmpreis.

3.) Schnitt: Mathilde Bonnefoy

Mathilde Bonnefoy wird 1972 in Paris geboren. 1991 bricht sie ihr Phiosophiestudium ab und zieht nach Berlin, wo sie als Studioassistentin von 1995 bis 1996 arbeitet. Sie schneidet als Debüt einen Videoclip für die Musikgruppe „Rammstein“, darauf folgen weitere Clips und Musikvideos für Rammstein und andere Musiker wie Udo Lindenberg. Sie betreut den Schnitt bei dem Film „Das Leben ist eine Baustelle“, für den Tom Tykwer am Buch mitgeschrieben hat.

III Szenenwahl und Beschreibung

1.) Die Szene

Ich wählte für meine Analyse eine Szene aus der Bank aus dem zweiten Lauf von Lola, beginnend mit der Einstellung, die Wachmann Schulze schlafend zeigt, bis zu der Einstellung, in der Lola mit ihrem Vater als Geisel sein Büro verlässt.

An sich besteht dieser Teil aus drei kleineren Szenen, die aber für mich dadurch ein Ganzes bilden, dass sie die Auseinandersetzung zwischen Lola und ihrem Vater zeigen und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Umkehrung der Autoritäten und der Darstellung von Macht haben.

2.) Beschreibung

Die erste Teil-Szene beginnt wie schon erwähnt mit einer Einstellung auf den eingenickten Wachmann der Bank, der durch Lolas lautes Pochen an der Sicherheitstür erwacht, den Code zum Öffnen der Türe eingibt und Lola aus dem Gang zum Büro ihres Vaters, aus dem sie gerade geflohen ist, her- auslässt. Sie rennt ihm zunächst in die Arme, da er sich direkt in ihrem Weg postiert hat. Sie entschul- digt sich nicht, sondern eilt weiter. Wachmann Schulze ruft ihr hinterher: „Ist wohl nicht so dein Tag heute, macht doch nichts... Man kann doch nicht immer alles haben.“ Dieser Satz lässt Lola innehal- ten, umkehren und dem überrumpelten Wachmann die Waffe entwenden. Die Tür ist durch Zufall of- fen, und sie schlüpft in den Gang.

Nun folgt die zweite Szene, die Lola zeigt, wie sie mit der Waffe in der Hand durch den Gang eilt.

In der dritten Teil-Szene betritt Lola das von ihr verwüstete Büro ihres Vaters, in dem sich dieser mit seiner Geliebten befindet. Sie richtet die Waffe auf ihn und fordert ihn auf mitzukommen, worauf die- ser mit Verwunderung reagiert. Die Geliebte drängt sich in eine Ecke, während Lolas Vater keine An- stalten macht, der Aufforderung seiner Tochter Folge zu leisten. Erst Wachmann Schulze, der den Raum betritt, löst mit seiner Bemerkung „Kind, du kannst mit der Waffe doch gar nicht umgehen“ als Reaktion Lolas Schüsse aus, woraufhin ihr Vater sie endlich ernst nimmt und ihr aus dem Raum folgt.

IV Analyse und Interpretation

1.) Erste Szene

Der Wachmann sitzt in einer dunklen Ecke des Foyers der Bank, was verdeutlicht, dass er unerlaubter Weise ein Nickerchen hält. Damit wird das Klischee des „unaufmerksamen Wachmannes“ bedient und Schulze als leicht vertrottelt dargestellt. Durch die Perspektive, die ihn auf gleicher Augenhöhe mit dem Zuschauer erscheinen lässt (Normal-Standpunkt), wirkt er aber weniger lächerlich als einfach nur menschlich. Eine Identifikationsmöglichkeit mit ihm ist dadurch gegeben.

In der nächsten Einstellung wird Lola hinter der noch verschlossenen Sicherheitstür stehend gezeigt. Durch schnelle Schnitte vom Wachmann zu Lola und wieder zurück wird dem Zuschauer einerseits die Möglichkeit gegeben, sich mit der Protagonistin zu identifizieren, gleichzeitig bleibt aber der Bezug zu Wachmann Schulze bestehen, wodurch ein Zwiespalt geschaffen wird. Weiterhin suggeriert der sehr schnelle Umschnitt Geschwindigkeit.

Lola stürzt aus der Tür und läuft dabei Schulze in die Arme. Dieser hat sich mit der Hand an der Waf- fe so postiert, dass er einem möglichen Übergriff schnellstmöglich entgegenwirken kann. Dass er so pflichtbewusst handelt, ist eine Reaktion auf sein schlechtes Gewissen. Dass Lola dem Wachmann in die Arme läuft, macht dem Zuschauer auch verstärkt deutlich, dass Lola es zum einen sehr eilig hat, von ihrem Vater wegzukommen, zum anderen auch, dass sie Manni möglichst bald erreichen möchte, um an seiner Seite zu sein.

Lolas knallrotes Haar ist in mehrerlei Hinsicht ein Gegensatz zu der sie umgebenden Kulisse der Bank: Ihr Haar hat einen reinen, wirklich knallenden Farbton, der dem Betrachter das Gefühl von Kraft, Energie, Willen, Aktivität, Bewegung und Dynamik allgemein vermittelt, weiterhin vielleicht As- soziationen wie Individualität, Nicht-Angepasstheit und Wildheit wachruft. Die Bank dagegen ist in gedeckten, gebrochenen Grüntönen - der Farbe von Dollarscheinen - gehalten. Lola wird dadurch zum einen als Fremdkörper in der Bank charakterisiert, sie gehört nicht in diese Umgebung, in der es nur um Geld geht, denn sie ist ein gefühlsbetonter Mensch, dem es in erster Linie nicht um Geld oder Macht geht. Andererseits arbeitet Lolas Vater in der Bank, wodurch auch die Distanz zwischen Lola und ihrem Vater verdeutlicht wird. Lola hat kein inniges Verhältnis zu ihm, ebensowenig wie er zu ihr: Vater und Tochter trennen Welten. Der Gegensatz reinbunt und gebrochen Bunt vermittelt auch eine gewisse „Farblosigkeit“ der Welt der Baknen und Finanzen. Sie ist nicht lebendig, sie ist tot, langweilig und grau, während Lola das Leben selbst zu verkörpern scheint.

Lola entfernt sich dann von der Panzertür und vom Wachmann, die Schärfe und die Kamera begleiten sie, was ihre Relevanz als Protagonistin und Handlungsträgerin in den Vordergrund rücken lässt. Gleichzeitig scheint der Wachmann so, wie er immer unschärfer wird, aus ihrem Bewusstsein zu verschwinden. Die Schärfe isoliert Lola im Bild.

Der Satz des Wachmannes: „Ist wohl nicht so dein Tag heute, macht doch nichts... Man kann doch nicht immer alles haben“ drückt zunächst die Sorge von Schulze um Lola aus. Einige Interpreten ge- hen davon aus, dass es sich bei ihm um Lolas leiblichen Vater handelt, was ich aufgrund des Tonfal- les sowie anderer Einzelheiten in dieser und anderen Szenen für durchaus möglich halte. Seine Worte jedenfalls haben eine erstaunliche Wirkung auf Lola. Sie hält in ihrer Flucht inne, scheint kurz nachzu- denken und kehrt dann auf dem Absatz um. Sie hat den Lauf der Zeit verändern können, also lässt sie sich nicht von dieser Widrigkeit abbringen. Die Worte des Wachmannes rufen in Lola eine Art Trotzre- aktion wach.

Der Text von Schulze erscheint durch die auf ihm liegende Unschärfe im Kontrast zu der Klarheit seiner Worte wie aus dem Off. Der Äußere Dialog wird dadurch zu einem inneren Monolog von Lola, als die innere, zweifelnde Stimme. Die Worte des Wachmannes, der ja bis dahin nicht von Wichtigkeit für Lola war, treffen sie genau. Es wird verdeutlicht, dass die von dem Wachmann wachgerufenen Zweifel an ihren Möglichkeiten in Lola schon vorher bestanden hatten.

Es erfolgt ein weiterer Schnitt von Lola zum Wachmann und wieder zurück zu Lola, was erneut zu einer Annäherung an Wachmann Schulze führt.

Im Hintergrund Lolas sieht man dann durch die stärkere Schärfentiefe, dass über der Sicherheitstür ein riesiges Abbild eines Dollarscheines hängt. Neben der Tür sind rechts und links Lampen aufge- stellt, die wir Fackeln wirken der Wachmann („Wächter“) vor der Tür und das Zwielicht, das alles zu- sammen erweckt den Eindruck eines Tempels, eines mystischen Ortes. Die Bank wird dadurch als ein moderner Tempel charakterisiert, zugleich muss Lola dieses „Tor“ durchschreiten, um zu ihrem Vater zu gelangen, wodurch er wiederum als übermächtige Autoritätsperson, als nahezu unerreichbar be- schrieben wird. Der über der Tür hängende Geldschein verdeutlicht aber noch etwas anderes: Nicht vor, sondern erst hinter ihr ist das „Große Geld“ zu finden. Nicht in der Schalterhalle oder im Foyer, sondern hinter den Kulissen ist die wahre Macht konzentriert. Und dort ist auch das Geld zu finden.

Lola läuft auf den Wachmann zu, der nicht weiß, wie ihm geschieht. Er kann nicht mehr reagieren, als Lola seine Dienstwaffe aus dem Halfter zieht. Dadurch, dass Lolas Handlung als Reaktion auf den Satz des Wachmannes dargestellt wird, wird ihr Handeln als spontan charakterisiert. Dass sie spontan handelt bedeutet für den Zuschauer wiederum, dass Lola die Tat nicht geplant hat. Ihr Handeln ist zwar moralisch gesehen immer noch nicht „astrein“, aber durch die spontane Entscheidung wird der wertende Blick des Betrachters zumindest etwas gemildert. Dadurch kann sie weiterhin als Bezugs- person agieren, es entsteht kein Bruch, da die Gedanken Lolas nachvollzogen werden können.

Der Umschnitt von Lola auf eine Detailaufnahme der Waffe und zurück zu Lola lässt die Waffe für den Zuschauer wichtig werden. Die Kamera lenkt das Auge des Zuschauers. Wieder wird durch den sehr schnellen Schnitt auch Geschwindigkeit vermittelt.

Dass Wachmann Schulze mit verschränkten Armen vor der Panzertür steht macht deutlich, dass er sich in einer Abwehrhaltung befindet. Aber er schützt nicht die Bank, sondern sich. Auch dieser Punkt verstärkt in meinen Augen die Mutmaßung, dass es sich bei ihm um den leiblichen Vater Lolas han- delt. Überdies hat er in Lola eine Re-Aktion hervorgerufen, die er nicht nachvollziehen kann, was ihn stark verunsichert.

Zum Schluss der Szene zieht Lola die Türe leicht hinter sich zu. Sie scheint zu wissen, dass Schulze ihr nicht wirklich etwas anhaben kann, dass er sie nicht wirklich verletzen könnte. Überdies hat sie es wieder sehr eilig und vergisst darüber die mögliche Gefahr.

2.) Zweite Szene

In der zweiten, recht kurzen Szene begleitet die Kamera Lola bei ihrem Gang durch den Korridor zum Büro ihres Vaters. Die Kamera nimmt Lola in starker Untersicht auf, was ihren Machtgewinn stark verdeutlicht und sichtbar macht. Dass sie sich ihrer neu gewonnenen Macht jedoch noch nicht voll bewusst ist zeigt sich, als sie zweifelnd auf die Waffe in ihrer Hand blickt. Auch ihre Unsicherheit und Zweifel werden in diesem Bild transportiert. Sie scheint erst in diesem Moment einen konkreten Plan zu fassen. Sie wirkt zwar sowohl durch die starke Untersicht als auch durch ihre Mimikl sehr ent- schlossen und bereit, etwas zu tun, doch fasst sie erst in dem Moment, in dem sie auf die Waffe blickt, einen konkreteren Plan.

Der Gang, den Lola durcheilt, wird von grünlich wirkenden Lampen partiell erhellt. Schatten wechseln sich mit Licht ab, so dass ein bewegter Lichtwechsel die aufgewühlten Gefühle Lolas demonstriert. Weiterhin kann man den ständigen Wechsel von Licht und Schatten als Gewissenskonflikt Lolas se- hen, die ihre Zweifel nicht einfach hinter sich lassen kann. Das grünliche licht verdeutlicht wieder das Gefühl des Deplaziertseins.

Weit oben kann man kleine Fensterchen entdecken, ansonsten erhellt ausschließlich künstliches Licht den Gang. Das alles ruft die Assoziation von Bunkern oder Festungen wach. Die Bank ist gesi- chert wie ein Bunker. Auch wenn Lola hineinkommt, ist für den Zuschauer ungewiss, ob sie wieder hinausgelangt.

Der einzige Umschnitt, der den Zuschauer in die Rolle des Verfolgers versetzt, erfolgt, wenn sich Lola der Frau am Kopierer nähert, die später erst wichtig wird.

3.) Dritte Szene

Lola stürzt ins Zimmer. Der Zuschauer betritt den Raum des Vaters hinter Lola, wieder in der Verfolgerperspektive. Lola sieht er in der Overshoulder-Perspektive. Dann erst erfasst zum ersten Mal das Ausmaß des von Lola verursachten Chaos‘ im Raum.

Der Raum selbst ist schon hochinteressant: Nicht nur, dass er wie der Rest der Bank in Geldfarben gehalten ist, auch große Abbildungen von Geldscheinen schmücken Wände und Boden. Es ist dage- gen kein einziges Familienbild im Raum zu finden, allgemein sind keine Fotos zu sehen. Das deutet darauf hin, dass Lolas Vater die Arbeit viel wichtiger ist als der Umgang mit Menschen allgemein und der mit seiner eigenen Familie im speziellen. Er scheint nur für das Geld zu leben. Lolas rotes Haar lässt auch hier wieder den krassen Gegensatz zwischen Lolas Vater und seiner Tochter erkennen. Das Zentrum des Chaos ist interessanter Weise nicht dort, wo sich Lolas Vater aufhält, sondern viel- mehr bei seiner Geliebten, bei Jutta Hansen.

Dass Jutta im Chaos steht, und nicht Lolas Vater, verdeutlicht den besonderen Umstand des Streites: Jutta ist schwanger. Und vor dieser Schwangerschaft kann sie nicht davonlaufen. Lolas Vater dagegen kann sich sehr wohl zurückziehen, da er nicht der Vater des Kindes ist; damit lässt er Jutta in dem Chaos zurück. Die Bildaufteilung gibt bereits einen ersten Hinweis auf die kommende Entscheidung von Lolas Vater: Aller Wahrscheinlichkeit nach wird er Jutta fallenlassen.

Die beiden Erwachsenen stehen vollkommen isoliert voneinander im Raum, wie hineingestellt. Lolas Vater sitzt auf einem Sessel ganz in der Ecke des Bildes, weit zurückgelehnt, als ob er jeden Zenti- meter, den er sich vor Jutta zurückziehen kann, bräuchte. Jutta dagegen steht im Raum, was ihr schon eine aktivere Rolle zuweist als Lolas Vater, der passiv im Sessel sitzt. Weiterhin steht sie näher in der Mitte des Bildes, es sieht so aus, als hätte sie einige Schritte auf ihren Geliebten zugemacht, der aber in keiner Weise darauf reagiert zu haben scheint. Beide stehen vor einem Fenster, im Hinter- grund ist eine Säule erkennbar, die das Bild in zwei Hälften teilt. Dadurch wird die Grenze zwischen Lolas Vater und seiner Geliebten sichtbar gemacht. Der dunkle Rand, der sich unter den Fenstern abzeichnet, bildet dabei eine Art Band zwischen den beiden, das aber ebenfalls durch den Mauer- block in der Mitte des Bildes geradezu zerschnitten wird.

Dass Lolas Vater locker auf seinem Sessel sitzen kann, während Jutta, statt sich ebenfalls setzen zu können, steht, macht das Machtgefälle deutlich. Jutta Hansen ist im Vorstand, Lolas Vater scheint eine höhere Stellung zu haben, zumindest aber ist er in dieser Szene eindeutig dominanter als Jutta. Sie steht nur hilflos da.

Lola betritt den Raum, der durch die oben beschriebene Säule zweigeteilt ist, auf Juttas Seite. Auch dadurch wird das Machtgefälle sichtbar. Auch Lola ist ihrem Vater nicht „ebenbürtig“, sie ist in der inferioren Position.

Sie betritt das Büro mit gesenkter Waffe und nimmt diese erst kurz darauf hoch. Da sie die Waffe erst hebt, als sie ihren Vater sieht, wird Lola als relativ kühl beschrieben, als berechnend, ganz im Gegensatz zu der vorherigen Szene, in der sie noch unsicher und zweifelnd gewirkt hatte. Sie weiß, dass sie das jetzt durchziehen muss, dass es kein Zurück gibt aus dieser Situation.

In dieser Einstellung ragt eine Schreibtischlampe störend ins Bild. Wir sehen aus der Point-of-View- Perspektive des Vaters, wie Lola den Raum betritt. Durch diese Lampe wird zum einen die vollkommen unerwartete Rückkehr von Lola thematisiert, zum anderen auch die Distanz zwischen ihr und ihrem Vater. Diese Distanz beschränkt sich nicht allein auf das Räumliche, sondern wird auch übertragen auf das Verhältnis zwischen Vater und Tochter.

Weiterhin fällt recht schnell ins Auge, dass die Kamera schwankt und wackelt, das von einer Hand- kamera verursacht wird. Diese Unruhe, die das Bild prägt, setzt sich im Inhalt fort, denn Lola bringt mit ihrem Auftritt ihren Vater aus dem Gleichgewicht. Außerdem bewirkt das unruhige Bild eine starke Subjektivierung, was mit der Seherfahrung des Menschen zusammenhängt. Das leichte Wackeln des Bildausschnittes entspricht eher der menschlichen Wahrnehmung als eine vollkommen ruhige und statische Kamera. Die Subjektivierung lässt den Zuschauer stärker am Geschehen teilhaben, sie in- tegriert ihn mehr. Dadurch, dass der Zuschauer aber schon zu Beginn der Szene sowohl Lola als auch den Wachmann als Identifikationsfiguren engeboten bekommt, entwickelt sich in ihm ein ähnli- cher Zwiespalt wie in den Figuren.

Auch die Beleuchtung ist eine kleine Analyse wert: Jutta und Lolas Vater werden im Gegenlicht gezeigt, das aber durch die Raumbeleuchtung und Beleuchtungstricks aufgehellt wird, damit die Gesichter erkennbar bleiben, Lola dagegen ist kaum von dem Licht, das durch die Fenster, erhellt, sondern von einer anderen Lichtquelle. Das weist darauf hin, dass Lola nicht in den Raum gehört, dass sie ein Eindringling ist, der in das Gebiet ihres Vaters vorgedrungen ist. Gleichzeitig fühle ich mich an den Spruch erinnert, „etwas in einem anderen Licht zu sehen“. Lolas Handeln muss durch die besonderen Umstände tatsächlich in einem anderen Licht gesehen werden, doch da ihr Vater das nicht nachvollziehen kann, reagiert er mit Verständnislosigkeit.

Trotz der Waffe nimmt er seine Tochter nicht ernst, er bleibt trotz Lolas Aufforderung, ihr zu folgen, in seinem Sessel sitzen. Zum einen wohl aus Überraschung, er wirkt in dem Sessel wie paralysiert, wie versteinert, unfähig, sich zu bewegen, zum anderen ist er sich aber auch nicht bewusst, dass sich durch die Waffe, die Lola in der Hand hat, die Machtverhältnisse umgekehrt haben. Dieser Umstand wird auch durch die Untersicht Lolas verdeutlicht und die Obersicht ihres Vaters. Dass er sich mit sei- nem autoritären Verhalten lächerlich macht, wird ebenso durch die Obersicht bekräftigt.

Es folgt ein Schnitt von Lola in der Halbnahen auf den Vater, ebenfalls halbnah und zurück auf Lola, jetzt aber in Großaufnahme. Dadurch wird der Zuschauer auf die widersprüchlichen Gefühle Lolas aufmerksam gemacht, die sich in ihrem Gesicht spiegeln. Das Augenmerk wandert von dem, was vor der Fassade geschieht auf das, was in Lola vorgeht, gleichsam hinter der Fassade.

In den Overshoulder-Einstellungen sieht man deutlich ein grünes Podest hinter dem Kopf von Lolas Vater. Dieses hebt bei dem Dialog zwischen Lola und ihm die Gegensätzlichkeit nochmals hervor. Die Positionen erscheinen nicht nur Lola und ihrem Vater unvereinbar, durch diesen farblichen Kontrast empfindet auch der Betrachter die beiden Parteien als nicht kompatibel.

In allen Einstellungen, in denen Lola mit der Waffe gezeigt wird, ist Lola scharf und die Waffe unscharf. Die Menschlichkeit soll trotz der Macht Lolas, die sie durch die Waffe gewinnt, im Vordergrund bleiben. Die Waffe ist nur das Mittel zum Zweck, sie wird nicht zum Selbstzweck.

In der nächsten Einstellung ist der Ausschnitt des Bildes so gewählt, dass Lola scheinbar auf Jutta zielt. Mehr noch: Die Waffe und Lola im Vordergrund sind im Verhältnis zu Jutta riesig, sie dagegen wirkt klein, verloren und mädchenhaft. Jutta ist mit der Situation vollkommen überfordert und weiß nicht, wie sie handeln soll, entscheidet sich dann für den sichersten Weg und handelt gar nicht. Lolas Aggression scheint sich demnach nicht allein gegen ihren Vater zu richten, sondern im Besonderen auch gegen die Geliebte des Vaters.

Jutta steht - im Bild zwar weiter hinten - zwischen Lola und ihrem Vater. Sie ist der Stein des Anstoßes, der die beiden Fronten hat verhärten lassen, so dass diese Situation erst möglich wurde. So zumindest erscheint es aus der Sicht Lolas.

An diesem Punkt möchte ich erwähnen, dass sich bei den Einstellungen in der Mitte der Szene fast immer nur eine einzige Person im Bild befindet. Wenn Lola im Bild ist, ist ihr Vater nicht zu sehen, wenn Jutta im Bild ist, kann man höchstens den ausgestreckten Arm Lolas sehen, aber Lola selbst nicht. Dieser Umstand weist darauf hin, dass es sich bei den im Raum anwesenden um Einzelkämpfer handelt, von denen jeder seine Interessen durchsetzen möchte, und dass es keine gültigen Bindun- gen mehr zwischen den Personen gibt. Eine Ausnahme bildet dabei die einführende Halbtotale und die Szenen, die über Lolas Schulter gefilmt sind. Diese Szenen verdeutlichen auch als einzige, dass Lola anscheinend noch an ihrem Vater hängt. Gleichzeitig haben wir hier eine Wiederholung der Ver- folgerperspektive, in der wir uns während Lolas Lauf durch den Gang und während des Betretens des Büros befanden. Ebenfalls eine Ausnahme bilden die Einstellungen, die Lolas Vater über die Schulter seiner Tochter hinweg zeigen. Diese Einstellungen verdeutliche, dass sich Lola nicht so stark von ihrem Vater gelöst hat, wie man vielleicht vermuten könnte. Die Einstellungen allgemein sind eher Großaufnahmen, die die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die Gefühlsregungen der Personen lenken soll. Alles in allem sind die Einstellungen so gewählt, dass der Eindruck von Unabhängigkeit, von gelösten Verbindungen, Chaos und Emotionalität aufkommt.

Am Ende der Szene, nachdem der Wachmann den Raum betreten hat, teilt sich dieser mit Lola das Bild, was wieder auf die Nähe zwischen ihm und Lola hinweist. Er ist der einzige, auf dessen Worte sie noch reagiert. Er ist der einzige, der sich ihr ungestraft näheren kann.

Wachmann Schulze betritt nur sehr zögerlich das Büro von Lolas Vater. Er ist sich seiner Mitschuld an dem Vorfall bewusst, da es seine Unaufmerksamkeit Lola erst erlaubt hat, die Schusswaffe an sich zu nehmen. Er scheint sich nicht wohl zu fühlen, scheint zu wissen, dass es sich bei dieser Auseinandersetzung nicht um eine einfache Geiselnahme, sondern um einen besonderen Fall handelt, der zwischen Lola und ihrem Vater entschieden werden sollte, eine Art Familienstreit.

Er betritt den Raum und stellt sich ganz in die Nähe einer geschwungenen, warmes Licht abstrahlenden Lampe. Diese Lampe ist die einzige warme Lichtquelle in dem Zimmer, alle anderen Lampen und das Tageslicht wirken ausgesprochen hart und kalt. Schulze bringt durch seine Anwesenheit und seine Bereitschaft, zu vermitteln, etwas Wärme in das Zimmer. Das Licht der Lampe kann den Raum aber nicht wirklich aufhellen oder erwärmen, und auch der versuch Schulzes, die Situation abzuschwächen und zu deeskalieren, scheitert.

Während Lolas Vater versucht, sie über die Unsinnigkeit ihres Unternehmens aufzuklären, sie wieder „klein zu machen“, um wieder Macht über sie zu bekommen, geht Wachmann Schulze auf Lola eher liebevoll ein. Lolas Vater versucht mit einem letzten Aufbegehren von Autorität, die Kontrolle über die Situation zurück zu erlangen, was durch Lolas Schrei: „Schnauze!“ jäh unterbrochen wird. Schulze dagegen geht einige Schritte auf Lola zu und versucht, sie dazu überreden, ihr Unterfangen auf- zugeben.

Als Reaktion auf seinen Satz: „Kind, du weißt doch gar nicht, wie man mit sowas umgeht“ entsichert sie die Waffe, was in Detailansicht gezeigt wird. Das Wissen hat sie aus dem letzten Versuch, Manni zu retten, mitgenommen, und es wird klar, dass sie sich als einzige an das Vorhergegangene erin- nern kann. Sie schießt zwei mal in Richtung ihres Vaters, der Zuschauer jedoch sieht, dass sich die Schüsse auch gegen Jutta richten, die erschrocken zur Seite springt. Doch auch nach den Schüssen bleibt die Pistole weiterhin scheinbar auf sie gerichtet, sie ist immer noch das Ziel der Aggressionen Lolas.

In der folgenden Einstellung wird Lolas Vater über ihre Schulter hinweg gefilmt, die Waffe steht zwischen ihnen und bildet eine eindeutige Grenze. Und das nicht nur im Bild. Die Waffe wird in diesem Ausschnitt für ein Symbol des Konfliktes zwischen Lola und ihrem Vater, der nicht gelöst werden kann. Weiterhin verdeutlicht dieser Bildaufbau die gelösten (familiären) Bindungen.

Lola wird im Gegenzug nicht aus der Overshoulder- sondern aus der Point-of-View-Perspektive ihres Vaters gezeigt, was die größere Distanz von Vater zu Tochter als von Tochter zu Vater illustriert. Je länger die Szene wird, desto seltener werden aber die Overshoulder-Einstellungen von Lola zu ihrem Vater, es tritt damit eine Isolation der beiden Personen auf, die Distanz zwischen Lola und ihrem Vater wächst im Laufe der Szene.

In der selben Einstellung führt eine Linie im Hintergrund direkt durch den Lauf der Waffe auf seinen Kopf zu, was bis dahin noch nicht so war. Lola macht jetzt ernst, sie zielt jetzt direkt auf ihn statt neben ihn, sie ist sich ihrer Dominanz bewusst.

Ein weiterer interessanter Hintergrund erscheint mir an dieser Stelle erwähnenswert: Nachdem Lola einige Schritte auf ihren Vater zugegangen ist, ist die Wand hinter ihr weiß auf der einen Seite und schwarz auf der anderen, was ich wie schon die sich ständig ändernden Lampen im Gang auf Lolas gespaltenes Gemüt beziehe. Sie scheint zwar sicher und bestimmt, ist es aber nach innen nicht. In- nerlich hat sie dieselben Zweifel, die sie schon im Gang hatte, als sie auf die Waffe hinabgeblickt hat. Die im Gegensatz zum Gang sehr harte, scharfe Trennung von schwarz und weiß, von hell und dun- kel deutet auf eine sich zuspitzende Situation hin; Lola bewegt sich auf einem schmalen Grat.

Wachmann Schulze und auch die Geliebte, Jutta Hansen, haben dieses hell-dunkle Hintergrundmus- ter ebenfalls, jedoch in umgekehrter Polarität. Sie stehen auf der „anderen Seite der Waffe“, bilden aber eine gemeinsame Gruppe, da sie beide nicht unmittelbar beteiligt an dem Vater-Tochter-Konflikt sind.

V Quellenangaben

- Film verstehen von James Monaco, Neuauflage, Rowohlt Taschenbuch-Verlag, 2000
- Wie Farben auf Gefühl und Verstand wirken von Eva Heller, Droemer Verlag, München, 2000
- DuMont’s Lehrbuch der Filmgestaltung, DuMont Buchverlag, 1984
- http://www.tykwer-online.de
- http://privat.schlund.de/k/kino/kino-loehne/lola_rennt.html
- Informationsteil der DVD Lola rennt

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Details

Titel
Szenische Analyse - Lola Rennt
Note
1,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
8
Katalognummer
V104623
ISBN (eBook)
9783640029433
Dateigröße
356 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Szenische, Analyse, Lola, Rennt
Arbeit zitieren
Christine Roth (Autor:in), 2001, Szenische Analyse - Lola Rennt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104623

Kommentare

  • Gast am 4.10.2001

    Formale Mängel.

    Auch wenn es sich bei der Arbeit "nur" um ein Referat handelt, so hat es doch einige schwere formale Mängel. Es wird nicht klat, in welcher Weise und mit welchem Ziel die Referentin den Film analysieren will. Eine auf eine Fragestellung hinarbeitende Einleitung fehlt gänzlich. Stattdessen wird gleich zu Anfang festgestellt, daß der Film mit den Aspektes der Chaostheorie und der Relativität arbeitet, erklärt werden die Begriffe aber nicht. Ebensowenig wird ein Zusammenhang zwischen diesen komplexen theoretischen Begriffen und ihre mögliche Anwendung in einem Spielfilm hergestellt (einfacher gesagt: ein Laie denkt bei Begriffen wie Chaostheorie und Relativität nicht an Spielfilm, sondern an Physik).
    Ein Inhaltsverzeichnis, an Hand dessen man den Erkenntisgang der Autorin hätte nachvollziehen können, und vor allem ein Fazit, daß alle gewonnenen Erkenntisse auf den Punkt bringt, fehlt ebenfalls.

Blick ins Buch
Titel: Szenische Analyse - Lola Rennt



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