Buddhismus in der Nazizeit


Skript, 1999

11 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Buddhismus in der Nazizeit - Entwurf für einen Beitrag für eine Radiosendung

von Markus Hieber

Entstanden im Rahmen des Seminars „Buddha in Berlin“ das im WS 1999/2000 am religionswissenschaftlichen Institut der FU Berlin stattfand.

Sprecher/in: Das Leben der Buddhisten in Berlin während der Zeit des Na- tionalsozialismus Die buddhistischen Gruppierungen wurden in der Nazizeit nicht systematisch verfolgt. Das buddhistische Leben geht nach 1933 kontinuierlich weiter. Rudolf Hess verfügt 1933 einen Erlaß, der für eine gewisse religiöse Freizügigkeit sorgt:

Zitator/in: Kein Nationalsozialist darf irgendwie benachteiligt werden, weil er sich nicht zu einer bestimmten Glaubensrichtung oder Konfession oder weil er sich zu überhaupt keiner Konfession bekennt. Der Glaube ist eines jeden eigenste Angelegenheit, die er nur vor seinem Gewissen zu verantworten hat. Gewissenszwang darf nicht ausgeübt werden.

Sprecher/in: Zeitzeuge Helmut Klar über die tolerante Einstellung von Ru- dolf Hess zu den religiösen Gruppierungen:

Zuspielung: Hess war // äh//, ich weiß nicht wie viele Jahre in Ägypten als junger Mensch (...) und hat dort natürlich verschiedene // äh// orientalische Religionen // Pause// kennengelernt. Und // äh// er hatte dann auch eine Neigung // äh// zu // äh// Sonder // äh// Sonderbarkeiten, wie zum Beispiel auch Homöopathie, // äh// Wahrsagerei und ähnliche // äh// Sachen (...) Er war eben ein Sonderling und hat dann auch Sympathien gehabt für andere // äh// Sonderlinge.

Sprecher/in: Daher blieben zunächst die Buddhisten größtenteils unbehel- ligt. Zwischen dem 23. und dem 25. September 1933 fand unter internationaler Anteilnahme in Berlin der erste deutsche Buddhistenkongreß statt. In einem zeitgenössischen Bericht heißt es:

Zitator/in: (...) Sonntag (...) nachmittags sprachen (...) die Vertreter der einzelnen Länder über den Stand der buddhistischen Bewe- gung in ihren Ländern. (...) Aus allen Referaten war zu ent- nehmen, daß (...) in allen Ländern das Suchen nach einer Re- ligion der Erkenntnis, wie sie der Buddhismus darstellt, groß ist.

Sprecher/in: Als Resümé des Kongresses hielt man fest:

Zitator/in: Als Erfolg des Kongresses kann verzeichnet werden, daß es (...) gelungen ist, die Vertreter der verschiedenen Richtungen zu einer Aussprache zu bringen und wertvolle menschliche Beziehungen zwischen den führenden Buddhisten anzuknüp- fen.

Sprecher/in: Dieser Kongreß hatte etwas abseits im buddhistischen Haus in Frohnau stattgefunden. Der Grund aber für die geringe Ver- folgung der Buddhisten durch die Nazis war nicht, dass sich das buddhistische Leben nur am Rande der Städte abgespielt hätte. Martin Steinke alias Tao Chün hielt an einem zentralen Ort, dem Potsdamer Platz, spektakuläre Vorträge über den Buddhismus, bei dener er sein Publikum beschimpfte:

Zuspielung Er wollte sich damit wichtig tun. (...) Ich war ganz erstaunt als (Helmut Klar): 18-jähriger, 19- jähriger junger Mensch. In der damaligen Zeit, wo alles ganz gesittet zuging, hat er die Leute be- schimpft: "Hören sie auf zu atmen!" Und dann ging er schrei- end auf einen zu: "Sie atmen ja immer noch! Sie haben Angst, zu sterben, deswegen atmen sie!" Da dachte ich mir, ja der atmet ja auch noch und so. Also, diese Art, die dann später von jungen Leuten 1960 eingeführt worden ist, Publikumsbe- schimpfung, die war damals so brüskierend, dass man nur den Kopf schütteln konnte.

Sprecher/in: Wenn ein Buddhist weder abstammungsmäßig Jude war, noch regimefeindliche Meinungen äußerte, dann brauchte er keine Verfolgung zu fürchten. So veranstaltete Steinke im Sommer 1935 in der Mark Brandenburg drei Monate lang ein buddhistisches Ferienlager, an dem etwa zwei Dutzend Personen teilnahmen. Ein Teilnehmer berichtete in einer Broschüre über den Grund seiner Teilnahme:

Zitator/in: Weil ich im ersten B[uddhistischen] F[erien] L[ager] einen Kreis von ernsthaften und unermüdlich kämpfenden Bud- histen vorfinde, die unter Leitung eines zielbewußten und erfahrenen Lehrers in straffer Zucht um die eigene Befreiung kämpfen.

Sprecher/in: Einige Buddhisten sahen sogar Übereinstimmungen zwischen ihrer Religion und dem Nationalsozialismus. So trat zum Bei- spiel der Dahlke-Schüler Wolfgang Schumacher bereits 1930 der NSDAP und dem Nationalsozialistischen Studentenbund bei. In der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Wiedergeburt und Wirken veröffentlichte er 1933 einen Artikel unter dem Titel "Der deutsche Kanzler im Lichte des Buddhismus". Dort schrieb er:

Zitator/in: Es dürfte von Interesse sein, (Hitlers) Persönlichkeit unter kulturellen und rein menschlichen Gesichtspunkten zu be- trachten, weil dann der gewaltige Abstand des deutschen Volkskanzlers von allen früheren "Führern" besonders stark hervortritt. Von Wilhelm II. dem großen Jäger, kündet ein unscheinbarer und doch vielsagender Stein: "Hier erledigte Seine Majestät der Kaiser seine 50.000. Kreatur." (...) Adolf Hitler ist Vegetarier und ausgesprochener Tierfreund. (...) Tatsächlich sind auch bereits im Mai 1933 Tierschutzgesetze erlassen worden. Gewiß sind das kleine Züge im Charakter- bild eines großen Mannes, aber für den Nachdenklichen spre- chen sie mehr als dicke Bücher. Denn es ist sehr wichtig, daß "die Ersten des Staates auch die ersten M e n s c h e n sind".

Sprecher/in: Schumacher sieht aber nicht nur beim Tierschutz eine Ge- meinsamkeit zwischen nationalsozialistischer Ideologie und Buddhismus. Die arische Menscheit müsse die Kräfte ihres Blutes mit Hilfe des Buddhismus vergeistigen. So schreibt er im Jahre 1933 in einem Artikel mit dem Titel "Arische Reli- gion":

Zitator/in: Eine arische, dem deutschen Wesen angemessene Religion fehlt auch heute noch dem deutschen Volke. (...) Wäre der Deutsche wirklich Christ im Sinne der Evangelien, der Kir- chenväter und der Kirchen geworden, so hätte er das Beste seines Wesens ablegen müssen: seine nordischen Ideale. (...) Neben Tapferkeit im Geiste und Unerschütterlichkeit und Mut ist es vor allem der Begriff der Ehre, der im Buddhismus wie in den nordischen Sagen eine hervorragende Rolle spielt. Alle Verantwortung für sein Tun trägt der Mensch im Buddhismus selbst. Die Lehre von der Sündenvergebung und der Erlösung schlug dem nordischen Ehrbegriff ins Gesicht. Der deutsche Mann will sich nichts schenken lassen (...)

Sprecher/in: Aber am Schluß dieses Artikels deutet sich schon ein ideolo- gischer Konflikt an, in den Schumacher mit den Nazis geraten wird:

Zitator/in: Rasse ist kein Wert an sich, so wenig Charakter ein Wert an sich ist. Beide sind vergänglich, wandelbar, an dies Dasein gebunden. (...) Für wen die Rasse und das Blut aber selbst der Gott ist, und wer gar glaubt, die Rassenvergötterung zur Religion erheben zu können, der ist ein trauriges Opfer materialistischer Denkweise geworden.

Sprecher/in: Zunehmend distanzierte sich Schumacher innerlich vom Na- tionalsozialismus, obwohl er Parteimitglied blieb. Wegen sei- ner pazifistischen Gesinnung wurde Schumacher 1937 aus der Reichspressekammer ausgeschlossen. Andere Buddhisten standen bereits bei Machtantritt der Nazis in der Opposition. So schreibt das ehemalige KPD-Mitglied Eberhard Köbel, der in Berlin eine Gruppe von Zen-Buddhisten leitete, im Jahre 1933:

Zitator/in: Ob wir zustimmen oder nicht, wollen oder nicht, wir treten in eine kriegerische Epoche ein. Die Entwertung des Menschenlebens ist in vollem Gang. Ist Zen nicht die geistige Kost, die uns für diese Wirklichkeit wappnet?

Sprecher/in: Wenn Buddhisten sich allerdings auf diese Weise politisch subversiv äußerten, dann mußten sie mit Verfolgung rechnen. Köbels Zengruppe wurde verboten und er selber floh nach London ins Exil. Auch unterlagen diejenigen Buddhisten Re- pressalien, die von Hause aus Juden waren, auch wenn sie sich von einigen ihrer ehemaligen Mitgläubigen distanzierten, wie Walter Tausk es tat:

(...) ich [fuhr] auch im Auftrage meiner Breslauer buddhisti- schen Freunde, nach Berlin, um mich von Oskar Schloß zu verabschieden, der Ende Dezember 1933 von Genua nach In- dien abreist, um dort die maßgebenden buddhistischen Führer zu sprechen, Land und Leute zu studieren und eventuell drü- ben zu bleiben: als Bhikku. (...) er [will] Arno Müller und mich im Lauf der Zeit mit bei sich haben, und für mich will er - falls er in Indien bleibt - dort die Mittel zur Ausreise sam- meln. Wir beiden gingen schon ganz gern mit - wenn man nur frei wäre. (...) Man sitzt wie in einem verschütteten Unter- stand und verfault geistig. Und das Leben und Lebenmüssen hier reizt einen nicht mehr. Mich reizt auch nicht, daß zum Beispiel in Berlin täglich bei der jüdischen Gemeinde Wie- dereintrittserklärungen (...) von längst Ausgetretenen, einge- hen, die zugleich ihre Tätigkeit für die Gemeinde anbieten (...) Gesiegt hat in meinem Leben der Buddhismus. Meine Absicht, nicht als Jude zu sterben, gebe ich (...) nicht auf (...) Ich hasse diesen verstunkenen Geist wie jede schlechte Luft.

Sprecher/in Weil die Nationalsozialisten ihre Maßnahmen gegen die Ju- den verstärkten und weil Tausk bereits im Frühling 1939 den zweiten Weltkrieg aufkommen sieht, bemüht er sich um seine Ausreise aus dem Deutschen Reich:

Zitator/in: Ferner meldete sich ein alter buddhistischer Freund, Hans Ro- senthal, jetzt Berlin-Charlottenburg. Er ist (...) ausländischer Sekretär einer neugegründeten Ceylonesischen `Talkies Ltd.´ die nur buddhistische Filme herstellen will. (...) es ergibt sich (buddhistisch gesehen als KARMA): Rosenthal will mich geschäftlich in London/England verwenden und verhandelt deswegen mit seinem Hause (...) er [hat] mich `be- reits reserviert´ zur Mitverwendung in dem neuge- gründeten Filmunternehmen, das nur Buddhisten beschäftigen wird (...)

Sprecher/in: Über die Gründe, warum die Ausreise nicht klappen sollte, schreibt der Chronist des buddhistischen Lebens in Deutschland, Hellmuth Hecker:

Zitator/in: Tausk (...) verzettelte sich aber und betrieb alles so inkonse- quent, daß aus nichts etwas wurde. Bürokratische Schwierigkeiten und Mangel an Geld sowie das Schicksal seiner Angehörigen wirkten mit.

Sprecher/in: Nach seiner Deportation nach Litauen wird Walter Tausk im Jahre 1941 von SS-Männern erschossen. In diesem Jahr fand auch der Englandflug von Rudolf Hess statt. Seitdem Hess in England inhaftiert wurde und er nicht mehr seine schützende Hand über die "Sekten" halten konnte, verschärften sich die Maßnahmen gegen die Buddhisten. Kurt Fischer starb aus lauter Aufregung nach einem Verhör durch die Gestapo. Sei- ne Zeitschrift wurde beschlagnahmt. Später wurden im budd- histischen Haus Flüchtlinge einquartiert. Martin Steinke, der die buddhistische Gruppe in Potsdam leitete, wurde für kurze Zeit verhaftet. Die Bibliothek seiner Gruppe wurde beschlag- nahmt. Das gleiche Schicksal drohte auch der Berliner Gesell- schaft "Gemeinde um Buddha" unter der Leitung eines Herrn Lüthke, der zu dieser Zeit Hauptmann bei der Wehrmacht war. Hierzu berichtet Klar:

Zuspielung: Zu diesem // Pause// Zeitpunkt kam die Gestapo auch // Äh// in die Wohnung von // Pause// Herrn Lüthke // Pause// und // Pause// hat // Pause// die Bibliothek durchgesehen und wollte die Bücher beschlagnahmen. Da stellte sich die Frau // Äh// vor den Bücherschrank mit ausgebreiteten Armen und sagte: "Das sind die Bücher meines Mannes. Mein Mann steht an der Front!" Dann sind die Gestapo-Beamten wieder abgezo- gen. (...) Niemand wollte damals an der Front stehen und // auch// erst recht nicht die Gestapo-Beamten, die wollten auch nicht an die Front gehen, da waren sie froh, dass andere dort sind und das Argument hat sofort // Pause// gezogen.

Sprecher/in: Das gleiche Argument wandte die Ehefrau von Helmut Klar an, um die buddhistischen Namen für ihre beiden Söhne im Standesamt durchzubringen. Helmut Klar wollte buddhisti- schen Namen für seine Söhne, damit sie, wenn er ihm Krieg fiele, erfahren könnten, dass ihr Vater Buddhist gewesen war.

Zuspielung: Ich hatte keinen // Pause// Einfluß, selber aufs Standesamt zu gehen, da habe ich meiner Frau gesagt, // Ah, wenn // wenn die Beamten Schwierigkeiten machen, sagst du: "Mein Mann steht an der Front und der hat diese Namen gewünscht." Und da haben sie erst mal geschrieben: "Ja, Amanda ist ja ein weiblicher Name." Da hat dann meine Frau gesagt: "Nein, Ananda mit n!" Und gar keine Begründung dafür, gar nicht erwähnt, // Pause// dass das ein buddhistischer Name ist, son- dern nur // Pause// gesagt: "Mein Mann steht an der Front!" So wurde das eingetragen.

Sprecher/in: Wenn man sich also geschickt anstellte, konnte man als Bud- dhist den Repressalien der Nazis entgehen. Daher kommt Helmut Klar in seinem Text Der Buddhismus zur Nazizeit in Deutschland und Frankreich zu dem Fazit:

Zitator/in: Zusammenfassend kann man feststellen, daß die Verfolgung der Buddhisten relativ glimpflich verlief. Man wundert sich, daß nicht noch mehr passiert ist, denn partei-konform oder gar begeistert von der Diktatur des Nationalsozialismus war doch niemand. Daß nicht mehr Buddhisten verhaftet worden sind, mag damit zusammenhängen, daß die Gefängnisse, Zuchthäuser und KZ ohnehin überfüllt waren. Vom Beginn der Nazi-Zeit an hatte man wichtigere Dinge zu tun und muß- te andere verhaften oder gar liquidieren, die für das Regime gefährlicher waren. (...) Vielleicht wäre es [nach einem ge- wonnen Krieg] dann zu einer offenen Verfolgung des Budd- hismus gekommen.

Sprecher/in: Gab es ein Interesse der Nazis am Buddhismus? Die Nazis als Projektionsfläche für okkultistische Phantasien

Woran lag es, dass die buddhistischen Gruppierungen weni- ger verfolgt wurden als andere religiöse Gruppierungen? Gab es ein Interesse oder gar eine Bewunderung der Nazis für Buddhismus?

In dem Roman Unter den Linden Nummer eins - Der Roman des Hotel Adlon von Jürgen Ebertowski wird folgende Szene beschrieben, die im buddhistischen Haus in Frohnau spielt:

Erzähler: Es war schummrig im Raum. Eine schwache Deckenlampe war die einzige Lichtquelle. Der Buddhajünger entzündete eine Reihe wohlriechender Wachskerzen. (...) [der] Erwartete (...) stand bereits in der Tür zur Andachtshalle. Die Kerzen spiegelten sich in einem Paar Brillengläser, die aus der Entfernung ungerahmt wirkten. (...)

Randhuber: "Herr Reichsführer!"

Erzähler: sagte Randhuber, sprang auf und schlug die Hacken zusam- men.

Himmler: "Bitte, meine Herren, machen Sie sich doch meinetwegen keine Umstände",

Erzähler: sagte Heinrich Himmler. Himmler, der höfliche Umgangs- formen schätzte, war ein Meister des Smalltalk. Außerdem war er über Buddhismus gut informiert. Nur Sven Hedin nick- te wissend, als der Reichsführer über die vorbildlichen Tier- hospitäler Kaiser Aschokas sinnierte, die dieser fünfhundert Jahre vor Christi in seinem gesamten Herrschaftsbereich er- richten ließ.

Himmler: "Das war vorchristliche, arische Tierliebe, meine Herren. Lange vor diesen blutrünstigen biblischen Tieropfern der jüdischen Rasse."

Erzähler: Randhuber fühlte sich genötigt, in regelmäßigen Abständen zu murmeln:

Randhuber: Genau so verhält es sich, Herr Reichsführer, genau so verhält es sich, Herr Reichsführer!

Erzähler: Himmler quittierte die Bemerkungen Randhubers mit einem Lächeln, und die Augen hinter seiner Goldrandbrille blitzten freudig ob der verbalen Beifallsbezeugung.

Himmler: Wir wollen nun kurz zum eigentlichen Anlaß unseres Tref- fens kommen. (...) Herr Doktor Hedin, besonders freue ich mich, Sie persönlich kennengelernt zu haben. So unsere nordische Bewegung siegen wird, ist es gewiß, daß ich eine Tibetexpedition ausrichten lassen werde, für die ich Sie schon heute als Experten umwerben möchte.

Sprecher: Frau Wachs über das Körnchen Wahrheit solcher Romanszenen:

Zuspielung Frau Wachs: Das ist natürlich nie so passiert. Also Himmler hat, und über haupt die ganzen Nationalsozialisten da, ich glaube nicht, dass sich überhaupt einer jemals hat sehen lassen. Aber es hätte, da er ja nicht weit entfernt von Berlin entfernt wohnte, gewohnt hatte, hätte es durchaus so passieren können. Man weiß ja auch, dass er eben für den Tierschutz sehr war und da also auch sich sehr in irgendeiner Weise engagiert hat und es hätte also, es ist zwar nicht passiert. Aber es ist eine Gedan- kenkonstruktion, die durchaus möglich gewesen wäre.

Sprecher/in: Es existieren bisher nur Gerüchte darüber, ob es ein ernsthaf- tes Interesse von Nazis am Buddhismus gab. Sehr wahr- scheinlich ist, dass die Expeditionen der SS nach Tibet statt- fanden, um den Nachweis zu erbringen, dass die Tibeter ein arischer Stamm seien und nicht, um den Buddhismus zu er- forschen. Es gab auch andere, nicht-religiöse Motive:

Zitator/in: [Es standen] wehrwissenschaftliche Erkundigungen und ei- gentlich gar nicht Tibet, sondern der Kaukasus im Vorder- gund (...) Ebenso hoffte der ehemalige Agrarmann Himmler, daß diese Expedition neue Erkenntnisse zur Gewinnung pflanzlicher und tierischer Grundstoffe bringen würde, was bei einem akuten Lebensmittelmangel damals ohne Zweifel äußerst wichtig war. Schäfer persönlich widmete sich hauptsächlich stammesgeschichtlichen Fragen der Tierwelt.

Sprecher/in: Die Nationalsozialisten dienen als Projektionsfläche für eine Vielzahl von okkultistischen und religiösen Spekulationen. Zum Beispiel werden führende Nazis mit Zen in Verbindung gebracht. Kürzlich ist das Buch Zen, Nationalismus und Krieg von Brian Victoria erschienen. Es geht darin um das Verhält- nis der Zen-Buddhisten zum japanischen Nationalismus, ins- besondere vor und während des zweiten Weltkriegs. In Victo- rias Buch ist ein sehr kurzes Kapitel enthalten, in dem es um den Einfluß von Suzukis Darstellung des Zen auf die westli- chen Verbündeten Japans geht. Suzuki habe behauptet, dass die Bushido-Philosophie und insbesondere die Haltung der japanischen Soldaten, sich für die Sache aufzuopfern, mit dem Zen-Buddhismus verwandt sei. Äußerungen von Rudolf Hess und Adolf Hitler deutet Victoria als Ausdruck der Be- wunderung für die Bushido-Philosophie und den damit ver- bundenen Zen.

Zitator/in: Auch wir kämpfen, um den Individualismus zu vernichten. Wir kämpfen für ein neues Deutschland, das auf der neuen Idee des Totalitarismus aufgebaut ist. In Japan ist diese Art zu denken für das Volk völlig natürlich.

Zitator/in: Wir haben eben überhaupt das Unglück, die falsche Religion zu besitzen. Warum haben wir nicht die der Japaner, die das Opfer für das Vaterland als das Höchste ansieht?

Sprecher/in: Dieses Zitat, welches den Erinnerungen von Albert Speer ent- nommen wurde, rieß Brian Victoria aus dem Zusammenhang. Hitler gab oft eine Geschichte wieder, die ihm eine Delegati- on "vornehmer Araber" erzählt hatte. Im achten Jahrhundert hätten die Araber Mittteleuropa unterwerfen können. Dann wären die Germanen mohammedanisiert worden; da aber die Araber gegenüber den Germanen rassisch unterlegen gewesen seien, hätten dann die mohammedanisierten Germanen die Welt beherrscht. In diesem Zusammenhang kam dann Hilter, so merkwürdig es klingt, auf die Religion der Japaner zu sprechen. Ebenso wie der Mohammedanismus sei die japani- sche Religion angmessener für die Deutschen, als das "Chris- tentum mit seiner schlappen Duldsamkeit". Hitler sprach also in einem Atemzug von zwei sehr unterschiedlichen Religionen. Das paßt zu einer Einschätzung Hilters Bildungsniveau durch Joachim C. Fest:

Zitator/in: Seine Reden und Schriften jedoch, bis hin zu den Tischge- sprächen, sowie die Erinnerungen seiner Umgebung zeigen einen Menschen von bemerkenswerter geistiger und literarischer Indifferenz.

Sprecher/in: Brian Victoria führt fort, dass Hilter und Hess sich im diplo- matischen Kontext über "Japans Kultur und Religion" geäußert haben. Rudolf Heß habe gegenüber dem japanischen Botschafter Kurusu Sabur? behauptet:

Zitator/in: Auch wir kämpfen, um den Individualismus zu vernichten. Wir kämpfen für ein neues Deutschland, das auf der neuen Idee des Totalitarismus aufgebaut ist. In Japan ist diese Art zu denken für das Volk völlig natürlich.

Sprecher/in: Ebenso habe Hitler zu einem japanischen Offizier gesagt, dass Deutschland und Japan eine gemeinsame spirituelle Grundla- ge hätten. Doch die Zitate von Hitler und Hess sind so vage formuliert, so dass daraus nicht hervorgeht, auf welche Reli- gion oder Philosophie sie sich überhaupt beziehen. Auf den Buddhismus? Auf den Shintoismus? Oder ist hier von einer weltlichen und philosophischen Grundlage die Rede? Jeden- falls findet sich in der einschlägigen Literatur kein Hinweis, dass sich führende Nazis mit Zen beschäftigt haben. Sie ha- ben weder an Sitzübungen teilgenommen, noch tagelang über Koans gerätselt. Wie sind also solche positiven, allgemein formulierten Aussagen über die japanische Kultur von Heß und Hitler wirklich zu verstehen?

Das Deutsche Reich warb für die Durchsetzung seiner außen- politischen Ziele um Bündnispartner, insbesondere um die englische Regierung, die sich aber reserviert verhielt. Hitler hoffte, das Deutsche Reich wäre nach seiner Verbündung mit dem aufstrebenden Japan für England als Bündnispartner att- raktiv. Zudem verband das Deutsche Reich mit Japan eine antisowjetische Haltung. Hitlers Außenpolitik entsprang vor allen Dingen einem politischen Kalkül. Schmeicheleien ge- genüber diplomatischen Vertretern dienten Hitler beim Wer- ben um die Bündnispartner.

Sprecher/in: Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die führenden National- sozialisten nicht für Buddhismus interessierten. Nachdem in der Wissenschaft zunächst die sozialen, politischen und öko- nomischen Umstände des Nationalsozialismus erforscht wur- den, hat die Forschung über den Faschismus in jüngerer Zeit auch den religiösen Anteil des Nationalsozialismus mehr ins Blickfeld gerückt. Das liegt daran, dass zunächst so viele spe- kulative Texte über das angebliche okkulte Interesse der Na- zis erschienen sind und sich die Wissenschaft darum bemühte, diesen Spekulationen etwas Fundiertes entgegenzusetzen. So schreibt Nicholas Goodrick-Clarke:

Zitator/in: Alle Bücher, die zwischen 1960 und 1975 über den Okkul- tismus des Nationalsozialismus geschrieben wurden, sind auf Effekthascherei bedacht und schlecht recherchiert. Eine gänz- liche Unkenntnis der Primärquellen war den meisten Autoren gemeinsam; Ungenauigkeiten und wüste Behauptungen wur- den dem Genre bei jeder Neuveröffentlichung hinzugefügt, bis eine Fülle an Literatur existierte, die lediglich Pseudofak- ten hinsichtlich (...) der Verbindungen zum Osten und Hitlers Initiation basierte.

Sprecher/in: Bis auf den heutigen Tag erscheinen solche spekulativen Tex- te. Es stellt sich die Frage, ob es nicht eine moderne Form der Verdrängung unliebsamer historischer Ereignisse ist, sie durch religiöse Spekulationen zu verklären.

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Buddhismus in der Nazizeit
Hochschule
Freie Universität Berlin
Veranstaltung
Seminar
Note
1
Autor
Jahr
1999
Seiten
11
Katalognummer
V104721
ISBN (eBook)
9783640030309
Dateigröße
361 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Dieses Skript wurde von einem Redakteur von radio kultur später gekürzt und bearbeitet und ist dann ausgestrahlt worden. Sinn der Übung war es, den Studierenden Einblick in die journalistische Arbeit zu gewähren.
Schlagworte
Buddhismus, Nationalsozialismus
Arbeit zitieren
Markus Hieber (Autor:in), 1999, Buddhismus in der Nazizeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104721

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