Grundsätze der Kommunikationspsychologie. Fünf Funktionen der Kommunikation


Hausarbeit, 2001

18 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Kommunikation

1. Fünf Funktionen von Kommunikation
a. Mitteilungs- oder Informationsfunk-tion
b. Beeinflussungs- oder Persuasionsfunktion
c. Funktion über die Aneignung von Wissen und Erkenntnisgewinnung
d. Sozialitätsfunktion
e. Identitätsbildende Funktion

2) Kommunikationspsychologie
a) Fünf Grundsätze interpersonaler Kommunikation nach dem Modell von Paul Watzlawick
b) Drei Beispiele zu Watzlawicks Grundsätzen menschlicher Kommunikation aus meinem Arbeitsbereich
c) Die „vier Aspekte einer Nachricht“ nach dem Kommunikationsmodell von Schulz von Thun, an einem Beispiel dargestellt

3. Einfluss der Medien auf die Sozialisation von Kindern
a) Chancen und Probleme
b) Persönliche Stellungnahme

4. Kommunikation in Organisationen
a) Um welche Form des Konfliktes handelt es sich hier?
b) Vorschläge, um die angespannte Atmosphäre trotz bleibenden Ausgangskonfliktes konstruktiv zu beeinflussen

1. Fünf Funktionen von Kommunikation

Im Studienband wird Kommunikation als „sprachlicher Prozess sozialer Verständigung“ beschrieben, der jedoch nicht von der nonverbalen Dimension der Kommunikation getrennt werden darf. Darauf aufbauend möchte ich fünf Funktionen von Kommunikation beschreiben.

a. Mitteilungs- oder Informationsfunk-tion

An erster Stelle dient Kommunikation der Mitteilung und Information. Menschen möchten sich etwas mitteilen. Dabei hat diese Information in der Regel keinen Selbstzweck, sondern zielt auf Veränderung. Der Mitteilende möchte, dass andere seine Anliegen verstehen und begreifen. Über das gegenseitige Verstehen kann es zu einer Verständigung unter den Beteiligten kommen. Durch die Kommunikation soll ein gemeinsamer Konsens erzielt werden. An dieser Orientierung wird deutlich, dass die Beteiligten durch die Kommunikation eine Wirkung erzielen möchten, z.B. eine Beeinflussung der Kommunikationspartner beabsichtigen.

b. Beeinflussungs- oder Persuasionsfunktion

Wer kommuniziert, möchte Wirkungen erzielen und die Kommunikationspartner beeinflussen. Diese Beeinflussung kann in direkter und offener Form erfolgen, geschieht allerdings oft auch, für eine oder beide Seiten erkennbar, in indirekter und unbewusster Form bis hin zur Suggestion und Manipulation. Mit Persuasionsfunktion werden beide Seiten der Beeinflussung beschrieben, die offene argumentative Form, als auch die verdeckte Form der Einflussnahme.

c. Funktion über die Aneignung von Wissen und Erkenntnisgewinnung

Sachbezogene Kommunikation dient zu einem großen Teil der Erklärung von Sachverhalten und der Aneignung von Wissen. Die Realität ist für uns oft erst dadurch begreifbar, dass wir Gegenstände und Vorgänge durch die Begriffsbildung strukturiert und mitteilbar beschrieben haben. So kann sich langfristig überhaupt erst ein Bewusstsein entwickeln. Die Gewinnung und Aneignung neuer Erkenntnisse ist also auf die Bildung neuer Begriffe angewiesen. Allerdings ist Begriffsbildung keine neutrale und objektive Tatsache, sondern sie kann durch soziale Gruppen auch für Propaganda und Beeinflussung genutzt werden, so z.B. durch Begriffskonstruktionen wie „Chaostage“ oder „Vaterlandsverräter“, die ein emotionales und soziales Szenario konstruieren und damit vermeintliche Tatsachen schaffen. Es gibt jedoch keine objektive Sprache, sondern diese ist sozial gedeutet.

d. Sozialitätsfunktion

Sprache hat auch eine soziale Funktion indem wir zu einer gemeinsamen Sprache für gemeinschaftliche Erkenntnisse finden. Dass wir unsere Situation und Umwelt wahrnehmen und interpretieren, kann nicht nur persönlich geschehen. Zur eigenen Vergewisserung und für die Verständigung mit anderen, ist eine „kollektive Absprache“ welche Materien welche Bedeutung und welche Aktionen welchen Sinn haben, notwendig. Diese Interpretation und Festlegung durch die Sprache in einer Kultur ist ein fortwährender gegenseitiger und gemeinschaftlicher Prozess der Gesellschaft. Soziales Wissen wird dadurch einerseits gespeichert und bleibt allerdings auch wandelbar.

e. Identitätsbildende Funktion

Durch die sozialisierende Kraft der Kommunikation leistet Sprache auch einen Beitrag zur Entwicklung und Identität der Gesellschaft. Der Einzelne findet sich durch den gemeinsamen Gebrauch der Sprache innerhalb einer Kultur, in den anderen und im Unterschied zu den anderen wieder. Die Identität des Einzelnen wird durch die eigene Wahrnehmung, sowie durch Bestätigung und Widerspruch anderer, herausgebildet.

2) Kommunikationspsychologie

a) Fünf Grundsätze interpersonaler Kommunikation nach dem Modell von Paul Watzlawick

I. Man kann nicht nicht kommunizieren.

Watzlawick betrachtet Kommunikation und Verhalten als praktisch gleichbedeutend, da er in beidem einen Prozess der wechselseitigen Wahrnehmung sieht. Da jedoch alles Verhalten im zwischenmenschlichen Bereich Mitteilungscharakter hat, folgt daraus, dass man nicht nicht kommunizieren kann.

II. Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.

Jede Mitteilung betrifft neben der sachlichen Information auch immer die Beziehung der Beteiligten. Der Beziehungsaspekt ist immer mitthematisiert und bildet die Grundlage für das Verständnis der Sachinformation. Die Beziehungsinformation ist eine unterschwellige Information, also eine Metakommunikation zum Satzverständnis.

III. Kommunikation ist durch die Interpunktion der Ereignisfolgen durch die Gesprächspartner geprägt.

Die Kommunikationspartner gehören einem gemeinsamen System der gegenseitigen Beeinflussung an, jedes Verhalten ist sowohl Ursache als auch Wirkung. Die voneinander abweichende Interpretation und Deutung der Ereignisfolgen führt zu Kommunikationsstörungen. Jeder Beteiligte kann den Anfang und die Wahrnehmung der Kommunikation anders deuten, Aktion und Reaktion in einer anderen Reihenfolge sehen, dadurch sind Störungen vorprogrammiert. Für eine gelingende Kommunikation wäre es hilfreich, wenn die Beteiligten diesen Kreislauf kennen und wahrnehmen.

IV. Menschliche Kommunikation bedient sich eindeutiger, abstrakter und mehrdeutiger, komplexer Verständigungsweisen.

Watzlawick bezeichnet diese als digitale oder analoge Modalitäten und macht damit einen Doppelaspekt von Kommunikation deutlich. Es geht in der Verständigung um Inhalt und um Beziehung, um verbale und nonverbale Aspekte, die sich jedoch gegenseitig beeinflussen. Einerseits verwenden wir eindeutig festgelegte Begriffe, z.B. „Zentimeter“, andererseits aber auch analoge, nonverbale Zeichen, wie Gesten und Tonfall. Digitale Kommunikationen vermitteln einen exakten, logischen und eindeutigen Aspekt der Realität, bleiben aber auf dem Gebiet der Beziehungen unzulänglich. Analoge Kommunikationen haben durch ihre ganzheitliche und komplexe Ausdrucksweise gerade hier ihre Stärke, bleiben jedoch im Bereich der sachbezogenen Informationen unzulänglich. Das Wechselspiel aus analoger und digitaler Kommunikation ist somit die ideale Ergänzung.

V. Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nach dem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht.

Wenn z.B. das dominante Verhalten des einen Partners durch das unterwürfige Verhalten des anderen Partners ergänzt wird, bezeichnen wir das als eine komplementäre Beziehung, die Unterschiede z.B. Chef- Sekretärin-Verhältnis. Wenn die Gesprächspartner dagegen die Annäherung und Gleichwertigkeit ihrer sozialen Position suchen, sprechen wir von einer symmetrischen Beziehung. Das Verhaltensschema dieser Beziehung finden wir in der Regel auch in der Kommunikation dieser Partner wieder.

b) Drei Beispiele zu Watzlawicks Grundsätzen menschlicher Kommunikation aus meinem Arbeitsbereich.

I. Über mehrere Jahre habe ich die kulturellen Aktivitäten bei einer Großveranstaltung koordiniert. 1999 ziehe ich mich aus unterschiedlichen Gründen aus dieser Aufgabe zurück. Unser Kultur-Arbeitskreis beschließt daraufhin, dass wir uns bei der kommenden Veranstaltung nur mit einem Minimalprogramm beteiligen. Ich persönlich vermeide jede Stellungnahme zu unserem und meinem Engagement. Um so überraschter bin ich dann, als mir von den hessischen Gruppen unserer Initative mein Rückzug vorgeworfen wird. Sie sehen darin inhaltliche Kritik an der Veranstaltung und als Folge unzureichende Möglichkeiten für unsere Gruppen bei der Kulturveranstaltung. Ich hatte versucht, zu diesem Thema gar nichts zu sagen, dadurch hatte ich jedoch nicht verhindern können, dass mein Verhalten trotzdem gedeutet und bewertet wurde.

II. Ich beantrage bei meinem Arbeitgeber eine finanzielle Unterstützung zu meiner Fortbildung. Als diese mit der Begründung, in den Fortbildungsrichtlinien unserer Firma sei eine größere finanzielle Unterstützung in meiner Situation nicht vorgesehen, abgelehnt wird, ist damit für mich nicht nur eine Sachaussage getroffen. Die kurze Mitteilung führt dazu, dass ich mich frage, wie groß das Interesse der Firma an einer weiteren Zusammenarbeit mit mir ist.

III. Der neue Geschäftsführer teilt kurz nach seinem Dienstantritt mit, dass ab sofort keine privaten Telefonate mehr geführt werden dürfen. Die Fakten, die digitalen Modalitäten sind eindeutig. In unserer Abteilung regt sich Protest gegen dieses ungerechte und unsachgemäße Vorgehen. Auf unseren Wiederspruch reagiert der Chef sehr freundlichen, mit warmen und verständnisvollen Worten. Durch diese analoge Kommunikation gewinnt er uns dafür, dem Geschäftsführer positive Absichten zu unterstellen und die Kooperation mit ihm zu suchen.

c) Die „vier Aspekte einer Nachricht“ nach dem Kommunikationsmodell von Schulz von Thun, an einem Beispiel dargestellt.

Beispiel: Mathilde, heute mit dem Kochen dran, fragt ihre Gäste nach dem Essen:„Hat es euch denn wenigstens ein bisschen geschmeckt?“

Jede Kommunikation, das heißt, alles was ich sage und höre ist ein ganzes Paket mit vielen Botschaften. In dem oben genannten Satz steckt einerseits die sachliche Frage: Hat das Essen geschmeckt? Dann sagt die Frau mit diesem Satz aber auch etwas über sich selbst aus, vielleicht: Ich bin keine so gute Köchin und sehr unsicher, darum möchte wissen, ob euch dass von mir so mühevoll zubereitete Essen geschmeckt hat? Jede Äußerung hat auch eine Funktion, ein Ziel, es steckt ein „Appell“ darin. In diesem Fall etwa: Jetzt erkennt bitte mal meine Leistung an, lobt mich mal. Neben diesen drei Aspekten ist die wohl spannendste Seite einer Nachricht die Botschaft, die etwas über die Beziehung, über das was ich vom anderen und von unserer Beziehung halte, aussagt. Hierbei erscheint es mir besonders wichtig zu sein, wie der Tonfall, die Körperhaltung und die Mimik ist. Die Frau in unserem Beispiel könnte zu erkennen geben, dass die Beziehung zu den Gästen angespannt ist, ja vielleicht sogar von einem Gefühl der Unterordnung geprägt ist, da sie sich selbst scheinbar damit zufrieden gibt wenn es „ein bisschen geschmeckt“ hat. In diesem kurzen Satz klingt also viel mehr an, als der reine Sachinhalt. Oft werden eigene Bedürfnisse oder Wünsche indirekt, verschlüsselt geäußert. So wie es vier Seiten einer Nachricht gibt, hören wir auf vier Ebenen. Im Grunde bräuchten wir vier Ohren, um alle Aspekte einer Nachricht zu hören. Jede Mitteilung kann einen Sachinhalt ausdrücken, uns etwas über den Sprecher offenbaren, einen Appell an den Empfänger enthalten und etwas über die Beziehung aussagen.

3. Einfluss der Medien auf die Sozialisation von Kindern

a) Chancen und Probleme

I. Kompetenzen für die Zukunft

Durch den spielerischen, unbefangenen Umgang mit den neuen Medien erlernen Kinder Fähigkeiten, die es ihnen ermöglichen, den Anforderungen in einer technisierten Gesellschaft gerecht zu werden. Schon kleine Kinder können z.B. problemlos mit der „Maus“ umgehen. Fähigkeiten wie Reaktionsschnelligkeit, räumliches Denken, Konzentration auf mehrere gleichzeitig laufende Prozesse, sowie Denk- und Kombinationsgeschick erlernen sie fast mühelos mit Computerspielen.

Durch die selbstverständliche Nutzung des Internet, erweitern sie ihren Einblick in Wissensbereiche, die ihnen früher nicht zugänglich gewesen sind und erhalten auf einfachem Weg Informationen zu ihren Interessensgebieten. Sie lernen, sich Informationen gezielt zu beschaffen, Informationen zu filtern und sich in einer vernetzten Struktur einen linearen Lernweg zusammenzustellen.

Die Gestaltung einer eigenen Homepage, das Erstellen von Einladungen und auch die Kommunikation in einen Chat-Room fördert die Entwicklung kreativen Denkens und Handelns.

II. Kommunikationsfähigkeit

Die moderne Informationsgesellschaft fördert die Kommunikationsfähigkeit von Kindern. Wer in einer Kurznachricht mit nur 160 Zeichen eine Liebeserklärung formuliert oder eine Verabredung trifft, muss sich im geschriebenen Wort gekonnt auszudrücken, dabei wird gleichzeitig geübt prägnant und kurz Wesentliches mitzuteilen. Viele Jugendliche würden sich nicht trauen, in fremder Umgebung einen unbekannten Menschen anzusprechen, bzw. wären auf Grund äußerer Merkmale des andern blockiert. Bei der Unterhaltung in einem Chat-Room entfallen diese Hindernisse der Kontaktaufnahme. Direkter Gedankenaustausch über soziale, religiöse und ethische Grenzen hinweg wird möglich.

Auch beim Schreiben von Emails wird Sprach- und Ausdrucksfähigkeit geschult. Wie selten wurde früher noch ein langer Brief geschrieben. Die Schnelligkeit des empfangen und antworten Könnens motiviert viele Kinder dazu, Gefühle, Empfindungen und Gedanken schnell auszudrücken.

III. Realitätsverlust

Die vielen Stunden, die manche Kinder und Jugendliche täglich vor dem Bildschirm verbringen haben zur Folge, dass ein gewisser Gewöhnungseffekt einsetzt und Realität und Virtualität ineinander übergehen. Erfahrungen werden „aus zweiter Hand“ gemacht, indem man sich mit dem Helden eines Fernsehfilms oder eines Computerspiels identifiziert. Nur selten haben Kinder noch echte, unmittelbare Naturerlebnisse. Sie lernen im Computerspiel welche Zutaten nötig sind, um ein Feuer zu machen, lernen Tiergeräusche und Spurenlesen auf virtueller Ebene, überspringen Wassergräben per Mausklick.

Diese künstlichen Erlebniswelten zu betreten geht letztlich auf Kosten eigener authentischer Lebenserfahrungen. Oft entsteht nach stundenlangem „Surfen“ oder fernsehen eine nervöse Unzufriedenheit und Aggressivität, ein Gefühl von Leere und Sinnlosigkeit, weil am Ende jeder für sich allein bleibt. „Das Internet macht einsam und depressiv“, stellt eine wissenschaftliche Studie aus den USA fest (Süddeutsche Zeitung, 2.9.98). Die Frage ist, ob z.B. die Kommunikation im Chat-Room ein Training in Beziehungslosigkeit ist, das zwar ein enormes Zeitopfer fordert, für die reale Lebens- und Freizeitgestaltung aber keine Hilfe in sozialer Kompetenz bietet.

IV. Regressive Entwicklung trotz technischem Fortschritt

Von einer „Infantilisierung der Gesellschaft“ durch den Einfluss der Medien, allen voran des Fernsehens, spricht der Amerikaner Robert Bly in seinem Buch „Die kindliche Gesellschaft“ (zitiert in der Neuen Westfälischen vom 4.9.97). Es ist zu beobachten, dass Durchhaltevermögen, Konzentration und Argumentationsfähigkeit im Zeitalter des „Zappens“ nachlassen und das Kinder immer mehr unter psychischen Beschwerden leiden, unter wachsender Nervosität, Aggressivität und Depressionen. Die Ursache sieht der Intelligenzforscher Joseph Chilton darin, „dass die Gehirne von Kindern und Heranwachsenden, aber auch der Erwachsenen, durch das Fernsehen nicht mehr ausreichend stimuliert und gefordert werden“ (Neue Westfälische, 4.9.97). Bücher lesen wird als „zu anstrengend“ beurteilt, Fernsehen als liebste Freizeitbeschäftigung unter Kindern genannt.

b) Persönliche Stellungnahme

Bei Gegenüberstellung und Abwägung der Chancen und Probleme durch die sogenannte Medien- und Informationsgesellschaft, welche die Sozialisation von Kindern beeinflusst, überwiegen meiner Meinung nach die problematischen Seiten. Aus meiner Sicht als Jugendreferent und meinen damit verbundenen Beobachtungen auf Freizeiten und in Gruppen mit Kindern und Jugendlichen, ist es im wesentlichen die fehlende persönliche Beziehung und soziale Kompetenz, die ich als Gefahr des Medienzeitalters sehe. Wissen und Informationen allein machen Kinder nicht zukunftsfähig. Um Lebensfähig zu werden muss der Heranwachsende in der Auseinandersetzung mit anderen Orientierung finden und es lernen Beziehungen gestalten.

Was in der unverbindlichen, halbanonymen Welt der „Pseudobeziehungen“ im Internet noch die Illusion nährt, mit anderen in Beziehung zu treten, ist in der realen Situation für viele Kinder und Heranwachsende schwierig geworden. Sie haben in der Regel zwar viele Kontakte, aber keine langfristigen Beziehungen. Gerade auf Freizeiten kann ich oft beobachten, dass eine Gruppe von Individualisten zusammentrifft, die ihre Einsamkeit per Handy- Kommunikation kompensieren, aber unfähig zu gemeinschaftlichen Erfahrungen sind, z.B. etwas füreinander zu tun und miteinander zu erleben. Es ist ein unverzichtbarer Erziehungsprozess, aufeinander zu hören und miteinander zu reden. Jugendliche sind überfordert, wenn man sie völlig allein im Internet alles „machen lässt“ und ihnen aus Bequemlichkeit alles zutraut. Erwachsene, vor allem Erzieher, müssen sich einmischen und auch bereit sein Grenzen zu setzen und die damit einhergehenden Konflikte durchzustehen. Das Bedeutet eine Investition an Zeit und Energie, an Zuwendung und Interesse gegenüber dem, was Kinder beschäftigt. Es bedeutet auch, ihnen Anregungen und Erlebnisse zu vermitteln, die ursprünglich sind, real und echt, nicht virtuell.

4. Kommunikation in Organisationen

In einer Firma herrscht in der Verwaltungsabteilung ein unangenehmes Klima. Vor wenigen Jahren wurde in ihr die Einstufung für die Gehaltsgruppen geändert: Neueinstellungen erfolgen in eine niedrigere Gehaltsklasse, so dass unterschiedlich bezahlte MitarbeiterInnen die gleiche Arbeit machen. Der nach derÄnderung eingestellte Teil der Angestellten nimmt es mit dem Dienstschluss sehr genau, die langjährigen MitarbeiterInnen arbeiten die drängenden Aufgaben auch nach offiziellem Dienstschluss noch ab.

a) Um welche Form des Konfliktes handelt es sich hier?

Es handelt sich um einen sozialen Konflikt.

Innerhalb der Unternehmensstruktur haben sich auf Grund der ungleichen Entlohnung zwischen formal gleichberechtigten Gruppenmitgliedern, zwei informelle Untergruppen gebildet. Die unterschiedliche Bezahlung hat dazu geführt, dass sich unterschiedliche Verhaltenweisen entwickelt haben. „Wir machen pünktlich Feierabend, denn wir werden ja schlechter bezahlt“, könnte der unausgesprochene Leitsatz der Neueingestellten lauten. „Wenn eine Aufgabe für die Firma eilig und wichtig ist, bleiben wir auch etwas länger“, sagen die Altangestellten. Dadurch sind zwei relativ stabile, informelle Fraktionen entstanden, die alle Merkmale einer sozialen Gruppe haben. Es ist anzunehmen, dass die Mitglieder der besser verdienen Gruppe ihre Rolle als eine Unternehmenstragende, ja vielleicht sogar aufopfernde verstehen. So könnte man zumindest die informelle Norm, sich auch nach Dienstschluss für die Firma einzusetzen, deuten. Wahrscheinlich führt diese Gemeinsamkeit unter den Beteiligten zu einer stärkeren Verbundenheit, vielleicht zu der gemeinsamen Überzeugung: „Uns liegt die Firma am Herzen“.

Auch bei den schlechter Verdienen dürfte sich unausgesprochen eine Solidarisierung ereignet haben. „Wir bekommen weniger Geld, also machen wir auch pünktlich Feierabend“, lautet ihre Norm. Die gemeinsame Rolle der „Benachteiligten“ erzeugt Sympathie füreinander, führt zu einem gemeinsamen Verhalten und zu einem Wir-Gefühl, dass sich in der Überzeugung äußern könnte: „An uns Billigarbeitern stößt sich die Firma gesund.“

Das Gleichgewicht der ursprünglich gleichrangigen Mitarbeiter ist durch die ungleiche Bezahlung „aus dem Lot“ geraten. Damit besteht auf beiden Seiten die Gefahr der Abgrenzung, ja sogar der Abwertung. Vielleicht bezeichnet man sich gegenseitig als fleißig und faul, als Streber und Drückeberger oder ähnlich. Die wirtschaftlich-sachliche Veränderung der Tarife, hat sich zu einem Beziehungskonflikt entwickelt. Die Beziehung zur Firma und unter den Mitarbeitenden stellt einen Konfliktpotential da, dass sich auf das Unternehmen und alle Mitarbeitenden ungünstig auswirkt.

b) Vorschläge, um die angespannte Atmosphäre trotz bleibenden Ausgangskonfliktes konstruktiv zu beeinflussen.

Wahrscheinlich ist die „ungeschriebene Norm“ des Umgangs mit dem Dienstschluss zwischen den Beteiligten bisher nicht offen angesprochen worden. Der Weg zu einer Konfliktlösung beginnt damit, den Konflikt wahrzunehmen, die eigene Sichtweise und die der anderen zu hören und zu verstehen. Erst durch die offene Wahrnehmung des Konfliktes wird eine Austragung möglich. Dazu ist ein Gespräch unter Beteiligung aller Betroffenen notwendig. Hilfreich wäre es, wenn ein unbeteiligter Mittler dieses Gespräch und den Versuch einer Konfliktlösung moderiert.

Zuerst sollten beide Seiten die Möglichkeit haben, ihre Sicht der Situation darzustellen. Dann können Übereinstimmungen und Unterschiede in der Wahrnehmung des Konfliktes festgestellt werden. Wichtig erscheint mir auch, die Entstehung des Konfliktes, die Ursachen und Bedingungen, die zu einer unterschiedlichen Entlohnung für gleiche Tätigkeiten geführt haben, aufzuzeigen. Danach kann gemeinsam eine Problemlösung gesucht und Ziele für den zukünftigen Umgang mit unterschiedlicher Entlohnung und Dienstschluss erarbeitet werden. Eine Lösung könnte in die Richtung gehen, andere - für alle gleiche - Anreize für die Arbeit nach Dienstschluss zu finden. So könnte der Mehreinsatz durch Freizeit, Prämien oder ähnliches belohnt werden. Vielleicht verständigen sich die Beteiligten auch darauf, dass zukünftig alle pünktlich Schluss machen. Genau so wichtig wie eine überzeugende Lösung wäre mir, das es zu einem offene Gespräch kommt, unter den Beteiligten neu Vertauen entsteht und die Lösung gemeinsam gefunden und gewollt wird.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Grundsätze der Kommunikationspsychologie. Fünf Funktionen der Kommunikation
Veranstaltung
Studiengang Öffentlichkeitsarbeit
Note
2
Autor
Jahr
2001
Seiten
18
Katalognummer
V104737
ISBN (eBook)
9783640030460
Dateigröße
355 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kommunikation, Studiengang
Arbeit zitieren
Günter Lücking (Autor:in), 2001, Grundsätze der Kommunikationspsychologie. Fünf Funktionen der Kommunikation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104737

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