Molières Komödienpoetik


Hausarbeit, 2001

15 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zur Entstehung der ersten beiden großen Komödien: L’Ecole des femmes und Le Tartuffe
2.1 Molières Situation im 17. Jahrhundert
2.2 Gesellschaftskritik in der Ecole des femmes und im Tartuffe
2.3 Les querelles

3. Die Komödie vor Molière

4. Molières Komödienpoetik
4.1 Quellen der Intentionen Molières
4.2 La Critique de l’école des femmes
4.3 L’Impromptu de Versailles
4.4 Placets au roi
4.5 Préface du Tartuffe

5. Zusammenfassung

6. Bibliographie
6.1 Primärliteratur
6.2 Sekundärliteratur

1. Einleitung

Nach 13jähriger Wanderzeit durch die Provinzen Frankreichs kehrt Molière im Jahre 1658 mit seiner Schauspieltruppe in die Hauptstadt Paris zurück. Er und die Gruppe haben während ihrer Abwesenheit derart an schauspielerischer Erfahrung gewonnen, dass es ihnen bald gelingt die Gunst des jungen Ludwig XIV. zu erlangen. Der Sonnenkönig lässt sich lieber von Molières Farcen als von den Dramen Corneilles unterhalten. (vgl. Köhler 1983, 12f)

In Frankreich gibt es zu dieser Zeit noch keine entwickelte Komödienkultur, noch nichts Normgebendes1. Die frühen Stücke Molières ahmen Züge verschiedener Komödientraditionen, u.a. der Farce und der italienischen Commedia dell’arte nach und sind zunächst nur als „petit divertissement... als heitere Dreingabe“ (Köhler 1983, 13) im Anschluss an eine Tragödie gedacht.

Für seine 1659 uraufgeführten Précieuses ridicules entnimmt der Dichter die Thematik erstmals der Gegenwartsgesellschaft und landet einen großen Erfolg. Der Weg zur Charakterkomödie ist geebnet: die Ecole des femmes (1662) gilt als die erste grande comédie (vgl. Köhler 1983, 28). Doch mit dem Triumph melden sich Neider und Feinde zu Wort, denen gegenüber sich Molière mit den Einaktern La Critique de l’Ecole des femmes (1663) und L’Impromptu de Versailles (1663) rechtfertigt. Sein Tartuffe wird sogar so heftig kritisiert, dass er ihn zweimal ändern muss, bis endlich die dritte Fassung (1669) akzeptiert wird.

Trotz aller Attacken galt Molière schon zu Lebzeiten als äußerst bedeutender Künstler. Besonders interessant ist es, sein Schaffen zur Zeit seines Durchbruchs, zur Zeit der Ecole des femmes und des Tartuffe zu untersuchen, die gleichzeitig die Zeit ist, in der er am schärfsten kritisiert wurde. Was er mit seinen Werken beabsichtigt, wen er anspricht und was er unter einer Komödie versteht, davon soll nun in dieser Arbeit die Rede sein.

2. Zur Entstehung der ersten beiden großen Komödien: L’Ecole des femmes und Le Tartuffe

2.1 Molières Situation im 17. Jahrhundert

Molière ist ein Dichter des ‚klassischen‘ Jahrhunderts, jener Epoche, in der Frankreich unter Ludwig XIV. nicht nur wirtschaftliche, militärische und internationale Erfolge verbuchen kann, sondern in der auch erstmals gezielt Kulturpolitik betrieben wird2. Ein im Auftrag des Königs von Finanzminister Colbert in die Wege geleitetes zentral

gelenktes Förderungsprogramm von Wissenschaft und Literatur bezeichnet Stenzel (1987, 117) „als literaturpolitische Geburtshilfe für die französische Klassik“. Teil dieses Programmes ist die jährliche Aufstellung einer Liste gratifikationswürdiger

Literaten. Für Molière bedeutet die Aufnahme in diese Liste zwar keine literarische Geburtshilfe3, aber doch die Unterstützung durch den König, ohne die sein Werk zweifellos nicht das geworden wäre, was es heute ist. Die Beziehung Monarch – Dichter ist jedoch wechselseitig, denn der König nutzt die „Tätigkeit Molières als Unterstützung und Popularisierung herrschaftsstabilisierender Ideologie mit den besonders publikumswirksamen Mitteln des Theaters“ (Stenzel 1987, 124).

Molière ist dabei weit entfernt davon, sich nur als Propagandamittel missbrauchen zu lassen. Er erkennt im Absolutismus die Möglichkeit gesellschaftlichen Fortschritts und profitiert von seiner Lage, indem er in seinen Komödien aktuelle Probleme aufgreift, die diese Entwicklung behindern und erfüllt folglich mit seiner kritischen Tätigkeit eine gesellschaftspolitische Funktion.

2.2 Gesellschaftskritik in der Ecole des femmes und im Tartuffe

In der ersten heftig umstrittenen Komödie Molières, der Ecole des femmes, verkörpert Arnolphe „einen Hang zum Zurückbleiben, ein Unvermögen zur Anpassung an die fortschrittliche Entwicklung seiner Zeit, insbesondere ein Nicht- Mitkommen mit der Emanzipation der Frauen und der Liberalisierung der Jugend“ (Stackelberg 1975, 259).

Arnolphe möchte sich sein Mündel Agnès unter Berufung auf die Religion zur unterwürfigen und unwissend- treuen Ehefrau heranziehen. Er wirkt lächerlich wegen seines verzweifelten Festhaltens an alter bürgerlicher Ordnung, wegen der sozialen Zwänge, von denen er sich selbst abhängig macht, wegen des egoistischen Ehrgeizes und der offensichtlichen Unvernunft, durch die er schließlich selbst zum Verlierer wird. Im Tartuffe verfolgt Molière die Absicht die besondere Gefährlichkeit der Heuchelei4 darzustellen und klagt gleichzeitig die faux dévots, die falschen Frommen, an. Entgegen vieler Vorwürfe will er nicht die christliche Religion angreifen: „Nicht um die Wahrheit des Christentums ist es Molière zu tun, sondern um das Verhalten derer, die sich auf das Christentum berufen“ (Bürger 1968, 233). Beinahe gelingt es dem Schurken Tartuffe durch vorgespielte Frömmigkeit eine ganze Familie zu zerstören und in den Ruin zu stürzen, wäre da nicht der König, der in letzter Minute eingreift. Der reiche bürgerliche Familienvater Orgon schenkt dem Heuchler blindes Vertrauen und es bedarf der Anstrengung, Überredungskunst und List der anderen Familienmitglieder ihm endlich wieder die Augen zu öffnen.

2.3 Les querelles

Die im Dezember 1662 uraufgeführte Ecole des femmes ist ein Riesenerfolg und es heißt „der König und die Mitglieder seines Hauses hätten sich köstlich dabei amüsiert“ (Stenzel 1987, 126). Dennoch entfacht sie die Querelle de l’Ecole des femmes, eine Diskussion, die ein Jahr lang andauert. Molière wird vorgeworfen die Religion zu missbrauchen und ins Lächerliche zu ziehen5 und außerdem gegen die vraisemblance6 zu verstoßen. Er reagiert geschickt mit dem Einakter La Critique de l’Ecole des femmes, den er im Juni 1663 im Anschluss an die Ecole des femmes spielen lässt.

Doch keineswegs von der Critique beschwichtigt, antworten die Gegner ebenfalls mit Theaterstücken7. Molières Reaktion darauf ist im Oktober desselben Jahres das Impromptu de Versailles.

Die erste dreiaktige Fassung der Komödie Tartuffe, ou l’Hypocrite (1664) begeistert den König. Doch unter dem Druck seiner Mutter und des Erzbischofs von Paris muss er öffentliche Aufführungen verbieten. Als der abgewandelte Fünf- Akter Panulphe, ou l’Imposteur 1667 gespielt wird, ist der König gerade auf Feldzug. Nun ist es der Parlaments- Präsident de Lamoignon, der das Verbot ausspricht. Erst 1669 wird Le Tartuffe, ou l’Imposteur, die dritte und endgültige Fassung, aufgeführt (vgl. Köhler 1983, 37). Jeder dieser drei Versionen ließ Molière ein Placet au roi, eine Bittschrift an den König, folgen, in denen er sein Stück kommentiert und rechtfertigt. Neben Abmilderungen der jeweils vorausgegangen Fassung ist der Hauptunterschied des endgültigen gegenüber den beiden ersten Tartuffes der glückliche Ausgang durch das Eingreifen des Königs und nicht mehr der Triumph des Heuchlers8.

[...]


1 Vgl. Schoell (1983, 83):“Was Molière vorfand, als er 1643 sein erstes Theater gründete und vor allem als er 1658 aus der Provinz nach Paris zurückkam, waren eine durch Regeln gefestigte und am Beispiel von Pierre Corneilles großen Stücken ausgeführte Tragödie, eine nicht theoretisch begründete, aber in der Publikumsgunst unangreifbare Tragikomödie und eine in mehreren Traditionen stehende, weder poetologisch noch durch das überwältigende Beispiel gebundene, sich immer noch suchende komische Gattung.“

2 Dies zeigt sich z.B. in der Gründung der Académie française im Jahr 1635 durch Richelieu.

3 Die Listen werden ab 1663 erstellt. Molière hat zu diesem Zeitpunkt schon zahlreiche Werke u.a. die erfolgreichen Précieuses ridicules und die Ecole des femmes verfasst.

4 In der Préface zum Tartuffe nennt Molière die Heuchelei ein „...›vice privilégié‹, dessen Folgen für den Staat sehr viel gefährlicher sind als diejenigen aller anderen ›Laster‹“ (Grimm 1984, 93).

5 In III,2 der Ecole des femmes lässt Arnolphe Agnès die Maximes du mariages ou les devoirs de la femme mariée, die Ehemaximen des heiligen Gregor, vorlesen. Sie erscheinen im inhaltlichen Zusammenhang mit Unterdrückung und Gehorsamspflicht der Frau gegenüber dem Mann, was zur Eröffnung der Feindschaft zwischen Kirche und Molière führt.

6 Die Kritiker halten es für unwahrscheinlich, dass Agnès in so kurzer Zeit von einem völlig unmündigen, abhängigen, gehorsamen Wesen nur durch die Liebe zu Horace zu ihrer Individualität finden und sich von allen Zwängen befreien kann.

7 Donneau de Visé: Zélinde ou la Véritable critique de l’Ecole des femmes, Boursault: Portrait du peintre (vgl. Köhler 1983, 36).

8 Die ersten beiden Fassungen des Tartuffe sind nicht erhalten. Informationen über die Veränderungen gibt das zweite der Placets und die 1667 anonym (vielleicht von Donneau de Visé) veröffentlichte Lettre sur la comédie de l’Imposteur (vgl. Grimm 1984, 86).

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Details

Titel
Molières Komödienpoetik
Autor
Jahr
2001
Seiten
15
Katalognummer
V104768
ISBN (eBook)
9783640030750
Dateigröße
376 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Molières, Komödienpoetik
Arbeit zitieren
Katharina Kreiser (Autor:in), 2001, Molières Komödienpoetik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104768

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