Erwerbsarbeit durch Bürgerarbeit ergänzen


Hausarbeit, 2001

12 Seiten


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Was ist die Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen?

3. Wer ist Ulrich Beck?

4. Definition des Begriffes Bürgerarbeit

5. Potentiale für Bürgerarbeit

6. Motivation für Bürgerarbeit

7. Entwicklungshemmnisse von Bürgerarbeit

8. Gemeinwohl-Unternehmer

9. Kommunale Ausschüsse für Bürgerarbeit

10.Honorierung von Bürgerarbeit

11.Bürgerarbeit materiell belohnen

12.Ökonomischer Nutzen von Bürgerarbeit

13.Verzahnung von Erwerbsarbeit und Bürgerarbeit

14.Verwirklichungschancen

15.Politische Dimension des Modells

1. Einleitung

Bevor ich näher auf den Text eingehe, möchte ich erst einmal für mich selber feststellen, daß ich mit dem Begriff „Bürgerarbeit“ bei Vergabe der Referate nicht sehr viel anfangen konnte und erst durch die Lektüre mir ein Bild von der Thematik machen konnte. Des weiteren hatte ich bis dato noch nie mit dem Verfasser des Textes Prof. Ulrich Beck zu tun, so daß es mir auch nicht auf Anhieb gelungen ist zu verstehen, was Beck „zwischen den Zeilen“ mit seinem Modell darstellen will. Vieles ist mir erst durch die Diskussion im Seminar bewußt geworden, so daß ich mich gezwungen sah, mein ursprüngliches Konzept abzuändern. Um das herauszuarbeiten, was Beck eigentlich will, habe ich an das Ende meiner Ausführungen die „politische Dimension“ des Konzeptes angehängt, um damit auch u.a. der Diskussion im Seminar gerecht zu werden.

In dem eigentlich nicht allzu langen Text werden auf ziemlich komprimierte Weise viele Informationen transportiert, wobei sich die Ausführungen Beck`s über weite Teile trotzdem sehr interessant und „flüssig“ lesen lassen.

Die Gliederung meines Referates geht in weiten Teilen mit der Gliederung des Textes einher, wobei ich versucht habe, die wesentlichsten Aspekte darzustellen und deswegen auch ganz bewußt einige angeschnittene Bereiche in meinen Ausführungen weglasse.

2. Was ist die Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen?

Diese Kommission wurde von den Ministerpräsidenten Biedenkopf und Stoiber 1995 eingesetzt.

Zielsetzung sollte sein, sich damit zu beschäftigen, wie und auf welche Art und Weise sich in Zukunft Arbeit organisieren läßt. In dem Bericht wurde über den historischen Kontext von Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit und einen internationalen Vergleich versucht, neue Modelle für Arbeit und die Senkung der Arbeitslosigkeit zu entwickeln.

3. Wer ist Ulrich Beck?

Nach dem ich eben kurz auf die Kommission eingegangen bin, möchte ich auch auf die Person Ulrich Beck eingehen.

Beck wurde 1944 in Stolp/Pommern geboren und wuchs in Hannover auf. Nach der Schule begann er 1966 mit einem Studium der Rechtswissenschaft in Freiburg, wechselte aber nach dem ersten Semester in das Studium der Soziologie, Philosophie, Psychologie und Politikwissenschaft an der Universität München. Dort wurde er Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes.

1972 promovierte er in München und arbeitete im Anschluß dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter. 1979 Abschluß des Habilitationsverfahrens und die Erteilung der Lehrbefugnis für das Fach Soziologie.

Im gleichen Jahr Ernennung zum Prof. für Soziologie an der Universität Münster im Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

1981 Lehrstuhl Soziologie II an der Uni Bamberg, Seit 1982 veranwortlicher Herausgeber der „Sozialen Welt“.

Im Sommer 1989 Ruf an das Kulturwissenschaftliche Institut Essen sowie als Fellow (Gastwissenschaftler) für ein Jahr an das Wissenschaftskolleg zu Berlin. Seit dem 01.04.1992 Professor und Direktor am soziologischen Institut der Universität München.

Seit April 1995 Mitglied der Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen.

Sein bekanntestes Buch ist mit Sicherheit „Risikogesellschaft - Auf dem Weg in eine andere Moderne“ aus dem Jahr 1986. Über kaum ein anderes Buch der deutschen Nachkriegssoziologie ist so erbittert gestritten worden, kaum ein anderer Autor hat soviel Lob gehört, aber auch soviel Schimpft über sich ergehen lassen müssen.

Beck hat die wohl eingerichteten Verhältnisse der Sozialwissenschaften heftig durchgerüttelt, unter anderem wohl auch deswegen, weil man ihn keiner der großen Theorietraditionen zuordnen kann.

Innerhalb der deutschen Soziologie hat Ulrich Beck eine herausragende Position.

Beck tritt häufig in der Öffentlichkeit auf, insbesondere in den Printmedien. Seine „Hauszeitung“ ist die Süddeutsche Zeitung und auch die TAZ „bedient“ sich des öfteren seiner Artikel.

Abschließend zu ihm möchte ich noch sagen, daß Beck sich nicht scheut, provokante Thesen aufzustellen, und häufig sind sie Anlaß für öffentlich geführte Auseinandersetzungen.

4. Definition des Begriffes Bürgerarbeit

Wenn man versucht den Begriff Bürgerarbeit in einem neueren Lexikon oder Nachschlagewerk zu finden, wird man feststellen, daß dieser Begriff dort nicht auftaucht. Aus diesem Grund versuche ich Bürgerarbeit so zu definieren, wie es die Kommission versucht hat:

Es handelt sich dabei um

- Freiwilliges soziales Engagement, das
- projektgebunden (und damit zeitlich begrenzt) in kooperativen bzw. selbstorganisierten Arbeitsformen,
- unter der Regie eines Gemeinwohl-Unternehmers,
- autorisiert, abgestimmt mit dem (kommunalen) Ausschuß für Bürgerarbeit ausgeschrieben, beraten und durchgeführt wird.
- Bürgerarbeit wird nicht entlohnt, aber belohnt und zwar immateriell (durch Qualifikationen, Ehrungen, die Anerkennung von Rentenansprüchen und Sozialzeiten, „favor credits“ etc.).
- Materiell erhalten nur diejenigen ein Bürgergeld, die hierauf existentiell angewiesen sind (ähnlich der Sozialhilfe).
- Bezieher von Bürgergeld sind keine Bezieher von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe, da sie in Initiativen gemeinnützig tätig sind. Sie stehen daher auch nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, es sei denn, sie wünschen es.1

Jetzt habe ich zwar versucht, den Begriff ein wenig zu erläutern, aber es stellt sich nach wie vor die Frage, was mit diesem Thema eigentlich gemeint ist.

Die Kommission, die sich hauptsächlich mit der Arbeitslosigkeit und der Reorganisation von Arbeit beschäftigt hat bzw. damit, möglichst viele Menschen wieder in Erwerbsarbeit zu bringen, hatte noch einen zweiten Ansatz, die Bürgerarbeit, im Blick. Der Umbau der „unternehmerischen Wissensgesellschaft“2sollte nach Auffassung der Kommission durch die Erschließung nicht-marktgängiger, gemeinwohlorientierter Tätigkeitsfelder ergänzt werden.

5. Potentiale für Bürgerarbeit

Aus Sicht der Kommission ist das Ausmaß und Potential für freiwilliges soziales Engagement in Deutschland beachtlich und die Erwartungshaltung derer, die sich engagieren wollen, hat sich geändert. Weg von der traditionellen „Kanickelzüchtervereinsstruktur“ hin zu einem direkten und effektiven Einsatz seiner persönlichen Ressourcen. Dies bedeutet, daß es eines Strukturwandels bedarf, um diese Personen anzusprechen und sie (mit ihren Qualifikationen) zu mobilisieren.

An dieser Stelle nur kurz ein paar Zahlen, damit wir wissen, wie sich das ganze Thema quantitativ betrachten läßt.

- Im Jahr 1994 war rund ein Drittel der westdeutschen Bevölkerung à rund 16 Millionen Personen in einer ehrenamtlichen Tätigkeit engagiert. Im Vergleich zu 1985 war dies eine Erhöhung um 5 Prozentpunkte. In Ostdeutschland waren 1994 rund ein Fünftel ehrenamtlich engagiertà rund 2,5 Millionen Menschen.
- Der Strukturwandel des ehrenamtlichen Engagements zeigt, daß die Bereitschaft für kontinuierliches Engagement zurückgeht.
- Wenn man den Erwerberstatus betrachtet, kann man feststellen, daß auch unter Arbeitslosen die Bereitschaft da ist, sich zu engagieren. U.a. auch, um sich damit weiterzuqualifizieren. Dennoch gilt: Das Engagement außerhalb der Erwerbsarbeit wächst mit steigender Erwerbsbeteiligung.
- Nach der Altersfrage betrachtet, zeigt sich, daß sich die ältere Generation immer stärker ehrenamtlich engagiert, während das Engagement der Jungen zurückgegangen ist.
- Wer meint, daß sich nur der engagiert, der einigermaßen gut verdient und Teil der bürgerlichen Mitte, ob der neuen oder der alten sei, der irrt sich. Bei den Personen ohne Schulabschluß ist ein überdurchschnittlicher Anstieg der ehrenamtlichen Tätigkeit festzustellen. Es gibt zwar nach wie vor einen Unterschied bei den Gruppen mit unterschiedlichen Bildungsabschluß, dieser aber ist merklich kleiner geworden.3 Die Kommission geht an dieser Stelle noch auf andere Aspekte ein, aber ich denke mir, daß ich auf die wichtigsten eingegangen bin und belasse es damit an dieser Stelle.

6. Motivation für Bürgerarbeit

Durch die zunehmende Individualisierung wird die Lebenssituation des einzelnen immer wichtiger und es gibt Situationen, wie z.B. Jugendliche vor der Ausbildung oder Mütter nach der Erziehungspause, in denen viele dieser Menschen ganz gezielt nach einem freiwilligen sozialen Engagement suchen.

Um diese Motivation aber zu stärken, müssen diejenigen, die Ehrenamtliche suchen, stärker auf deren inhaltliche Ansprüche an die zu verrichtende Arbeit achten. Neben dem ehrenamtlichen Engagement erwarten viele, daß sie bei der Arbeit gefordert werden, daß sie Spaß macht, kommunikativ ist, sichtbare Ergebnisse bringt und die Arbeit in irgendeiner Form Anerkennung erfährt. Dies sind Grundsätze, die z.B. in den niederländischen Freiwilligen-Organisationen oder in der amerikanischen Volunteering- Kultur, weitaus stärker verankert sind als in deutschen Organisationen. Deutsche Beispiele dafür, wie sich das organisieren läßt, sind die Aids-Hilfe, Freiwilligenagenturen oder Seniorengenossenschaften (Rentnerblitz, Senioren Plus, u.a.). Diese neuen Formen orientieren sich sehr stark an ausländischen Vorbildern, die mit größerem Freiraum, klarer Tätigkeitsbeschreibung und stärkerem Projekt- als Verbandsbezug arbeiten.

7. Entwicklungshemmnisse von Bürgerarbeit

Momentan ist die ehrenamtliche Arbeit häufig auf die jeweiligen Verbandsbedürfnisse zugeschnitten und nimmt regelrecht Besitz von den Freiwilligen. Um aber hin zu projekt- und themenbezogenen Organisationsformen zu kommen, die dann auch kurzfristiges Engagement ermöglichen, müssen sich die Strukturen ändern, wie z.B. bei sogenannten Freiwilligen- Agenturen.

Ein nicht zu unterschätzendes Hemmnis ist mit Sicherheit die Tatsache, daß die bisherigen öffentlichen Zuschüsse und Förderungen sich an den klassischen Organisationsstrukturen der Wohlfahrtsverbände orientieren und neue Projekte damit nicht übereinstimmen. Weitere Problematik in diesem Bereich ist, daß nach wie vor die Bedeutung und Funktion von sozialen Netzwerken verkannt wird und die darin enthaltenden Selbsthilfe-Ressourcen brach liegen.

In Ländern wie den USA liegt der Anteil der selbst erwirtschafteten Mittel von Sozialorganisationen bei rund 50 vH ihrer Gesamteinnahmen, in Deutschland nur bei 28 vH. In Deutschland fehlt uns aber auch bisher die in den USA weit verbreitete „Sozialkultur“ von Unternehmen. Gründe dafür liegen mit Sicherheit in der mangelnden bzw. schlechten

Darstellung von Projekten in der Öffentlichkeit, aber auch an der mangelnden Kenntnis und Bereitschaft der Unternehmen.

Im Gegensatz zu den Niederlanden und den USA gibt es bei uns keine Anreize, z.B. durch Sozialzeiten oder Zeitspenden, um freiwilliges Engagement zu fördern. Die Kommission spricht an dieser Stelle auch darüber, daß diese Prozesse dadurch erzeugt werden sollen, daß es eine „organisierte Spontaneität“ geben müsse. Und mit dieser Aussage stellt sich die Frage, wer für eine derartige Organisation zur Verfügung steht?

8. Gemeinwohl-Unternehmer

Eine Schlüsselidee der Konzeptionen über Bürgerarbeit ist die, daß Unternehmerisches mit der Arbeit für das Gemeinwohl verbunden werden sollte. Der sogenannte GemeinwohlUnternehmer soll in seiner Person die Fertigkeiten und die Kunst des Unternehmers für soziale und gemeinnützige Zwecke vereinen.

Am Beispiel Großbritanniens kann man feststellen, wie das ganz konkret aussieht: · Er oder Sie sind charismatische Führerpersönlichkeiten.

- Gemeinwohl-Unternehmer sind „visionäre Pragmatiker“.
- Die Organisationen, die sie gründen, sind „gemeinwohlorientiert“.
- Gemeinwohl-Unternehmer sind in der Regel mit den lokalen Begebenheiten vertraut und „vor Ort“ bekannt.
- Zu guter Letzt sind sie auch Freiwilligen-Unternehmer, indem Sie zur freiwilligen Mitarbeit aufrufen und diese organisieren.

Diese eben aufgeführten Punkte habe ich relativ kurz gefaßt und man kann sie vielleicht damit zusammenfassen, indem man sagt, daß dieses die soziale Komponenten des GemeinwohlUnternehmers sein sollten.

Neben diesen sozialen Komponenten gibt es auch noch unternehmerische:

- Sie müssen die Nachfrage nach Bürgerarbeit und die Aufgaben der Bürgerarbeit vermitteln.
- Der Gemeinwohl-Unternehmer muß innovativ sein, um das Projekt zu starten und zum Erfolg zu bringen.

Die Erfahrungen in Großbritannien haben gezeigt, daß Projekte, die von Gemeinwohl-

Unternehmern verantwortlich durchgeführt werden, i.d.R. größere Erfolge mit geringeren Kosten als Projekte der klassischen Sozialpolitik haben.

9. Kommunale Ausschüsse für Bürgerarbeit

Hier versucht der Verfasser darauf einzugehen, wer eigentlich solche Projekte im Rahmen der Bürgerarbeit autorisiert, wer den Gemeinwohl-Unternehmer bestimmt und berät und wer die öffentliche Belange wahrt. Es geht ja immerhin auch darum, wer erhält wieviel Mittel aus dem Steuerhaushalt.

Ferner geht es auch darum, die Überschneidungen mit anderen Belangen und anderen Anbietern auf dem jeweiligen Sektor festzustellen und zu definieren.

Beispiele dafür sind die kommunale Pflichtarbeit im Rahmen der Sozialhilfe, professionelle Arbeit im öffentlichen Dienst und den Wohlfahrtsverbänden, Zivildienst, Schwarzarbeit und „last but not least“ der zweite Arbeitsmarkt.

Diese Aufgabenbereiche und z.B. auch die Frage, wer denn eigentlich die Fähigkeit zum Gemeinwohl-Unternehmer hat, sollte nach Auffassung der Kommission durch eine verfahrenstechnische Lösung geregelt werden:

- Einem Kommunalen Ausschuß für Bürgerarbeit

Dieser Ausschuß sollte sich aus Vertretern des Gemeinderates, der Wohlfahrtsverbände, Freiwilligen-Vertretern, Leistungsempfängern von Bürgergeld und Unternehmensvertretern zusammensetzen. Diese Mitglieder werden vom Gemeinderat gewählt und der Ausschuß wählt seinen Vorsitzenden.

Nach den Überlegungen der Kommission hat der Ausschuß folgende drei Funktionen:

- Politische Entscheidung und Legitimation
- Auswahl und Ernennung des Gemeinwohl-Unternehmers
- Beratung und Konfliktregulierung

10.Honorierung von Bürgerarbeit

Bei der Honorierung von Bürgerarbeit geht es weniger um die Zahlung von Geld, sondern vielmehr darum, wie Freiwillige für ihre Arbeit in einem angemessenen Rahmen gewürdigt werden können. Für viele ist es mit Sicherheit schon ein positiver Aspekt, daß sie sich freiwillig mit dieser Arbeit beschäftigen und sie auch jederzeit wieder aufhören können. Darüber hinaus gibt es aber auch noch weitere erwähnenswerte Punkte:

- Den Freiwilligen werden eigenen Aufgaben zugeordnet und damit eine Grundlage für selbstbewußtes Engagement geschaffen.
- Die Tätigkeiten führen über die Grenzen des „eigenen sozialen Horizontes“ hinweg.
- Durch das Engagement in der Bürgerarbeit können weitere Qualifikationen erworben werden bzw. bereits vorhandene ausgebaut.
- Jungen Menschen sollte ihr so geartetes Engagement z.B. Punkte im Numerus-Clausus- Verfahren bringen oder bei den Rückzahlungsbedingungen des Bafög berücksichtigt werden.
- Aktivitäten und Erfolge der Bürgerarbeit und die Arbeit in ihr sollten durch öffentliche Auszeichnungen gewürdigt werden, wofür es die verschiedensten Formen gibt.

11. Bürgerarbeit materiell belohnen

Bisher haben sich die Modellvorstellungen so angehört, als ob diese kostenneutral wäre. Mit Sicherheit ist dies nicht so, sondern es entstehen Sach- wie auch Personalkosten. Da in der BRD niemand ohne Einkommen leben muß, wenn er dies entsprechend belegen kann, könnte man sich vorstellen, daß Freiwillige ein Bürgergeld, ähnlich der Sozialhilfe oder der Arbeitslosenhilfe, erhalten. Bürgerarbeiter sind dann aber keineswegs Sozialhilfebezieher oder Arbeitslose, sondern erhalten einen existenzsichernden Gegenwert für ihre Arbeit. Finanzierbar wäre dies aber dann aus den eben angesprochenen Töpfen.

12.Ökonomischer Nutzen von Bürgerarbeit

Man kann nach Auffassung der Kommission drei Effekte des ökonomischen Nutzens von Bürgerarbeit unterscheiden:

- Das durch Bürgerarbeit ausgegebene Geld fließt zu einem großen Teil wieder zurück und geht damit auch in das Bruttosozialprodukt ein.
- Durch das von den Initiativen ausgegebene Geld wird Engagement in unbezahlte, produktive Stunden gefördert. Dadurch entsteht eine finanzielle Entlastung für den öffentlichen Haushalt.
- Des weiteren gibt es Einsparungen, die direkt durch die Teilnehmer bewirkt werden, z.B. Rückgang der Erkrankungen.

Weiterhin liegt der Wertschöpfung der Bürgerarbeit in der Bereicherung der demokratischen Kultur und der Erschließung von Kreativität und Spontaneität zur Lösung der anstehenden Zukunftsaufgaben.

13.Verzahnung von Erwerbsarbeit und Bürgerarbeit

Verzahnung von Erwerbsarbeit und Bürgerarbeit soll bedeuten, welche Auswirkungen Bürgerarbeit auf Arbeitslosigkeit bzw. auf die Gesellschaft hat. Ziel ist es, neben der Wirtschaft und dem Staat neue Organisationsformen einer öffentlichen Selbstfürsorge zu installieren. Bürgerarbeit kann aber auch Arbeitslosigkeit beseitigen: Jemand, der nicht erwerbstätig sein kann, kann aber dennoch etwas Sinnvolles tun, indem er sich ehrenamtlich engagiert.

Beck nennt dies eine „duale Beschäftigungsgesellschaft“, in der es verschiedenste Kombinationen von Erwerbs- und Bürgerarbeit geben kann. z.B. eine Teilzeitbeschäftigung in der Wirtschaft einhergehend mit einer Teilzeitarbeit in einer Freiwilligen-Initiative. Mit dieser Perspektive können sich nicht nur die Lebensperspektiven vieler Menschen positiv verändern, sondern die Einflußmöglichkeiten der Politik einer grundlegenden Veränderungen unterzogen werden. Im Moment heißt die politische Lösung die Förderung des Wirtschaftswachstums bzw. die Stärkung der Kaufkraft. Zukünftig könnte es aber auch heißen: Mehr Investitionen in die Bürgerarbeit.

14.Verwirklichungschancen

Abschließend stellen sich der Verfasser dieses Kapitels und die Kommission nach den Realisierungschancen ihres skizzierten Modells:

Sie halten ihrem Modell zugute, daß es das Wohlfahrtssystem erneuert und der Gesellschaft neue Möglichkeiten des Engagements aufzeigt, ohne daß es zu enormen zusätzlichen Kosten kommt.

Weiterhin führen sie aus, daß es zu einer Verlagerung der Aufgaben von der nationalen auf die sichtbarere kommunale Ebene kommen wird.

Als letztes stellen sie die Diskussion in den politischen Parteien dar, um damit zu belegen, daß die Chancen für ihr Modell nicht die schlechtesten sind:

Alle Parteien versuchen die „Quadratur des Kreises“ à mehr Leistungen, bei geringeren Kosten.

Die Bürgerlichen gehören zwar zu den schärfsten Kritikern des Wohlfahrtsstaates, besinnen sich aber immer öfter auf die Tradition einer aktiven Bürgerschaft.

Die Grünen, wie auch die Liberalen, sprechen sich, wo es nur geht, für örtliche Bürgerinitiativen aus.

Und auch innerhalb der Sozialdemokratie, die in diesem Bereich wahrscheinlich eher zu den Konservativen zählen, wohl auch wegen ihrer Nähe zu den Wohlfahrtsverbänden, gibt es Anzeichen, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen.

15.Politische Dimension des Modells

Wie bereits in der Einleitung von mir erwähnt, sind die Ausführungen Beck`s über das Modell „Bürgerarbeit in Deutschland“ anhand des Textes einleuchtend und man würde eigentlich nicht davon ausgehen, daß es ihm im unter anderem darum geht, gewisse „Zwangsmechanismen“ einzuführen und die Sozialausgaben der öffentlichen Haushalte zumindestens auf dem jetzigen Stand einzufrieren. Diese diskussionswürdigen Punkte des Modells tauchen nur partiell im Text auf und man muß genau hinterfragen, in welche Richtung diese Punkte führen.

„Zwangsmechanismen“, über die im Moment ja bereits laut nachgedacht werden, im Zusammenhang mit gemeinnütziger Arbeit bei Sozialhilfebeziehern und Kürzung der Leistungen bei Arbeitslosenhilfebeziehern bei Ablehnung von Arbeitsplatzangeboten des Arbeitsamtes. Beck versucht mit seinem Modell eine Lösung dafür zu finden, einen gewissen Leistungsdruck auf diejenigen zu erzeugen, die im Moment und in Zukunft nur durch staatliche „Hilfen zum Leben“ existieren können. Diesen Beziehern von öffentlichen Geldern setzt er quasi „die Pistole auf die Brust“, indem er indirekt sagt, wenn ihr Unterstützung braucht, dann müßt ihr dafür etwas tun: - Bürgerarbeit.

Diese Ausführungen von mir stützen sich im wesentlichen auf die ergänzenden Anregungen der Diskussionen im Seminar, aber es gibt auch ein paar Textstellen, die man auch in dieser Richtung interpretieren kann.

So spricht Beck davon, „wie man aus Wenigem viel machen kann, möglicherweise öffentliche Armut sogar in öffentlichem Reichtum verwandeln kann“.4

Die an dem von ihm angemerkten „Belohnungen“ und der Punkt Anerkennung5für jungen Menschen hören sich so natürlich positiv an, können aber auch anders verstanden werden. Diejenigen jungen Menschen, die sich dann vor Ausbildungsbeginn nicht ehrenamtlich engagieren, können (massive?) Nachteile bei der Bewerbung um einen Studienplatz haben. D.h. es wird ganz bewußt Druck erzeugt.

Auch ist es nicht so, daß jeder, der sich für Bürgerarbeit interessiert, sein Engagement auch wirklich umsetzen kann, da Beck unter dem Szenario der „Maximalen Nachfrage von Bürgerarbeit“6erstens sagt, daß es kein Anrecht auf Beteiligung an Bürgerarbeit gibt und zweites Bürgerarbeit Qualifikationen voraussetzt. „D.h. Selektion aufgrund von Eignung.“7

[...]


1Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen (1996f.): Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland. Teil 1-3. Bonn. Seite 148+149

2 Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen (1996f.): Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland. Teil 1-3. Bonn. Seite 148

3 Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen (1996f.): Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland. Teil 1-3. Bonn. Seite 149-152

4Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen (1996f.): Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland. Teil 1-3. Bonn. Seite 161

5 Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen (1996f.): Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland. Teil 1-3. Bonn. Seite 164

6Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen (1996f.): Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland. Teil 1-3. Bonn. Seite 167

7 Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen (1996f.): Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland. Teil 1-3. Bonn. Seite 167

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Erwerbsarbeit durch Bürgerarbeit ergänzen
Autor
Jahr
2001
Seiten
12
Katalognummer
V104859
ISBN (eBook)
9783640031634
Dateigröße
373 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erwerbsarbeit, Bürgerarbeit
Arbeit zitieren
Carsten Wagner (Autor:in), 2001, Erwerbsarbeit durch Bürgerarbeit ergänzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104859

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