Hörspiele von Ulrich Horstmann


Seminararbeit, 2001

42 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Das Hörspiel
1.1. Vorbemerkung
1.2. Der Begriff „Hörspiel“
1.3. Die Geschichte des Hörspiels
1.3.1. Die Anfangsphase des Hörspiels
1.3.2. Erster Höhepunkt des Hörspiels
1.3.3. Politisierung des Hörspiels im Dritten Reich
1.3.4. Wiederaufnahme der Hörspielproduktion nach
1.4. Das traditionelle Hörspiel
1.5. Das neue Hörspiel

2. Ulrich Horstmann
2.1. Kurzbiographie
2.2. Grundthesen

3. Ulrich Horstmann: „Gedankenflug. Reise in einen Computer“
3.1. Zum Inhalt
3.2. Formale Aspekte
3.2.1. Titel
3.2.2. Aufbau
3.2.2.1. Regieanweisungen
3.2.3. Funktion der Geräusche
3.2.4. Sprachstruktur
3.3. Thematische Aspekte
3.3.1. Personen
3.3.1.1. Steintal
3.3.1.2. Der Computer
3.3.1.3. Die Computerstimmen
3.2. Thematik

4. Ulrich Horstmann: „Grünland oder Die Liebe zum Dynamit“
4.1. Zum Inhalt
4.2. Aufbau
4.3. Hörspieltheorie
4.3.1. Raum
4.3.2. Zeit
4.3.3. Handlung
4.3.4 Thematik
4.4. Regieanweisungen
4.5. Charaktere
4.5.1. Steintal
4.5.2. Moosbach
4.5.3. Sprengmeister
4.5.4. Priester
4.5.5. Die Arbeiter
4.6. Religion
4.6.1. Die Götter
4.6.1.1. Ökol-Ökolog
4.6.1.2. Makrobis
4.6.1.3. Tech-Nolog
4.6.1.4. Makadam

5. Literaturverzeichnis

1. Das Hörspiel

1.1. Vorbemerkung

Die Geschichte des Hörspiels ist kaum bis in die heutige Zeit anhand von Literatur nachzuvollziehen. Die aufzufindende Literatur ist Mitte bis Ende der siebziger Jahre geschrieben worden und reicht dementsprechend auch nur bis zu diesem Zeitpunkt. Demzufolge scheint das Hörspiel und die Hörspieltheorie in den letzten Jahren von geringerer Bedeutung zu sein.

Zudem soll hier der Begriff „Hörspiel“ in seinen verschiedenen Definitionen und auch die Geschichte aus möglichst vielfältiger Sicht geschildert werden. Dabei wird nicht von den verschiedenen Vorformen des Hörspiels ausgegangen, wie eine z. B. bei einem Stamm australischer Ureinwohner gesehen wird. Es wird davon ausgegangen, dass vor der Inszenierung von Hörspielen nicht das gesprochene Wort, sondern die Übermittlung von telegraphischen Zeichen, also die Erfindung der Telegraphie und des Rundfunks stand.

1.2. Der Begriff „Hörspiel“

Der Begriff wurde zum ersten Mal von Friedrich Nietzsche im letzten Teil des „Zarathustra“ verwendet. Dabei war wohl nicht an das Hörspiel im heutigen Sinne zu denken, da zu der Zeit an das Medium Rundfunk, mit dem diese Gattung ihren Anfang nahm, noch nicht zu denken war.

Im August 1924 wählte Hans S. von Heister den Begriff „Hörspiel“ zum ersten Mal in der Zeitschrift „Der deutsche Rundfunk“, um einen Unterschied zwischen eigens für den Rundfunk geschriebenen Werken und jenen zu machen, die lediglich für den Hörfunk umgeschrieben und bearbeitetet wurden. Dadurch schuf er eine Differenzierungsmöglichkeit zwischen „Sende-“ und „Hörspielen“, die sich aber nur langsam durchsetzte.

1.3. Die Geschichte des Hörspiels

1.3.1. Die Anfangsphase des Hörspiels

Zwar ist unstrittig, wann der Begriff „Hörspiel“ zum ersten Mal in Deutschland verwendet wurde, dagegen ist aber ungeklärt, welches das erste deutsche Hörspiel war. In der jahrelang herrschenden Begriffsverwirrung um „Hör-“ und „Sendespiele“ ging dieser Punkt unter, so dass nun die Meinungen darüber, welches Werk als erstes die Bezeichnung Hörspiel verdient, auseinander gehen. Zudem wurden im Zweiten Weltkrieg mit der Zerstörung der Rundfunkanstalten fast vollständig die Daten und Dokumente vernichtet, die die Entwicklung der ersten Hörspiele schriftlich hätten belegen können. Verschiedene Lexika sehen von ersten Versuchen vor 1924 ab und siedeln in diesem Jahr das erste Hörspiel an. Dabei werden mehrere Hörspiele benannt, wobei strittig ist, welches tatsächlich das Erste war. Zu diesen Hörspielen zählen: „Zauberei auf dem Sender“ von Hans Flesch und Rolf Gunnolds „Spuk“. Pierre Cusys und Gabriel Gerimets „Maremoto“ und „A comedy of Danger“ von Richard Hughes gelten als einige der ersten ausländischen Hörspiele, wobei letzteres laut verschiedener Quellen als das erste Hörspiel in Europa gilt. Es wurde schon im Januar 1924 in London urausgestrahlt und dann im August 1925 in deutscher Übersetzung in Hamburg gesendet.

Diese Hörspiele versuchten nicht mehr wie die „Sendespiele“ und die ersten Versuche des Hörspiels die Wirklichkeit durch Kostüme, Kulissen und einer Bühne zu simulieren, sondern den Hörern als Ersatz für ein fehlendes Bühnenbild eine Geräuschkulisse zu bieten. Dabei bedienten sie sich Handlungen und „Schau“-plätzen, die den Möglichkeiten des Rundfunks besonders angemessen waren.

Allerdings beschränkten sich diese Hörspiele auf eine Abbildung der Wirklichkeit, die sie durch Beschreibungen und Erklärungen zu geben versuchten, wodurch die Fantasie der Hörer nicht beansprucht wurde. Entgegen der Meinung, dass schon seit 1924 Werke dieser Gattung existieren, sieht Heinz Schwitzke diese als „akustisch-literarische Spielerei“ und setzt das 1929 gesendete Werk „Hallo, hier Welle Erdball“ von Fr. Walter Bischoff an den Anfang dieser Gattung.

1.3.2. Erster Höhepunkt des Hörspiels

Einig sind sich die meisten Autoren darüber, dass der erste Höhepunkt des Hörspiels im Jahre 1929 beginnt. Dieser wurde mit einem Preisausschreiben 1927 eingeleitet, das von der Reichsrundfunkgesellschaft veranstaltet wurde. Die hohe Zahl der Einsendungen (1177) spiegelte das große Interesse am Hörspiel wieder, jedoch wurden von der Jury 900 Werke ausgesondert, da sie für den Rundfunk umgearbeitete Bühnenstücke darstellten, also eher „Sendespielen“ glichen. Zudem wurden auch sozial - kritische Werke nicht zum Wettbewerb zugelassen. Letztendlich wurde der Preis nicht vergeben, sondern lediglich sieben Werke ausgewählt, deren Ankauf empfohlen wurde. Bei diesen sieben Werken handelte es sich um eine repräsentative Auswahl aus der Vielfalt der Hörspiele der damaligen Zeit. Jedes Hörspiel hatte sein eigenes charakteristisches Merkmal: das Dunkelmotiv, der technische Aspekt als Spielfundament, die magische Lenkung auf innerer Bühne als Innenerlebnis, die Umsetzung optischer Werte in den akustischen Raum, die leitmotivisch verbindende Sprecherfigur, die Verwandlung naturalistischer Geräusche in Symbolzeichen und den lyrischen Ansatz im Volkslied.1

1929 zeigten unter anderem die Hörspiele „Der Flug der Lindberghs“ von Bertolt Brecht und „Brigadevermittlung“ von Ernst Johannsen den großen Pluralismus der Zeit und brachten den ersten Durchbruch der Gattung. Das Antikriegshörspiel „Brigadevermittlung“ war das erfolgreichste deutsche Hörspiel der Weimarer Republik und feierte auch internationale Erfolge, unter anderem in Australien und Amerika.

Dieses Werk zählt Heinz Schwitzke ebenso wie „Der Narr mit der Hacke“ von Eduard Reinacher aus dem Jahre 1930 zu den besten der damaligen Zeit.2 Hörspielautoren dieser Zeit lösten sich vom technisch-akustischen Experiment und fanden eine eigene künstlerische Form des Hörspiels. Die Werke zeigten reportagenhafte und dokumentarische Elemente und hatten oft heroische Taten der Neuzeit zum Thema.

Begünstigt wurde diese Entwicklung durch den Anfang einer Theoriebildung zu der schon die Begriffsbildung 1924 und die Unklarheiten über Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten der Gattung aufgefordert hatten, die aber nun durch Hermann Pongs 1931 einen wesentlichen Impuls durch seine vertiefte Hörspieltheorie erhielt.3 Neben Pongs veröffentlichten auch Arno Schirokauer und Richard Kolb Hörspieltheorien, in denen sie zum Teil Pongs´ Aussagen widersprechen. Schirokauer plädierte für eine Hörbühne, die nicht nur um unnaturalistische Elemente und Eigengesetzlichkeit bemüht war, sondern auch epische Anteile enthielt. Er sieht die Zuhörer distanziert und gegenüberversetzt und damit zur Objektivierung gezwungen. Kolb dagegen forderte die Verinnerlichung des Wortes und die Abkehr von den realitätsverhafteten Experimenten der ersten Rundfunkjahre. Diese Thesen bilden nach dem Zweiten Weltkrieg einen Anknüpfungspunkt in der Hörspieltheorie. Das eigenständige Hörkunstwerk entwickelte sich aus der Erkenntnis, dass das Hörspiel anderen Gesetzen zu folgen hatte als das Theater. Schließlich muß das gesprochene Wort ohne optische Unterstützung eine fiktive Szene beim Hörer hervorrufen.

1.3.3. Politisierung des Hörspiels im Dritten Reich

Bemühten sich der Rundfunk allgemein und somit auch die Hörspiele vor 1933 möglichst unpolitisch und überparteilich zu arbeiten, so konnte sich auch der Rundfunk bei der Machtergreifung einer politischen Indienstnahme durch den Nationalsozialismus nicht entziehen. Der Rundfunk wurde als propagandistisches Mittel benutzt. Gesendet wurden nur noch solche Werke, die der Ideologie entsprachen oder in ihrem Sinne umgearbeitet wurden. Zudem wurde der Anteil der Hörspiele, der in den Jahren zuvor um zwei Prozent lag, um ein Drittel gesenkt, da an ihre Stelle Nachrichten- und Musiksendungen und die Rundfunkaktivitäten der Partei traten. Ab 1940 wurden nur noch tendenziöse Werke ausgestrahlt. Hörspiele waren Auftragsarbeiten zu nationalsozialistischen Feiern oder sollten bestimmte Haltungen und Meinungen verbreiten. Sie dienten somit einer psychologischen Kriegsführung. Das Hörspiel in Deutschland war damit dem Untergang geweiht, jedoch hielten einige Autoren wie Bertolt Brecht und Anna Seghers auch im Exil eine Hörspielkunst aufrecht. Sowohl Brecht wie auch Seghers wählten für ihre Hörspiele eine Prozeßsituation, die zu einer kritischen Auseinandersetzung des Zeitgeschehens durch die Hörer führen sollte.

1.3.4. Wiederaufnahme der Hörspielproduktion nach 1945

Durch die durch Kriegseinwirkung zerstörten oder in Unordnung gebrachten Archive war es nicht möglich, gleich nach Kriegsende eine Produktion wieder aufzunehmen. Dennoch mußte kein gänzlicher Neuanfang gemacht werden, weil Autoren, Produzenten und Intendanten der Weimarer Republik ihre Arbeit, die sie zuvor nicht ausüben konnten, da sie in Opposition zum Nationalsozialismus geraten waren, wieder aufnahmen.

Ein erneuter Aufschwung in der Hörspielproduktion leitete sich ein, der durch die verbesserten technischen Möglichkeiten, die Aufnahmebereitschaft der Hörer, die bei der Eingeschränktheit der kulturellen Möglichkeiten auf das Medium Rundfunk zurückgriffen, und den geringen Kostenaufwand begünstigt war.

Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“ leitete diesen Aufschwung im Jahre 1947 ein4, der im Weiteren von einer großen Vielfalt geprägt war. Dabei wurde anfangs noch nicht zwischen reportagenhaften und rein künstlerischen Formen unterschieden. Der Durchbruch gelang dem Hörspiel aber erst mit Günther Eichs „Träume“ und der ersten Ausschreibung des „Hörspielpreis der Kriegsblinden“ 1951.5 Zu dieser Ausschreibung schickten beinahe alle bekannten deutschen Autoren Beiträge ein.

In Anlehnung an die Hörspieltheorie von Kolb wurde diese Zeit von Hörspielen geprägt, die entpolitisiert und auf Verinnerlichung gerichtet waren. Das rege Interesse an Hörspielen hielt nicht lange an. Schon 1961 beklagte Friedrich Knilli in seinem Buch „Das Hörspiel - Mittel und Möglichkeiten eines totalen Schallspiels“, dass die Möglichkeit, eine neue Kunstform zu verwirklichen, versäumt worden sei.6

Anfang der sechziger Jahre entstanden mehrere Bücher, die theoretische Aspekte über traditionelle Hörspiele boten, aber auch zu einem Gegenmodell, in dem Knilli in seinem oben genannten Buch erste Ansätze schrieb. Dieses Gegenmodell ging von der akustischen Eigenwelt der Mittel des Hörspiels aus und nicht mehr von den literarischen Elementen des Hörspiels, von denen Knilli es befreien wollte.7 Der Begriff „Neues Hörspiel“ für diese neue Form setzte sich durch, nachdem Klaus Schöning ihn 1968 in seinem Radio-Essay „Tendenzen im neuen Hörspiel“ verwendete.

1.4. Das traditionelle Hörspiel

Das traditionelle Hörspiel ist ebenso wie das neue Hörspiel (siehe 1.5.) eine Sonderform des Hörspiels, das nicht in eine bestehende literarische Gattung eingeordnet werden kann, so dass verschieden Lexika und Hörspielbibliographien den Hörspielen einen eigenen literarischen Rang zuordnen. Im traditionellen Hörspiel wird durch Stimme und Geräusch die hörbare Wirklichkeit gestaltet. Gefühle, Gedanken, Erlebnisse werden durch die Stimme, Musik und Geräusche vermittelt, so dass beim Hörer eine Vorstellung vom Spieler und seiner Umwelt erzeugt wird. Die Handlung des Spiels lebt vom Wort, die Geräusche habe lediglich eine dienende Funktion. Die technischen Mittel erlauben es bei dieser Form des Hörspiels, die Zeitfolgen beliebig zu bestimmen. Ihr Inhalt beruht zumeist auf aktuellem Geschehen und Gesellschaftskritik. Andere Wortsendungen verwenden den Rundfunk nur als Mittel zum Zweck, dagegen ist das Hörspiel nicht vom Rundfunk abhängig, da es möglich ist, das Skript zu lesen.

1.5. Das neue Hörspiel

Um zu beschreiben, was den Begriff „neues Hörspiel“ umfasst, muß man mehrere Unterformen benennen: Hörtexte, Hörbeispiele, Sprachspiele, akustisches Theater und andere mehr. Das neue Hörspiel ist eine Form des Hörspiels, die mit typisch radiophonen Mitteln arbeitet und somit außerhalb des Rundfunks nicht realisierbar ist. Literatur ist nicht Basis dieses Hörspiels, es gibt keine literarische Vorlage. Das Material dieser Hörspiele bildet die Sprache, die aus ihren traditionellen Bindungen gelöst, zertrümmert und zu Collagen zusammengesetzt wird. Mit diesen Collagen bildet das neue Hörspiel einen Gegensatz zum traditionellen Hörspiel, bei dem die Betonung auf den Erzähl- und Handlungsformen liegt. Nicht mehr der Inhalt ist das entscheidende dieser Hörspiele, sondern die Form des Ausdrucks. Es wird ein aktiver Zuhörer verlangt, der die Aufmerksamkeit auf den formalen Aufbau und die akustischen Mittel lenkt und sich nicht mit dem Hörspiel identifizieren soll, er soll die Fragen, die es aufwirft, kritisch überdenken. Die Mannigfaltigkeit des neuen Hörspiels läßt sich in Heißenbüttels Bemerkung erkennen: „Alles ist möglich. Alles ist erlaubt.“, dabei ist das Experimentieren noch längst nicht abgeschlossen, es wird nach immer neuen Formen gesucht.

2. Ulrich Horstmann

2.1. Kurzbiographie

Geboren am 31.05.1949 in Bünde, Westfalen, studierte Horstmann Anglistik, Pädagogik, Geschichte und Philosophie in Münster. Er promovierte 1974 und habilitierte 1983. Bis 1987 war er Hochschullehrer in Münster. 1988 erhielt er den Kleistpreis. Seit 1991 ist er Professor für englische und amerikanische Literatur in Gießen, 1995/1996 war er dort Dekan des Fachbereichs 10 - Anglistik. Horstmann lebt heute in Marburg.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2. Grundthesen

Horstmann schrieb neben seinen zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen Hörspiele, Essays, Prosa, Lyrik und Theaterstücke. Er selbst sieht sich als „halber Literat, [ein] halber Philosoph, [ein] halber Philologe“.

In der Sekundärliteratur wird betont, Horstmanns Werke inszenieren apokalyptische Situationen. Die Menschheit steuere zielstrebig auf ihr eigenes Ende hin und statt zu versuchen es abzuwenden - was uns nicht gelingen kann - sollten wir lernen, es als sinnvoll zu interpretieren. Hoffnung zeigt Horstmann in seinen Werken nicht im Geringsten. Lessing und Schopenhauer bilden dabei die philosophische Basis für seine Katastrophenthematik, und die Menschheit hat inzwischen die technischen Möglichkeiten, dem eigenen irdischen Elend ein Ende zu bereiten.

Horstmanns Fazit: „Lieber ein Ende mit Schrecken, als Schrecken ohne Ende.“8

3. Ulrich Horstmann: Gedankenflug. Reise in einen Computer

9 „Gedankenflug. Reise in einen Computer”, erlebte 1980 im Westdeutschen Rundfunk seine Erstaufführung und ist nur eines von vielen Hörspielen Ulrich Horstmanns. Fast wie in allen seinen Werken, spiegelt auch dieses eine apokalyptische, von Zerstörung geprägte Situation wieder.

3.1. Zum Inhalt

Kommandant Steintal befindet sich seit 10 Jahren auf einer Mission in dem Siedlerschiff Arche III. In dem Glauben, einen neuen Lebensraum für die Menschheit finden zu sollen, hat er die Mission in diesem Raumschiff begonnen. Bis zu dem gerade befindlichen Zeitpunkt jedoch, blieb die Suche erfolglos. Die sich neben Steintal an Bord aufhaltenden Siedler, die er noch nie zu Gesicht bekommen hat, wurden in Tiefschlaf versetzt und so ist der einzige Kommunikationspartner des Kommandanten ein Computer. Diesen hat Steintal Berkeley “getauft”. Berkeleys Hauptaufgabe ist es, so hat es zunächst den Anschein, die Funktionen des Raumschiffes zu kontrollieren und für das leibliche Wohl des Kommandanten zu sorgen. In den zehn Jahren des nahezu immer gleichen Tagesablaufes, versucht Steintal verstärkt sich dagegen aufzulehnen. Er muss sich gegen Berkeley wehren, da dieser u.a. fingierte Sequenzen einspielt, in deren Handlung er Stimmen von verschiedenen Personen imitiert, um mit dieser Methode Steintal zu dem zu bewegen, was er laut seiner eingespeicherten Daten machen soll, z.B. zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzustehen, Daten überprüfen oder Reparaturen vornehmen.

Im Laufe der Handlung, beginnt Steintal, angeregt durch Rekapitulieren eigener Band-Aufzeichnungen, eine Art Tagebuch, in denen er u.a. von seiner Beschäftigung mit Philosophie berichtet, daran zu Zweifeln, auf einer wirklichen Mission zu sein. Die Zweifel gehen soweit, dass er vermutet, alles um ihn herum sei simuliert. Simuliert und existent nur durch Daten, die der Computer produziert. Nicht nur alles um ihn herum, sondern er selbst sei eine Produktion, ein Datenmuster. Um Berkeley und auch sich selbst dies zu beweisen, schließt er sich durch Metallplättchen an den Bordcomputer an. Nachdem Steintal durch die elektrische Spannung, die er durch seinen Körper gejagt hat gestorben ist, beginnt Berkeley, Steintals Stimme zu imitieren. Dies gelingt ihm nach wenigen Versuchen, und so verläuft die letzte Szene nach demselben Muster, wie die Anfangsszene.

3.2. Formale Aspekte

Die folgende Analyse von „Gedankenflug. Reise in einen Computer” wird zeigen, dass es sich um ein traditionelles Hörspiel handelt. Dies wird auch im Vergleich mit den unter Punkt 1.4. und 1.5. aufgeführten Merkmalen eines traditionelles und im Gegensatz zu diesem, den eines neuen Hörspiels deutlich, die aber durch das Folgende noch etwas ausführlicher beschrieben und erweitert werden.

3.2.1. Titel

Ulrich Horstmann beschreibt schon mit dem Titel „Gedankenflug. Reise in einen Computer”, den Inhalt des Hörspiels. Ein Hörer, der sich mit dem Titel beschäftigt, wird sich denken, dass ein Computer eine oder sogar die Hauptrolle in dem Stück spielt. Dies wird dann auch nach kurzer Zeit des Hörens oder Lesens, wie bei traditionellen Hörspielen möglich bestätigt. Warum es sich um einen Flug in die Gedanken eines Computers handelt, wird jedoch erst ungefähr ab der Mitte des Hörspiels verständlich, als der Kommandant anfängt, sich mit seiner zurückliegende Beschäftigung mit der Philosophie auseinander zusetzen und die mögliche Folgerung dieser Gedanken für ihn, seine Situation und den Computer „auszumalen” beginnt. Der Ausgang dieses Handelns kommt im Blick auf den Titel dann nicht mehr überraschend.

3.2.2. Aufbau

Das Hörspiel ist aufgeteilt in acht Szenen, die als solche zwar nicht gekennzeichnet sind, aber durch die Anweisung „Ausblenden” wird die Handlung mehrmals unterbrochen. Hauptsächlich bestehen die Szenen aus den Dialogen des Computers mit dem Kommandanten Steintal. Die meisten traditionellen Hörspiele beginnen als Dialog, bei diesem bleibt es zunächst jedoch nur bei dem Versuch. In diesem Hörspiel erklärt sich die Handlung fast allein aus diesen Dialogen und damit steht es in Gegenposition zu vielen anderen traditionellen Hörspielen, in denen die Struktur vielfach eine epische ist und monologische Erzählungen durch Dialoge unterbrochen werden. Im „Gedankenflug” ist es, vermehrt ab Mitte des Hörspiels genau andersherum. In jeder Szene des „Gedankenflugs” erscheinen die genannten Hauptfiguren, wobei der Computer verschiedene, aber sich teilweise wiederholende Rollen einnimmt, bzw. Stimmen imitiert. Am Anfang der ersten Szene steht die vom Computer inszenierte Handlung, einer Frau, die ihren Mann (Steintal) zu wecken versucht. Nachdem dieses scheitert, wird eine andere Handlung eingeblendet, die durch ihren bedrohlichen Charakter dem Zuhörer zum ersten Mal dazu bewegt, nicht wieder abzuschalten und veranlasst die Handlung intensiver zu verfolgen.

Jede einzelne Szene schildert eine neue, aber laufende Situation in die der Hörer ab einem bestimmten Zeitpunkt beginnt, hineinzuhören. In gleicher Weise verhält es sich mit dem Ende jeder Szene, das dem Hörer der Eindruck suggeriert, die Handlung gehe weiter, er wird aber ausgeblendet. Die von dem Computer fingierten Handlungen, die an verschiedenen Orten spielen oder die Band- Aufzeichnungen, die zeitlich weit zurückliegen vor und zwischen die Dialoge zu setzen, wird durch die Technik der Montage ermöglicht. Das erwähnte Ausblenden jeder Szene ist eine Methode, die ebenfalls dazu dient, dem Hörer zeitliche und räumliche Veränderungen deutlich werden zu lassen. Die logische und zeitliche Reihenfolge der an diesem Tag geschehenen Tätigkeiten und Handlungen wird dabei eingehalten, und der Hörer kann ihnen folgen. Jede Szene enthält Informationen, die für das Verständnis wichtig sind, z.B. um einen genaueren Eindruck über den instabilen seelischen Zustand Steintals zu bekommen, ist die fünfte Szene mit dem Versuch Steintals, sich das Leben zu nehmen nötig.

Wie bereits erwähnt, entspricht die Situation am Anfang der ersten und am Schluss der letzten Szene fast einander. Wieder imitiert der Computer eine Frauenstimme, die versucht ihren Mann aus dem Schlaf zu wecken. Den letzten Sätzen dieser Szene ist dabei der wiederholte Versuch des Computers vorausgegangen, Steintals Stimme und Reaktion nachzustellen, bis es ihm perfekt gelingt. Der Hörer wird dann ausgeblendet. Dadurch entsteht für ihn der Eindruck, die letzte Szene sei der Beginn des sich im Rhythmus eines Tages wiederholenden, morgendlichen Aufweckrituals und des Folgenden Geschehen.

Trotz der zeitlich und räumlich auseinanderliegenden Handlungen, die durch Ein- und Ausblenden aneinandergereiht werden hat das Hörspiel einen Handlungsort, und eine zeitliche Abfolge ist erkenntlich. Der Handlungsort ist das Raumschiff, die engeren Handlungsräume jedoch lassen sich örtlich nicht genau definieren. Durch eine Bemerkung Steintals erfährt der Hörer, dass ihm mehrere Räume zugänglich sind, aber diese werden nicht genauer beschrieben. Die Handlung ereignet sich also nicht nur auf der Kommandobrücke, über die genaue Anzahl der anderen Handlungsorte ist aber nur zu spekulieren (Fitnessraum, Bibliothek, Speiseraum, Motorraum). Horstmann setzt damit sowohl die Möglichkeit bei traditionellen Hörspielen, die Handlung in realen, wie auch in irrealen Räumen spielen zu lassen gleichzeitig ein. Das beschriebene Raumschiff entspringt nur der Phantasie Horstmanns, existiert so in Wirklichkeit nicht, einzelne mögliche Handlungsorte dagegen sind dem Hörer auch aus seiner Realität bekannt.

3.2.2.1. Regieanweisungen

Einen Ansager oder Sprecher, der in die Handlung eingebaut ist und die Situationen schildern oder erklären könnte, gibt es in diesem Hörspiel nicht. Aus diesem Grund haben die Regieanweisung eine noch wichtigere Funktion. Diese müssen vom Produzenten und den Spielern so umgesetzt werden, dass es dem Hörer möglich ist, sich ein Bild des Geschehens und der Personen / des Computers zu machen. Demzufolge beziehen sich die Regieanweisungen auch:

- auf die Sprechweise, d.h. auf welche Art und mit welcher Betonung Steintal, der Computer oder eine der Computerstimmen sprechen sollen, z.B.: Sinnlich, sarkastisch, wütend, hysterisch, emotionslos, weinend, mechanisch, mit vollem Mund, im Takt der Schläge, höchst unvollkommend imitierend etc. Es werden aber auch Anweisungen gegeben, an wen das Gesprochene gerichtet ist, so steht an einigen Stellen „zu sich”, „sich beruhigend”, wenn Steintal mit sich selbst redet oder „der Angesprochene antwortet nicht” als der Computer Steintal eine Frage stellt.

- auf die Geräusche, die als reale Geräusche Hintergrund, Umwelt und Atmosphäre schaffen sollen. So soll dem Hörer in der Anfangssequenz der ersten Szene der Eindruck einer Morgenstimmung verschafft werden oder etwas später durch Geräusche, wie „Sturmgepeitschtes Meer”, und „klatschende Segel”, dass ein Schiff in Seenot geraten ist, an anderen Stellen wird durch Wörter wie „technisch Artifizielles”, “leises Ticken und Surren der Apparaturen”, und „Instrumententicken” die übliche Geräuschkulisse in einem Raumschiff wiedergegeben. Ergänzt werden diese Anweisung durch solche, die sich auch auf die Art und Weise, wie ein Geräusch gestaltet werden soll beziehen: „bewusst kitschig und überakzentuiert”, „...Pfeifton, dessen Lautstärke sich langsam erhöht”, „Bandaufzeichnungen müssen [...] für den Hörer deutlich als „Konserven” erkennbar sein”. Diese und Anweisungen, wie „überlagerte Störungen”, die mehrmals die Band-Aufzeichnungen unterbrechen, sollen erkennen lassen, dass es sich um eine zurückliegende Aufzeichnung handelt und diese anscheinend in einer Gefahrensituation gesendet wurde. Andererseits steht dann „Live” vor dem Gesprochenen, damit der Hörer erkennt, dass es sich nicht mehr um eine Band-Aufzeichnung handelt. Anweisungen, wie „die Intervalle der Stille werden von Einspielung zu Einspielung kürzer” beziehen sich auf die Länge der Intervalle. Auf Anweisungen, die sich auf die Stille beziehen und ihre Funktion wird im weiteren Verlauf noch eingegangen.

- auf Geräusche, die bei der Ausführung einer Handlung einer Person entstehen: „Geräusch eines Kusses”, „Atemgeräusche, die klingen als imitiere jemand einen Schlafenden”, „Kau- und Schluckgeräusche”, „Tee wird in ein Becher gefüllt”, „tippt mit der Hand in einer unzugänglichen Ecke herum”, „Beim letzten Schlag poltert die Verkleidung zu Boden”, „sich nähernde Schritte eines Kindes und eines verfolgenden Mannes”, „Der röchelnde Atem verrät seine hochgradige Erschöpfung”, „der Kopf schlägt auf” etc .

Neben diesen gibt es Anweisungen, die Hintergrundgeräusche zu wiederholen oder an anderer Stelle die selben wieder einzuspielen. Der Hörer bekommt den Eindruck, eine am Geschehen nicht beteiligte Person sei dafür verantwortlich, wird jedoch schnell merken, dass der Computer diese Sequenzen für einem bestimmten Zweck gebraucht.

- Ferner wird durch die Regieanweisung „Ausblenden” das Ende einer Szene deutlich gemacht.

Zusammengefasst lässt sich über die Regieanweisungen sagen, dass sie die Funktion haben, der Handlung Dramatik zu geben und Einteilungen vorzunehmen. Nicht nur die Szenen werden voneinander getrennt, sondern auch Sequenzen während der Szenen. Sie verzögern die Handlung („Stille”) und heben dadurch die Spannung, verdeutlichen Zeitabläufe, kündigen akustische Untermalungen und Umgebungen an.

3.2.3. Funktion der Geräusche

Die Auflistung der Regieanweisung zeigt, dass die Geräusche im Gegensatz zu der Musik reichlich vertreten sind. Es ertönt nur an zwei Stellen im Hörspiel Musik, zum einen, eine „beruhigende, Hintergrundmusik, wie sie in Kaufhäusern üblich ist” und zum anderen, der Anfang aus Dvoráks „Aus der neuen Welt”, ebenfalls als Hintergrundmusik. Eine wichtigere Rolle nehmen die Geräusche ein. Wie im Punkt 2.2. schon erwähnt, verdeutlichen sie die Umwelt, in der die Handlung spielt und lassen dem Hörer eine Vorstellung davon und von den Personen gewinnen, ohne, aber meisten im Zusammenhang mit dem Gesprochenem. Die Geräusche eines „sturmgepeitschten Meeres”, „knarrende Planken” etc.

führen dem Hörer die Situation eines mit dem Sturm kämpfenden Schiffes vor Augen, „Pieptöne” und „röchelnde Atemgeräusche”, die Situation des beim Fitnesstraining befindlichen Steintals. Sie schaffen aber auch eine bestimmte Atmosphäre. So vermitteln, besonders einige fingierte Szenen des Computers, u.a. Geräusche eines von einem Mann verfolgten Kindes etc. Angst und Bedrohung. Dabei sind die Geräusche konkreter Handlungen, „schlagen”, „abstechen” entscheidend, und zusätzlich, um neben dem Gesprochen die Vorstellung einer Situation deutlicher zu machen, z.B. Geräusche einer zu Boden fallenden Schraube, der automatischen Abschaltung des Motors oder des Einstöpselns von Steckern.

Eine besondere Wirkung hat die Stille. Anweisungen, die sich auf „Stille” beziehen, werden insgesamt nur drei mal gegeben. Sie erhöhen, z.B. nach dem Einblenden der fingierten Sequenz des verfolgten Mädchens die Spannung auf die Reaktion Steintals und weiteren Methoden des Computers. Sie lassen außerdem dem Hörer Zeit, nach dem Einspielen einer an das Siedlerschiff gerichteten Nachricht, über die Eskalation der Gewalt auf der Erde und der an sie gerichteten Hoffnung über das Gehörte nachzudenken, erwecken den Anschein, Steintal tue dies ebenfalls und erhöhen in der letzten Szene die Spannung auf das Ergebnis der Imitationsversuche des Computers. Anmerkungen im Text, wie „Vom Computer erfolgt keine Reaktion” steigern die Aggression Steintals und haben die Funktion, die Macht des Computers zu verdeutlichen.

Die vorkommenden Geräusche wiederholen sich in ähnlicher Weise im Laufe des Hörspiels. Auffallend dabei sind die in fast jeder Szene eingespielten Geräusche technischer Instrumente, die für die Vorstellung eines funktionierend Raumschiffes von Bedeutung sind. Ohne die Geräusche wäre das Geschehen und die einzelnen Situationen des Hörspiels nicht oder nur schwer nachvollziehbar, abgesehen davon, das es einfach langweilig wäre.

3.2.4. Sprachstruktur

Die Sprachstruktur des Hörspiels zeichnet sich durch die Dialoge zwischen dem Computer und Steintal, die manchmal in Monologe einer der beiden übergehen aus. Der Computer zitiert z.B. nach einer Unterhaltung mit Steintal im Stil einer Aufzählung mehrmals Kodexe für bestimmte Situationen. In einem Monolog Steintals stellt dieser dem Philosophen Philonous Fragen, da er sie im Namen dieses Herren auch beantwortet, führt er also einen Dialog mit sich selbst. Kurze und unterbrochene Sätze, im Frage und Antwortstil gehaltene Dialoge und Einwortsätze verdeutlichen bis ungefähr zur Mitte des Hörspiels zum einen die negative Einstellung Steintals zum Computer und zu seiner Situation, zum anderen automatisierte Handlungsabläufe. Außerdem wird beim Hörer durch die Sprachstruktur, u.a. in den fingierten Szenen das Bild von den Personen verstärkt. Die einfache Sprachstruktur des Kapitäns z.B., die teilweise mit Kraftausdrücken versetzte, umgangssprachliche Sprechweise findet sich auch bei Steintal. Er bemüht sich nicht auf die Hochsprache des Computers einzugehen und in gleicher Weise zu erwidern. In der Betrachtung der Sprechweise Steintals im gesamten Hörspiel, wird deutlich, dass seine Sprechweise von seiner Verfassung abhängt. Denn ab der Mitte des Hörspiels, wo er eine positiverer Einstellung zu entwickeln beginnt, ist Steintal bemüht sich für den Computer verständlich auszudrücken, verwendet Fremdwörter und einen verfeinerten Satzbau. Deutlich wird diese Veränderung durch die alten Aufzeichnungen Steintals, in denen er von Geschehenem, von Wünschen und Ängsten und seiner Beschäftigung mit Philosophen und ihren Texten erzählt. Die Unterhaltung Steintals mit dem Computer über Letzteres, lassen erkennen, dass Horstmann breite Kenntnisse über Philosophie und Philosophiegeschichte besitzt.

Zu erwähnen sind noch die Band-Aufzeichnungen der Bodenstation und des Präsidenten, die reportageartig die Situation auf der Erde schildern und sich am Schluss der Rede des Präsidenten theatralisch, voll Hoffung an die Mitmenschen in den Siedlerschiffe richten.

Die Sprache in diesem Hörspiel ist ein „Transportmittel” für Nachrichten. Dass heißt sie wird zwar nicht durch bloßes Erzählen der Handlung genutzt, aber durch die Dialoge und Monologe erfährt der Hörer etwas über die augenblickliche Situation und über zurückliegende Ereignisse. Nicht nur darüber, sondern auch über den Charakter der Personen lassen sich aufgrund ihrer Sprechweise und dem Gesagten Rückschlüsse ziehen. Horstmann gebraucht verschiedene sprachliche Mittel und die Sprache kongruent zum Inhalt. Ein Bild der Personen entsteht erst durch das Zusammenspiel von deren Art zu handeln und zu sprechen, da dem Hörer der visuelle Eindruck beim Hörspiel verwehrt bleibt.

3.3. Thematische Aspekte

3.3.1. Personen

Im Personenregister des Hörspiels „Gedankenflug. Reise in einen Computer” steht der Kommandant Steintal und der Computer, welche auch die Hauptgestalten des Hörspiels darstellen. Weiterhin sind acht Computerstimmen aufgeführt, die nicht in jeder Szene vorkommen. Die Stimme der Frau erscheint immer alleine, während die des Kapitäns und der Matrosen, sowie des Mädchens und des Mannes (mit Ausnahme der letzten Szene) immer zusammen eine der fingierten Handlungen tragen. Die Aufzeichnung der Bodenstation wird nur in einer Szene im Zusammenhang mit einer Aufzeichnung des Präsidenten, in den anderen alleine abgespielt.

3.3.1.1. Steintal

Wie in zahlreichen Werken Horstmanns dreht sich auch dieses um den Namen Steintal. In diesem Hörspiel lässt Horstmann ihn als Kommandanten eines Raumschiffes die Mission zu einem für ihn typischen Ende, bzw. Ergebnis kommen.

Über den Hintergrund der Person Steintal erfährt der Hörer nur soviel, dass er Kommandant eines seit zehn Jahren auf einer Mission befindlichen Raumschiffes ist. Mit ihm an Bord sind in Tiefschlaf versetzte Siedler, die er aber noch nie gesehen hat und ein Computer. Zunächst begegnet dem Hörer ein Mensch, der genervt, ungeduldig, gereizt, und resigniert ist. Dies ist die Folge eines beinahe immer gleichen Tagesablaufes, keiner Kommunikationsmöglichkeit mit anderen Personen außer dem Computer und einer erfolglosen Wehr gegen die Fremdbestimmung durch diesen. Steintal reagiert auf Anweisungen des Computers, wenn sie ihm unlogisch oder nicht notwendig erscheinen zunächst trotzig, wird aber durch Einspielen grausamer Sequenzen oder Bestechung seitens des Computers dazu genötigt, sie zu befolgen. Die aus Steintals Sicht ausweglose Situation führt auch zu einem Versuch, sich das Leben zu nehmen, der aber vom Computer vereitelt wird. In der Szene nach dem Selbstmordversuch wirkt Steintal wieder gefasst. Er macht sarkastische und ironische Bemerkungen, wirkt im nächsten Moment aber schon wieder nachdenklich betrübt. Dieses Nachdenken, gefördert durch das Anhören von eigenen Kommentaren und Berichten, die er regelmäßig seit dem Beginn der Reise aufgezeichnet hat, führt in zu dem Entschluss, sich erneut mit Philosophie zu beschäftigen. Diese Aufzeichnungen zeigen, wie sich im Laufe der Jahre Steintals Gedanken und Einstellung verändern, bzw. entwickeln. Das Band aus dem zweiten Jahr der Reise zeigt einen noch relativ optimistischen, aber mit beginnenden Zweifeln und leicht aufkommender Beunruhigung versetzten Steintal. In einer Aufzeichnung zwei Jahre später erzählt Steintal von seiner langen Krankheit, die Folge seiner Isolation ist. Es hat den Anschein, als hätte die Krankheit ihn sehr geschwächt, ihm wieder ein Stück Hoffnung geraubt und seinen Gedanken, dass alles um ihn herum simuliert ist verstärkt. Bevor er in einer Aufzeichnung aus dem achten Jahr über die Beschäftigung mit Philosophie berichtet, wird die Aufzeichnung aus dem Jahr davor eingespielt. Ein wütender, sich in „scheiß egal Stimmung” befindlicher Steintal. Nach eigener Aussage ist Steintal ein Jahr später, durch die erwähnte Beschäftigung mit Philosophie wieder optimistisch, seine Situation in den Griff zu bekommen. Dieser Optimismus hat sich aber schon ein weiteres Jahr später in noch größere Verzweiflung verwandelt. Steintal spricht davon, dass alles noch schlimmer geworden ist, er jetzt auch in seinem Kopf gefangen, von Wahnvorstellungen und Phantastereien geplagt ist, die zu keinem Ergebnis führen.

Steintal wirkt nach dem Anhören seiner Aufzeichnungen mit neuem Eifer und Glauben versehen, die ihn dazu bringen, die aufgestellten Theorien zu überdenken und weiterzuführen. Ruhig, fast freundlich verhält sich Steintal in den folgenden Szenen gegenüber dem Computer und versucht ihm auf eine beinahe überhebliche Art seine neuen Erkenntnisse verständlich zu machen. Steintals neuer Glaube, endlich die Lösung gefunden zu haben macht ihn euphorisch, bringt ihn zum „kichern”10, lässt ihn aber am Schluss der vorletzten Szene sterben.

3.3.1.2. Der Computer

Der Computer, den Steintal „Berkeley” „getauft” hat, ist auch wenn dies an manchen Stellen denkbar wäre kein menschliches Wesen. Seine, ihn charakterisierenden Merkmale sollen im Folgenden näher betrachtet werden.

Berkeley ist zu weit mehr in der Lage, als unsere heutigen Computer. Ihm diese Fähigkeiten zu geben, war Horstmann möglich, da das Hörspiel in der Zukunft spielt und er Visionen über den technischen Fortschritt dort verwirklichen konnte.

Berkeley hat im Hörspiel, wie bereits erwähnt mehrere Stimmen. Seine “echte” Stimme, d.h. diejenige, die er in einer normalen Unterhaltung mit Steintal gebraucht, soll emotionslos, aber nicht übertrieben „mechanisch”11 klingen. Diese Stimme passt zu dem Bild, das der Hörer im Laufe der Handlung von ihm bekommt. Im Gegensatz zu Steintal verändert er seine Verhaltensmuster nicht, aber seine Fähigkeiten erweitern sich. Auch wenn die Rollen, die er in den fingierten Sequenzen imitiert Gefühle zeigen, z.B. sinnlich, wütend, voller Angst sind, ist dies eben nur ein Abspielen von Daten und nicht durch echte Emotionen hervorgerufen. Sein Verhalten, seine Reaktionen und Anweisungen erfolgen auch nach bestimmten Daten, mit denen er „gefüttert” worden ist, welche Sequenzen er abspielen muss, um Steintal zu etwas zu bewegen oder wie viel und wann Steintal essen und trinken muss. Nachdenklich, ob Berkeley nicht doch selbst nachdenken kann, wird der Hörer, in der Szene, in der er eine Band-Aufzeichnung von der Bodenstation abspielt, als letzte, sichere Methode Steintal zum Ausbauen des Motors zu bewegen oder als Steintal klar wird, dass dies nur eine Beschäftigungsmethode war. Wenn Denken heißt, aus den vorhandenen und den ständig dazu kommenden Daten, neue zu produzieren und so mehrere Möglichkeiten zu entwickelten, nach denen es sinnvoll ist in bestimmter Weise zu handeln, besitzt Berkeley diese Fähigkeit. Jedoch hat er sicher keine Seele, da es ihm nicht möglich ist, Emotionen als Daten zu verarbeiten. Aus diesem Sachverhalt klärt sich dann auch die Frage Steintals, ob er, das Raumschiff, die Mission, die schlafenden Siedler etc. real existieren oder zumindest irgendwann einmal existiert haben oder nicht. Steintal kommt zu dem Schluss, und das Ende macht dies dann auch wahrscheinlich, dass es nicht so ist. Berkeley kann aus den ihm zur Verfügung stehenden Daten Steintals Stimme und Verhalten imitieren und sogar entscheiden, dies zeigen die wiederholten Versuche, wie gut ihm dies gelungen ist.

3.3.1.3. Die Computerstimmen

Das Verhalten und die Betonung der Stimme, lassen die „Frau” als eine „normale” Hausfrau erscheinen, die ihren geliebten Mann umsorgt und um sein Wohl besorgt ist. Sie hat bestimmte Vorstellungen, was gut für ihn ist und hat den Willen diese auch durchzusetzen. Eine Methode ist z.B. ihn liebevoll, mit sinnlicher Stimme anzusprechen.

Die Stimme des Kapitäns und seine Verhalten sind rau und aggressiv, lassen ihn aber auch mutig und entschlossen wirken. Der Hörer bekommt ein Bild eines bärtigen Mannes mittleren Alters. Ein Kapitän, wie er in Bilderbüchern oder Fernsehfilmen dargestellt wird.

Dem Hörer wird es leicht gemacht, eine Vorstellung von dem Mädchen zu bekommen, klein, zierlich, eventuell mit langen Zöpfen und Rock, weinend und sehr verängstigt. Es ist hilflos und weiß, dass es wahrscheinlich sterben wird.

Auch wenn der Hörer noch weniger von dem Mann, der dieses Mädchen verfolgt, erfährt, wird er sich auch von diesem ein Bild machen können. Ein Mann, der ein kleines Mädchen ermordet ist grausam, brutal, ohne Gefühle und Mitleid.

Von jeder dieser „Figuren” kann sich der Hörer relativ schnell, ohne viel Informationen, nur aufgrund dieser klischeehaften, filmreifen Situationen und Merkmale ein Bild machen. An diesen tiefgründigere Charakterisierung vorzunehmen ist von Horstmann sicher nicht beabsichtigt.

3.3.2. Thematik

„Horstmanns gesamtes Oeuvre kreist um das Ende der Menschheit, auf das die Gattung zielstrebig hinsteuere”12 so lautet ein Zitat aus einem Kommentar von Birgit Haustedt zur Verleihung des Kleistpreises an Ulrich Horstmann. Diesem Ziel ist die Menschheit in dem Hörspiel „Gedankenflug. Reise in einen Computer” anscheinend sehr nahe gekommen. Aus den Band-Aufzeichnungen erfahren wir, dass die Erde sich in einem Zustand der Gewalt und Zerstörung befindet und die einzige Hoffnung, dass die Menschheit weiterlebt, in die Mission der Siedlerschiffe gesetzt wird. Eine für Horstmann typische Konstellation des Untergangs, die der Mensch durch seinen unbrechbaren Willen und Drang nach Fortschritt heraufbeschwört. Der technische Fortschritt kommt irgendwann an seine Grenzen, und das Ergebnis zeigt Horstmann in diesem Hörspiel. Horstmann geht hier aber noch einen Schritt weiter. Nicht nur das die Menschheit sich selbst auslöscht, der Mensch erschafft eine Technik, die den Menschen ersetzen kann, ihn unbrauchbar macht. Der Kommandant Steintal ist überflüssig, der Computer ist in der Lage, ohne ihn zu existieren, aktiv zu handeln und der Beweis dafür ist das Ende des Hörspiels. Ein Beweis für die Thesen, die Steintal durch die Auseinandersetzung mit philosophischem Gedankengut aufgestellt hat. Seine Frage, ob alles um ihn herum, das Raumschiff, der Computer etc. nur in seiner Vorstellung existiert, weicht der Gewissheit, dass es genau andersherum ist. Er und alles, was an Bord existiert ist nur eine Ansammlung von „Daten, Informationsquellen und Verrechnungsprozessen”13 des Computers, und durch seine Fähigkeit, diese nun auch aktiv zu nutzen, wird Steintal zu einer der vielen anderen Stimmen, die der Computer produziert. Für Horstmann ein typisches, keinesfalls aber trauriges Ende, „Die Menschheit bringt sich um? Recht so! Weitermachen!”14 Dieser Kommentar von ihm passt wie für viele seiner Werke auch für dieses.

Inhaltlich Gegenwartsstoff zu gestalten, d.h. mit dem Hörspiel Zeit- und

Gesellschaftskritik zu üben, ist bei Autoren von Hörspielen weit verbreitet. Horstmanns, in alle Bereiche des menschlichen Lebens hineinwirkende Kritik wird oft auch als “Abrechnung großen Stils”15 bezeichnet. Er macht in diesem Hörspiel deutlich, dass er den optimistischen Glauben, an die Vernunft der

Menschen, mit den Möglichkeiten und Ergebnissen des Fortschritts verantwortungsbewusst umzugehen nicht teilt, sondern der Meinung ist, dass diese Ergebnisse die Menschheit irgendwann umbringen wird. Das Hörspiel entstand in der Zeit des atomaren Wettrüstens der Großmächte, so dass seine Kritik und Meinungen, durchaus berechtigt und nachvollziehbar sind.

4. Ulrich Horstmann:

Grünland oder Die Liebe zum Dynamit16

Das Hörspiel „Grünland oder Die Liebe zum Dynamit“ von Ulrich Horstmann wurde 1982 auf dem Sender Freies Berlin erstausgestrahlt. Dieses Hörspiel, wie auch andere Werke Horstmanns, beruht auf der Annahme, dass die Gesellschaft selbst ihren eigenen Untergang herbeiführen wird. Dabei wird in diesem Hörspiel nur ein mögliches Szenarium des Untergangs skizziert.

4.1. Zum Inhalt

Es ist die Zeit kurz vor der Ruinada, die alle drei Jahre stattfindet. Die Ruinada wird als Mahnung an die Zerstörung der Zivilisierten durch den Zorn des Gottes Ökol-Ökolog durchgeführt. Bei dieser Feierlichkeit werden in den Ruinen der Stadt Zankfurt zwei zerfallene Hochhäuser gesprengt, die bei den Anhängern Ökol-Ökologs als Götzentempel der Zivilisierten für den Gott Tech-Nolog gesehen werden.

Die Vorbereitungen für dieses Fest finden nicht nur in den Ruinen selbst statt. Auf dem Weg zur Ruinada befinden sich zwei Männer, die aus einem Dynamit-Depot der Zivilisierten das Dynamit zu dem Sprengen des Hochhauses mit Pferden herantransportieren. Während ihrer gemeinsamen Reise unterhalten sich Moosbach und Steintal über ihre Religion, die „Große Geschichte“, die Zivilisierten und die Möglichkeiten der Verwirklichung des „Grünen Ziels“, als sie von einer Raubkatze angegriffen werden, die das Lasttier reißt. Um das Dynamit zu retten, kehren die beiden um und nähern sich dem getöteten Tier. Steintal ist vorsichtig und will zuerst nach dem Raubtier Ausschau halten, aber Moosbach vertraut auf Ökol, geht unbeirrt und trotz Steintals Warnungen zu dem Pferd und versucht, die Packtaschen zu leeren. Als er ein zweites Mal geht, überrascht ihn die Katze mit einem erneuten Angriff, bei dem sie Moosbach, der sich streng an das Gebot, seine Hand nicht gegen Tiere zu erheben, hält, tötet. Daraufhin entzündet Steintal Dynamit und tötet das Raubtier.

Zur gleichen Zeit arbeiten in der Ruinenstadt Männer daran, Löcher für die Dynamitstangen in die Hochhäuser zu meißeln. Der Sprengmeister beaufsichtigt die Arbeiten. Er ermahnt die Arbeiter, spornt sie an, lobt sie oder verbessert sie, wo es nötig scheint. Als die nötigen Arbeiten beendet sind, warten alle auf die Ankunft Moosbachs und Steintals. Bei Steintals Ankunft wird er von dem Priester mit einem religiösen Zeremoniell begrüßt, worauf er von Moosbachs Tod berichtet. Nun können mit dem Dynamit die Vorbereitungen für die Ruinada abgeschlossen werden. Die Ruinada findet mit ihren Feierlichkeiten statt. Die Hochhäuser sind gerade eingestürzt, als Steintal vor der Versammlung das Wort an sich reißt und versucht, die Anhänger Ökols zur Umkehr zu bewegen. Da ihm ein Großteil der Menschen nicht zuhören und ihn vom Altar entfernen will, wirft er Dynamit in die Menge, der Einzige, der sich ihm anschließt, ist einer der Arbeiter.

4.2. Aufbau

„Grünland oder Die Liebe zum Dynamit“ ist in elf Szenen unterteilt, die jeweils mit römischen Ziffern überschrieben sind. Zu Beginn des Hörspiels wird eine allgemeine Regieanweisung gegeben, die über die Dauer des gesamten Hörspiels eingehalten werden muß. Ebenso stehen jeder Szene einige Regieanweisungen voran, die, sofern sich aus erneuten Anweisungen keine Änderung ergeben, die gesamte Szene über ihre Gültigkeit behalten. Zusätzlich sind einige Hinweise zur Sprechweise der einzelnen Textpassagen in den Textfluß eingefügt. Die Szenen sind durch Dialoge zwischen zwei oder mehreren Personen geprägt, lediglich in der letzten Szene wird ein Monolog gehalten, der allerdings eine Rezitation der „Großen Geschichte“ darstellt.

4.3. Hörspieltheorie

Der Vergleich des Aufbaus und der Wirkungsweise dieses Hörspiels und der unter 1.4. und 1.5. aufgeführten Merkmale von neuen und traditionellen Hörspielen wird sehr schnell zu der Erkenntnis führen, dass dieses ein traditionelles Hörspiel ist. Dies soll im Folgenden an einigen exemplarisch ausgewählten Punkten aufgezeigt werden.

4.3.1. Raum

Im traditionellen Hörspiel kann die Handlung in jedem realen oder irrealen Raum spielen. Der Hörer erhält durch die Geräusche, Musik und Stimmen eine Vorstellung von den Räumlichkeiten. Diese örtlichen Gegebenheiten können zum einen durch die Resonanz und Auswahl der Töne, aber auch durch Erzähltes bei dem Hörer als Bild hervorgerufen werden. Der Hörer ist dabei von Anfang an aktiv und gestaltet die Raumbeschreibungen nach typischen ihm bekannten Räumen bildlich aus.

„Grünland“ spielt in einem irrealen Raum mit realen Merkmalen. Jeder Hörer, der die Geräusche der freien Natur wie Wind, Blätter und tierische Laute hört, wird sich an einen Wald mit Bäumen, Wiesen, Büschen und Tieren erinnert fühlen. Dabei fließen aus dem Gesprochenen ständig weitere Details der Umgebung in die Vorstellung des Hörers ein. Zum Beispiel rufen die Naturgeräusche und die Erwähnung des „schwarzen Pechs“ und der „Streifen“ der Zivilisierten in der ersten Szene ein Bild von den uns bekannten Teerstraßen, die überwuchert von Pflanzen und umgeben von Grün sind, hervor. In der zweiten Szene wird durch das „vielstimmige[s] Meißeln und Hämmern“17 aus allen Richtungen die Weite der Ruinenstadt erzeugt.

4.3.2. Zeit

Die Zeit kann in traditionellen Hörspielen sehr verschieden gehandhabt werden. Zeitraffer und Zeitdehnung können ebenso eingesetzt werden wie Vorausschau und Rückblick. Um die Zeit so variieren zu können, sind technische Hilfen für den Rundfunk nötig. Diese technischen Hilfen sind durch Blende, Schnitt und Montage gegeben und sollen dramatische Elemente in das Hörspiel übertragen. Alle drei Techniken erlauben es, Gleichzeitiges nacheinander oder weit auseinander liegende Zeiten in direkter Abfolge zu spielen. Bei der Blende kann eine Szene zu Beginn oder zum Ende allmählich ein- bzw. ausgespielt werden. Horstmann nutzt diese Technik in der ersten Szene des Hörspiels „Grünland“, in der das Hufgetrappel und das Gespräch der beiden Männer nur langsam näher kommen und nicht sofort in regulärer Lautstärke zu hören sind. Ebenso läßt er diese Szene ausklingen, die Pferde mit den Männern entfernen sich aus dem hörbaren Bereich. Das Aus- und Einblenden wurde in diesem Hörspiel weiterhin in den Szenen vier und neun verwendet. Alle weiteren Szenen werden durch einen Schnitt getrennt und durch die Montage in eine direkte Abfolge gesetzt. Dabei werden zwei zeitlich parallele, aber räumlich getrennte Handlungsstränge abwechselnd verfolgt, die ab dem Ende der siebten Szene durch die Aufhebung der räumlichen Trennung miteinander verwoben werden. Zwischen den Szenen der jeweiligen Handlungsstränge bleibt Zeit ausgespart, was von dem Hörer eine schnelle Einfühlung in die Situation erfordert. Dennoch bleiben die Szenen der einzelnen Handlungen in einer logischen und auch chronologischen Abfolge.

4.3.3. Handlung

Die Handlung vieler traditioneller Hörspiele setzt mit einem Dialog ein, ebenso „Grünland“. Zu Beginn hört man Moosbach und Steintal in ein Gespräch vertieft, das sogleich die Grundproblematik des Werkes aufwirft. Die Handlung wird lediglich aus Worten, also aus Dialog und Monolog, bestimmt, da der Zuhörer nicht durch optische Unterstützung dem Handlungsverlauf folgen kann. Die ersten Sätze müssen also nicht nur den Hörer fesseln, damit er weiterhin zuhört, sondern auch eine Einführung in die Thematik bieten. Horstmann greift in den ersten dialogischen Aussagen des Hörspiels ein religiöses Thema auf, das lediglich oberflächlich angerissen wird. Die Handlung, nämlich die in der freien Natur reitenden Männer und ihr Gesprächsthema, erzeugt eine Spannung, die erst im weiteren Handlungsverlauf geklärt wird. Durch diese Spannung zwischen Handlung und Thematik wird der Zuhörer animiert, nicht abzuschalten.

Birgit Lermen unterscheidet in ihrem Buch „Das traditionelle und neue Hörspiel im Deutschunterricht“ das handlungsbestimmte und das vorgangsbestimmte Hörspiel18. „Grünland“ ist zu den handlungsbestimmten Hörspielen zu zählen, da eine äußere Handlung und nicht ein inneres Gedankenspiel im Mittelpunkt steht.

4.3.4. Thematik

Traditionelle Hörspiele widmen sich zumeist einem Gegenwartsstoff. Darunter fallen die jüngste Geschichte, Zeit- und Gesellschaftskritik und die Frage nach dem Sinn des Lebens.

In „Grünland“ werden alle drei Bereiche aufgegriffen, wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung. Steintal ist das Sinnbild für die Kritik an der Gesellschaft. Er lehnt sich gegen die bestehende Gesellschaftsordnung auf und ist der Überzeugung, dass die gesellschaftliche Ordnung, die durch die Religion geprägt ist, fehlerhaft ist. Zudem verneint er, dass der Sinn des Lebens durch die Religion bestimmt ist. Er sieht die Menschen nicht dazu geboren, dem Leben der Tiere und Pflanzen zu dienen.

Durch die Verlagerung des Hörspiels in die Zukunft und der damit verbundenen Identifizierung der jetzigen Hörerschaft mit den Zivilisierten wird erreicht, dass die jüngste Vergangenheit aufgegriffen wird. Der Untergang der Zivilisierten mit ihrem Gott Tech-Nolog, den schwarzen Bändern und den Hochhäusern ermahnt die Hörer geradezu, zu überdenken, welche technische Entwicklung die Menschen in den letzten Jahren hinter sich haben und welche Möglichkeiten geschaffen wurden, tatsächlich eine solche Vernichtung der „Zivilisierten“, nämlich ihrer selbst, herbeizuführen.

4.4. Regieanweisungen

Die Regieanweisungen sind ausschließlich an die Sprecher und Produzenten des Hörspiels gerichtet. Durch sie wird die klangliche Gestaltung der Umwelt festgehalten. Zum einen die allgemeine Gestaltung des Hörspiels zu Beginn, zum anderen die Gestaltung der einzelnen Szenen vor ihrem jeweiligen Anfang und an ihrem Ende. In diesen Regieanweisungen werden Ein- und Ausblenden bestimmt, ebenso werden Informationen gegeben, die durch die technischen Möglichkeiten nicht weiter vermittelt werden können. Zum Beispiel kann technisch nicht dargestellt werden, dass es sich am Anfang der zweiten Szene um Hochhäuser handelt, die mit Hammer und Meißel bearbeitet werden. Erst die Ermahnung des Sprengmeisters, dass die Sprenglöcher nicht unter Fenstern angebracht werden dürfen, läßt ebenso wie die Aussage, „[...] ihren Beton gewordenen Hochmut [...]“19 auf ein Haus schließen. Gewißheit, dass es sich um Hochhäuser handelt, bekommt der Hörer jedoch erst in Szene zehn. Zudem werden einzelne Regieanweisungen in den Dialog eingefügt, die eine veränderte Situation und damit auch eine veränderte Geräuschkulisse anzeigen, die zum Teil im Folgenden bestehen bleibt.

Außerdem werden den einzelnen Sprechern durch die kurzen Anweisungen in den Sprechpassagen Richtlinien geboten, wie sie ihren Text sprachlich zu interpretieren haben. Durch diese Anweisungen an die Sprecher soll die Gemütslage, in der sich der Charakter befindet, betont werden. Weitere Merkmale, auf die sich die Regieanweisungen beziehen, sind die Geräusche, die bei den Handlungen der Charaktere entstehen, und die Angabe, welchen von mehreren anwesenden Charakteren sie ansprechen.

4.5. Charaktere

Im Personenregister des Hörspiels werden acht Personen namentlich oder ihrer Funktion nach aufgeführt. Ergänzend finden sich Arbeiter, Frauen und Kinder auf dieser Liste, die nur kollektiv auftreten. Die fünf Namen, die genannt werden, deuten schon auf die Umstände ihrer Namensgebung hin. Die Namen beschreiben alle eine Naturgegebenheit und nicht, wie heutzutage übliche Namen, die Tätigkeit, der Namensträger oder ihrer Vorfahren.

Im Folgenden sollen einige der Charaktere in ihren Grundzügen und Veränderungen skizziert werden, wobei ihre Stellung im Hörspiel deutlich werden soll.

4.5.1. Steintal

Steintal ist einer der beiden Männer, die Dynamit aus dem Vorratslager in den Bergen zur Ruinada nach Zankfurt transportieren sollen. Während seiner Reise mit Moosbach und auch nach seiner Ankunft in Zankfurt führt er Diskussionen über die Religion. Dabei wird deutlich, dass er einen kritischen Umgang mit der Religion pflegt. Das Hörspiel setzt ein, als er an der „Großen Geschichte“ zweifelt und Moosbach gegenüber die Taten der Zivilisierten zu rechtfertigen versucht. Er lehnt die Religion zu diesem Zeitpunkt noch nicht gänzlich ab, da er der „Großen Geschichte“ noch einen Wert zuordnet, wenn er davon spricht, dass sie eventuell nicht die ganze Wahrheit sei. Außerdem scheint er bemüht, die ihm übertragene Arbeit, um das „Grüne Ziel“ zu verwirklichen, bestmöglich auszuführen. Dabei geht er das Risiko ein, zu dem von der Raubkatze gerissenen Pferd zurückzukehren, um möglichst viel Dynamit nach Zankfurt zu bringen. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass er eine große Menge Dynamit dabei haben möchte, damit er seine eigenen Pläne verwirklichen kann. Denn noch in der selben Szene hält er sich nicht an das Gebot, dem Tier keinen Schaden zuzufügen, und tötet die Katze mit Dynamit. In dieser Szene wird seine Wut auf die Religion dadurch deutlich, dass er weiter Dynamit anzündet und wirft, obwohl das Tier längst tot ist. Zudem ruft er bei jedem Wurf, warum er wirft. Ebenso ungeklärt wie das Motiv seiner Handlung bleibt der Hintergrund seiner Aussage am Ende der achten Szene: „Mag sein, daß mancher sie [solche Demut im Tode] bald brauchen kann.“20 Es bleibt nur zu vermuten, ob er den Tod durch seine eigene Hand und dem von ihm geplanten Aufruhr meint, oder ob er die steigende Zahl der Tiere meint, die zunehmend Menschen töten oder den Hungertod, der durch die Abordnung der besten Männer von ihren Feldern zur Vorbereitung der Ruinada verursacht wird.

Jedoch spricht er im Folgenden relativ offen, kritisch und spöttisch über die Religion, Ökol-Ökolog und seinen Priester, wenn er sagt „Ökol hat sich die Wassersucht zu“21 gezogen oder von „ökologischem Geseire“22 spricht. Er drückt seine Hoffnungslosigkeit auf die Besserung der Situation aus und versucht, einzelne Personen zu überzeugen, selbst etwas gegen ihr Unglück - wie er meint - zu unternehmen. Niemand hört auf ihn, alle halten öffentlich zur Religion. Erst als er, nachdem die Hochhäuser eingestürzt sind, öffentlich Kritik an der Religion übt, hält einer der Arbeiter zu ihm. Er nimmt keine Rücksicht mehr auf die Gläubigen und wirft in die umstehende Menge Dynamit. Der Name Steintal läßt dabei auf die Hoffnungslosigkeit schließen, die diese Person für die Gesellschaft empfindet. Ein Tal voll mit Steinen wirkt verödet und grau, alles Grün und damit auch - übertragen auf das Hörspiel - die Religion, die als Bild für Glauben und Hoffnung gewertet werden kann, ist verloren. Der Name Steintal ist im Gegensatz zu den Namen Moosbach und Föhrenhain grau und leblos und entspricht nicht der Lebendigkeit der Natur, die von der Religion gefordert wird.

4.5.2. Moosbach

Moosbach reist mit Steintal zur Ruinada. Aus den Dialogen erfährt man, dass Moosbach sehr gläubig ist und sich bemüht, die Gebote streng einzuhalten. Indem er die „Große Geschichte“ rezitiert und Steintals kritische Überlegungen verneint, zum Beispiel zu dem ursprünglichen Sinn der schwarzen Bänder, übernimmt er lediglich die Beschreibungen der „Großen Geschichte“ und bildet sich kein eigenes Urteil. Bereits in der ersten Szene beteuert er seinen felsenfesten Glauben wenn er sagt: „... Nein, nein, die „Große Geschichte“ hat recht:“23. Im weiteren Disput mit Steintal wird deutlich, dass Moosbach so sehr an die Verwirklichung der religiösen Ziele glaubt, dass er Tatsachen, wie dem zur Neige gehen des Dynamits, nicht ins Auge sehen will. Er vertraut auf die Hilfe Ökols und verwendet das Wort „Ökol hilft.“24 nicht als Redewendung, sondern in zuversichtlichem Glauben.

Moosbach nimmt sein Leben und die damit verbundenen Ereignisse ergeben hin. Als er und Steintal von der Raubkatze angegriffen werden, möchte er schnellstmöglich weiterziehen und kommt nicht auf die Idee, das Dynamit zu retten. Nachdem Steintal ihn aber überzeugt hat, zurückzugehen, geht er ohne zögern zu dem toten Pferd. Er glaubt, was er sieht, und was er nicht sieht ist von untergeordneter Bedeutung. Er sieht die Katze nicht, also geht er davon aus, dass sie weg ist und tritt den Weg ohne Angst an.

Wegen seines unbeirrbaren Glaubens und des Willens, die Gebote um jeden Preis einzuhalten, stirbt er in Szene sechs durch den erneuten Angriff der Raubkatze.

Der Name Moosbach scheint auf die Charakterzüge der fiktiven Person zu deuten. Die Figur ist weich und harmlos wie Moos und sein Leben plätschert dahin mit der Ergebenheit eines Baches.

4.5.3. Sprengmeister

Der Sprengmeister wird ebenso wie der Priester nicht namentlich benannt. Seine Bezeichnung ist auf seine Funktion zurückzuführen und gibt keinerlei Auskunft über etwaige Charakterzüge.

Der Sprengmeister hat die Aufgabe, die Sprengung der Hochhäuser zu überwachen, dazu muß er den Arbeitern Anweisungen geben, wo sie Löcher zu meißeln haben und deren Arbeit anleiten. In den ersten Szenen ist er bei seiner Arbeit zu beobachten, die er gewissenhaft ausführt. Dabei lobt er Arbeiter, aber er ermahnt ebenso Arbeiter, die nicht sachgerecht arbeiten. Er ist sehr streng, da er Föhrenhain dazu zwingt, wegen des Gottesdienstes, den sie mit ihrer Arbeit leisten, weiter zu arbeiten, obwohl dieser sich das Auge verletzt hat.

Durch das Gespräch mit dem Priester erfährt man, dass der Sprengmeister die Situation in der Natur erkennt und realistisch beurteilt. Er äußert Bedenken, ob die beiden Männer vom Depot zurückkommen, und bezeichnet die Natur als unsicher wegen der Bären und Katzen. Ebenso realistisch beurteilt er die Vorräte des Dynamits. Er ist sich der Tatsache bewußt, dass die Ruinada nicht mehr oft gefeiert werden kann, und hofft, dass mit ihrem Ende auch das Ende der Leiden eintritt. Der Sprengmeister ist der Religion gegenüber also nicht völlig zweifelsfrei. Er hegt aber die Hoffnung, dass die Probleme der Bevölkerung sich mit der Zeit von selbst lösen.

4.5.4. Priester

Der Priester vertritt die Religion und hält die religiösen Zeremonien ab. Zudem ist er an dem Fortgang der Arbeiten zur Ruinada interessiert. Er wird von anderen auch „Grüner Vater“ genannt. Er ist der Überzeugung, dass Ökol die Dinge richten wird, und somit glaubt er auch, dass Steintal und Moosbach ihren Weg unbeschadet beenden werden. Der Priester beobachtet aber auch seine Umwelt genau und ist sich darüber im Klaren, dass viele Menschen gegen die ökologische Gesinnung Einwände haben. Er ermahnt und droht Steintal, womit er auf die Einhaltung der Rituale und Gebote pocht.

4.5.5. Die Arbeiter

Neben den anonymen Arbeitern, Frauen und Kindern werden drei Arbeiter mit ihrem Namen aufgeführt. Die anonymen Charaktere spielen nur eine untergeordnete Rolle, sie sprechen lediglich bei den religiösen Zeremonien und bei der Ankunft Steintals in Zankfurt.

Vogelzug ist ein Arbeiter aus Rodenheim, der seine Arbeit sehr gewissenhaft ausführt und dafür vom Sprengmeister gelobt wird. Er ist dem Sprengmeister sehr ergeben und arbeitet nach einem Lob noch fleißiger weiter. Während der Unruhe bei der Ruinada bezeichnet er Steintal als Satan und will ihn überwältigen, weil Tech-Nolog aus ihm redet. Vogelzug scheint einen sehr festen Glauben zu haben und alles ihm Mögliche tun zu wollen, um dem „Grünen Ziel“ näher zu kommen. Sternenzelt ist ein offensichtlich schlechter Arbeiter, da er dem Sprengmeister namentlich bekannt ist und von ihm ermahnt wird. Er ist kleinlaut und stottert, was seine Unsicherheit zum Ausdruck bringt. Auch Föhrenhain ermahnt ihn, was deutlich macht, dass andere Arbeiter über seine unsachgemäße Arbeitsweise Kenntnis haben. In einem Gespräch mit Föhrenhain ist er ängstlich gegenüber dessen kritischen Bemerkungen zur Religion. Er scheint nicht seine eigene Meinung zu vertreten, sondern lediglich das wiederzugeben, was ihm jahrelang nahegelegt wurde.

Föhrenhain ist der dritte Arbeiter, der namentlich genannt wird. Die Aufmerksamkeit des Geschehens wird auf ihn gelenkt, als er wegen eines Splitters nicht weiter arbeitet. Er stellt damit sein eigenes Wohl über das „Grüne Ziel“. Nachdem er Steintals bittere Kommentare zu Moosbachs Tod hört, übt auch er gegenüber Sternenzelt Kritik am Glauben. Im weiteren Verlauf greift er nicht noch einmal in das Geschehen ein.

4.6. Religion

Der Glauben dieser Gesellschaft beruht auf den Erzählungen der „Großen Geschichte“, die von der Wut Ökol-Ökologs über die von Tech- Nolog besessenen Zivilisierten berichtet. Als Ökol-Ökolog, der Gott alles Grünen, sieht, wie die Menschen Tiere und Pflanzen mißachten und sich statt dessen mit Hilfe Tech-Nologs die Erde Untertan machen, erzürnt er über die Menschen und will sie vernichten. Aber da, wo zwei oder drei im Herzen grün sind, sollen sie überleben und ein neues Geschlecht begründen. So geschieht es: Ökol verglüht die Menschen und ihre Städte durch Sonnen. Drei Tage und drei Nächte glühen die Sonnen, niemand wird verschont. Nach der Zerstörung wandelt Ökol auf der Erde und findet einen Mann und eine Frau, die grün sind im Herzen. Er findet Wohlgefallen an diesem Paar und verspricht ihnen ein großes Geschlecht, das in Frieden leben kann, solange es die Natur ehrt und jedes dritte Jahr die Ruinada abhält.

Die „Große Geschichte“ ist vergleichbar mit der christlichen Bibel. Es lassen sich viele Parallelen zu biblischen Geschichten aufzeigen.

Inhaltlich ist die „Große Geschichte“ mit der großen Sintflut zu vergleichen. Die Menschen werden zerstört, lediglich ein Paar überlebt und begründet ein neues Geschlecht auf der Erde. Zwar wird der Bund mit Noah vor der Sintflut geschlossen, aber das Ergebnis ist dasselbe. Die Sintflut dauert 40 Tage und 40 Nächte, die Sonnen in Horstmanns Hörspiel jedoch brennen nur 3 Tage und drei Nächte. Die Zahl drei ist in der Bibel aber auch wiederzufinden: Die neunte Plage, nämlich die Finsternis, hält drei Tage an und auch Jona befindet sich drei Tage und drei Nächte in dem Bauch des großen Fisches. Vergleichbar scheinen auch die Gebote zu sein, die in der „Großen Geschichte“ festgehalten sind. Ebenso wie bei den zehn Geboten handelt es sich eher um Ver- als Gebote. Aus der „Großen Geschichte“ rezitiert Moosbach: „Heilig ist das Tier, dein Bruder. Darum sollst du deine Hand nicht gegen...“25

In der „Großen Geschichte“ heißt es: „Und sollen wir doch mit unseren Nachbarn in Frieden leben und sie achten wie uns selbst?“ So ähnelt diese Passage dem Gebot der Nächstenliebe, das sowohl im Alten wie auch im Neuen Testament ausgesprochen wird.

Anlehnungen an die Bibel wie diese lassen sich durch das ganze Hörspiel hindurch aufzeigen und führen dazu, dass sich der Hörer durch die Nähe unserer Gesellschaft zu der zukünftigen Gesellschaft leichter mit dem Gehörten identifizieren kann.

4.6.1. Die Götter

Im Hörspiel „Grünland oder Die Liebe zum Dynamit“ werden mehrere Götter benannt, die unterschiedliche Funktionen und Aufgaben für die Religion übernehmen. Es werden jeweils zwei Götter mit negativen und positiven Eigenschaften belegt.

4.6.1.1. Ökol-Ökolog

Der Name dieses Gottes ist auf das Wort Ökologie zurückzuführen, das ursprünglich aus dem Griechischen stammt. Ökologie ist die Wissenschaft von den Beziehungen der Lebewesen zu ihrer Umwelt. Im Hörspiel überwacht der Gott die Beziehung der Menschen zu ihrer Umwelt und straft einen schlechten Umgang der Menschen mit der Natur.

Andere Namen für diesen Gott im Hörspiel sind unter anderem „der Allesbegrüner“ und „der Allsanfte“. Er ist der Gott aller Tiere und Pflanzen, dessen Zorn von den Menschen gefürchtet wird. Deshalb bemühen sich die Menschen, ihr Leben ihm zum Wohlgefallen zu gestalten. Ökol ist der bestimmende Gott der Zeit und wird ebenso zu Redewendungen herangezogen wie in unserer Gesellschaft Gott. Im Hörspiel heißt es nicht „großer Gott“, sondern „großer Ökol“.

4.6.1.2. Makrobis

Makrobis ist der Gott der Gaben der Pflanzen, er sitzt zur Rechten Ökol-Ökologs. Der Name Makrobis und die Bedeutung des Gottes in der Welt läßt sich auf die heutzutage bekannte makrobiotische Kost zurückführen, diese Kost setzt sich hauptsächlich aus Getreide und Gemüse zusammen.

4.6.1.3. Tech-Nolog

Technologie ist heutzutage die Wissenschaft von der Umwandlung der Rohstoffe in Fertigprodukte. Die Errungenschaft dieser Wissenschaft sehen die Menschen der Gesellschaft im Hörspiel als schlecht an. Der böse Geist Tech-Nolog hat die Zivilisierten zu ihren Taten verleitet und ihnen geholfen, sie zu verwirklichen. Weitere Namen für Tech-Nolog im Hörspiel sind „der Allesveröder“, „der Umweltzerstörer“ und der „Naturausbeuter“.

4.6.1.4. Makadam

Makadam ist der Gott der den Zivilisierten das schwarze Pech gegeben hat. Er wird von der neuen Zivilisation als schlecht angesehen. Makadam ist in der heutigen Gesellschaft nicht der Gott der Straße, sondern die Bezeichnung eines Straßenbelags.

Die Namen und Funktionen der Götter oder Geister lassen sich jeweils auf ein Wort in dem jetzigen Sprachgebrauch zurückführen. Diese Ähnlichkeiten fördern die Identifizierung der Hörer mit dem Hörspiel weiterhin.

5. Literaturverzeichnis

Gödden, Walter: Es juckt das Fell / an windstillen Orten. In: Westfahlenspiegel 3 (1995). S. 35.

Haustedt, Birgit: Wegzehrung für den Untergang. In: taz hamburg 25.10.1988. S. 20.

Horstmann, Ulrich: Beschwörung Schattenreich. Gesammelte Theaterstücke und Hörspiele 1978 - 1990. Paderborn: Igel 1996.

Horstmann, Ulrich: Die Ulrich Horstmann Seiten. www.untier.de (20.08.2001)

Horstmann, Ulrich: Ulrich Horstmanns Hompage. www.uni-gießen.de/~ga46/ (20.08.2001)

Lermen, Birgit: Das traditionelle und neue Hörspiel im Deutschunterricht. Paderborn: Schöningh 1975.

Würffel, Stefan Bodo: Das deutsche Hörspiel. Stuttgart: Metzler 1978.

[...]


1 Funke, H.-G.: Die literarische Form des deutschen Hörspiels. S. 39 in Würffel, Stefan Bodo: Das deutsche Hörspiel. S.28

2 Lermen, Birgit: Das traditionelle und neue Hörspiel im Deutschunterricht. S. 9

3 Lermen, Birgit: Das traditionelle und neue Hörspiel im Deutschunterricht. S. 10

4 Ebd., S. 11

5 Ebd.

6 Ebd.

7 Würffel, Stefan Bodo: Das deutsche Hörspiel, S. 147

8 Autoren.Blutige Revue. In Spiegel 6 (1987). S. 200

9 Horstmann, Ulrich: Beschwörung Schattenreich. Theaterstücke und Hörspiele 1978 bis 1990.

10 Ebd. S. 233.

11 Ebd. S. 218.

12 Haustedt, Birgit: Wegzehrung für den Untergang. In: taz hamburg 2645 (1988).S.20.

13 Horstman, Ulrich: Beschwörung Schattenreich. Theaterstücke und Hörspiele 1978 bis 1990. S. 232.

14 Gödden, Walter: Es juckt das Fell/an windstillen Orten. In: Westfalenspiegel 3 (1995). S. 35.

15 Ebd.

16 Horstmann, Ulrich: Beschwörung Schattenreich. Theaterstücke und Hörspiele 1978-1990.

17 Ebd. S. 266.

18 Lermen, Birgit: Das traditionelle und neue Hörspiel im Deutschunterricht. S. 29.

19 Horstmann, Ulrich: Beschwörung Schattenreich. Theaterstücke und Hörspiele 1978 - 1990. S. 267.

20 Ebd. S. 273.

21 Ebd. S. 275.

22 Ebd.

23 Ebd. S. 266.

24 Ebd. S. 270.

25 Ebd. S. 271.

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Hörspiele von Ulrich Horstmann
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Note
2,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
42
Katalognummer
V105328
ISBN (eBook)
9783640036240
Dateigröße
501 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hörspiele, Ulrich, Horstmann
Arbeit zitieren
Kerstin Lindemann (Autor:in), 2001, Hörspiele von Ulrich Horstmann, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105328

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Titel: Hörspiele von Ulrich Horstmann



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