Die Entstehung des Bakongo-Nationalismus


Seminararbeit, 2000

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geschichte des Königreichs Kongo
2.1. Ursprung und politischer Aufbau
2.2. Von der Ankunft der Portugiesen bis zum Zusammenbruch
2.3. Das Königreich im 19. und 20. Jahrhundert

3. Entstehung des Bakongo-Nationalismus
3.1. Exkurs: Messianische Bewegungen
3.2. Entstehung der Uniao das Populacoes de Angola (UPA)
3.2.1. Royal Opposition und Léopoldville-Gruppe
3.2.2. Uniao das Populacoes do Norte de Angola (UPNA)
3.3. Andere Bewegungen
3.3.1. Ngwizani a Kongo (NGWIZAKO)
3.3.2. Alliance des Ressortissants des Zombo (ALIAZO)
3.3.3. Exkurs : Alliance des Bakongo (ABAKO)

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1.) Einleitung

Am 15. März 1961 begann im Norden der portugiesischen Überseeprovinz Angola1 ein blutiger Aufstand. Dieser war von der Uniao das Populacoes de Angola (UPA), eine Befreiungsbewegung der Ethnie der Bakongo, initiiert worden und richtete sich gegen portugiesische Farmen, Handelsniederlassungen, Polizeiposten sowie europäisierte Schwarze (Assimilados). Da der Aufstand relativ schlecht vorbereitet war, wurde er vom portugiesischen Militär blutig niedergeschlagen, nichtsdestotrotz bildete er den Auftakt des bewaffneten Kampfes der UPA für die nationale Unabhängigkeit Angolas von Portugal (vgl. Kivouvou 1980: 174f).2

Die UPA war das Ergebnis eines sich auf der Basis von Ethnizität und Regionalität entwickelten Hauptstroms des angolanischen Nationalismus`, des der Bakongo.3 Die Bakongo gehören der ethnolinguistischen Gruppe der Bantu4 an. Mit ca. 13% bis 15% Gesamtanteil an der Bevölkerung Angolas sind sie nach den Ovimbundu und den Mbundu die drittgrößte ethnolinguistische Gruppe in dem Land. Sie leben in den nördlichen angolanischen Verwaltungsdistrikten Cabinda, Zaire und Uíge und stellen dort die Mehrheit der Bevölkerung.5 Ihre Anzahl wird auf 2 Millionen geschätzt, jedoch leben etwa zwei Drittel davon in der Demokratischen Republik Kongo (ehemals Zaire) und der Republik Kongo. Die Bakongo identifizieren sich selbst normalerweise mit einer ihrer acht ethnischen Untergruppen: den Xikongo, die die größte Untergruppe bilden, den Susso, Zombo, Sorongo, Iacas, Kongo, Pombo und Suco. Nichtsdestotrotz besitzen sie, aufgrund ihrer historischen Verbundenheit mit dem Königreich Kongo, auch eine gemeinsame ethnische Identität. Die Sprache aller Bakongo ist das Kikongo (vgl. Henderson 1979: 41; Collelo 1991: 72).

Die folgende Hausarbeit beschäftigt sich mit den Anfängen der Nationalismusbewegung der Bakongo in Angola. Ziel ist herauszustellen, (1) was die Grundlage für die Entstehung der Nationalismusbewegung bildete und (2) zu Fragen, welche Rolle das alte Königreich Kongo in diesem Zusammenhang spielte. Ein erster Schwerpunkt dieser Hausarbeit ist daher die Geschichte des Königreichs Kongo. Den zweiten Schwerpunkt bildet dann die Entstehung der Nationalismusbewegung der Bakongo. Hierbei wird vor allem auf die Vorgeschichte der UPA, der wichtigsten Befreiungsbewegung, bis zu ihrer Gründung 1958 eingegangen. Nichtsdestotrotz finden auch andere Bakongobewegungen Beachtung. Den Abschluss der Hausarbeit bildet ein Fazit, in dem der Versuch unternommen wird, die beiden Schwerpunkte miteinander zu verknüpfen.

2.) Geschichte des Königreichs Kongo

2.1.) Ursprung und politischer Aufbau

Das Königreich Kongo wurde vermutlich am Ende des 14. Jahrhunderts von Ntinu Wene gegründet (vgl. Vansina 1966: 38). Ausgehend von seiner ersten Provinz Nsundi6 eroberte er den Norden des heutigen Angola, wo er sich niederließ, nachdem er die dort lebende Mbundu-Bevölkerung besiegt hatte. Dieses eroberte Gebiet machte er zu seiner zweiten Provinz, Mpemba, und gründete dort Mbanza-Kongo (Sao Salvador), die Hauptstadt des Königreichs. Von dort aus unterwarf er weitere Gebiete und gliederte die kleinen Königreiche Loango, Kakongo und Ngoy durch Verträge als Teilstaaten in sein Reich ein (vgl. Kivouvou 1980: 19).

Bei der Ankunft der Portugiesen 1482 hatte das Königreich Kongo mit ca. 300.00 qkm seine größte Ausdehnung erreicht. Es stellte eine Art Föderation aus den vier Teilstaaten Loango, Kakongo, Ngoy und Kongo dar. Der Teilstaat Kongo, der unmittelbar vom König regiert wurde, gliederte sich in sechs Provinzen: der Provinz Mpemba mit der Hauptstadt des Königreichs, Mbanza-Kongo, sowie den Provinzen Sundi, Mpangu, Mbata, Mbamba und Soyo (vgl. Kivouvou 1980: 20).7

Das politische System hatte vier Ebenen: (1) Die Grundeinheit war das aus einer lokalen Matrilineage8 bestehende Dorf. Das Amt des Dorfoberhaupts war erblich, aber es existierte keine Aristokratie. (2) Mehrere Dörfer bildeten einen Distrikt, welcher von einem Beamten geführt wurde, der entweder vom König oder vom Provinzgouverneur ernannt bzw. auch entlassen wurde. Dieser Beamte war für administrative und juristische Aufgaben in seinem Distrikt zuständig. (3) Die Distrikte waren in die sechs Provinzen des Königreichs integriert. Die Provinzen wurden von Gouverneuren, die vom König ernannt bzw. auch abgesetzt wurden, regiert. Sie hatten eine ähnliche Funktion wie die Distriktbeamten und betätigten sich zudem als Berater des Königs (vgl. Vansina 1966: 41f). Auf dieser Ebene standen auch die Herrscher der Teilstaaten Loango, Kakongo und Ngoy, welche ebenfalls vom König ernannt und entlassen wurden (vgl. Kivouvou 1980: 21). (4) Der König (Mani-Kongo)9 symbolisierte als vierte Ebene die Nation. Der Titel des Mani-Kongo war nicht vererbbar. Er wurde von den „Großen des Königreichs“ gewählt, einem Gremium bestehend aus 9-12 Männern. In diesem hatte Anfangs der Mani-Kabunga (Erdpriester), der die Ahnen der früheren Herrscher repräsentierte, ein Vetorecht, später, in der Phase der Missionierung, der portugiesische Beauftragte am Königshof. Nichtsdestotrotz mussten die Nachfolger des Mani-Kongo Abkömmlinge Ntinu Wenes sein (vgl. Vansina 1966: 41f).10 Der Mani-Kongo regierte das Königreich mit Hilfe eines Rates von zwölf Mitgliedern (ne mbanda). Dieser fungierte als Kontrollinstanz des Königs und hatte in politischen Entscheidungen ein erhebliches Mitspracherecht: „(...) wars could not be declared, officals named or deprived, roads opend or closed without the consent of the council“ (Hilton 1985: 38).

2.2.) Von der Ankunft der Portugiesen bis zum Zusammenbruch

Nach der Entdeckung des Königreichs Kongo durch den portugiesischen Seefahrer Diego Cao 1482, entwickelten sich die Beziehungen zwischen dem Mani-Kongo und dem portugiesischen Imperium zunächst auf freundschaftlicher Basis (vgl. Stut 1977: 10). Beide Reiche tauschten Emissäre aus um voneinander zu lernen. 1506 wurde Nzinga Mbemba zum König gewählt. Er trat zum Christentum über und forderte seine Untertanen auf ebenfalls zu konvertieren. Die beiden Könige redeten sich nun in ihren umfangreichen Briefwechseln mit „Mein Bruder“ an. Nzinga Mbemba, der mittlerweile den christlichen Namen Affonso I angenommen hatte, „asked for priests, schoolteachers, and masons, and for technicans to help him with militäry matters“ (Vansina 1966: 47). Diese Bitte diente den wirtschaftlichen Eingriffen der Portugiesen zum Vorwand: Der Handel mit Sklaven wurde mit ihr begründet, denn schließlich mussten die Aufwendungen der Portugiesen, die nichts mit den gängigen Handelswaren der Bakongo anfangen konnten, adäquat bezahlt werden. Der Umfang des Sklavenexports blieb jedoch vorerst gering (vgl. Stut 1977: 11).11

Die Beziehungen zwischen den beiden Königreichen verschlechterten sich, als mit dem Einsetzen des profitträchtigen Sklavenexports nach Brasilien und Sao Thomé sich für die Portugiesen eine völlig neue Interessenslage ergab: „Nicht mehr auf partnerschaftliche Zusammenarbeit, sondern auf brutale Ausbeutung war ihr Augenmerk gerichtet“ (Stut 1977: 13). Ab etwa 1515 war daher jeder Portugiese im Kongo, ob Priester oder Seefahrer, am lukrativen Sklavenhandel beteiligt. Der Sklavenhandel war so verheerend, dass Affonso I 1526 einen Brief an den portugiesischen König richtete:

„There are many traders in all corners of the country. They bring ruin to the country. Every day people are enslaved and kidnapped, even nobles, even members of the king`s own familiy” (Vansina 1966: 52).

Affonso I verbot daraufhin den Sklavenhandel und Sklavenexport mit Bakongo. Als Folge nahmen daher die Kriege mit den Nachbarvölkern zum Zwecke der Sklavenjagd gewaltig zu (vgl. Vansina 1966: 53f).

Nach dem Tod Affonso I (wahrscheinlich 1543) erlebte das Königreich Kongo, durch innere Streitigkeiten und außergewöhnliche Schwierigkeiten, eine Phase der Instabilität. Die Ursache lag in der Einmischung der Portugiesen, die z.B. in den Phasen des Interregnums stets versuchten einen König ihrer Wahl durchzusetzen. Zudem ermunterten sie die Provinzen und Vasallenstaaten des Königreichs zur Sezession. Ab 1561 erschütterten ständig Aufstände und Überfälle anderer Völker den Kongo, 1568 kam es dann zur Invasion der Jaga, einem Nomadenvolk ungeklärter Herkunft. Das Heer der Bakongo wurde geschlagen, die Hauptstadt, Mbanza Kongo, zerstört. Daraufhin wandte sich der Mani-Kongo, Alvaro I, an die Portugiesen um militärische Hilfe zu bekommen. Diese verjagten schließlich 1573 die Jaga nach einem zweijährigen Krieg. Durch diese Hilfeleistung wuchs der Einfluss Portugals im Königreich Kongo weiter (vgl. Vansina 1966: 58-66). Als Entschädigung für die Hilfeleistung verlangten die Portugiesen, dass sie sich in Luanda, dem Hauptort der Vasallenprovinz Ndongo, niederlassen durften (vgl. Kivouvou 1980: 48).12

Alvaro I und sein Nachfolger stabilisierten das Königreich wieder, „by expanding the domain of their royal authority while keeping at bay encroachment by the Portuguese“ (Collelo 1991: 9). Um sich von dem Einfluss der Portugiesen lösen zu können, wurde der Kontakt mit dem Vatikan intensiviert. 1595 wurde das Bistum Kongo gegründet, Mbanza- Kongo wurde zum Bischofssitz. Die Hoffnung des Königs, Lehensherr des Vatikans zu werden zerschlug sich aber, da dieser und seine Bischöfe die Portugiesen unterstützten (vgl. Vansina 1966: 130ff).

Nach dem Tod des Mani-Kongo Alvaro II im Jahre 1614 folgte ein Bürgerkrieg um die Nachfolge. Der neue Mani-Kongo Alvaro III fand sein Königreich schließlich in einem heillosen Chaos vor. Vasallenstaaten, Provinzen und sogar Distrikte rebellierten oder drohten zu sezessionieren. Gründe dafür gab es viele: Es fehlten, wie bereits schon erwähnt, klare Regeln, die die Nachfolge des Mani-Kongo regelten, die Bevölkerung war unzufrieden mit ihren Herrschern13 und portugiesische Sklavenhändler entfachten immer wieder Kriege und Rebellionen um die Gefangenen als Sklaven aufzukaufen. Diese Phase dauerte bis 1641 an (vgl. Vansina 1966: 138f).

Garcia II wurde 1641 zum Mani-Kongo gewählt. Er versuchte unter großen Anstrengungen die interne Kohäsion des Königreichs wieder herzustellen (vgl. Vansina 1966: 142, 147-152).14 Das größte Problem stellten aber für ihn die Portugiesen dar. Diese hatten sich bekanntlich seit 1576 in Luanda festgesetzt und die Kolonie Angola15 gegründet. Von dort unternahmen sie nun ernsthafte Versuche, das Hinterland und somit die „Quelle“ der Sklaven sowie die reichen Gold- und Silberminen (die allerdings nur in der Einbildung der Portugiesen existierten), zu erobern (vgl. Stut 1977: 19). Durch militärische Drohungen zwangen die Portugiesen den Mani-Kongo 1648 wichtige Gebiete abzutreten, ihnen innerhalb des Königreichs freien Sklaven-, Stoff- und Salzhandel zu gewähren sowie ihnen den Standort und die Ausbeutung der Kupferminen zu gewähren. Da der König den letzten Punkt nicht erfüllen wollte, zog er es vor weitere Gebiete zu verlieren,16 „als mitzuerleben, dass sich die Portugiesen im ganzen Königreich festsetzten“ (Kivouvou 1980: 53).

Sein Nachfolger Antonio I (Regierungszeit: 1661-1665) erklärte alle mit den Portugiesen abgeschlossenen Verträge für ungültig und verlangte die Rückgabe aller verlorenen Gebiete. Dies bildete die Grundlage für eine portugiesische Generaloffensive. Ein Krieg stand unmittelbar bevor, daher forderte der Mani-Kongo am 13. Juni 1665 sein Volk auf zu den Waffen zu greifen:

„ (...) jede Person, welchen Standes auch immer, ob Adeliger oder Handwerker, reich oder arm, die fähig ist, Angriffswaffen zu tragen, aus allen Städten, Dörfern und Weilern meines Königreichs, ist aufgefordert, innerhalb der nächsten zehn Tage sich der Armee anzuschließen, um unsere Länder, Eigentumsrechte, Frauen und Kinder, unser eigenes Leben und unsere Freiheitsrechte zu verteidigen, die die portugiesische Nation an sich reißen will, um Herr über sie zu sein“ (Kivouvou 1980: 54)

Am 29. Oktober 1665 standen sich die beiden Armeen in der Nähe von Ambuila (Mbwila) gegenüber. Nach zehn Stunden Kampf trugen die Portugiesen den Sieg davon. Antonio I wurde getötet, sein Kopf nach Luanda gebracht und zum Gedenken an die Schlacht in der Kapelle Nosso Senhora da Nazaré begraben (vgl. Kivouvou 1980: 54).

Die Schlacht setzte nun den Schlusspunkt unter den Zerfall des Reiches. Das Königreich umfasste jetzt nur noch die Umgebung von Mbanza Kongo und stellte keinen Machtfaktor mehr dar.

2.3.) Das Königreich Kongo im 19. und 20. Jahrhundert

Mit der Niederlage in der Schlacht von Ambuila 1665 offenbarte sich der Zusammenbruch des Königreichs Kongo. In der Folgezeit erlebte das Bakongo-Reich endlose Bürgerkriege um die Thronfolge, so dass sich die Portugiesen am Ende des 17. Jahrhunderts aus Nordangola zurückzogen. Sie waren sich sicher, dass von dort keine Gefahr mehr ausgehen würde.

Erst 1859 stellten die Portugiesen wieder Kontakt zum Königreich Kongo her, indem sie Sao Salvador besetzen und einen ihnen genehmen König inthronisierten. Mit der Phase der kolonialen Expansion wurde das Gebiet des Königreichs Kongo 1880 dann direkt unter portugiesische Verwaltung gestellt. Auf Wunsch der Bakongo ließen die Portugiesen jedoch die Institution des Königs bestehen, da sie sie zudem als für ihre Interessen nützlich ansahen. So zwang z. B. im Vorfeld der Berliner Kongo-Konferenz (1884/1885) die Kolonialbehörde mit Hilfe eines katholischen Priesters den König Dom Pedro V einen Loyalitätsschwur auf den portugiesischen König zu unterzeichnen.17 Dies hatte den Zweck, die „historischen Ansprüche“ Portugals auf das gesamte Territorium des Königreichs Kongo für die Grenzverhandlungen auf der Berliner Kongo-Konferenz zu untermauern (vgl. Marcum 1969: 52). Portugals Ansprüche wurden allerdings abgewiesen, das Königreich Kongo in drei Teile zerlegt, von denen jeder unter die Herrschaft von Nationen unterschiedlicher Kultur kam: Frankreichs, Belgiens und Portugals. Dies bildete praktisch das Ende eines vereinigten Bakongo-Reiches (vgl. Kivouvou 1980: 69).

In den darauffolgenden Jahrzehnten nutze die portugiesische Kolonialbehörde das Königtum „as a useful political control mechanism and employed the king and loyal chiefs as recruiting agents to round up forced labour (...)“ (Marcum 1969: 52). Die offizielle Abschaffung der Sklaverei in Angola 1878 hatte nämlich einen Arbeitskräftemangel auf den Plantagen zur Folge. Deshalb wurde 1899 per Dekret die Zwangsarbeit institutionalisiert die die farbige Bevölkerung zur Arbeit an öffentlichen Vorhaben zwang.18 Der Mindestlohn für die Zwangsarbeit wurde an die hohe Kopfsteuer gekoppelt, so dass jeder Farbige gezwungen war, für drei bis vier Monate auf den Plantagen zu arbeiten um die Steuer zu bezahlen (vgl. Stut 1977: 32ff). Ende 1913 kam es daher, unter der Führung von Chief Alvaro Buta, zu einem Aufstand gegen den König, der von der Bakongo-Bevölkerung als Erfüllungsgehilfe und Marionette der Portugiesen angesehen wurde. Dabei wurde Sao Salvador fast vollständig niedergebrannt und durch die Aufständischen besetzt, portugiesisches Militär musste einrücken und beendete den Aufstand im Juli 1915 mit der Gefangennahme Butas (vgl. Marcum 1969: 52ff).

Die folgenden Jahre waren zum einen von der Zwangsarbeit für die boomenden Kaffeeplantagen und zum anderen von der Ausbreitung des Protestantismus in Nordangola geprägt. Die Zwangsarbeit mit den extrem niedrigen Löhnen, primitiven Arbeitsbedingungen und der unmenschlichen Behandlung der Arbeiter führte dazu, dass viele Bakongo nach Belgisch-Kongo und nach Französisch-Kongo emigrierten, denn dort waren die sozio- ökonomischen Verhältnisse sehr viel besser als in Angola. So entstanden vor allem in Léopoldville und Brazzaville große Gemeinschaften von angolanischen Bakongo. Diese sollten später, bei der Entstehung der Nationalismusbewegungen, noch eine wichtige Rolle spielen (vgl. Stut 1977: 84).

Der Protestantismus fasste 1878 in Sao Salvador Fußund bereits 1950 waren 35% aller Bakongo protestantisch. In der Region um Sao Salvador waren es sogar mehr als 50%. Dies war für die strikt katholischen Portugiesen natürlich ein alarmierendes Verhältnis. Die portugiesische Kolonialbehörde sah im Protestantismus nämlich eine Brutstätte für Aufstände und schränkte ihn daher, um eine Unterhöhlung ihrer Autorität zu vermeiden, stark ein.19 Dies führte dazu, dass die protestantische Bakongo-Bevölkerung begann, mit britischen und amerikanischen Missionaren zu sympathisieren und sie als „potential liberators“ anzusehen (Marcum 1969: 55f).

3.) Entstehung des Bakongo-Nationalismus

3.1.) Exkurs: Messianische Bewegungen

Erste nationalistische Tendenzen fanden sich schon im Vorfeld der „modernen“ Nationalismusbewegungen, nämlich in messianischen Bewegungen der Bakongo. Diese traten vermehrt mit dem Beginn des 18. Jahrhunderts auf20 und stellten ein komplexes Phänomen innerhalb der Bakongo-Gesellschaft dar. Deshalb soll in diesem Exkurs nur ein kurzer Überblick gegeben werden:

Der Messianismus, der Glaube an das baldige Kommen eines Messias (Erlösers), der die Veränderung der Welt herbeiführen und die Gläubigen aus ihrem als unerträglich empfundenen Zustand erlösen würde, war eine Antwort auf die zwangsläufige Veränderung der traditionellen Bakongo-Gesellschaft durch die koloniale Situation. Die portugiesische Kolonialmacht hatte die traditionelle Lebensweise zerstört, damit ging ein Verlust der ökonomischen, politischen und religiösen Souveränität, sowie der eigenen kulturellen Identität einher (vgl. Stut 1977: 50). Die Bakongo versuchten daher durch messianische Bewegungen auf die neue Situation zu reagieren. Diese stellten zudem den Versuch dar, das in kleinen Einheiten funktionierende, verwandtschaftlich festgelegte Clan-System der Bakongo abzulösen. Die Ablösung war durch die koloniale Situation notwendig geworden, da zur Durchsetzung der eigenen Interessen größere Einheiten vonnöten waren (vgl. Stut 1977: 71f). Der Messianismus erreichte dieses Ziel, indem sie die Heilsversprechungen der katholischen Kirche in afrikanische Strukturen integrierten und mit nationalistischen Parolen kombinierten (vgl. Stut 1977: 53):

„ (...) tous ces mouvements prophétiques (…) ont eu des buts identiques: restauration du royaume, création l´unité politique, construction d´une Église nationale, souvegarde de l´independance du royaume au dedants et au dehours (Sinda 1972 :17).

Die wohl bekannteste messianische Bewegung im Kongo-Becken, die diese Kombination praktizierte, war der Kimbanguismus. Er sah z. B. die im alten Testament beschriebene Leidensgeschichte des jüdischen Volkes und ihre Entwicklung vom Stamm zur Nation als Parallele der aktuellen Situation der Bakongo. Daher postulierte der Kimbanguismus die Schaffung einer Theokratie, „die auf einer politisch-religiösen Hierarchie und einer sakralen Organisation des Landes basierte. Dieser „heilige Nationalismus“ erzeugte mit der Forderung nach Resakralisierung und Rezentralisierung eine Gleichsetzung des legendären Königreichs Kongo, mit dem vom Messias angekündigten Königreich Gottes“ (Stut 1977: 71).

3.2.) Entstehung der Uniao das Populacoes de Angola (UPA)

3.2.1.) Royal Opposition und Léopoldville-Gruppe

Die „modernen“ Nationalismusbewegungen nahmen die durch eine messianische Attitude bestimmten Hoffnungen der Bakongo-Bevölkerung nach einem vereinigten und unabhängigen Königreich Kongo wieder auf.

Nach dem Tod des Marionettenkönigs Dom Pedro VII am 17. April 1955 rief die Frage um seine Nachfolge Auseinandersetzungen zwischen der lokalen portugiesischen Kolonialbehörde und der protestantischen Bakongo-Bevölkerung hervor (vgl. Kivouvou 1980: 171). Eine nach Matadi21 emigrierte Gruppe von angolanischen Bakongo, welche unter der Führung des Protestanten José Eduardo Pinock stand, sah nun die Möglichkeit, durch einen starken und gebildeten Nachfolger das Königreich als politisches Instrument für wirtschaftliche und soziale Reformen wiederzubeleben.22 So beschlossen sie, die Kandidatur des Protestanten Manuel Kiditu, zu unterstützen. Gegen diese Kandidatur legte jedoch die lokale Kolonialbehörde auf Druck der katholischen Kirche ihr Veto ein (vgl. Marcum 1969: 56). Dies wurde dadurch begründet, dass die „Tradition“ respektiert werde und somit der zukünftige König katholisch sein müsse. Die katholische Kirche in Sao Salvador behauptete nämlich, „dass ein baptistischer König gegen den Brauch verstoße und kurz gesagt ketzerisch sei“ (Kivouvou 1980: 171). Der wirkliche Grund für die Ablehnung war jedoch, dass die Kolonialbehörde Kiditu aufgrund seiner Bildung als für ihre Zwecke wenig willfährig und zudem wegen der Religionszugehörigkeit als antiportugiesisch ansah (vgl. Kivouvou 1980: 172). Zudem wurde hier auch die Verbindung zwischen Kolonialverwaltung und katholischer Mission, die als Agent des Staates fungiert, deutlich.

Mit dem Recht des Stärkeren setzten die Portugiesen beim königlichen Kivuzi-Klan23 schließlich die Wahl des unbekannten António José da Gama durch. Daraufhin kam es zu, von der Royal Opposition organisierten, öffentlichen Protesten der Bakongo-Bevölkerung, die den zukünftigen König, wohl berechtigterweise, als „Marionette“ der Kolonialmacht ansahen (vgl. Stut 1977: 85). Ungeachtet dieser Proteste wurde da Gama am 16. August 1955 zum König gekrönt. Pinock und seine Anhänger mussten nun ihre Strategie ändern: „If the king had to be weak, then let him have strong counselors“ (Marcum 1969: 57). Die Bakongo- Bevölkerung forderte nun die Ernennung von Eduardo Pinock, Manuel Kiditu und Borralho Lulendo zu Beratern des Königs. Nach einigem Zögern und Verhandlungen gaben der König und die Kolonialbehörde dem öffentlichen Druck schließlich nach. Voraussetzung war jedoch, dass Pinock und Lulendo vorerst nach Matadi zurückkehren sollten, damit sich der neue König in Ruhe etablieren konnte. Nach einem Monat würden sie dann offiziell in ihr Amt berufen. Dies geschah, auf Weisung der Portugiesen an den König, jedoch nie (vgl. Marcum 1969: 57).

Pinock und seine Anhänger entschieden sich daraufhin den König zu stürzen. Nach einem letzen, mehrtägigen Gespräch (Palaver) zwischen Pinock und dem König, welches allerdings keine Ergebnisse brachte, kam es am Morgen des 27. Dezember 1955 schließlich zu einer großen Protestaktion der Bakongo vor der Residenz des Königs in Sao Salvador. Hier überreichte Pinock eine Proklamation, die den König und den Kivuzi-Klan des Thrones enthob:24

„ First, since you were never chosen nor loved by the people, facts of which you must be aware, as from this date you are no longer our king.

Second, we no longer wish to live under the rule of the Kivuzi clan, which enslaves us by its deeds and misrepresents us before the Portuguese government” (Marcum 1969: 340).

Nachdem Pinock wieder nach Matadi zurückgekehrt war, marschierte wenig später das Militär in Sao Salvador ein. Es kam zu Vergeltungsmaßnahmen und Verhaftungen von lokalen Bakongo-Führern, die an der Protestaktion teilgenommen hatten. Um sich weiterer Agitation durch die Royal Opposition zu entziehen, zwang die Kolonialbehörde den König ein Gesetz zu unterzeichnen, welches jedem Einwohner Sao Salvadors nach dem 30. Juni 1956 die Rückkehr aus dem Belgisch-Kongo untersagte. Der König blieb als Marionette Portugals weiter im Amt (vgl. Marcum 1969: 59).

Nachdem es der Royal Opposition aus Matadi und Sao Salvador nicht gelungen war einen starken König zu inthronisieren, versuchte eine in Léopoldville25 ansässige Gruppe von emigrierten angolanischen Bakongo mit internationaler Hilfe einen unabhängigen BakongoStaat zu errichten. Diese, unter der Führung von Manuel Barros Necaca und Roberto Holden stehende Gruppe, richtete am 20. Mai 1956 einen Brief an einen Beamten des US State Department (vgl. Marcum 1969: 62):

„In it they asserted that historically and legally the Portuguese Kongo constituted a territory separate from Angola, to which it had been unjustly joined in 1884 (Berliner Kongo-Konferenz, d. Verf.). (...). To them Angola was the Portuguese colony to the south, the conquered Mbundu realm of the ngola. In their view the Kongo, unlike Angola, had never really been conquered. Its illiterate king Dom Pedro V had simply been tricked (...) into signing something he did not understand. This act did not represent a knowing, legal transfer of sovereignity” (Marcum 1969: 62).

Im selben separatistischen Sinne richteten im Juni 1957 Necacas und Holdens Gruppe zusammen mit der Royal Opposition einen Brief an den Generalsekretär der UN. Einen Monat später bildeten sie in Léopoldville eine gemeinsame politische Exilorganisation mit dem Namen „Uniao das Populacoes do Norte de Angola“ (UPNA).26 Präsident wurde Barros Necaca, sein Stellvertreter Borralho Lulendo (vgl. Marcum 1969: 63).

3.2.2.) Uniao das Populacoes do Norte de Angola (UPNA)

Am 11. Juli 1957, kurz vor der Gründung der UPNA, starb der König. Die UPNA entschloss sich daraufhin sich den Streitigkeiten um die Thronfolge zu enthalten.27 Ihnen ging es jetzt vielmehr darum internationale Unterstützung für ihr Ziel, die Wiederherstellung, Etablierung und Unabhängigkeit des Königreichs Kongo, zu finden. Dies sollte mit Hilfe des „American Committee on Africa (ACOA)“ geschehen, zu dessen Vorstandsvorsitzenden, George Houser, Necaca gute Kontakte unterhielt. Dieser gab Necaca jedoch zu verstehen, dass er die UPNA nicht in der internationalen Szene lancieren könnte, wenn sie ihren Anspruch nicht auf die Befreiung von ganz Angola ausweiten würde (vgl. Marcum 1969: 63f). Barros Necaca stimmte daraufhin dieser Forderung zu:

„ Im Augenblick ist für uns die Veränderung der jetzt in Angola herrschenden Verhältnisse am wichtigsten. Das Problem der Wiederherstellung des alten Königreichs Kongo wird später, wenn die Umstände es gestatten, in Betracht gezogen werden. Wir haben ziemlich lange mit einigen in Luanda lebenden Führern zusammengearbeitet, da unsere Ziele prin- zipiell die gleichen sind, und unsere Delegation wird ganz Angola vertreten.“ (Kivouvou 1980: 173)

Wie dieser Brief zeigte, wurde das eigentliche Ziel der UPNA, welches die Grundlage ihrer Entstehung bildete, die Wiederherstellung des alten Königreichs Kongo, nicht aus den Augen verloren, sondern situationsbedingt ausdrücklich auf später verschoben.

Die ACOA initiierte, dass die UPNA im Dezember 1958 zu Kwame Nkrumah´s „All- African Peoples` Congress“ in Accra eingeladen wurde. Roberto Holden reiste daraufhin nach Accra und sollte als Vertreter der UPNA an diesem Kongress teilnehmen. Bereits im Vorfeld traf sich Holden mit diversen panafrikanischen Politikern,28 doch auch hier „in line with Houser`s earlier prediction to Necaca, the idea of resurrecting the old Kongo kingdom evoked little enthusiasm. On the contrary, it was criticized as a “tribal anachronism”” (Marcum 1969: 67). Holden überredete deshalb die UPNA, ihr Ziel, die Wiederherstellung und Unabhängigkeit des Königreichs Kongo, zu verwerfen und stattdessen für die Unabhängigkeit ganz Angolas einzutreten. Die UPNA nannte sich daraufhin in die „Uniao das Populacoes de Angola” (UPA) um und sah sich „as a „political organization formed for all Africans originally from Angola, without discrimination as to sex, age, ethnic origin or domicile“, and aimed at installing a „democratic regime for peasants and workers“ within an independent Angola” (Marcum 1969: 67). Trotzdem gab die UPA ihren Tribalismus nicht auf. Konnte schon kein unabhängiger Bakongo-Staat errichtet werden, so sollte doch wenigstens die Befreiung ganz Angolas nur unter der Führung der Bakongo stattfinden. Eine spätere gesamtangolanische Regierung sollte sich dann ebenfalls nur aus Bakongo rekrutieren.

3.3.) Andere Bewegungen

3.3.1.) Ngwizani a Kongo (NGWIZAKO)

Eine weitere nationalistische Bakongobewegung entwickelte sich als negative Reaktion auf die Umwandlung der UPNA in die UPA. Sie rekrutierte sich also vor allem aus Personen, die die 1958 getroffene Entscheidung der UPNA, das Ziel nach Wiederherstellung und Unabhängigkeit des Königreichs Kongo aufzugeben und stattdessen für die Unabhängigkeit ganz Angolas einzutreten, nicht akzeptieren wollten. Diese Royalisten gründeten zunächst eine gegenseitige Hilfsorganisation, 1960 bildeten sie im Belgisch-Kongo eine Partei, die Ngwizani a Kongo - Associacao dos Conguenses de Expressao Portuguêsa (NGWIZAKO). Da ihr aber die Anhängerschaft unter angolanischen Bakongo fehlte, versuchte die NGWIZAKO sich mit der ALIAZO29 zu vereinigen, „to achieve greater unity among Angolan émigrés and thus maximize political opportunities“ (Marcum 1969: 90). Die Vereinigung scheiterte allerdings, da die ALIAZO die Wahl des Königs durch alle Bakongo verlangte. Die Führung der NGWIZAKO hielt aber daran fest, dass der König aus dem Kivuzu-Clan kommen musste und von diesem auch gewählt wurde (vgl. Marcum 1969: 90).30

Im Oktober 1960 appellierte NGWIZAKO an die portugiesische Regierung, das besondere historische Verhältnis des Königreichs Kongo zu Portugal zu honorieren und daher ihre Partei über die Besetzung des seit 1957 vakanten Throns entscheiden zu lassen. Daraufhin kam es zu mehreren Gesprächen mit der Kolonialverwaltung. Am 2. Januar 1961 teilte das Zentralkomitee der NGWIZAKO mit, dass „as a result of its negotiations with „the Portuguese nation“ and in accord with the kings council, February 17th had been chosen as the day for the nomination of a new king“ (Marcum 1969: 91). Als das Zentralkomitee am 17. Februar zur Krönung des Königs nach Sao Salvador aufbrach, verweigerten ihnen die Portugiesen an der Grenze die Einreise nach Angola. Des weiteren wurde ihnen mitgeteilt, dass die portugiesische Regierung selbst über ein für sie „opportunes“ Datum für die Ernennung eines neuen Königs entscheiden würde (vgl. Marcum 1969: 91f).

In der Folgezeit versuchte sich die NGWIZAKO mit der Unterstützung der ABAKO bei den emigrierten angolanischen Bakongo zu etablieren. Dies gelang ihr jedoch nicht, so dass sie schon bald in der Bedeutungslosigkeit verschwand.

3.3.2) Alliance des Ressortissants de Zombo (ALIAZO)

Die UPA und später auch NGWIZAKO waren nicht die einzigen Nationalismusbewegungen von angolanischen Bakongo, die aus dem Exil operierten. Auch die Alliance des Ressortissants de Zombo (ALIAZO) war im Belgisch-Kongo ansässig. Sie bildete allerdings innerhalb der Nationalismusbewegung der Bakongo eine Ausnahme, da sie ihren Ursprung nicht in der Forderung nach Wiederherstellung und Unabhängigkeit des alten Königreichs Kongo hatte, sondern in der messianischen Bewegung von Simao Toco.31 1956 zuerst unter dem Namen Association Mutuelle des Ressortissants de Zombo (ASSOMIZO) im Belgisch-Kongo gegründet, stellte sie eine gegenseitige Hilfsorganisation der Zombo32 dar. Sie trat für Bildungsförderung und für die Verbesserung der ökonomischen Bedingungen33 der Zombo in Angola ein (vgl. Marcum 1969: 82f).

1960 formte sich die ASSOMIZO in eine Partei um nannte sich fortan Alliance des Ressortissants de Zombo (ALIAZO). Die ALIAZO war eine gemäßigte und gewaltfreie Organisation mit dem politischen Ziel der Autonomie der Zombo innerhalb eines unabhängigen Angola. Wie bei der UPNA fand dieser Tribalismus allerdings keine internationale Unterstützung (vgl. Marcum 1969: 88f). Aus diesem Grund wendete sich die ALIAZO schließlich an NGWIZAKO34 und an die UPA. Die Vereinigung mit NGWIZAKO scheiterte aus bereits bekannten Gründen, 1962 kam es aber zum Zusammenschluss mit der UPA zur FNLA.

3.3.3.) Exkurs: Alliance des Bakongo (ABAKO)

Das Territorium des alten Königreichs Kongo erstreckte sich bekanntlich nicht nur über Nordangola, sondern auch über Teile des Französisch-Kongo und des Belgisch Kongo. Durch die Berliner Kongo-Konferenz (1884-1885) wurde dieses einst vereinigte Territorium, wie bereits geschildert, in drei Teile zerlegt, von denen jeder unter die Herrschaft von Nationen unterschiedlicher Kultur kam: Frankreichs, Belgiens und Portugals. Doch auch die unter der Herrschaft Frankreichs und Belgiens lebende Bakongo-Bevölkerung fand in dem alten Königreich eine gemeinsame ethnische Identität und die Hoffnung auf nationale Einheit. Dementsprechend gab es auch in diesen Kolonien Bestrebungen, das alte Königreich Kongo wiederzuerrichten.

1950 wurde in Léopoldville die Alliance des Bakongo (ABAKO) gegründet. Die ABAKO stellte Anfangs eine Art Kulturverein35 dar und trat für die Rechte und Interessen, sowie die kulturelle Renaissance aller Bakongo ein (Merriam 1961: 121ff; Marcum 1969: 72f). Dieses Ziel schaffte natürlich auch eine große Anhängerschaft von emigrierten angolanischen Bakongo, die die ABAKO finanziell unterstützten. Als die Belgische Kolonialbehörde im Oktober 1958 die Gründung von Parteien erlaubte, formte sich die ABAKO, unter der Führung von Joseph Kasavubu, in eine solche um und erklärte die Wiedererrichtung und Wiedervereinigung des alten Königreichs Kongo zu ihrem offiziellen Ziel:

„This movement aims at the regrouping of the populations of the Bakongo ethnic group and at the formation of a state which will comprise certain people of the Belgian Congo, of the Republic of Congo, of the Cabinda enclave and of Angola” (Merriam 1961: 119).

Dies beunruhigte die Führung der UPA, die dieses Ziel im Vorfeld des “All African Peoples` Congress“ verworfen hatte, denn das Ziel der ABAKO sprach auch aus Angola emigrierte Bakongo, die eigentlich die Basis der UPA stellen sollten, an:

„By pushing the idea of a reunified Kongo Kingdom, ABAKO was appealing to many within the younger generation of Angolans raised and schooled in Léopoldville and the lower Congo, where the were losing interests in the future of the Portuguese Kongo, or Angola” (Marcum 1969: 72).

Daraufhin entbrannte zwischen den beiden Bakongoparteien ABAKO und UPA ein regelrechter Wettbewerb um die Anhängerschaft von etwa 500.000 angolanischen Emigranten und ihrer Nachkommen. Die ABAKO hatte dabei den Vorteil der Legalität, währenddessen die UPA als Exilorganisation im Untergrund operieren musste (vgl. Marcum 1969: 75).

Mitte 1959 versuchte die ABAKO ihr separatistisches Ziel mit allen Mitteln durchzusetzen, doch Belgien wollte nur ein vereinigtes Kongo in die Unabhängigkeit entlassen. Nachdem der ABAKO klar wurde, dass sie für ihr Ziel keine Unterstützung auf internationaler Ebene und von der UPA erwarten konnte und sich zudem Abbé Youlou mit seiner Partei36 von der Idee eines unabhängigen Bakongostaates abwand, änderte die ABAKO ihr Ziel auf Autonomie der Bakongo in einem unabhängigen und föderalistischen Staat Kongo (vgl. Merriam 1961: 125f, Marcum 1969: 75). Mit der Unabhängigkeit des Belgisch-Kongo am 30. Juni 196037 und dem daraus resultierenden Bürgerkrieg fiel jedoch auch dieses Ziel.

4. Fazit

Das alte Königreich Kongo spielt in der Entstehung der Nationalismusbewegung der Bakongo eine Schlüsselrolle, denn „for the last three centuries the kingdom has provided mainly proud memories and hope for restoration“ (Henderson 1979: 42). In der Erinnerung an das einst mächtige, unabhängige und vereinte Bakongo-Reich mit einem König an der Spitze fand das Volk nämlich eine gemeinsame ethnische Identität und die Hoffnung auf nationale Einheit, in der man die alten, apologetisch überhöhten Zustände wieder neu schaffen wollte (vgl. Stut 1977: 19, 64f; Henderson 1979: 41; Kivouvou 1980: 20). Schon bald wurde aber klar, dass dieser Ethno-Nationalismus bzw. Tribalismus, der als Ziel einen unabhängigen Bakongo-Staat postulierte, keine internationale Unterstützung finden würde und so mussten die Bakongo zwangsläufig für die Unabhängigkeit ganz Angolas eintreten. Inwiefern sich die Ideologien und Ziele der Nationalismusbewegung, insbesondere der UPA, daraufhin veränderten ist wiederum eine andere Sache. Es steht jedoch fest, dass das alte Königreich Kongo den Ursprung bzw. die Grundlage für die Entstehung des Bakongonationalismus bildete.

5. Literaturverzeichnis

Collelo, Thomas (Hrsg.) 1991 Angola. A country study. Washington.

Henderson, Lawrence W. 1979 Angola. Five centuries of conflict. London.

Hilton, Anne 1985 The Kingdom of Kongo. New York.

Kivouvou, Prosper 1980 Angola. Vom Königreich Kongo zur Volksrepublik. Köln.

Kuder, Manfred 1985 Die Portugiesen in Angola. Die wechselvolle Entwicklung des Landes vom Aschen- brödel des portugiesischen Imperiums zum nationalen und wirtschaftlichen Kleinod Portugals. In: Portugals Wirken in Übersee: Atlantik, Afrika, Asien. Hrsg. von Roderich Ptak. Bammental/Heidelberg.

Marcum, John 1969 The Angolan Revolution Volume I. The anatomy of an explosion (1950-1962). Baltimore.

Merriam, Alan P. 1961 Congo. Background of conflict. Northwestern University.

Sinda, Martial 1972 Le messianisme congolais et ses incidences politiques. Paris.

Stut, Dirk 1977 Angola. Grenzen und Möglichkeiten der Befreiung. Amsterdam.

Vansina, Jan M. 1966 Kingdoms of the Savanna. Madison.

[...]


1 1951 hob Portugal das Kolonialstatut seiner Überseegebiete auf und gliederte diese als Provinzen („Provincias do Ulramar“) in den portugiesischen Staat ein (vgl. Kuder 1985: 101).

2 Eine weitere, konkurrierende Befreiungsbewegung, das Movimento Popular de Libertacao de Angola (MPLA), hatte nach einem Aufstand in Luanda am 4. Februar 1961 ebenfalls den bewaffneten Kampf für die nationale Unabhängigkeit aufgenommen. Es ist daher zu vermuten, dass die UPA den Aufstand im Norden als Ant- wort auf die Aktionen der MPLA initiiert hatte, um nicht an Prestige zu verlieren. (vgl. Kivouvou 1980: 144, 174).

3 Zwei weitere Hauptströme, die sich auf der gleichen Basis entwickelt hatten, waren die (1) der Lunda-Mbundu sowie (2) der Ovimbundu und Chokwe. Auch aus diesen beiden Strömen entwickelte sich eine nationalistische Bewegung, die je für sich beanspruchten, den gesamtangolanischen Nationalismus zu repräsentieren. Diese Triopolarität führte im Laufe des Unabhängigkeitskrieges zu einer erbitterten Rivalität zwischen den nationalistischen Bewegungen (vgl. Marcum 1969: 101f).

4 Der Begriff (bâ-ntu = Mensch) bezeichnet die Gruppe der etwa achthundert, im ganzen äquatorialen, südlichen und östlichen Afrika gesprochenen, verwandten Sprachen in Bezug auf Ähnlichkeit ihrer lautlichen Gestalt (Phonetik) und Bedeutung. Es wird angenommen, dass die ethnolinguistische Gruppe der Bantu ursprünglich aus dem Benue-Tal, welches an der heutigen Grenze zwischen Nigeria und Kamerun liegt, stammte. Aus bisher ungeklärten Gründen kam es dann zu einer Wanderbewegung in das äquatoriale, südliche und östliche Afrika (vgl. Henderson 1979: 38; Collelo 1991: 6).

5 Siehe Karte S. 22/23

6 Gebiet des heutigen Kinshasa flussaufwärts

7 siehe Karte S. 24/25

8 Verwandtschaftsgruppe, deren Mitglieder von einer Ahnin in direkter und bekannter weiblicher Linie ab- stammen.

9 Alle Herrscher über Distrikte, Provinzen und Teilstaaten, sowie bestimmte Beamte am Hof des Königs trugen den Titel „Mani“, gefolgt von dem Namen ihres beherrschten Gebietes bzw. ihrer Aufgabe. Diese Titelträger formten gemeinsam die Aristokratie des Königreichs Kongo (vgl. Vansina 1966: 42).

10 Nach 1700 waren die Abkömmlinge so zahlreich, dass sie einen eigenen, königlichen Clan (infants) bildeten. Potentielle Nachfolger bereiteten sich schon früh auf ihre Kandidatur vor; war der Thron durch Tod des Königs vakant, bildeten sich gewöhnlich zwei Fraktionen, die verschiedene Kandidaten protegierten. Dieser ausgeprägte Fraktionismus zeigt daher eine Schwäche des Systems auf, da es keine klaren Regeln gab, die die Nachfolge regelten (vgl. Vansina 1966: 42ff).

11 Ein weiterer Grund für die Unterstützung war, dass die Portugiesen hofften, durch das Königreich Kongo eine Verbindung nach Abessinien (Äthiopien), dem Land des Priesters Johannes, zu finden. Mit diesem christlichen und an Goldmienen unglaublich reichen Land hätte man sich dann gegen die Muslims verbünden und zudem die eigenen Staatskassen auffüllen können. Weiterhin glaubten die Portugiesen, dass das Königreich Kongo an ihre Siedlungen in Mozambik grenzen würde. Auch hier wollte man dann eine Verbindung schaffen (vgl. Vansina 1966: 47).

12 Diese Entschädigung hatte für das Königreich schwerwiegende Folgen, denn ab 1575 setzen sich die Portu- giesen in Luanda und fast in der ganzen Provinz Ndongo dauerhaft fest. Diese Provinz, welche die Portugie- sen später Angola nannten, entglitt der Herrschaft des Mani-Kongo zunehmend und „sollte bald ein rivalisie- rendes und bedrohendes Kolonialgebiet werden“ (Kivouvou 1980: 49).

13 Der Grund für die Unzufriedenheit war Korruption, übermäßige Steuern und fehlender Schutz vor Sklaven- händlern (vgl. Vansina 1966: 139).

14 Garcia II nahm Beziehungen zu den Holländern auf, die bereits schon ab 1600 im Kongobecken in Kon- kurrenz zu den Portugiesen traten (sowohl religiöse Konkurrenz, als auch Konkurrenz um den Sklaven- handel). Diese Konkurrenz gipfelte in der Besetzung Luandas 1641-1648 durch die Holländer. (vgl. Kivouvou: 1980: 49-52).

15 Das Angola von dem hier die Rede ist, ist der ehemalige Vasallenstaat des Königreich Kongo, Ndongo.

16 Diese umfassten die Insel Luanda, von der der König sein Nzimbu (Muscheln bzw. Schneckenhäuser; die Währung/Staatsschatz des Königreichs) bezog, sowie alle Gebiete südlich des Flusses Dande.

17 Die Unterzeichnung des Loyalitätsschwurs kam nur zustande, weil der König Analphabet war.

18 In der Praxis wurde allerdings kein Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Unternehmungen gemacht.

19 Ein Hauptpfeiler des portugiesischen Imperialismus war die Verknüpfung zwischen Staat und Religion, d. h. zwischen Kolonialverwaltung und Mission. So übernahm die katholische Mission in Angola beispielweise das Schulwesen. Diese Missionsschulen waren der Agent des Staates, denn sie zwangen die einheimischen Schüler zum Annehmen der portugiesischen Lebensweise, dem Brechen mit ihren kulturellen Traditionen und somit zum Detribalismus. Außerdem versuchten sie das Bildungsniveau der einheimischen Bevölkerung niedrig zu halten. Im Gegensatz dazu standen die protestantischen Schulen. Sie ermöglichten ihren Schülern ein höheres Bildungsniveau und förderten ihre kulturellen Traditionen. Dies führte zur Schaffung einer eth- nischen Identität und stellte somit eine Gefahr für die auf Detribalisierung bedachten Portugiesen dar.

20 Bekannte messianische Bewegungen im Kongo-Becken waren die des Francisco Kassola (1632), Mafouta (1704), Dona Béatrice (1704), Kiyoka (1821) sowie der moderne Messianismus unter Kimbango (1921) und Matsoua (1926) (vgl. Sinda 1972: 17).

21 Stadt im Belgisch-Kongo direkt an der Grenze zu Angola

22 Mit den Reformen sind vor allem Lohnerhöhung und die Abschaffung der Zwangsarbeit gemeint.

23 Lineage, aus dem der König stammen musste und von der er gewählt wurde

24 Komplette Proklamation siehe S. 20

25 Hauptstadt des Belgisch-Kongo, heute Kinshasa

26 Diese Angabe basiert auf Interviews von Eduardo Pinock und Barros Necaca. In der Literatur wird als Grün- dungsdatum der UPNA normalerweise der Juli 1954 angegeben (vgl. Marcum 1969: 63).

27 Die Portugiesen entschieden sich den Thron vorerst vakant zu lassen und besetzten ihn mit einer Verweserin, Dona Isabela (vgl. Marcum 1969: 59).

28 u.a. George Padmore, Kwame Nkrumah und Sékou Touré

29 siehe 3.3.2.

30 Ein Grund dafür war wahrscheinlich, dass der Vorsitzende der Ngwizako selber aus dem Kivuzu-Clan stammte und Bewerber um den vakanten Thron war (vgl. Marcum 1969: 90).

31 Simao Toco sah sich als Prophet Gottes und predigte das baldige Kommen eines Messias` (Erlösers). Dieser würde dann die schwarze Bevölkerung Afrikas vom Joch der Unterdrückung durch die weißen befreien. Der Tocoismus zog daher viele verarmte Bauern, die ihr Land an die europäischen Kaffeeplantagenbesitzer verlo- ren hatten und nun auf den Plantagen Zwangsarbeit leisten mussten, an (vgl. Marcum 1969: 81f).

32 Die Zombo sind eine ethnische Untergruppe der Bakongo.

33 Abschaffung der Zwangsarbeit und Lohnerhöhungen

34 Die Annährung an Ngwizako geschah aus reinem Opportunismus, denn in Wirklichkeit fühlte sich die ALIAZO nie von den Forderungen ach der Wiederherstellung und Unabhängigkeit des alten Königreichs Kongo angezogen.

35 Parteien bzw. politische Organisationen waren im Belgisch-Kongo bis 1958 verboten.

36 Abbé Youlou war der Führer der Union de Défense des Intérêts Africains (UDDIA), einer in Französisch- Kongo ansässigen Bakongopartei. Auch die UDDIA vertrat Anfangs das Ziel der Wiederherstellung und Unabhängigkeit des Königreichs Kongo, änderte dieses aber später zugunsten von Ubangi-Shari. Dies war Die Vision einer vereinigten, zentralafrikanischen Republik, die später einmal die Kolonialgebiete Frank- reichs, Belgiens, Spaniens und Portugals umfassen sollte (vgl. Marcum 1969: 73ff).

37 Nachdem die Belgier von den „Kongolesen“ an Leib und Leben bedroht wurden, verließen sie flucht- artig ihre Kolonie.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Entstehung des Bakongo-Nationalismus
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Veranstaltung
Angola und Mosambik von der Unabhängigkeit bis heute - ein Vergleich
Note
1,7
Autor
Jahr
2000
Seiten
18
Katalognummer
V105575
ISBN (eBook)
9783640038664
Dateigröße
467 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entstehung, Bakongo-Nationalismus, Angola, Mosambik, Unabhängigkeit, Vergleich
Arbeit zitieren
André Krummacher (Autor:in), 2000, Die Entstehung des Bakongo-Nationalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105575

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