Warum sollten Schule und Jugendhilfe miteinander kooperieren


Seminararbeit, 2001

33 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Aufgaben und Ziele von Schule und Jugendhilfe - ein Lagebericht
Was sollen beide und was wollen sie erreichen?
Wo liegen die Gemeinsamkeiten beider Systeme zueinander?

3. Wo liegen die Unterschiede und Ressourcen beider Institutionen im Verhältnis zueinander? Wo gibt es Schwierigkeiten in der Kooperation?

4. Warum müssen Schule und Jugendhilfe trotz oder gerade wegen der Differenzen und Mißverständnisse miteinander kooperieren? Veränderungen der sozialen Netzwerksysteme
4.1 Makroebene vs. Mikroebene - Vertikale soziologische Veränderungen
(a) Wertewandel - tradierte Normen und Werte gelten nicht mehr
(b) Migration
(c) Geschlechteridentität - die Geschlechterrollen verschwimmen
(d) Sozialisationsintanzen in der modernen Dienstleistungsgesellschaft - die Familie löst sich auf
(e) Die moderne Medienlandschaft und ihre sozialen Folgen - im Zeitalter von Big Brother und Cyberspace
(f) Die Ökonomisierung der Gesellschaft - das Vorbild USA vermittelt neue Impulse für eine globalisierte Welt
(g) Die Schattenseiten der Individualisierung: Soziale Ungleichheit im Sozialstaat Deutschland einhergehend mit wachsender Sucht, Gewalt und Kriminalität
(h) Soziale Umfelder: Von der Natur zur Stadtkultur
4.2 Mesoebene - integrative sozialpädagogische Konzepte
(a) Außerschulische sozialpädagogische Konzepte
(b) Sozialarbeit in der Schule - Schulsozialarbeit
(c) Sozialpoltitische Gremien
(d) Öffentlichkeitsarbeit

5. Fazit: Was müssen Schule und Jugendhilfe leisten, um effektiv miteinander kooperien zu können und welche Perspektiven hat die Kooperation?

6. Literaturliste

1. Einleitung

Die Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule hat eine lange Tradition und geht bis in die 70er Jahre zurück. Gleichwohl hat dieses Thema mit Beginn der 90er Jahre eine Hochkonjunktur erfahren, die sich in zahlreichen Kooperationsprojekten, Erlassen und Tagungen ausdrückt.

In dieser Arbeit werde ich die Begründungszusammenhänge, die für eine intensive Kooperation von Schule und Jugendarbeit bezogen auf die drei folgenden von mir definierten sozialen Netzwerkebenen1 sprechen, diskutieren:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im 4. Kapitel werde ich noch genauer darauf eingehen, was unter den einzelnen Ebenen zu verstehen ist. Diese sozialen Netzwerke stehen laut der Systemtheorie in enger Beziehung zueinander und beeinflussen sich wechselseitig horizontal wie vertikal. In diesem Beziehungsgeflecht bewegt sich der moderne Mensch, für den es zunehmend schwieriger wird, soziale Instanzen, die ihm Sinn, Identität und Werte vermitteln können, hinreichend zu überschauen. Die sozialen Systeme werden zunehmend komplizierter und verflochtener. Diesen Tendenzen müssen sich alle Institutionen stellen, wenn sie ihre Daseinsberechtigung nicht verlieren wollen; folglich auch Schule und Jugendarbeit, die in ihrer Organisation und Struktur sehr unterschiedlich funktionieren, aber in vieler Hinsicht ähnliche Ziele verfolgen und sich zukünftig zunehmend ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung mit transparenten Daten und Fakten stellen müssen. Denn die Gesellschaft fordert von ihnen Nachweise ihrer Effizienz und Sinnhaftigkeit. Können beide diese Erwartung nicht erfüllen, droht ihnen gesellschaftspolitischer Schiffbruch, d.h. ihnen werden die Mittel gekürzt und ihre sozialpolitischen Aufgaben und Ziele anderen Institutionen übertragen. Beide stehen also mehr denn je in der Pflicht, sich zu profilieren und dem Leistungsdruck standzuhalten, unabhängig davon, ob die Erwartungen, die an sie gestellt werden, ethisch und sozialpädagogisch sinnvoll sind, da unabhängige Controller zukünftig Effizienz und Effektivität von ihnen einfordern werden.

Zudem kommen europapolitische und wirtschaftspolitische Tendenzen und Instanzen wie z.B. die Agenda 21 auf Schule und Jugendarbeit zu. Maximen wie Prävention, Kommunalisierung, Vernetzung und Professionalisierung müssen mittelfristig in die Tat umgesetzt werden, wenn zuständige Budgetierer noch Gelder genehmen sollen. Alle Vorgänge im Bildungsbereich und sozialpädagogischen Handlungsfeldern stehen auf dem Prüfstand. Deshalb müssen Schule und Jugendarbeit diesen Strukturen Rechnung tragen und sich selbst kritisch reflektieren und effektiver organisieren. Dies gilt für alle Ebenen sozialer Netzwerke, die ich in dieser Arbeit näher betrachten werde. Ziel ist es herauszuarbeiten, weshalb die Kooperation von Schule und Jugendarbeit in Zukunft unumgänglich ist. Es sei darauf hingewiesen, dass sich meine Ausführungen nicht speziell auf Schulsozialarbeit beziehen, die nur ein Handlungsfeld von Kooperation von Schule und Jugendarbeit darstellt.

2. Aufgaben und Ziele von Schule und Jugendhilfe - eine Lagebericht

Die spezifischen Aufgaben von Schule und Jugendhilfe sind rechtlich u.a. durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz festgelegt. Demnach erfüllen beide Institutionen einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag, der regelmäßig von der Öffentlichkeit eingefordert und geprüft wird.

Was soll und was will Schule erreichen?

2 Schule soll junge Menschen befähigen zur Teilhabe an den Chancen und Möglichkeiten, die die bundesdeutsche Gesellschaft bietet3. Dies ist die wichtigste gesetzlich verankerte Aufgabe von Schule. Dies bedeutet konkret, dass junge Menschen in ihrer Sozialisation dergestalt gefördert werden sollen, dass sie nach dem Prinzip der Chancengleichheit zu selbständigen und selbstverantwortlichen Rollenträgern der Gesellschaft erzogen werden. "Schule ist mehr als nur Unterricht" (Willi Fährmann)4. Sie ist eine wichtige prägende Sozialisationsinstanz, die auch über den Schulunterricht hinaus die Schüler prägen sollte (vgl. GLÄSSER 2000, S. 3). Die Schüler sollen also eine nach den Werten und Normen der Gesellschaft angemessene Sozialsiation erfahren und sich durch die entsprechenden Handlungskompetenzen und fundiertes Wissen gesellschaftlich etablieren. Dafür stellt der Staat mannigfaltige Ressourcen zur Verfügung, die der Schüler nutzen kann, um sich weiter zu entwickeln. Wichtigste Erziehungsziele sind die Förderung sozialer Kompetenzen, der intellektuellen Fähigkeiten und der Selbstbestimmung der SchülerInnen5.

Vordergründig soll die Schule vor allem eine Selektion vornehmen, um die sozialen Chancen verteilen zu können, die die Gesellschaft zur Verfügung stellt.

In der Schule sollen auch Phänomene abweichenden Verhaltens erkannt und in Kooperation mit der Jugendhilfe effektiv bekämpft werden. Dies gilt z.B. für globale Probleme wie Sucht, Gewalt, Aids etc.. Dabei steht das ganzheitliche Lernen im Mittelpunkt, welches Schule durch seine strenge Reglementierung und Normierung nur rudimentär umzusetzen vermag6.

Schule will vor allem ihre Attraktivität steigern. Dies erscheint auf den ersten Blick paradox, da doch eine Schulpflicht in Deutschland besteht. Aber mit der zunehmenden Ökonomisierung des Bildungs- und Sozialsystems geht einher, dass sich zukünftig alle Institutionen einem akribischen Controlling und einer genauen Evaluation unterziehen müssen, da der Staat sich und seine Organe effektiver und effizienter organisieren will. D.h. alle Bildungsstrukturen werden in Frage gestellt und einer genauen Prüfung unterzogen. Demzufolge werden zukünftig Schulen mit pädagogischen Konzepten, die als veraltet und überholt erscheinen, womöglich geschlossen bzw. finanziell weniger gefördert.

Der deutsche Schulunterricht wird derzeit stark kritisiert, da in einigen empirischen Untersuchungen Schüler anderer europäischer Länder die deutschen Schüler nach gesetzten Leistungskriterien überflügeln7. Die Öffentlichkeit fordert also eine Verbesserung des Unterrichts nach dem Leistungsprinzip. Demgegenüber erwartet die Politik und die Bevölkerung aber auch Lösungen für psychosoziale Probleme, wie z.B. Rechtsextremismus, von der Schule.

D.h. Schule befindet sich in dem Dilemma, dass sie parallel zwei ganz unterschiedliche Anforderungen erfüllen soll: Handlungskompetenzen und Selbstverantwortung stärken und zugleich Leistung fördern. Dabei stehen einzelne Schulen in Konkurrenz um Schüler und Image zueinander8. Die Prinzipien Kooperation und Konkurrenz, die sich fast ausschliessen, stehen im Raum. Dafür braucht Schule einen kompetenten und professionellen Partner.

Schule will auch die Akzeptanz bei Schülern9 erhöhen, um die Motivation und Leistungsbereitschaft der Schüler erhöhen zu können. Dafür benötigt sie kundenorientierte Konzepte, wie sie die Jugendhilfe zur Verfügung stellen kann. Diesbezüglich stehen ihr aber leistungsschwache und verhaltensauffällige SchülerInnen zunehmend im Wege. Demzufolge benötigt sie einen Partner, der ihr diese Last abnimmt. Denn die Berufszufriedenheit der Lehrer nimmt erwiesenermaßen rapide ab, u.a. verursacht durch die erschwerten pädagogischen und strukturellen Rahmenbedingungen10, auf die ich im folgenden noch eingehen werde. Ziel ist es, Fehlzeiten zu minimieren und die Berufzufriedenheit der Lehrer zu steigern. Damit würde einerseits die Quantität als auch die Qualität des Unterrichts verbessert und eine Basis dafür geschaffen, dass sich Schule den Anforderungen der modernen Dienstleistungssgesellschaft stellen kann. Dazu müßte sie sich allerdings von Grund auf organisatorisch und methodisch modernisieren, um ihren gesellschaftspolitischen Auftrag erfüllen zu können.

Was soll und was will Jugendhilfe?

Die Kinder- und Jugendhilfe richtet ihr Augenmerk insbesondere auf soziale Probleme, die durch Fehlentwicklungen in den sozialen Netzwerken ihrer Zielgruppe entstanden sind. Ihr Ziel ist es, diese Probleme zu diagnostizieren, zu bearbeiten und einzudämmen. Ihre Legitimation bezieht sie aus ihrem gesellschaftlichen Auftrag, der sich aus dem Sozialstaatsprinzip ergibt, welches durch das Grundgesetz manifestiert ist. Ihre gesellschaftspoltischen Zielvorgaben sind denen der Schule sehr ähnlich. Unterschiede liegen sicherlich in den Methoden und in der Grundhaltung. Während Schule sich zur Zeit noch primär am Leistungsprinzip der Ökonomie orientiert, geht die Jugendhilfe ressourcenorientiert vor.

Die Jugendhilfe will sich zusehends weiter professionalisieren und ökonomisieren, ohne dabei ethische Leitbilder aus den Augen zu verlieren. Dazu entwickelt sie immer neue Methoden auch im Austausch mit anderen Ländern, wie z.B. den Niederlanden. Neue Konzepte und Strategien werden erprobt und kontinuierlich umgesetzt und etabliert. Dafür muss sie allerdings ihre Zielgruppe entsprechend qualitativ und quantitativ erreichen können. Dies kann sie am besten in schulischen oder schulnahestehenden Einrichtungen, weil dort ihre Zielgruppe nahezu vollständig (mit Ausnahme der Schulverweigerer) vorhanden ist. Jugendhilfe will genau wie die Schule ihren sozialpolitischen Einfluss steigern, um sozialpoltische Interessen effektiv umsetzen zu können und sich eine Lobby in entscheidenden Gremien zu verschaffen. Dafür braucht sie einen Partner, der sie sozialpolitisch stärken und strukturell unterstützen kann. Dies kann Schule sein, da ihr entsprechende Ressourcen zur Verfügung stehen11.

Wo liegen die Gemeinsamkeiten?

Schule und Jugendhilfe haben sehr ähnliche Zielausrichtungen und Aufgabenstellungen. Ihnen kommt in Bezug auf psychosoziale Probleme ähnliche Bedeutung zu. Sie sollen schnelle und effektive Abhilfe bei Phänomenen wie z.B. rechtsradikaler Gewalt schaffen. Ausserdem unterliegen sie beide den noch zu beschreibenden gesellschaftlichen Veränderungen, die in der Soziologie mit dem Terminus ‚Modernisierung‘ umschrieben werden. Sie müssen sich strukturellen Veränderungen und damit einhergehenden gesellschaftlichen Forderungen, wie z.B. der Ganztagsbetreuung, stellen, die aufgrund neuer gesellschaftlicher Gegebenheiten notwendig werden.

Dabei erfordert dies eine Abstimmung der Handlungskonzepte insbesondere bezogen auf präventive Handlungsstrategien, die vor allem durch die Agenda 21 manifestiert werden. D.h. beide sind dazu angehalten, europapolitische Tendenzen und Forderungen zu verfolgen.12

Dabei müssen sie sozialen Phänomenen, die mit dem Wertewandel einhergehen Rechung tragen. Beispiele dafür sind die zunehmende Medien- und Konsumorientierung der Jugendlichen und die zunehmend verlängerte Jugendzeit. Schüler sind heute viel länger in der Obhut ihrer Familien als früher und leben ihr Freizeitverhalten und ihre Berufsorientierung dementsprechend intensiver aus.

Vor allem sind Schule und Jugendhilfe sogar nach §81 KJHG zur Kooperation verpflichtet. Der Gesetzesgeber erteilt also beiden Institutionen eindeutig den Auftrag zu einer Kooperation, ohne allerdings Maßstäbe vorzugeben. Diese richten sich nach den jeweilgen Situationen und Einzelfällen. Der Phantasie und Kreativität von Lehrern und Sozialarbeitern sind bezüglich einer Kooperation aber zunächst keine Grenzen gesetzt abgesehen von einem hohen bürokratischen Aufwand, den eine Zusammenarbeit i.d.R erfordert.

Das Konzept der Lebensweltorientierung in der Sozialarbeit läßt sich nur über die Kooperation von Schule und Jugendhilfe verwirklichen, da es ganzheitlich orientiert ist13. Eine Begrenzung auf die Freizeit der Schüler wäre uneffektiv. Beide Institutionen sind auch sozialpolitischer Sicht dazu angehalten, dieses Konzept zukünftig über gemeinsame Schnittmengen umzusetzen.

Beiden gemeinsam ist auch die prekäre finanzielle Situation, in der sich beide befinden. Die Budgets der Sozial- und Bildungsministerien werden von Jahr zu Jahr gekürzt. Demzufolge muss immer mehr eingespart werden. Dies betrifft vor allem die Personalpoltik der Verantwortlichen. In Zukunft wird in beiden Arbeitsfeldern immer mehr Erfolg von immer weniger Personal abverlangt.

Eine besondere Bedeutung kommt beiden bzgl. der soziologischen Kategorien 'Sinn' und 'Identität' zu. Denn in Zukunft wird es verstärkt ihre Aufgabe sein, jungen Menschen Sinn zu vermitteln in Form von unveränderlichen Kontinuen und Fixpunkten, an die sich die heranwachsende Generation in ihrer Sozialisation klammern kann. Diese Erwartung richten sowohl die Zielgruppe als auch die Öffentlichkeit an beide Institutionen. Beide dienen zusehends als Modell in einer Zeit, wo die Bevölkerung das Vertrauen in die Politik zunehmend verliert, und müssen das enstehende Vakuum mit für das Klientel zufriedenstellendem Inhalt füllen.

Gemeinsame sozialpädagogische Ziele sind die Förderung sozialer Kompetenzen und der Persönlichkeitsbildung der jungen Menschen im Rahmen von Integration von sozial Benachteiligten und interkultureller Erziehung in einer Zeit des starken sozialen Wandels. Es gilt, Stigmata verschiedener Bevölkerungsgruppen zu entschärfen und den Schülern eine positive Bewältigung ihrer Schulzeit zu ermöglichen und Konflikte pädagogisch zu bearbeiten14. Die Unterschiede von Schule und Jugendhilfe liegen auf verschiedenen Ebenen und werden im folgenden Abschnitt erläutert.

3. Wo liegen die Unterschiede und Ressourcen beider Institutionen im Verhältnis zueinander?

Was sind die Ressourcen von Jugendhilfe gegenüber Schule15

(a) Flexibilit ä t: Jugendhilfe kann dem gesellschaftlichen Wandel viel flexibler Rechnung tragen als Schule, weil sie u.a. nicht an einen bestimmten Ort gebunden ist und ihre Programmatik vielschichtiger ist. Viele schulpädagogische Konzepte sind zwar in ihr vertreten, aber sie geht noch weit darüber hinaus und bedient sich bei anderen verwandten Wissenschaften, während Schule sich überwiegend auf die Schulpädagogik mit ihren Disziplinen Didaktik und Methodik stützt.

(b) Programmatik: Jugendhilfe verfolgt vielschichtige Konzepte, um dem Klientel effektiv und individuell helfen zu können. Sie orientiert sich am Einzelfall und versucht durch darauf abgestimmte Methoden, wie z.B. Case-Management, die psychosoziale Situation des Klienten zu verbessern. Hingegen verlangt Schule, dass sich die SchülerInnen ihrem System anpasst und ihre Struktur mitträgt und akzeptiert. Wer dies nicht leisten kann oder will, wird von der Schule dafür mit unterschiedlichen Maßnahmen bestraft und reglementiert. Während Jugendhilfe sich am Kunden orientiert und mit ihm gemeinsame Ziele erarbeitet, gibt Schule die Ziele und Methoden vor, ohne die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung der Schüler zu berücksichtigen, wie es z.B. im handlungsorientierten Unterricht gefordert wird. Diese Unterrichtsform wird nach meinen Erfahrungen aus Gesprächen mit Lehrern in der Praxis kaum umgesetzt. Zudem ist Schule stark an ihr Notensystem gebunden. Hingegen kann sich die Jugendhilfe von starren Reglementierungs-formen lösen und eigene Kriterien der Normierung unter Berücksichtung des gesellschaftlichen Wertewandels entwickeln. Dies bedeutet, dass auch die Methoden, Strategien und Konzepte der Jugendhilfe vielschichtiger sind als die der Schule, die eng an Curricula und Schulverordnungen gebunden ist und deren Methoden häufig nicht über den Schulhof hinausreichen. Schule verwaltet sich zum größten Teil selbst, als neue Impulse für neue Konzepte geben zu können. Dies ist mir in meiner Lehrerausbildung auch vielfach aufgefallen. Lehrer kommen ihrer Aufgabe, die Schüler auch über den Schulunterricht zu beraten und zu betreuen, i.d.R. nicht nach, da sie sich bereits mit der Arbeit im Rahmen von Schule überlastet fühlen oder kein Interesse haben, den Schülern über den Schulunterricht hinaus zu helfen.

Schule ist vor allem defizitorientiert und nicht in der Lage, die Ressourcen ihrer Zielgruppe zu erschöpfen. Jugendhilfe arbeitet viel näher an der Basis und geht stärker auf ihr Klientel zu. Dabei arbeitet sie häufig prozeßorientiert und setzt das Prinzip der Kundenorientierung bereits stärker um als Schule, die überwiegend zielorientiert arbeitet.

Jugendhilfe hat das Konzept des ganzheitlichen Lernens in vielen Formen etabliert. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass sich diese Form des Lernens bewährt hat. Demgegenüber richtet Schule sein Augenmerk fast ausschließlich auf kognitives Lernen. Emotionen und Körpererfahrungen werden vernachlässigt. Kompetenzen wie Kreativität, Teamfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit, also Forderungen des sozialen Lernens, werden zur Zeit überwiegend von der Jugendhilfe vermittelt.

(c) Kundenorientierung: Jugendhilfe leistet wesentlich mehr Beziehungs- und Beratungsarbeit. Dort stößt Schule schnell an seine Grenzen und kapituliert vor Problemen, die sie nicht oder nur unzureichend lösen kann. Hierbei kann Jugendhilfe viel niedrigschwelliger arbeiten, d.h. sie kann ihre Erwartungen an ihr Klientel stets überdenken und modifizieren. Hingegen hält Schule starr an ihren Richtlinien fest. Die Jugendhilfe kann im Gegensatz zur Schule leichter jahrgangsübergreifend arbeiten und mit verschiedenen Altersgruppen vertikal umgehen. Zudem kennen sich Sozialarbeiter im Umfeld der Jugendlichen besser aus, da sie sich vor allem in Konzepten der sozialräumlichen Jugendarbeit viel näher am Kunden bewegt.

(d) Professionalit ä t: Die Jugendhilfe verfügt über langfristige Erfahrungen in der Teamarbeit, Programm-, Profil- und Konzeptionsentwicklung. Diesbezüglich erscheint Schule rückständig und stark entwicklungsbedürftig. Moderne Konzepte, die auch in der Ökonomie angewendet werden, sind Schule weitestgehend fremd, wie z.B. die Organisationsentwicklung. Solchen Konzepten muß sich eine moderen Schule zukünftig stellen.

(e) Zeitliche Erreichbarkeit: die Jugendhilfe erreicht die Schüler auch in der Zeit, in der sich nicht in der Schule sind, aber trotzdem Aufgaben für die Schule erledigen müssen. Damit kann sie schulische Aufgaben sinvoll ergänzen.

(f) Leitbild: die Jugendhilfe versteht sich als Dienstleister für den Kunden. Deshalb steht dem Kunden ein hohes Mass an Selbstbestimmung und Selbstverantwortung zu. Hingegen arbeitet Schule nüchtern nach Zwang. Wer nicht mitzieht, bleibt auf der Strecke. Zwang verursacht unweigerlich Unfreiheit und Unverständnis.

Wo liegen die Vorteile von Schule gegenüber der Jugendhilfe?16

(a) Personelle Erreichbarkeit: in der Schule ist das Klientel von Jugendhilfe praktisch vollständig vorhanden und muß nicht mühsam erst angesprochen werden. D.h. es läßt sich mit relativ wenig organisatorischem Aufwand eine große Anzahl Jugendlicher erreichen. Die Schule ist i.d.R. weniger infrastrukturellen Veränderungen unterworfen und steht deshalb in der Öffentlichkeit für mehr Kontinuität als die Jugendhilfe, die für Außenstehende unüberschaubarer ist.
(b) Ausstattung: Schulen sind i.d.R. besser infrastrukturell ausgestattet als Jugendhilfeeinrichtungen. Sie verfügen zumeist über ausreichende Räumlichkeiten, Lern- und Lehrmaterial (insbesondere Computer und Internetzugang), Sportstätten und -geräte und Kreativwerkstätten, wie z.B. ein Fotolabor. Dafür fehlen vielen Jugendhilfeeinrichtungen entsprechende Gelder.
(c) Durchsetzungsverm ö gen: die Jugendhilfe, die sich als Dienstleister versteht, entwickelt zumeist mit ihren Klienten Regeln zur Zusammenarbeit. Wenn der Klient diese Regeln nicht einhält, ist die Maßnahme zum Scheitern verurteilt. Zwangsmaßnahmen gibt es kaum. Diese können im Einzelfall aber durchaus sinnvoll und effektiv sein. Diesbezüglich kann Schule mit ihren strengen Regelungen ggf. sozialpädagogische Maßnahmen unter Zwang durchsetzen.
(d) Identifikation: da jeder Bundesbürger die Schule besucht hat, kann sich die Öffentlichkeit besser mit schulischen Strukturen identifizieren als mit Konzepten der Jugendhilfe, die vielen Menschen unbekannt sind oder unübersichtlich erscheinen.

Ziele und Chancen einer Kooperation: Wie können sich beide ergänzen?

Damit die vielschichtigen Aufgaben von Schule und Jugendhilfe möglichst zielgerichtet und erfolgreich bewältigt werden können, sollten sich beide Seiten auf Synergieeffekte konzentrieren. Solche gegenseitigen Verstärkungen können einerseits bei der Betreuung von Einzelfällen und andererseits bei Kooperationsprojekten zum tragen kommen. Bezogen auf den Einzelfall lassen sich in der Schule Probleme und/oder Verhaltensauffälligkeiten diagnostizieren und mithilfe gezielter schulübergreifender individueller Massnahmen lösen. Das angestrebte Verhalten des Jugendlichen lässt sich in Kooperation von Lehrern und Sozialarbeitern in den verschiedenen Gruppenkontexten und Sozialformen regelmäßig überprüfen. Die Erziehungshilfen können stetig nachgebessert werden. Bezogen auf Kooperationsprojekte lassen sich Erfahrungen, Personal und Know-how gezielt austauschen und gemeinsdam in die Tat umsetzen. Ein Präventionsziel beispielsweise lässt sich dadurch engmaschiger erreichen. Dies zeigen die positiven Erfahrungen meiner Arbeit in Kooperationsprojekten.

Da beide Institutionen unter Personalmangel leiden, können sie nur wenig zusätzliches Personalpotential für Kooperationsprojekte zur Verfügung stellen. Deshalb ist es vorteilhaft, personelle Engpässe durch gemeinsame Absprachen zu kompensieren. Beispielsweise können Lehrer nicht ohne weiteres vom Unterricht freigestellt werden. Dies ist nur möglich, wenn der Engpass personell aufgefangen werden kann. Deshalb könnten Lehrer eher für Aktionen eingesetzt werden, die nachmittags oder abends stattfinden. Hingegen könnten Sozialarbeiter flexibler und u.U. auch morgens ohne größeren Aufwand eingesetzt werden.

Das Beispiel zeigt, dass Schule und Jugendhilfe durchaus Potentiale besitzen, die sich in Bezug auf gemeinsame Erziehungsziele ergänzen können. Dies gilt insbesondere auch für eine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit. Weitere Ziele und Chancen der Kooperation werde ich noch im 4. Kapitel erläutern. Solchen Synergien stehen allerdings einige Hürden im Wege, die es zu überspringen gilt. Einige Schwierigkeiten für eine Kooperation werde ich deshalb im folgenden Abschnitt erläutern.

Wo liegen die Schwierigkeiten für eine Kooperation beider Seiten?17

Die Jugendhilfe leidet nach Meinung von Experten immer noch unter mangelndem Selbstbewußtsein. Dazu STAUB-BERLUSCONI: "Ich kenne keinen Beruf, der so viel über sich selbst lamentiert, aber zugleich die ihm verpassten Etiketten und Stigmata (...) fast übereifrig freiwillig übernimmt und als offene, nie heilende Wunde pflegt" (GÖBEL 2000, S. 19).

Diesbezüglich kommt auch DEINET zu der Ansicht, dass sich die Jugendhilfe oft von der Schule zurückdrängen läßt. Schulische Projekte werden in der Öffentlichkeit zumeist ausführlicher und unkritischer dargestellt. Sie bekommen mehr Aufmerksamkeit und sehen sich weniger Vorurteilen gegenübergestellt. Die Jugendhilfe hingegen wird zunehmend kritischer beäugt. Ihre Konzeptionen sind weniger bekannt und oftmals von Vorurteilen besetzt. Diese Vorurteile werden auch häufig von Lehrern zusetzlich im Umgang mit der Jugendhilfe untermauert. Dies konnte ich bisher in meiner Arbeit in der außerschulischen Jugendbildung, die in Kooperation mit Schulen geleistet wird, oftmals feststellen. Ein Grund dafür erscheint mir darin zu liegen, dass sich die Schulsozialarbeit vielerorts noch nicht etabliert hat und eher als Belastung und Konkurrenz von Lehrern angesehen wird.

Die Vorurteile befinden sich auch auf seiten der Jugendhilfe. Denn viele Sozialarbeiter projezieren oft eigene Schulerfahrungen (vor allem die negativen) auf die heutige Schule und haben oft ein verzerrtes Bild von dieser verinnerlicht.

Besondere Schwierigkeiten der Abstimmung und Kooperation beider Parteien liegt in der sehr differierenden Organisation. Während Schule streng hierarisch und starr bis in höchste Gremien organisiert ist, läßt sich die Organisation der Jugendhilfe nur schwer auf einen Nenner bringen, da ihre Organisationsstruktur sich häufig ändert und immer neue Organisationen gegründet werden, die sich in der Jugendhilfe engagieren. Dementsprechend wechseln häufig die zuständigen Ansprechpartner für die Schulen. Während Schulen nur äußerst selten umziehen, ist dieses Phänomen bei Einrichtungen der Jugendhilfe viel häufiger zu beobachten. Deshalb ist Vertretern schulischer Einrichtungen oft unklar, wer in ihrem Fall der richtige Ansprechpartner ist. Solche Unklarheiten und Vorurteile erschweren die konkrete Organisation und Durchführung gemeinsamer Aktionen.

Hinzu kommt, dass Schule auf allen Ebenen wesentlich größer organisiert und deshalb viel unflexibler ist als es die Jugendhilfe zu leisten vermag.

Eine weitere Hürde ist, dass viele Sozialarbeiter in Doppelfunktionen arbeiten und nicht in der Lage sind, darüberhinaus aufwendige Organisationsarbeit zu leisten.

Beide Einrichtungen sind durch den zunehmenden Bürokratismus stark mit sich selbst beschäftigt und setzen oftmals zu hohe Erwartungen in eine Kooperation, die nicht erfüllbar sind. Frustation und Resignation sind schnell die Folge schlechter Absprachen.

Meine Erfahrung in der Kooperation mit Schule sind die, dass Lehrer sich nur schwer auf Teamarbeit einlassen, da sie es aus dem Schulalltag nicht kennen, und nur klar formulierte Ziele und Absprachen eingehalten werden. Mit unspezifischen Ziele, wie z.B. die Förderung von sozialen Kompetenzen, können Lehrer oftmals wenig anfangen. Dies liegt u.a. an der mangelhaften Lehrerausbildung, die ich selber durchlaufen habe und deshalb auch bewerten und kritisieren kann.

Fazit: Wo liegen die Schwächen beider Systeme?

Schule und Jugendhilfe befinden sich zur Zeit einer Phase des mannigfaltigen Umbruchs, denn sie müssen sich den zukünftigen Anforderungen stellen. Dieser Aufgabe sind beide wie bereits beschrieben noch nicht gewachsen. Sie sind gegenseitig auf Unterstützung angewiesen, aber weder strukturell noch konzeptionell in der Lage, eine Kooperation flächendeckend zu leisten. Zur Zeit existieren viele Projekte auf kommunaler Ebene, die aber noch wenig vernetzt sind. Vor allem das Schulsystem ist hoffnungslos veraltet und hingt modernen Entwicklungen weit hinterher. Die Kooperation wird oftmals durch organisatorische Divergenzen und gegenseitige Vorurteile behindert. Das Bindeglied zwischen beiden, die Schulsozialarbeit, steckt vielerorts noch in den Kinderschuhen.

Zudem werden beide Systeme durch die angespannte Lage öffentlicher Haushalte, auf die sie aber existenziell angewiesen sind, stark belastet und in ihrer Weiterentwicklung behindert. Meine bisherigen Ausführungen haben aber schon deutlich gemacht, warum Schule und Jugendhilfe in Zukunft noch stärker kooperieren sollten. Im folgenden Kapitel werde ich die bereits angeführten Thesen durch die Sichtweise auf die sozialen Netzwerke ergänzen und erläutern, warum sich beiden Seiten keine Alternative zu einer vernetzten Kooperation bietet.

4. Warum sind Schule und Jugendhilfe dazu gezwungen zu kooperieren? Begründungszusammenhänge bezogen auf die sozialen Netzwerke

Um die Begründungszusammenhänge strukturieren zu können, habe ich drei Kategorien entwickeln, in deren offenen Grenzen ich die Thesen zur Kooperation von Schule und Jugendhilfe verschiedener Autoren diskutieren und miteinander in Beziehung setzen werde. Schule und Jugendhilfe bewegen sich ebenfalls in diesem Spektrum, d.h. sie werden durch ihre jeweiligen Organe auf diesen drei Netzwerkebenen vertreten. Von daher kommt ihnen auch auf allen sozialen Ebenen eine sozialpolitische Rolle zu, dergestalt, dass an beide Erwartungen seitens der Bevölkerung, Politik und Verwaltung gestellt werden, die es noch zu erläutern gilt.

Zunächst werde ich auf die Beziehungszusammenhänge der sozialen Makro- und Mikroebenen diskutieren, ehe ich einige integrative sozialpädagogische Konzepte vorstelle werde, die sich den immer neu verändernden sozialen Problemstellungen stellen und eine Kooperation von Schule und Jugendhilfe unbedingt erfordern.

4.1 Makroebene vs. Mikroebene - Wandel gesellschaftlicher Verhältnisse und ihre Auswirkungen auf den einzelnen Jugendlichen

(a) Wertewandel - tradierte Normen und Werte gelten nicht mehr

Der Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse, der sich in allen Industrieländern in ähnlicher Weise vollzieht, wird im allgemeinen mit den Termini Individualisierung, Pluralisierung und Enttraditionalisierung beschrieben.

Dahinter verbirgt sich, dass traditionelle Normen und Werte für das soziale Zusammenleben, die über lange Zeit gültig waren und unveränderbar schienen, heute nicht mehr gelten. Ulrich BECK u.a. haben diesbezüglich das Paradigma “Modernisierung der Gesellschaft” entwickelt. Es beinhaltet die These, daß im Zuge der Moderne sich klassische Konturen der Industriegesellschaft mit ihren typischen Kontinuen auflösen und nach und nach durch diffuse neue Gesellschaftsformen ersetzt werden, die sich ihrerseits in immer kürzen Zeitabständen verändern. Diese Veränderungen bringen Orientierungsschwierigkeiten der modernen Menschen mit sich, die nachwievor nach Fixpunkten für ihre Existenz suchen, die ihnen Sinn und Identität vermitteln. "Die Menschen lassen sich nicht mehr so leicht hinsichtlich ihrer Lebensführung, ihren Wertvorstellungen und ihrer Lebensbewältigung in unterschiedliche Klassen, Stände oder Schichten einordnen". (GÖBEL, S. 16) Gleichzeitig verändern sich die Ansprüche des einzelnen an das Leben, an Arbeit und Freizeit, die Art sich zu kleiden oder sich weltanschaulich festzulegen. Die Lebensentwürfe der Menschen sind individueller geworden. BECK und andere Soziologen bezeichnen dieses Phänomen als ‚Individualisierung‘18.

Es sei anzumerken, dass es sich hierbei um ein theoretisches Konstrukt handelt, dass sich nur schwer auf die gesellschaftliche Realität übertragen läßt, d.h. es gibt zwar viele quantitative rationale Kriterien, die diese Theorie untermauern, aber auf empirischer Ebene keine Möglichkeit, diese These qualitativ zu spezifizieren. Es lassen sich also nur aus der makrostrukturellen Sicht Phänomene festmachen, die diese Theorie belegen. Z.B. die zunehmende Anzahl der Wechselwähler bei gleichzeitigem Rückgang der Stammwähler zeigt, daß sich die Menschen immer weniger an Kontinuen klammern, sondern gesellschaftlichen Veränderungen in ihrem Wahlverhalten Rechnung tragen. Männliche und weibliche Orientierungsmuster lassen sich auch nicht mehr aus Maßstäben wie z.B. Beruf, Kirchenzugehörigkeit oder Stadt-Land-Herkunft ablesen. Diese zunehmende Differenzierung wirkt sich auch auf die Entwicklungsbedingungen von Kindern und Jugendlichen aus. Die vielfältigen Ursachen für die Individualisierung und Pluralisierung in der Erwachsenenwelt führen bei ihnen dazu, dass die traditionellen Lebenswege nicht mehr verlässlich sind19. Berufe werden kaum noch in einer Familie oder Schicht vererbt, und der einmal eingeschlagenen berufliche Weg ist in seiner Kontinuität nicht gesichert. Lebenslängliche Fortbildung und Umschulung sind für jeden Einzelnen notwendig, um für den Arbeitsmarkt verfügbar zu bleiben.

OPASCHOWSKI konstatiert bzgl. des Wertewandels, dass Mitte der achtziger Jahre für die Bundesbürger noch Familie sowie Ehe und Partnerschaft die persönlich wichtigsten Bereiche im Leben waren. Im Jahr 2000 stehen erstmals die Freunde, die Freizeitclique und der Bekanntenkreis im Zentrum des Lebens, d.h. die Freunde sind wichtiger als die Familie geworden. Dies ist demnach nur noch ein sekundärer Bezugspunkt für die meisten Menschen. Der Trend zur Single-Gesellschaft, zu einer Gesellschaft von Einzelgängern und Cliquen kann folgenreich sein. Ein wachsender Anteil von Menschen wird in Zukunft im hohen Alter einer enkellosen Generation angehören. Verwandtschaftliche Hilfeleistungen sind dann kaum noch zu erwarten20.

Deshalb benötigen immer mehr Menschen die Unterstützung und Solidarität staatlicher Institutionen.

Diesem Phänomen müssen Schule und Jugendhilfe Rechnung tragen, indem sie den Jugendlichen Werkzeuge an die Hand geben, sich den verändernden sozialen Strukturen positiv stellen zu können. In meiner Tätigkeit in der Sucht- und Aidsprävention verfolgen wir als multidisziplinäres Team über vernetzte Präventionsprojekte den handlungskompetenzenstärkenden Präventionsansatz, d.h. die Aktionsteilnehmer reflektieren ihre eigene Lebenswelt in Bezug auf die o.g. Themen Sucht und Aids und entwickeln eigene Handlungsstrategien für ihr persönliches Verhalten in lebenstypischen Situationen. Dazu sind gemeinsame Zielorientierungen der Kooperationspartner ‚Schule-Jugendhilfe‘ bzgl. der Vermittlung von Werten und Normen in Zeiten des Wertewandels notwendig. Voraussetzung für eine reibungsfreie makrostrukturelle Kooperation ist Gremienarbeit auf Bundes- und Länderebene, in der Richtlinien für eine Kooperation festgelegt werden21.

(b) Migration - Integration oder Adaption?

Für Schule und Jugendhilfe werden zunehmend die jungen Ausländer ein Problem, die bereits in der dritten Generation in Deutschland leben. Dies betrifft vor allem türkische Jugendliche, die sich oftmals in fundamentalistische Haltungen flüchten. Sie fallen einer sozialen Desintegration22 anheim, d.h. sie können weder Wertemuster der deutschen Gesellschaft, in der sie leben, adaptieren noch die traditionellen Dispositionen ihrer Heimat, die sie nicht mehr kennen. Im Koran suchen und finden sie Halt und schliessen sich u.U. fanatischen Gruppierungen an, die es geschickt verstehen, die Orientierungslosigkeit der Jugendlichen zu nutzen. Das Vertrauen in deutsche Institutionen nimmt bei diesen Jugendlichen zusehends ab. Vielmehr wählen sie Aggression und Gewalt als Bewältigungsstrategien ihrer Identitätsfindungsprobleme.

Schule und Jugendhilfe könnten in vernetzten Projekten versuchen, das Vertrauen dieser Zielgruppe zurückzugewinnen und ihnen konkrete Hilfen durch Beratungsgespräche anzubieten. Dazu müssen sich Lehrer und Sozialarbeiter gezielt absprechen und über gemeinsame Strategien verständigen, damit sich dem Klienten ein überschaubares Hilfsangebot offenbart. Ziel sollte es sein, den Jugendlichen Orientierungshilfen für ihre Identitätsfindung zu bieten. Je früher diese Hilfen greifen, desto leichter wird es den Jugendlichen fallen, diese anzunehmen. Dazu müßten vor allem türkische Sozialarbeiter involviert werden. Solche Projekte führt u.a. die „Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien“ (RAA) erfolgreich durch23.

(c) Geschlechteridentität - die Geschlechterrollen verschwimmen

Einhergehend mit dem Wertewandel ist die Veränderung der Geschlechteridentität. Frauen sind selbstbewußter gegenüber der Männerwelt geworden und haben sich auch über Interessensverbände sozial besser gleichgestellt. Sie üben heute in Lebensplanung und -praxis allgemein den Spagat für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Demzufolge erheben sie zunehmend den Anspruch, mit den Männern gleichberechtigt an Beruf, Familie und Gesellschaft zu partizipieren. Die traditionelle Männerrolle des Ernährers und Versorgers der Familie befindet sich in der Auflösung.

Diese Entwicklung birgt Chancen und Möglichkeiten der Verwirklichung der Menschenrechte und weltweit durch die UNO unterstütze Manifestierung der Gleichheit der Geschlechter in Staat, Gesellschaft und Religion. Andererseits entstehen Probleme insbesondere in der Identätsfindung von männlichen Jugendlichen24. Die Schul- und Sozialpädagogik haben in gleichem Maße Konzepte zur geschlechtsspezifischen Erziehung entwickelt, d.h. Schule und Jugendhilfe sind in der Lage, auf die spezifischen Bedarfe von Jungen und Mädchen einzugehen. Solche Erziehungskonzepte lassen sich erfahrungsgemäß am effektivsten schulübergreifend realisieren, da die Erziehungsziele nur erreicht werden können, wenn sie zeitlich kontinuierlich im Sozialisationsprozess von Jugendlichen greifen25.

Lehrer und Sozialarbeiter befinden sich in gleicher Weise in der Rolle des Modells, an dem sich die Jugendlichen orientieren und das sie bewußt und unbewußt nachahmen.26 Deshalb kommt ihrem Verhalten im Umgang mit den Schülern eine besondere Bedeutung und Verantwortung zu, die nicht unterschätzt werden sollte.

(d) Sozialisationsintanzen in der modernen Dienstleistungsgesellschaft - die Familie löst sich zugunsten der Peergroups auf

Die traditionell wichtigste Instanz für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, die Kernfamilie, hat sich gravierend verändert. Aus tradionellen Großfamilien sind komplizierte Patchworkfamilienstrukturen entstanden. Damit verbunden ist ein unaufhaltsamer Funktionsverlust der Familie als Sozialisationsinstanz und soziales Refugium. Demzufolge müssen anderen sozialen Instanzen diese Funktionen der Familien übernehmen, vor allem Schule und Jugendhilfe, aber insbesondere die Peergroups der Jugendlichen, in denen sie Geborgenheit und Anerkennung suchen. Vielerorts entwickeln sich diffuse Subkulturen mit bestimmten Ritualen und Merkmalen, die von allen Gruppenmitgliedern befolgt werden müssen, wenn sie dazu gehören wollen. In diesen Subkuluren spielen sich wichtige gruppendynamische Prozesse ab, die für die Sozialisation der einzelnen Jugendlichen von entscheidender Bedeutung sein können. Andere Sozialisations-instanzen, wie z.B. Sportvereine, gewinnen zunehmend an Bedeutung, die den "Kids" wichtige Gruppenerfahrungen, Selbstwert und Geborgenheit anstelle der Familie vermitteln können.

Die neuen Familienkonstellationen verändern die Kindheit für viele Heranwachsende. Die Zahl der alleinerziehenden Mütter steigt stetig und mit ihr der Bedarf an Ganztagsbetreuung. Für ca. 30 % der bundesrepublikanischen Kinder ist es heute Normalität, ohne Vater oder biographisch gesehen mit mehreren Vätern aufzuwachsen. Dies beeinträchtigt vor allem die Sozialisation der männlichen Jugendlichen, denen oftmals ein männliches Modell fehlt. An diese Stelle können Lehrer und Sozialarbeitern treten, um Jungen männliche Identifikationsmerkmale zu vermitteln27.

Pädagogen stellen zunehmend fest, dass immer mehr Kinder familiär vernachlässigt und verwahrlost sind. Gleichzeitig sinkt die Zahl von Kindern in den Familien. Viele Kinder wachsen in Ein-Kind-Familien auf und erleben so eine Familie, in der sie als Kind im Mittelpunkt stehen. Sie müssen nicht mit den Geschwistern teilen und stellen den einzigen Bezugspunkt elterlicher Kinderliebe dar.

Daraus läßt sich ablesen, dass viele Kinder und Jugendliche soziale Kompetenzen, die vor allem in Gruppenzusammenhängen erlernt werden, nicht erlernt haben. Deshalb muss bereits im Kindergarten das Sozialverhalten der Kinder geschult werden. Besonders der Übergang in die Schule und von der Grundschule in die weiterführende Schule berietet vielen Kindern Schwierigkeiten. Hierbei könnten Kontakte zwischen den Schulen und pädagogischen Fachkräften der Kindergärten und Schulsozialarbeitern soziale Härten auffangen28.

Pädagogen beobachten zunehmend, dass die Kinder individualisierte Mechanismen, wie z.B. Computerspielen oder Chaten im Internet beherrschen als soziale Gruppenspiele und Interaktionen. Es ist durchaus zu konstatieren, dass auch diese Computerprogramme soziale Kompetenzen fördern können. Aber die Jugendforschung weist seit Jahren darauf hin, dass das Gruppenverhalten der Kinder und Jugendlichen immer mehr verkümmert. Dies ist vor allem in Hinblick auf zukünftige Arbeitsformen bedenklich, in denen zunehmend Kompetenzen, wie z.B. Teamfähigkeit oder kommunikative Kompetenzen, besonders gefragt sind.

Demzufolge ist es auch ein Auftrag an Schule und Jugendhilfe, das Sozialverhalten der Kinder und Jugendlichen zu fördern und den negativen Folgen der Individualisierung entgegenzusteuern. Des weiteren müssen sie sich den neuen Familienstrukturen anpassen und familiären Aufgaben mit übernehmen, wie z.B. Nachmittagsbetreuung, in der die Kinder und Jugendlichen auch Geborgenheit, menschliche Wärme und Entspannung erfahren sollten. Solche Anforderungen können über integrative flexible Kooperationen von Schule und Jugendhilfe effektiv geleistet werden29.

Die Anforderungen, die die Modernisierung der Gesellschaft an junge Menschen und ihre Erzieher stellt, formulierte Ulrich Beck schon 1983 zutreffend mit: "Die individuelle Existenz war noch nie so wenig individuell autonom zu führen wie heute, wo die Individualisierung am weitesten fortgeschritten ist."30

Junge Menschen werden heute ökonomisch später selbständig, partizipieren anders und stärker am Konsum- und Freizeitbereich. Unsichere Zukunftsperspektiven, wie z.B. die Angst vor Arbeitslosigkeit, spielen heute die zentrale Rolle für Jugendliche31. Deshalb müssen den Jugendlichen über glaubwürdige Instanzen, wie man Schule und offene Jugendarbeit bezeichnen kann, Sinnstrukturen vermittelt werden, die ihnen glaubhaft machen können, dass sie sehr positive Zukunftsperspektiven auf dem Arbeitsmarkt haben, wenn sie sich angemessen qualifizieren.

Hauptsozialisationsinstanz ist mit zunehmendem Alter die Peergroup, in der sich die Jugendlichen aneinander reiben und entscheidende Erfahrungen für ihre psychosoziale Orientierung sammeln. Deshalb ist es äusserst wichtig, dass Schule und Jugendhilfe gezielt Einfluss auf die Peers üben, um den Jugendlichen entscheidende Hilfen mit auf den Weg zu geben. Die Peers bilden sich zumeist im Schulkontext und könnten nachmittags im Umfeld offener Jugendarbeit weiter betreut und begleitet werden. Den Erfahrungshorizont der Jugendlichen kann man sicherlich durch pädagogisch sinnvolle Angebote erlebnisorienteirt erweitern. Diesbezüglich hat die Erlebnispädagogik viele interessante Ansätze entwickelt, die integrativ von Schule und Jugendhilfe umgesetzt werden können. Ein Beispiel dafür ist der 'Mitmach-Parcours zu Aids, Liebe und Sexualität' der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, den ich seit vier Jahren bundesweit begleite. Dieses Präventionsinstrument verbindet erlebnisorientiert schulische und sozialpädago- gische Inhalte und Methoden, die nach meiner Erfahrung Jugendliche in ganz Deutschland faszinieren und begeistern.

Zweifelsohne ist die elterliche und die außerfamiliäre Erziehung der Heranwachsenden aufgrund der bereits beschriebenen Entwicklungen im Rahmen der modernen Dienstleistungsgesellschaft heute ungleich schwerer und komplexer geworden. Allerdings haben sich einhergehend die Elternerwartungen an ihre Kinder grundlegend geändert. Jugendliche unterliegen zunehmend dem Winner-Looser- Prinzip, das vor allem durch die Medien etabliert wird. Man erwartet von den Heranwachsenden Erfolg nach amerikanischem Vorbild. Nur der, der privat und beruflich erfolgreich ist, zählt etwas. Dementsprechend wächst der Druck auf die Jugendlichen von Seiten ihrer Eltern, die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Damit sind viele Jugendliche überfordert. Schulische Probleme sind oft die Folge oder Verhaltensauffälligkeiten, die insbesondere den Schulalltag zum Stress für alle Beteiligten werden lassen. Jugendliche verhalten sich zunehmend respektloser gegenüber den Erziehungsberechtigten und werden darin von ihren Eltern unterstützt, die ihrerseits nicht mehr ausreichen die Daseinskompetenzen vermitteln, die Schule als Fundament zur Schaffung von Fachkompetenzen benötigt. Vielmehr fordern Eltern mehr Genuss und Individualität für sich zu Lasten der gegenseitigen Unterstützung mit Lehrern32.

Die Belastungen von Schule werden heute von allen Beteiligten anders erlebt als noch vor 10 Jahren, da sich die Beurteilungsmasstäbe stetig ändern. Deshalb ist die Intensivierung und Professionalisierung von Elternarbeit immer wichtiger für einen reibungslosen Schulalltag. Hierbei kann die Jugendhilfe die überbelasteten Schulen hilfreich mit ihren Methoden unterstützen33. Außerdem benötigen Lehrer Methoden der Jugendhilfe, wie z.B. Supervision und kollegiale Fachberatung, um den steigenden Anforderungen des Schulalltags gewachsen zu sein. Deshalb wäre ein Methodentransfer von Jugendhilfe z.B. in Form von Weiterbildungsmassnahmen notwendig. Allerdings erfordern diese Methoden auch schulorganisatorische Veränderungen und die Bereitschaft der Lehrer, sich auf diese professionellen Reflexionsangebote einzulassen.

(e) Die moderne Medienlandschaft und ihre sozialen Folgen - im Zeitalter von Big Brother und Internet

Die Bedeutung der Familie für die kindliche Sozialisation werden u.a. auch von den elektronischen Medien zurückgedrängt, deren Einfluss auf den Alltag der Familien stetig zunimmt. Die Programmatik vor allem des Fernsehens orientiert sich an den Gesetzen des freien Marktes, d.h. nicht soziale Verträglichkeit und Förderung der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen steht im Vordergrund, sondern finanzieller Profit. Pädagogen warnen zunehmend vor gewaltverherrlichenden und pornographischen Darstellungen in den Medien, denen nachhaltiger Einfluss auf die Lebenswelt der Jugendlichen innewohnt. Sie fördern soziale Kälte und Aggressionen bei Jugendlichen und erschweren ihre soziale und sexuelle Orientierung im Sozialisationsprozess34.

Des weiteren verleitet die Werbung die "Kids" zu steigender Konsum- und Funorientierung. Dadurch geben Kinder viel mehr Geld aus als ihre Vorgeneration. Die Konsumindustrie hat die Kinder als potente Zielgruppe erschlossen und baut ihre Marktposition auf diesem Sektor weiter aus.

Eine Gegenbewegung durch integrative Konzepte von Schule und Jugendhilfe ist gefordert, zugunsten sozial benachteiligter Jugendliche den Trend aufzuhalten und gezielte Medienerziehung zu realisieren. Überschuldung bei Jugendlichen, vor allem durch den häufigen Handygebrauch, ist ein zunehmendes Problem, dem sich beide Partner kooperativ annehmen müssen, bevor daraus noch größere Probleme wie Jugendkriminalität erwachsen. Die Gewalt- und Kriminalprävention stellt neben der Suchtprävention den wohl wichtigsten Aufgabenbereich in der Primärprävention dar. Dort sollten weitere Kooperationspartner, wie z.B. die Polizei, beteiligt werden, die über mannigfaltige Erfahrung in beiden Bereichen verfügt und eigene Kooperationskonzepte erstellt hat.

Besonders rasant wird die Umwelt der Kinder und Jugendlichen durch die voranschreitende Computer- und Internetpräsenz verändert. Dieses Medium übt eine außerordentliche Faszination auf die Menschen aus, dass bereits jetzt abzusehen ist, dass sich die menschliche Kommunikation und Interaktion zukünftig nachhaltig verändern wird. In Schule und Jugendarbeit können integrative Projekte zur Medienerziehung von Jugendlichen umgesetzt werden. Dies erfolgt z.B. am Gymnasium Laurentianum in Warendorf in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Jugendamt in Form von Theater- und Musicalprojekten.

(f) Die Ökonomisierung der Gesellschaft - das Vorbild USA vermittelt neue Impulse für eine globalisierte Welt

Der Prozess, der seit einigen Jahren in immer schnellerem Tempo fortschreitet, wird allgemein als Globalisierung bezeichnet. Mit ihm geht eine Auflösung traditioneller Arbeits- und Sozialformen einher. Der moderne Mensch muss sich zusehends weiterqualifizieren, um den Anforderungen gewachsen zu sein. Damit verbunden ist auch eine zunehmende Internationalisierung der regionalen Kulturen. Es entwickelt sich mehr und mehr eine multikulturellen Gesellschaft. Die Menschen sind dazu angehalten, sich mit fremden Kulturen und Sprachen vertraut zu machen, um ein friedliches Miteinander zu ermöglichen. Dies erfordert ein hohes Mass an an Flexibilität und sozialer Kompetenzen. Genauso wird der Mensch seinen Alltag mit High-Tech-Geräten organisieren. Die Zukunft gehört also der sog. „Infotainment- gesellschaft“, die für die Verarbeitung von Information und Erfahrung kaum noch Zeit hat35.

Es werden Projekte notwendig sein, in denen sich die verschiedenen Kulturen austauschen und voneinander lernen können. Dies schwere Aufgabe müssen Schule und Jugendhilfe leisten. Ihr Aufgabenspektrum wird sich stetig erweitern. Nur durch methodisch sinnvolle Kooperation lässt sich dieser Auftrag zufriedenstellend bewältigen. Dafür ist der Einsatz moderner Medien notwendig, die zumindest die Schulen in NRW in Zukunft ausreichend zur Verfügung haben werden.

Die Modernisierung der Ökonomie produziert auch zunehmend Verlierer, die nicht in der Lage sind, sich für den Arbeitsmarkt entsprechend zu qualifizieren. Vor allem in Ostdeutschland sind viele Menschen arbeitslos, da ihnen der Arbeitsmarkt keine ihrer Qualifikation entsprechende Arbeitsmöglichkeiten bieten kann. Dem geht eine Ghettoisierung in den Plattenbausiedlungen einher. Dadurch werden die sozialen Probleme noch verstärkt. Aggression, Gewalt, Sucht und psychische Erkrankungen treten vermehrt auf. Gerade in diesen Brennpunkten müssen Schule und Jugendhilfe versuchen, sozial benachteiligte Familien zu entlasten, um ihnen den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Schule allein kann diese komplexen Problemkonstellationen nicht bewältigen, da ihr hierfür das Know-how und das entsprechende Personal fehlt. Ein positives Beispiel dafür ist der Jugendclub in Leinefelde, in dem meine Kommilitonin Annette Große arbeitet.

Ähnliche fatale Arbeitsmarktsituationen gibt es teilweise auch im Ruhrgebiet und in anderen peripheren Wirtschaftsregionen in Deutschland.

Der Einstieg in den Arbeitsmarkt fällt den Jugendlichen zunehmend schwerer, da sich das Arbeitspatzangebot stetig erweitert und unüberschaubarer wird. Sie benötigen Orientierungshilfen für den Übergang von der Schule in das Berufsleben. Hierzu sind Informationsveranstaltungen und Beratungsgespräche notwendig, die den Jugendlichen helfen, einen Überblick in Bezug auf die eigenen Fähigkeiten und Interessen zu bekommen. Dies kann effektiv in der Kooperation von Arbeitsämtern, Berufsverbänden, Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen geleistet werden, wenn sie übergreifende Veranstaltungen und Projekte anbieten. Dies hat meine Freundin beispielsweise im Rahmen ihres Anerkennungsjahres bei der Kreisjugendpflege des Amtes für Kinder, Jugend und Familie des Kreises Warendorf für Hauptschülerinnen aus Freckenhorst in Kooperation mit der Kreishandwerkerschaft und der Hauptschule Freckenhorst durchgeführt.

(g) Die Schattenseiten der Individualisierung: Soziale Ungleichheit im Sozialstaat Deutschland einhergehend mit wachsender Sucht, Gewalt und Kriminalität

Die Einkommensspirale der deutschen Bevölkerung geht heute so weit auseinander wie nie zuvor, d.h. die Unterschiede von Arm und Reich vergrößern sich. Demzufolge nimmt das Phänomen der sozialen Ungleichheit bedenkliche Formen an36. Der Deutsche Kinderschutzbund belegt die fortschreitende Verarmung von Kindern in Deutschland mit folgenden Zahlen: Nach seinen Ausführungen lebt heute jedes siebte Kind, das sind insgesamt 2,2 Millionen, in Armut (ist spezifisch definiert). Rund fünfhunderttausend Kinder leben in unzumutbaren Wohnverhältnissen. Die Anomie, in der sich Heranwachsende aus armen Familienverhältnissen befinden, nimmt stetig zu.

Dies sind soziale Probleme, denen sich Schule und Jugendhilfe stellen müssen. Vor allem in der Schule, wo alle Bevölkerungsschichten aufeinandertreffen, muss der enorme Druck, der auf den Kindern und Jugendlichen lastet, nur mit Markenkleidung anerkannt zu sein, relativiert werden. Dies könnte beispielsweise durch die Wiedereinführung von einheitlicher Schulkleidung passieren. Solche oder ähnliche Ideen können meines Erachtens sinnvoll von der Jugendhilfe mitgetragen werden.

Die Situation an deutschen Schulen und im sozialen Umfeld von Kindern und Jugendlichen wird immer bedrohlicher. Die Gewalt und Aggressionen untereinander und in den Familien nehmen stetig zu. Forcierend wirken hierbei auch die Medien und ungünstige soziale Bedingungen, die die Gesundheit der Kinder schädigen.

Allein mehr als 40 % der 12 - 17jährigen trinken regelmäßig Alkohol.

Suchterkrankungen gehören in Deutschland zum Alltag. Ihre Ausprägung wird immer diffuser. Fast täglich entdecken Forscher neue Suchtformen, die vorher nicht bekannt waren. Auch die steigende Jugendkriminalität alamiert Polizei und Behörden. Deshalb kommen der Prävention in den Bereichen Sucht und Gewalt eine immer wichtigere Rolle zu. Auf europäischer Ebene werden vielfältige Konzepte zur Public Health bzw. Gesundheitspsychologie entwickelt, die in Schule und Jugendhilfe integriert umgesetzt werden sollen. Hauptziel ist es, die Menschen zu gesundheitsbewusstem Handeln und alternativen Lebensformen ohne Gewalt zu bewegen, ohne die Lebensqualität des Einzelnen einzuschränken.

Ein Beispiel für eine effektive Kooperation von Schule und außerschulischer Jugendarbeit ist das Kursangebot der CAJ-Werkstatt Saerbeck37, das zunehmende Beliebtheit von Schulen aus der Region erfährt, da es den Schulunterricht sinnvoll ergänzt und die jeweiligen Lehrer entlastet. Insbesondere der Methodentransfer spielt bei dieser Kooperation eine wichtige Rolle, damit die in der CAJ-Werkstatt durchgeführten Massnahmen nicht Einmalaktionen bleiben, sondern in der Schule weitergeführt werden können, wie z.B. auch das Konfliktlotsenprogramm.

(h) Soziale Umfelder: Von der Natur zur Stadtkultur

Das soziale Umfeld der Jugendlichen wird durch die zunehmende Verstädterung nachhaltig verändert. Bereits über 90% der deutschen Bevölkerung lebt in Ballungsräumen, die durch Umweltbelastungen und rückgängige Freiraum- ressourcen geprägt sind. Die Menschen wachsen oft distanziert von Natur und Ruhe in hektischer Umgebung auf, die durch zunehmende Versiegelung und Stress geprägt ist. Die "Kids" halten sich in ihrer Freizeit in zunehmendem Maße in der Stadt auf anstatt sich auf Grünflächen frei zu bewegen. Ihre Abenteuer erleben sie bei Shopping und nicht mehr auf dem Abenteuerspielplatz. Ihren "Kick" holen sie sich beim S-Bahn-Surfen. Extrem- und Trendsportarten werden im städtischen Raum ausgeübt.

Jugendliche benötigen aber für eine ungestörte Entwicklung auch Ruhe und Entspannung, fern von modernen Mechanismen. Die Erlebnis- und Freizeitpädagogik bietet den Jugendlichen vielseitige Angebote zur Entspannung und Besinnung auf das eigene Ich-Bewußtsein. Solche Methoden lassen sich vor allem integrativ in Schule und Jugendhilfe umsetzen, wie es das Beispiel CAJ-Werkstatt zeigt. Dort werden auch regelmäßig Entspannungsübungen mit Erfolg eingesetzt.

Die Stadtteil- und Gemeinwesenarbeit gewinnt ebenfalls an Bedeutung. Sie will den Jugendlichen zum einen alternative Freizeitangebote anbieten und zum anderen Kategorien wie Heimat und Stadtteilbezug vermitteln. Dies ist besonders wichtig in Bezug auf die soziologischen Komponenten 'Sinn' und 'Identität', insbesondere auch für ausländische Jugendliche.

4.2 Mesoebene - integrative sozialpädagogische Konzepte, die sich den Anforderungen der Zukunft stellen: Ressourcen für die Zukunft?

Meine Ausführungen geben eine sehr pessimistische Darstellung gesellschaftlicher Realitäten wieder. Es soll aber nicht ausser Acht gelassen werden, dass allen o.g. Phänomenen ausserordentliche Ressourcenpotentiale innewohnen, die durch effektives Sozialmanagement sinnvoll ausgeschöpft werden können. Die Entwicklung der modernen Gesellschaft zu einer gloabalisierten multikulturellen Gesellschaft birgt sehr viele Chancen in sich, das Miteinander der Menschen zukünftig zu harmonisieren. Ethnische Vermischungen der deutschen Bevölkerung werden u.a. dazu beitragen. Dafür ist Transparenz der Einwanderungsgesetze und Verständnis und Toleranz für fremde Kulturen notwendig. Das Internet vereinfacht die Vernetzung von sozialpädagogischen Fachkräften und Lehrern und fördert internationale Kontakte. Gremienarbeit über Instanzen, wie z.B. Runde Tische oder Jugendhilfeausschüsse, in denen sich Lehrer und Sozialarbeiter über ihre Praxiserfahrungen austauschen, können wichtige Impulse geben.

Die Soziale Arbeit hat in den letzten Jahren einige Verfahren entwickelt, die nur durch Kooperation effektiv umgesetzt werden können. Zudem kann Schulsozialarbeit als Schnittstelle zwischen den unterschiedlich organisierten Systemen Schule und Jugendhilfe fungieren. Die folgenden Abbildung zeigt eine Übersicht über die zur Zeit in der Praxis realisierten Methoden und Konzepte der Sozialen Arbeit. Jede Methode einzeln vorzustellen würde den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen. Deshalb werde ich nur zu den vier Unterpunkten jeweils Beispiele geben, wie Schule und Jugendhilfe diese Konzepte gemeinsam umsetzen können.

Einige Methoden, wie z.B. die Schulsozialarbeit, arbeiten an den Schnittstellen zwischen den Handlungskonzepten sozialer Arbeit und den Aufgaben und Zielen von Schule und Jugendhilfe, d.h. wohnt ein enormes Potential an Aufgaben und Grenzen ihrer Möglichkeiten inne. Hingegen beschränken sich Einzelmethoden, wie z.B. die außerschulische Jugendbildung, in der ich arbeite, weitestgehend auf die Realisierung eines Handlungskonzeptes und gemeinsamer pädagogischer Ziele beider Institutionen. Die aufgeführten Konzepte stehen nicht jeweils für sich, sondern greifen je Projekt und Maßnahme ineinander. Dazu können alle beteiligten Institutionen beitragen.

Handlungskonzepte und Methoden der Sozialen Arbeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(a) Sozialarbeit in der Schule - Schulsozialarbeit

Die beruflichen und persönlichen Entwicklungschancen für sozial benachteiligte Jugendlichen nehmen eher ab anstatt zuzunehmen. Schule nimmt diesbzgl. eine ambivalente Rolle ein. Einerseits produziert sie durch ihre Organisationsform und das Aufeinandertreffen vieler Kinder unterschiedlichster Herkunft zahlreiche soziale Konflikte und psychsoziale Probleme, andererseits bietet sie vielerlei Ansatzpunkte, Chancenungleichheiten und Störungen zu diagnostizieren und sie gezielt zu bekämpfen. Da diese Probleme aber so vielfältig sind, benötigt die Schule eine Instanz, die als Scharnier zwischen ihr und der Jugendhilfe fungiert - die Schulsozialarbeit. Ihre Aufgabe ist es vor allem, Anwalt der sozial benachteiligten Schüler zu sein in Bezug auf ihre Probleme in den Kontexten Schulalltag, Familie und Übergang ins Berufsleben38. Sie kann die die Schnittmengen von Schule und Jugendhilfe insbesondere in Bezug auf sozialpädagogische Ziele ausloten und Synergieeffekte fördern. Beispielsweise kann sie Hilfsangebote für Schüler anbieten, die Probleme in der Schule haben und aus ihrer Lebenswelt in die Schule mitbringen. Dazu kann sie Fachleute aus der Jugendhilfe zu Rate ziehen oder Einzelfälle z.B. an das Jugendamt weitervermitteln.

Dabei besteht allerdings immer die Gefahr, dass die Schulsozialarbeit entweder von der Schule oder von der Jugendhilfe instrumentalisiert wird. Deshalb sollte sie unbedingt in unabhängiger Trägerschaft geleistet werden, um sich ausreichend von anderen institutionen abgrenzen zu können.

Unabdingbar für ihre Arbeit ist die Kooperation mit anderen Institutionen, wie z.B. Polizei, Jugendamt, Gericht etc.. Eingebettet in sozialräumliche Konzepte lassen sich Anforderungen sozialer Arbeit effektiver umsetzen, da alle beteiligten Institutionen Hand in Hand arbeiten können39. Konzepte wie die multiperspektivische Fallarbeit und das Case Management ermöglichen eine sinnvolle Abstimmung der erforderlichen Maßnahmen auf den Einzelfall.

Da Aufgabenfeld der Schulsozialarbeit ein weites sozialpädagogisches Handlungsfeld umfaßt, gibt es keinen Königsweg, wie sie in die Praxis umgesetzt werden sollte. Demnach kann sie je nach Bedarf, Qualifikation der Mitarbeiter, Leitbild des Trägers etc. z.B. Einzelhilfe für Schüler im Rahmen eines Hilfeplans, erlebnispädagogische Kooperationsprojekte zur Suchtprävention oder Supervision für Lehrer anbieten und durchführen. Demzufolge kann sie Schnittmenge zwischen Schule und Jugendarbeit darstellen und Ressourcen beider Seiten ausschöpfen. In welchen Umfang sie dies zu leisten vermag, hängt jeweils auch vom Handlungsspielraum der Schulsozialarbeiter ab. Methoden, wie z.B. Mediation, werden bereits in den Konfliktlotsenprogrammen erfolgreich realisiert.

Die größten Ressourcenpotentiale für eine Kooperation von Schule und Jugendhilfe sehe ich den Methoden der Sozialen Arbeit, die vernetzt und auf das Umfeld abgestimmt vorgeht und in der Lage ist, vielfältige Hilfangebote zur Verfügung zu stellen. Diese Angebote erweisen sich aber nur als sinnvoll, wenn sie in die Lebenswelt der Jugendlichen eingebunden werden können. D.h. sie sollten nicht nur nach dem Prinzip der Kundenorientierung konzipiert sein, sondern auch nach dem Konzept der Lebensweltorientierung wie es THIERSCH entwickelt hat40. Denn die Jugendlichen setzen sich nur mit Themen adäquat auseinander, die an ihre Lebenswelt angelegt sind. Dies kann ich in meiner Arbeit in der Jugendbildung immer wieder feststellen. Die Lehrer und Sozialarbeiter sollten also eine moderne Sprache sprechen, die die Jugendlichen verstehen und Methoden anwenden, die die Motivation der Kids fördert, z.B. Methoden aus der Erlebnispädagogik.

(b) Außerschulische sozialpädagogische Konzepte

Übergeordnete Konzepte, wie z.B. primärpräventive Ansätze, lassen sich auch außerhalb der Schule realisieren. Der Vorteil liegt darin, dass die Schüler sich abgekoppelt vom Schulalltag intensiv mit sich und ihrer Lebenswelt auseinandersetzen können. Es ist davon auszugehen, dass Präventuionsziele dann effektiver erreicht werden können, wenn Schüler im Laufe ihrer Sozialisation an vielen jeweils ineinandergreifende Projekte teilnehmen. Dies bietet z.B. die CAJWerkstatt an, die sich mit ihrem erlebnispädagogischen Angebot eng an Schulkonzepte orientiert und das Schulangebot sinnvoll ergänzt41.

Die außerschulische Jugendbildung kann sich aus dem Landesjugendplan finanzieren und wird i.d.R. flexibler und billiger als Schulunterricht realisiert. Dies leisten u.a. Studenten, die als freie Mitarbeiter eingesetzt werden. Sie sind nach meinen Erfahrungen motiviert und können aufgrund ihres Alters oftmals besser die Lebenswelt der Jugendlichen begreifen als älteren Lehrer. Zudem werden sie nur für die Kurswochen eingesetzt, d.h. die Personalkosten minimieren sich. Weitere Kosten können über Teilnehmerbeiträge gedeckt werden.

(c) Schulische Konzepte - der Projektunterricht

Insbesondere im Projektunterricht bietet sich eine didaktisch-methodisch Vernetzung von Schule und Jugendhilfe an, da hierdurch wie in kaum einer anderen Methode komplizierte und komplexe psychosoziale Themen aufgearbeitet werden können. Das Paradigma des ganzheitlichen Lernens läßt sich in diesem Rahmen ausgezeichnet umsetzen, wie z.B. in einer integrativen historischen Stadtteil- erkundung42.

(d) Sozialpolitische Gremien: Jugendhilfeausschuss als Impuls

Eine Kooperation verschiedener Partner braucht entsprechende Lobby bei sozialpolitischen Entscheidern, denn nur mit Rückendeckung verantwortlicher kommunaler Institutionen, wie z.B. des Jugendhilfeausschusses, oder anderer Gremien lassen sich vernetzte Projekte und die o.g. Methoden realisieren. Die Erfahrung in vielen Kommunen hat gezeigt, dass es - wenn auch mit einigem Aufwand - möglich ist, viele Kooperationspartner mit ins Boot zu holen. Das sollten die zuständigen Institutionen sein, die i.d.R durch abweichendes Verhalten Jugendlicher eingeschaltet werden müssen. Denn ohne die Einbeziehung dieser Partner könnten keine Absprachen für die Kooperation von Schule und Jugendhilfe getroffen werden, um sich auf eine einheitliche Konzeption zu einigen43. Ohne geneinsame Absprachen arbeiten die Helfer eher gegeneinander als Hand in Hand. Diesbezüglich müssen Zuständigkeiten eindeutig geklärt werden, damit zweckmäßiges Handeln möglich wird.

(d) Öffentlichkeitsarbeit

Soziale Arbeit braucht die Rückendeckung der Bevölkerung in der Kommune. Denn auch Ehrenamtliche, interessierte Bürger und Eltern müssen an den Hilfen beteiligt sein. Sonst würde die Arbeit über ihre Köpfe hinweg organisiert. Ein wichtiger Baustein ist diesbzgl. die Öffentlichkeitsarbeit, die vor allem dann erfolgreich ist, wenn sie über Erfolgsprojekte aus den Schulen berichten kann. Jugendhilfe und Schulen benötigen für eine Kooperation ein positives Image in ihrem sozialräumlichen Kontext über professionelle Öffentlichkeitsarbeit. Dies gilt insbesondere auch für andere Kooperationspartner. Die Presse berichtet immer dann sehr positiv, wenn sie von einem Projekt beeindruckt sind. Lokalreporter sind i.d.R auch daran interessiert, dass etwas Neues und Erfolgreiches in der Kommune passiert. Kooperationsprojekte bekommen immer mehr Aufmerksamkeit als Einzelprojekte. Das weiss ich aus eigener Projekterfahrung in der Sucht- und Aidsprävention. Besondere Aufmerksamkeit bei Journalisten genießt i.d.R. die Polizei oder eine namhafte Organisation, wie z.B. die BZgA.

(e) Ehrenamt

Der Einbezug ehrenamtlicher Helfer in die soziale Arbeit gewinnt zunehmend an Bedeutung und erfordert professionelles Delegieren der Menschen, die sich engagieren möchten. Dies ist vor allem im Rahmen der Elternarbeit sinnvoll, da sich Eltern dann besonders engagieren, wenn es um die Belange ihrer eigenen Sprößlinge geht. Dies ist im Rahmen von Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit ein wichtiger Baustein zur Aufwertung des ehrenamtlichen Engagements, das oftmals an bürokratischen Schranken scheitert.

5. Fazit: Was müssen Schule und Jugendhilfe leisten, um effektiv miteinander kooperien zu können? Zukunftsperspektiven

Ich habe in dieser Arbeit viele Antworten auf die Frage nach der Legitimation der Kooperation von Schule und Jugendhilfe gegeben. In der Praxis gibt es bereits vielfältige Projekte. Beispielsweise der Mitmach-Parcours zu Aids, Liebe & Sexualität - eine Symbiose aus Erlebnisspiel und Ausstellung - der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) Köln, wird seit 1994 bundesweit erfolgreich eingesetzt. Dieses Instrument wird ausschliesslich durch Kooperation von Behörden, freien Trägern der Jugendhilfe und Schulen (ggf. auch Bundeswehr, Polizei, Firmen) realisiert.

Abschliessend werde ich einen Ausblick in die Zukunft wagen. Dafür hat DEINET ein Konzept vorgelegt, das meine Thesen noch einmal zusammenfasst44.

Wichtigste Kooperationsfelder sind nach DEINET Ganztagsangebote, Hilfen zur Erziehung und Kooperationsprojekte zu diversen Themen (z.B. Sucht oder Gewalt). Dafür ist es erforderlich, dass sich die Kooperationspartner in persönlichem Kontakt und Austausch einen Konsens über gemeinsame Ziele und Schnittmengen finden und daraus ein Konzept stricken sollten, dass mithilfe einer zu schaffenden Kooperationsstruktur in die Tat umgesetzt und professionell evaluiert werden sollte.

Die Qualität der Kooperation kann insbesondere durch durch die Benennung fester Ansprechpartner und Beauftragter bei allen beteiligten Institutionen, die gemeinsame Fortbildungen durchlaufen und in gemeinsamen Gremien arbeiten sollten gesichert werden. Dabei sind schriftliche Vereinbarungen unumgänglich.

Die Kooperation sollte vertikal möglichst auf allen relevanten Ebenen durch die entsprechenden Hierarchiestrukturen geleistet werden bis hin zur Länder- und Bundesebene, damit sich Standards flächendeckend durchsetzen können, die für alle Beteiligten verbindlich und zuverlässig sind.

Darüberhinaus wäre es sinnvoll, die schulrechtlichen Bestimmungen zur Kooperation zu verbessern. Dies schließt zeitliche Kapazitäten für Lehrer für Kooperationsaufgaben mit ein.

Meine abschliessende These ist, dass Schule und Jugendhilfe ein großes Potential für gemeinsame Aktionen und Programme besitzen und Synergieeffekte mit Vorteilen für alle Beteiligten nutzen können, wenn sie die o.g. Forderungen erfüllen.

6. Literaturliste

Beck, Ulrich - „Risikogesellschaft“, Frankfurt a. M. 1986

Berghoff, Michael - Praxisbericht im Rahmen des tbs Göttingen, 2000

B ö hnisch, L., Winter,J - Männliche Sozialisation, Weinheim u. München 1993

Deinet, Ulrich - „Sozialräumliche Jugendarbeit“, Opladen 1999

Deinet, Ulrich - „Felder, Stolpersteine und Schritte in der Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule“, in: Unsere Jugend 4/2000, S. 157-165

Deinet, Ulrich - „Stolpersteine und Ebenen der Kooperation“, in: Dokumentation zur Fachtagung „Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe“ 4/2000 des Kreises WAF, S. 3-13

Deutsche Shell (Hrsg.) - „Jugend `97“, die 12. Jugendstudie, Opladen 1997

Galuske, Michael - „Methoden der Sozialen Arbeit“, Weinheim u. München 1999

Gernert, Wolfgang - „Jugendhilfe“, München Basel 1993

Gilles, Christoph - „Zur Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule“, in: Jugendwohl 4/1998, S. 177-183

Gl äß er, Ulrich - „Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe aus schulischer Sicht“, in: Dokumentation zur Fachtagung „Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe am 05.04.2000 des Kreises Warendorf, S. 3-13

G ö bel, Dieter - „Jugendhilfe und Schule - warum müssen sie kooperieren?“ Dokumenation einer Fachtagung der Uni Dresden im Juli 2000, vgl. Http://www.uni-dresden.de, S. 15-23

G ö gercin, S ü leyman - „Jugendsozialarbeit“, Freiburg 1999

Harms, Gerd - "Jugend heute - Herausforderung für Schule und Jugendhilfe" aus: 7. Wittenberger Gespräche "Jugend von morgen", 18. März 2000

Harnach-Beck, Viola - „Zur Interdependenz von schulischer und elterlicher Verantwortung“, in: Jugendwohl 5/1999, S. 213-226

Heitmeyer, M ü ller, Schr ö der - „Verlockender Fundamentalismus“, Frankfurt 1997

Kreft/Mielenz (Hrsg.) - „Wörterbuch Soziale Arbeit“, Weinheim und Basel 1996

N ö rber, Martin - „Kooperation Offene Jugendarbeit und Schule“, in: Unsere Jugend 6/1998, S. 265-273

Nolting, Hans-Peter - Lernfall Aggression, Reinbek 2000

Opaschowski, Horst - „Deutschland 2010 - Wie wir morgen arbeiten und leben“

Hamburg: Germa Press Verlag 2001

Peter ß en, Wilhelm - Kleines Methodenlexikon, München 1999

Schubarth, Wilfried - „Gewalt und Gewaltprävention“, Neuwied 2000

Thimm, Karlheinz - „Schule und Jugendhilfe“, in: Soziale Arbeit 4/99, S. 119-128

Wittstruck, Wilfried - „Freizeit und Schule“, in: forum schule 96, S. 122-128

[...]


1 in Anlehnung an das o.g. Seminar

2 vgl. Thimm 1999, S.120ff.

3 Diese These bezieht sich auf das Seminar „Beratung“ bei Prof. Bissler. Vgl. auch §1 KJHG

4 zitiert nach Glässer 2000, S. 3

5 vgl. Glässer 2000, S. 11

6 vgl. Harnack-Beck 1999, S. 215

7 vgl. Bericht im Magazin DER SPIEGEL vom ??????

8 dies berichten mir häufig Lehrer, mit denen ich u.a. in der CAJ-Werkstatt Saerbeck zusammenarbeitet

9 ich verwende nur die männliche Schreibweise, die weibliche mitdenkend

10 vgl. Harnack-Beck 1999, S. 216

11 vgl. Thimm 1999, S. 122ff

12 vgl. dazu das Internetangebot der Europäischen Union unter www.europaeische-union.de

13 vgl Deinet 1999, S. 17ff.

14 vgl. Gögercin 1999S. 133f.

15 ich beziehe mich in diesem Abschnitt schwerpunktmäßig auf Thimm 1999 und eigene Erkenntnisse

16 vgl. Thimm 1999, S. 218ff.

17 ich beziehe mich in diesem Abschnitt auf die Ausführungen von Deinet in Unsere Jugend 4/2000 und den Vortrag der Fachtagung Warendorf vom 05.04.2000

18 vgl Beck 1986, S. 25ff.

19 vgl. Göbel 2000, S. 17

20 vgl. Opaschowski 2001 S. 16ff.

21 vgl. Praxisbericht von Michael Berghoff, S. 16ff. und die Internetseiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter Http://www.bzga.de

22 vgl. Heitmeyer 1997, S. 15ff.

23 vgl. dazu die Internethomepage der RAA-Hauptstelle Essen unter http://www.raa.de

24 vgl. Böhnisch/Winter 1993, S. 22ff.

25 vgl. Göbel 2000, S. 18f.

26 vgl. Bandura, Lernen am Modell, Stuttgart 1976

27 vgl Göbel 2000, S. 21

28 vgl Gernert, S. 153

29 vgl Gernert, S. 163

30 zitiert nach Göbel 2000, S. 18

31 vgl. 12. Shell Jugendstudie, S. 11ff.

32 vgl. Harnack-Beck 1999, S. 220f.

33 vgl Gernert, S. 173

34 Nolting, S. 100ff.

35 vgl Opaschowski 2001, S. 12ff.

36 vgl Hradil 1999, S. 182ff.

37 vgl Broschüre der CAJ-Werkstatt Saerbeck e.V. „Lust auf Leben“

38 vgl. Gögercin 1999, S. 131ff.

39 vgl Deinet 1999, S. 17ff

40 vgl dazu Galuske, S. 133ff.

41 vgl. Broschüre der CAJ-Werkstatt Saerbeck e.V. „Lust auf Leben“

42 vgl Peterßen, S. 236

43 vgl. Deinet 1999, S. 13ff.

44 vgl. Deinet 2000, S. 12f.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Warum sollten Schule und Jugendhilfe miteinander kooperieren
Veranstaltung
Aufgaben / Methoden lebensweltorientierter handlungskonzepte
Note
1,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
33
Katalognummer
V105602
ISBN (eBook)
9783640038909
Dateigröße
528 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Warum, Schule, Jugendhilfe, Aufgaben, Methoden
Arbeit zitieren
Michael Berghoff (Autor:in), 2001, Warum sollten Schule und Jugendhilfe miteinander kooperieren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105602

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