Inhaltsverzeichnis
1. Biografie
2. Allgemeines zur Novelle und autobiografische Bezüge
3. Personenkonstellation
4. Inhalt des Buches
5. aufgegriffene Themen
6. literarische Einordnung
7. Quellen
1.Biografie
- 6. Juni 1875 Thomas Mann wird in Lübeck geboren
- 1877 wird sein Vater Johann Heinrich Mann zum Lübecker Senator gewählt
- 1882 - 1889 besuchte er eine Lübecker Privatschule
- 1889-1894 Besuch des Realgymnasiums, Beendigung mit Untersekunda, Volontär bei der Süddeutschen Feuerversicherungsbank in München
- 1895-1896 Mitarbeit an der Zeitung „Das Zwanzigste Jahrhundert“ (ultrakonservativ und antisemitisch)
- Oktober - Dezember 1900 Militärdienst bis zur Ausmusterung
- 1904 „Buddenbrooks“ erscheint
- 1904 Verlobung mit Katja Pringsheim 1905 Hochzeit
- Tochter Erika (1905), Sohn Klaus (1906), Sohn Golo (1909)
- 1911 Reise nach Brioni, anschließend zum Lido bei Venedig
- 1914 Abbruch der Beziehung zu Bruder Heinrich
- Tochter Elisabeth, Sohn Michael
- 1922 erstes Bekenntnis zur Deutschen Republik, Versöhnung mit Heinrich
- 1923 Tod der Mutter
- 1929 Nobelpreis für Literatur
- 1933 Übersiedlung in die Schweiz, Ablehnung des Beitritts in Reichsschrifttumskammer
- 1938 offizielle Einwanderung in USA, Professur in Princeton
- 1940 Beginn monatlicher Radiosendungen nach Deutschland
- 1952 Übersiedlung in Schweiz
- 12.August 1955 stirbt er nach langer Krankheit
2.Allgemeines zur Novelle und autobiografische Bezüge
- entstand 1911 (- während seines eigenen Aufenthaltes in Venedig)
- 1912 erschienen
- Werk gibt kurz vor Ausbruch des 1. WK einen Einblick in die „Abendstimmung“ und die Atmosphäre einer zu Ende gehenden Kultur
- Viele symbolische Bedeutungen, mythologische und literarische Anspielungen
- Leitmotivische Verflechtungen und Vorausdeutungen, Rückspiegelungen
- Mann zeigt zum ersten Mal eine profunde Skepsis gegenüber seinen behandelten Themen
- Sollte zunächst ein Buch über Goethes Spätliebe werden, aber während seiner Venedigreise stimmt ihn ein offenbar tief greifendes Erlebnis den alten Goethe-Ulrike-Konflikt zugunsten einer stark autobiografisch geleiteten Fiktion aufzugeben
- Die Handlung und einige Figuren folgen teilweise bis ins Detail seiner eigenen Reise nach Venedig
- Der Vornamen und das äußere Erscheinungsbild sind dem Komponisten Gustav Mahler entliehen, der während Thomas Manns Reise nach Venedig verstorben ist
„ Ursprünglich hatte ich ganz etwas anderes machen wollen. Ich war von dem Wunsche ausgegangen, Goethes Spätliebe zu Ulrike von Levetzow zum Gegenstand meiner Erzählung zu machen, die Entwürdigung eines hochgestiegenen Geistes durch die Leidenschaft für ein reizendes, unschuldiges Stück Leben darzustellen Damals hatte ich es nicht gewagt, die Gestalt Goethes zu beschwören, ich traute mir die Kräfte nicht zu und kam davon ab. Ich schuf mir einen modernen Helden, einen Helden des zarten Typs ..., einen Helden der Schwäche also, der am Rande der Erschöpfung arbeitet und sich das Äußerste abgewinnt, kurz: einen Helden vom Schlage des von mir selbst so getauften Leistungsethikers.“ (- Mann, Autobiografisches)
Ort: München, Lido
Zeit: 2 Monate, etwa vor 1900 um Jahrhundertwende
Sprache: - komplizierter Satzbau - Parataxe - Hypotaxe - viele Fremdwörter - Zitate aus der Literatur - Schachtelsätze - Sätze immer wieder eingeleitet mit „sei es, dass...“ - viele antike Wörter - Substantivierungen
3.Personenkonstellation
Siehe Folie
4. Inhalt des Buches
1. Kapitel FLUCHTDRANG
Gustav von Aschenbach in seiner persönlichen Krise
3 Abschnitte:
-1. geistige Überanstrengung am Schreibtisch, sucht Erholung bei einem längeren Spaziergang, „Nördlicher Friedhof“ Münchens, wartet auf Tram, liest dort allerlei Dinge über den Tod, gerät dabei ins Träumen, „byzantinisches Bauwerk“, „Griechische Kreuze und hieratische Schildereien“ -> könnten Anspielung auf Markusdom in Venedig sein , Friedhof -> Vorausdeutung und Besorgnis, dass Uhr abgelaufen ist und das reise nach Venedig in Tod führen wird
- 2. während er wartet bemerkt er ungewöhnliche Gestalt, genaue Beschreibung des Mannes: mager, bartlos, stumpfnäsig, rothaarig, sommersprossig, trägt Basthut, stützt sich bei gekreuzten Füßen auf einen Stock, fremdländisch, Aschenbach verspürt das Bedürfnis zu reisen, Verlangen nach der ferne, „Reiselust“, Vision von der Urweltwildnis
- 3. bisher hatte sich Aschenbach nur der Literatur gewidmet, seit er älter wurde hat er sich auf München und sein Landhaus im Gebirge beschränkt, sieht seinen schriftstellerischen Auftrag als Dienst an (Vergleichbar mit Soldaten „Kampf“, „Handstreich“, „Angriff“, einerseits liebt er diesen Dienst, andererseits lähmt ihn eine „ Durch nichts mehr zu befriedigende Ungenügsamkeit“, Ungenügsamkeit sieht er als Preis für sein Werk, entscheidet sich dann doch zum Reisen
2. Kapitel LEBEN UND WERK ASCHENBACHS
Mitteilungen zu Person und Werken Aschenbachs
Nachkomme von Offizieren und Beamte, die einfaches Leben geführt haben, seine Mutter brachte Künstlerblut in die Familie
War bereits als Gymnasiast bekannt, 10 Jahre später berühmt, führte Briefwechsel mit Leuten als aller Welt
Breites Publikum ist begeistert von ihm
Führte sein Leben in Zucht und Disziplin, Willensdauer und Zähigkeit, sein Motto war „Durchhalten“
Kommt aus Kreisstadt einer Provinz Schlesiens
War immer sehr fleißig und in seine Arbeit vertieft
Graue zurück gekämmte Haare, die am Scheitel sehr „Gelichtet“ sind, mittelgroß, schlaffes Gesicht
3. Kapitel DIE REISE NACH VENEDIG
längste Kapitel begibt sich zunächst nach Pola und von dort per Schiff nach Triest dort Aufenthalt auf einer Adria-Insel, hat dort allerdings nicht das Gefühl am Ende seiner reise angelangt zu sein, innere Unruhe zieht ihn weiter „Wenn man über Nacht das Unvergleichliche, das märchenhaft Abweichende zu erreichen wünschte, wohin ging man? Was sollte er hier? Er war fehlgegangen...“
besteigt Dampfer nach Venedig, Schaffner meint Venedig sei ein gutes Reiseziel Junge Reisegruppe an Deck, darunter einen übertrieben modisch gekleideten und als Jüngling aufgeputzten alten Mann
In Venedig besteigt Aschenbach eine Sargschwarze Gondel, die „an den Tod selbst, an Bahre und düsteres Begängnis und letzte, schweigsame Fahrt erinnert“, Gondel bringt ihn nicht zur Bahnhofsstation sondern direkt zum Lido, als Aschenbach ausgestiegen ist verschwindet Gondolier auf einmal, genau wie der Mann in München
Auf der ganzen Hinfahrt häufen sich die beunruhigenden Erscheinungen „Glücklich gewähltes Reiseziel“, „Falsche Gemeinschaft“ mit der Jugend, „letzte schweigsame Fahrt
In Halle des Hotels entdeckt Aschenbach zum ersten mal die Polnische Familie, mit einem 14-jährigen Knaben, der „vollkommen schön“ ist, „an griechische Bauwerke edelster Zeit“ erinnert, genaue Beschreibung der polnischen Familie Am nächsten Morgen ist Wetter nicht besser, „fauliger Geruch der Lagune“ Denkt an Beschwerden, die ihn in letzter Zeit in Venedig aufgesucht haben, und erwägt abzureisen,
Pole erinnert in an den griechischen Liebesgott Eros
Nach Frühstück an strand, gibt sich seiner liebe zum Meer hin und sieht wieder den schönen Knaben, was ihn sehr erfreut, Aschenbach erfährt seinen Namen : TADZIO Der Anblick des „schön wie ein zarter Gott“ aus dem Wasser steigendem Knaben gibt ihm „mythische Vorstellungen ein“, denkt, er erkennt etwas „wie Dichterkunde von anfänglichen Zeiten, vom Ursprung der Form und von der Geburt der Götter“ Er interpretiert das Gefühl der Zuneigung Tadzio gegenüber nicht als erotische Faszination, sondern als Wohlgefallen des Künstlers an einem Exempel der Schönheit Fährt dann nach Venedig und bemerkt wieder den fauligen Geruch der Lagune, denkt erneut über Abreise nach, beschließt dies
Luft scheint am nächsten Morgen frischer zu sein und Aschenbach bereut seinen Entschluss, aber es ist bereits alles geregelt, dehnt sein Frühstück so lange aus, bis die zeit ganz knapp wird, sein Gepäck hat er schon einer Gondel mit gegeben, damit es in den Zug gebracht werden konnte, alles nur weil er Tadzio ein letztes Mal sehen wollte
Auf Bahnhof stellt sich heraus, dass sein Gepäck nach Como unterwegs ist (völlig falsche Richtung), ihn ergreift eine „unglaubliche“ Heiterkeit.
Entschließt sich so lange bis sein Gepäck wieder aufgetaucht ist ins Bäder-Hotel zurück zu kehren
Im Hotel erkennt er „Dass ihm um Tadzios willen der abschied so schwer geworden war“ und überlässt sich seiner erotischen Begeisterung
4. Kapitel ASCHENBACHS LIEBE ZU TADZIO
Fülle von Anspielungen auf altgriechische Literatur, Philosophie und Mythologie Aschenbach ist glücklich, sieht polnischen Knaben mehrmals Täglich und kennt bald seine Gestalt und seine Gebärden auswendig
Ihm fallen alte antike Geschichten ein über Phaidros und Sokrates, der diesen belehrt die Schönheit sei „die einzige Form des Geistigen“ „welche wir sinnlich empfangen ... können“, d.h. im Gegensatz zum ‚Wahren’ und ‚Guten’, die Gegenstand des Denkens sind, lässt sich das ‚Schöne’ leibhaftig anschauen, Sokrates spricht auch von den „heißen erschrecken“ , das den Menschen ergreift, „wenn sein Auge ein Gleichnis der ewigen Schönheit erblickt“, so rechtfertigt Aschenbach seine Leidenschaft für Tadzio damit, dass es ein Weg in das Reich des Geistes ist, es ist also nur eine „platonische Liebe“
Beschließt nun seine Arbeit am Strand in Tadzios Gegenwart zu schreiben Aschenbach ist Tadzio vollkommen verfallen, er hätte Tadzio ansprechen könne, tat dies aber nicht, es bleibt beim reinen Blickkontakt
Genießt ab jetzt Urlaubsleben und wendet gewonnen Kraft nicht sofort in Werken an, sondern lässt sie „hochherzig - unwirtschaftlich aufgehen in Rausch und Empfindung“
Gefühle, die damals unterdrückt wurden, kehren jetzt wieder
Die Sehnsucht sei „ein Erzeugnis mangelnder Erkenntnis“, denn Abstand verhindert Kennen lernen, die Liebe wird allerdings durch kein Urteil getrübt Tadzio lächelt ihn ab und zu an - Lächeln des Narziss - griechischer Gott, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt hat (im Wasser)- Andeutung, dass sich Tadzio gar nicht für Aschenbachs Liebe interessiert und diese somit hoffnungslos ist
5. Kapitel DIE CHOLERA IN VENEDIG UND ASCHENBACHS TOD
In seiner 4. Woche in Venedig - Aschenbach nimmt „einige die Außenwelt betreffende unheimliche Wahrnehmungen“ wahr - riecht überall nach Karbol (Desinfektionsmitteln)
Er fühlt, was mit Venedig nicht stimmt und fühlt „dunkle Zufriedenheit“ - verbindet die heimliche Seuche mit seinem eigenen Geheimnis
Aschenbachs Leidenschaft wird zerstörerisch, er folgt Tadzio durch ganze Stadt, er begnügt sich nicht mehr nur noch mit der einzelnen Begegnung Beschreibt in diesem Kapitel die Schönheiten Venedigs unter denen sich die Krankheit verbirgt
Versucht auch in diesem Kapitel sein Verhalten mit antiken Geschichten zu rechtfertigen
Vergleicht seine Tätigkeit mit Kriegsdienst - verhält sich wie viele Soldaten bei denen homoerotische Beziehungen zur soldatischen Kameradschaft gehörten 4 Venezianische Musikanten, vulgäre Melodien, Tadzio hört auch zu ein Musikant besonders keck - mit starkem Karbolgeruch sammelt - Geld ein, Aschenbach fragt ihm nach Übel in Venedig - wird als harmlos dargestellt als Zugabe Schlager mit Lachrefrain (für Sänger Hohn, für Zuhörer Spaß) „Er wies mit dem Finger hinauf, als gäbe es nichts Komischeres als die lachende Gesellschaft dort oben.“
Am Ende bleibt Aschenbach allein mit seinem Granatapfelsaft - Vorausdeutung auf Tod
In britischen Reisebüro erfährt er endgültig von Seuche in Venedig, weist jeden Gedanken an Besonnenheit und Heimkehr zurück - denkt daran Gefahr aufzuklären, aber will sich nicht von Tadzio lösen
Traum von seinem Landhaus, Venedigs Fäulnisgeruch, Tadzio - leistet letzten Widerstand im Traum
Sein altes Wesen bereitet ihm Ekel - kosmetische Verjüngung - Haare gefärbt, geschminkt - Leser wird an falschen Jüngling erinnert, der auf Dampfer war Ein paar tage später hat sich sein Zustand stark verschlechtert Tadzio wird am Strand hart ran genommen - scheint Aschenbach zu winken, erinnert an griechischen Gott Hermes, der die Seelen der Toten in die Unterwelt geleitet
Aschenbach stirbt
6.Aufgegriffene Themen
1. Der „verliebte Alte“
Betagter Mann gibt sich der Leidenschaft zu einem jungen Mann hin - Unüberwindbarkeit des Altersunterschiedes - homoerotische Erfahrung Kontrast zu Tadzios Jugend Rechnet Jugend und Alter aufeinander auf
2. Verfall einer Würde
Mit wachsender Leidenschaft fortschreitender Verfall seiner Würde und Auflösung seiner bisherigen Lebensgewohnheiten
Zunächst bewältigt er seine Arbeiten und Pflichten noch meisterhaft, mit dem Knaben kommt „Ausschweifung“, „Zügellosigkeit“
Würde bewahrt ihn nicht vor Torheit
3. Künstlernovelle
Verfall von Aschenbachs Würde - verpasst Gelegenheit aus Beziehung mit Knaben unproblematische Bekanntschaft zu machen - Erklärung mit dem schwer zu begreifenden Künstlertum
Nicht nur Charakterisierung des Helden als Künstler sondern auch literatur-kritische Kommentare machen es zur Künstlernovelle
4. Motiv der Selbsttäuschung
Aschenbach bezieht sowohl sein Tadzio-Erlebnis wie seine Gedanken zu „allgemeinen Problemen der Form und der Kunst“ auf mythische Bilder und literarische Texte der griechischen Antike
Erklärt seine Gefühle aufgrund wissenschaftlicher Tatsachen
5. Symbolische Hadesfahrt
Leser wird von Anfang an darauf hingewiesen, dass die Reise für Aschenbach im Tod endet
Friedhof in München - Tod
Byzantinisches Bauwerk - Venedig
Wanderer - Reiselust
Figuren die Zeichen von Krankheit und Tod in sich tragen
- Zahlmeister auf Schiff mit gelben, knochigen Fingern erinnert an Charons Nachen (poetisch Boot, Kann), der die Seelen der Verstorbenen über den Unterweltfluss in den Hades fährt
- Alter Jüngling weist ihm das Ende in Würdelosigkeit
- Weitere Charonsfigur : Gondolier „Sie werden bezahlen“ sargschwarze Gondel
- Gitarrist - Karbolgeruch
- Clerk im englischen Reisebüro
- Granatapfelsaft - letztes Getränk vor Tod
7.Literarische Einordnung
- naturalistische Einflüsse: Seuche-Tod-Cholera - präzise Beschreibung der Stadt Venedig und des Lebens am Strand
- Dekadenz: dekadent = Überfeinerung der Lebensverhältnisse (versnobt) - Anzeichen von Verwöhntheit - feine Leute - feine Gesellschaft, die nichtsproduktives macht
- Neuromantik: Liebestod, Verknüpfung von Tod, Schönheit, Liebe, Venedig
- Neuklassik: strenger klassischer Aufbau - anspruchsvolle kompensierte Sprache - Würde uns Strenge in Aschenbachs Charakter
Von Expressionisten wurde der Tod in Venedig abgelehnt, sie tadelten Mann zu seinem Hang zur Repräsentanz.
8.Quellen
Klett Lektürehilfen Thomas Mann „Der Tod in Venedig“ von Eberhard Hermes Beyer Verlag Analysen und Reflexionen von Hans Gehrke und Martin Thunich Reclam Interpretationen Thomas Mann Romane und Erzählungen
- Arbeit zitieren
- Maria Bransdor (Autor:in), 2001, Mann, Thomas - Der Tod in Venedig, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105615