Definition und Anwendung von Ribozymen


Essay, 2001

3 Seiten


Leseprobe


Ribozyme gene therapy: applications for molecular medicine

Alfred S. Lewin and William W. Hauswirth aus: „Trends in Molecular Medicine“ 7/2001 S. 221-227

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ribozyme sind Ribonukleinsäuren mit enzymatisch-katalytisch wirksamen Eigenschaften. Sie sind in der Lage, mRNA nach der Ausschleusung aus dem Nukleus noch vor der Translation zu splicen, also zu zerschneiden, und somit die Translation und die Bildung der auf der jeweiligen mRNA-Sequenz gespeicherten Proteine an Ribosomen zu verhindern. Eine weitere Definition beschreibt die Ribozyme als Ribonukleinsäuren (RNA) zusammengefasst, die in der Lage sind, Phosphodiesterbindungen spezifisch katalytisch zu spalten und zu verknüpfen (Ribozym: aus Ribonukleinsäure und Enzym). Erkenntnisse aus der Untersuchung natürlich vorkommender Ribozyme bilden die Basis zur Entwicklung künstlicher Ribozyme für eine Vielzahl von neuen Anwendungen z.B. in der Biotechnologie und Medizin bis hin zur humanen Gentherapie.

In den heutigen Forschungen zur Gentherapie mit Ribozymen fällt das Augenmerk hauptsächlich auf autosomal-dominante Erberkrankungen. In vielen Fällen von dominanten Ausprägungen von Gendefekten ist die Überaktivation (karzinogene Zellen) oder vermehrte Anhäufung von veränderten Proteinen (neurodegenerative Erkrankungen) das Therapieziel. Ribozyme können daher die Proteinbiosynthese von pathologisch veränderten Genen zu pathologisch veränderten Proteinen verhindern, indem sie die mRNA des Gens funktionslos machen.

Ribozyme werden in vier Gruppen eingeteilt:

1. group-1-Intron
2. ribonuclease P RNA (RNase P)
3. Hammerhead
4. Hairpin

Für die Spaltung der Phosphodiesterbindungen benötigen sämtliche Ribozyme zweiwertige Ionen (Mg++, Ca++) als Cofaktoren.

Zielauswahl

Damit Ribozyme spezifisch agieren können, benötigen sie ein Mittel zur Zielerfassung. Hammerhead, hairpin und group-1-intron werden bedingt durch die Basenpaarung an das RNA-Ziel gebunden.

Anwendung der Ribozyme

Ribozyme haben im Körperflüssigkeiten eine Halbwertzeit von Sekunden, daher ist eine systemische Anwendung nicht ohne weiteres möglich. Durch eine Modifikation des 3' Endes sowie der 2' Position des Pyrimidin läßt sich das Molekül ohne Einschränkung der katalytischen Aktivität stabilisieren und die Halbwertzeit auf Stunden erhöhen. Somit wäre die systemische Anwendung oder die direkte Applikation in einen Tumor möglich.

Die Speicherkapazität für intravenös verabreichte Polynucleotide ist sowohl in der Lunge als auch in der Leber sehr hoch und es kann momentan noch nicht abgeschätzt werden, ob diese Speicherung akut toxisch wirken kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Alternativ zur direkten Applikation versuchen die Forscher, genetische Informationen in menschliche Zellen zu bringen, auf denen die Bildung der Ribozyme codiert ist. Der Einbau dieser Informationen ins Genom erfolgt auf einem Wege ähnlich dem der Viren. Die Übertragung der Informationen per Retroviren (HIV) hat den Nachteil, dass die geringe Größe des Virus lediglich wenig Information zuläßt und nicht auszuschließen ist, dass eine vermehrungsfähige Generation gebildet wird.

Es wurden außerdem virale Umgebungen des Adenovirus-5 verwand, wobei diese Viren unproblematisch in großer Zahl hergestellt werden konnten, die Viren jedoch sowohl die humorale als auch die zelluläre Immunabwehr des menschlichen Organismus provozieren

So gelangte man an das Adeno-assoziierte Virus [AAV], welches die Vorteile des Adenovirus trägt, jedoch keinerlei Immunantwort hervorruft. Zwar können im AAV lediglich genetische Informationen bis zu einer Größe von 4,5 kb untergebracht werden, Ribozyme sind jedoch im allgemeinen nicht sehr groß, so dass der Platz für die unterzubringenden Informationen ausreicht.

Die Konsequenz vieler genetischer Abnormalitäten sind häufig Tumore. Hammerhead-Ribozyme waren in der Forschung sehr effektiv bei der Zerstörung der mRNA karzinogener Zellen. Der Schluss von Zellkulturen auf die Komplexität gesamter Gewebe ist jedoch nicht möglich. Bisher wurden lediglich in Tierversuchen Tumorzellen, die mit Ribozymen vorbehandelt wurden, immunsupprimierten Mäusen verabreicht und dadurch ein weiteres Ausbreiten des Tumors verhindert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es existieren jedoch auch weitere Anwendungen von Ribozymen, die in der fortgeschrittenen Entwicklung stehen. So wurde das Medikament Angiozyme® entwickelt, welches das Endothelwachstum zur Neubildung von Gefäßen unterbindet. Hierdurch verhindert man die Ausbildung einer Gefäßversorgung an Tumoren und schränkt somit das Wachstum eben dieser Tumoren ein. Klinische Studien für dieses Medikament sind bereits im Anlauf, da die Tierversuche bislang positiv ausfielen.

Der zweite große Schwerpunkt in der Forschung ist die Anwendung von Ribozymen, um die direkte Vermehrung von RNA innerhalb von Viren (z.B. HIV 1, Hepatitis C und Hepatitis B) zu verhindern. Diese sind geeignete Ziele, da ihr Genom aus RNA besteht und Ribozyme die Replikation der Viren verhindern können.

Bei Versuchen mit HIV führten jedoch unerwünschte Immunreaktionen zum Abbruch der Versuche.

Die Probleme, die während des Einsatzes der Ribozyme in der Krebsoder Virenbekämpfung auftraten zeigen, dass Ribozyme hier nicht ihren optimalen Einsatz finden. Die Perspektive für Ribozyme in der Gentherapie liegt daher wahrscheinlich in der Therapie von autosomal dominanten Erberkrankungen, die auf der Anhäufung von defekten oder ungeordneten Proteinen beruhen. Viele neurodegenerative, muskuläre, kardiovaskuläre Erkrankungen und Bindegewebserkrankungen stehen in Verbindung mit autosomalen Erberkrankungen. Beispielsweise ist die amyotrophische Lateralsklerose (ALS) häufig in einer Mutation des Gens SOD1 begründet, welches den Cu/Zn Stoffwechsel codiert. Amyloid- ähnliche Ablagerungen oder toxische Eigenschaften eines Proteins führen zum Absterben eines Motoneurons. [siehe Patientenvorstellung Physio]

AAV-gelenkte Ribozyme wurden in Tierversuchen zur Therapie der autosomal dominant vererbten Retinitis pigmentosa (RP) eingesetzt. RP führt bei ca. 1 von 3500 Personen zur Blindheit und beruht auf dem Untergang von Rodopsin-Rezeptor-Zellen der Retina. Ungefähr 25% der RP wird dominant vererbt und der Großteil dieser Fälle steht in Verbindung mit Mutationen des Rhodopsin-Gens.

ADRP (autosomal dominant pigmentosa renititis) ist aus unterschiedlichen Gründen ein optimales Ziel für die Ribozym- Gentherapie. Die Mutationen sind bekannt, das Gewebe ist erreichbar und die zu behandelnden Zellen sind in begrenzter Zahl vorhanden. Die Versuche mit Ribozymen in einer AAV-Umgebung zeigten, dass sich die Zellen in einen genetisch stabilen Zustand überführen lassen konnten, der bei Ratten mehr als 30 Monate überdauerte. Problematisch ist die Tatsache, dass die Krankheit bei Ratten innerhalb eines Jahres abläuft, während sie sich bei Menschen über mehrere Jahrzehnte entwickelt und somit eine Übertragung der Ergebnisse von der Ratte auf den Mensch ohne Weiteres nicht möglich ist.

Die Sehkraft der therapierten Ratten wurde durch die Therapie auch bei fortgeschrittener Symptomatik wieder verbessert. Ein Indiz, dass die Therapie auch bei Menschen im fortgeschrittenen Krankheitsstadium Erfolge zeigen könnte.

Die Schwachstelle dieser Methode beruht darauf, dass viele individuelle Mutationen zu ein und derselben Krankheit führen können. Bei ADRP sind zum Beispiel 100 Rhodopsin-Mutationen bekannt. Ribozyme zu entwickeln und zu testen, um sie für jede individuelle Mutation einsetzen zu können, ist daher nicht möglich. Alternativ wird die „ablate and switch“-Methode in den Vordergrund gestellt, wobei das defekte Gen um ein mittels Ribozymen verabreichtes Gen erweitert wird, welches dann gestärktes Rhodopsin produziert und damit die defekte Form quantitativ verdrängt. Bei dieser Methode existieren zwar ebenfalls viele Fehlerquellen, doch Forscher versuchen diese zu beheben. Sie kann wahrscheinlich noch bei weiteren dominant vererbten Krankheiten eingesetzt werden, deren Phänotypen auf mehreren heterogenen Allelen codiert sind.

Die Gen-Korrektur auf der DNA-Ebene ist das eigentliche Ziel der Gen-Therapie. Wenn ein Gendefekt oder eine Mutation auf dieser Ebene in die natürliche DNA-Sequenz an natürlicher Stelle umgewandelt werden kann, wird die regulierte Ausbildung oder die Insertation von genetisch veränderten Strukturen verschwinden. In der Zwischenzeit jedoch könnten Ribozyme dafür sorgen, dass defekte Gene auf der RNA-Ebene repariert werden oder die Ausprägung herunterreguliert wird, bevor toxische oder kanzerogene Proteine akkumulieren können.

Ende der Leseprobe aus 3 Seiten

Details

Titel
Definition und Anwendung von Ribozymen
Hochschule
Medizinische Hochschule Hannover
Veranstaltung
Biochemie Praktikum
Autor
Jahr
2001
Seiten
3
Katalognummer
V105682
ISBN (eBook)
9783640039685
Dateigröße
1096 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Mit Vorsicht zu genießen, ist nämlich kurz...
Schlagworte
Ribozyme, Biochemie, Praktikum
Arbeit zitieren
Renke Harms (Autor:in), 2001, Definition und Anwendung von Ribozymen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/105682

Kommentare

  • Gast am 17.11.2002

    ...zu spät!hi!
    das ist ja witzig....
    ich glaub ich musste die gleichen schxxxx biochemie-referate schreiben...
    wär echt ne hilfe gewesen (besonders weil mein englisch so prächtig ist...)

    naja..ich finds sehr gut (um längen besser als meins...)
    aber immerhin weiss ich jetzt ne menge über omega-fettsäuren.... mag aber trotzdem noch keinen fisch :-)

    lg antje

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Titel: Definition und Anwendung von Ribozymen



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