Kritische Reflexion der unterstützten Kommunikation. Reflexion des Förderprogramms für Menschen mit geistiger Behinderung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2021

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definitionen
2.1 Definition Kommunikation
2.2 Definition Behinderung
2.3 Definition Beeinträchtigung
2.4 Definition Schwerbehinderung

3. Kommunikation als Grundrecht

4. Unterstütze Kommunikation

5. Kommunikationsformen
5.1 Köpereigene Kommunikationsformen
5.2 Körperferne Kommunikationsformen
5.3 Nicht-elektronische Kommunikationshilfen
5.4 Elektronische Kommunikationshilfen

6. Unterstütze Kommunikation wird aus unterschiedlichen Gründen benötigt
6.1 UK als Ausdrucksmittel
6.2 UK zur Unterstützung des Spracherwebs oder Wiedererwerbs
6.3 UK als Ersatzsprache

7. Auswertung Sinnhaftigkeit der Unterstützten Kommunikation
7.1 Voraussetzungen für das Gelingen der unterstützten Kommunikation
7.2 Vorteile Unterstützte Kommunikation
7.3 Grenzen der UK

8. Praxisbezug und Fazit

1. Einleitung

„Kommunikation ist ein menschliches Grundbedürfnis und subjektiv für Lebensqualität von entscheidender Bedeutung. Sie ist eine wesentliche Bedingung für soziale Partizipation und Selbstbestimmung und zudem eine wichtige Grundlage jeder Entwicklung.“ (Wilken, 2010, S. 1).

Wenn eine Person körperlich, geistig oder seelisch beeinträchtigt ist oder ihr eine (Schwer-)Behinderung droht, hat dieser Mensch ein Recht auf erforderliche Hilfe. „Die Betroffenen erhalten die notwendigen Leistungen, um die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.“ (Bundesamt für Justiz, 2020). Den Menschen wird geholfen, ihren entsprechenden Platz in der Gesellschaft sowie die Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Die sozialrechtlichen Regelungen sind laut des neunten Buches des Sozialgesetzbuches im Jahr 2001 fortentwickelt worden. Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten nach diesem Buch Leistungen, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern und ihren Benachteiligungen entgegenzuwirken (ebd.). Dazu gehören auch Beeinträchtigungen im Bereich der lautsprachlichen Kommunikation. Sprachlich-kommunikative Einschränkungen haben umfangreiche negative Folgen und beeinträchtigen die Lebensqualität der betroffenen Menschen enorm. Es entstehen Probleme wie Missverständnisse, problematische Verhaltensweisen, Frustrationen oder Gefühle wie Isolation (von Tetzchner et al, 2000).

Diese negativen Folgen können durch verschiedene unterstützte Kommunikationsformen vermieden werden. Zu den Methoden der unterstützten Kommunikation gehören körpereigene und körperfremde Kommunikationsmöglichkeiten, welche individuell auf die Person abgestimmt werden, sodass diese sich ebenfalls wirksam mitteilen können (ebd.).

2. Definitionen

2.1 Definition Kommunikation

Bei den inhaltlichen Aspekten der Kommunikation geht es nicht nur um lautsprachliche Äußerungen, sondern um paralinguistisches Verhalten aller Art wie die Körperhaltung, die körperlichen Ausdrucksbewegungen, das Lachen, den Tonfall sowie die Geschwindigkeit der Stimme. Auch Reaktionen wie Schweigen teilen etwas mit und sind innerhalb der Kommunikation zu bewerten (Watzlawick, 2011, S. 58). Ein bekanntes Zitat von Watzlawik lautet: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ (ebd.).

2.2 Definition Behinderung

Die Definition der geistigen Behinderung wird von medizinischen, psychologischen, soziologischen und pädagogischen Kriterien bestimmt und unterscheidet sich in diesen Bereichen stark. Im Sozialgesetzbuch (9. Buch) wird im § 2 Absatz 1 SGB IX aufgeführt, dass Menschen mit Behinderungen Menschen sind, die körperliche, seelische oder geistige Sinnesbeeinträchtigungen haben. Diese Behinderungen stehen hierbei „…in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft…“, sodass diese Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit sechs Monate oder länger an der Teilhabe der Gesellschaft gehindert werden (Bundesamt für Justiz, 2020).

2.3 Definition Beeinträchtigung

Eine Beeinträchtigung liegt nach dem neunten Buch des Sozialgesetzes vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand nicht mit dem für das Lebensalter typischen Zustand übereinstimmt. Menschen sind somit von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung zu erwarten ist (Bundesamt für Justiz, 2020).

2.4 Definition Schwerbehinderung

Menschen sind schwerbehindert, sobald ein Grad der Behinderung von mindestens 50 festgestellt wurde „…und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.“ (Bundesamt für Justiz, 2020)

3. Kommunikation als Grundrecht

Die UN-Behindertenrechtskonvention setzt sich für eine uneingeschränkte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben ein, da Inklusion ein Menschenrecht darstellt. Eines der Ziele der Konvention besteht darin, Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und ihnen die dafür notwendigen Kommunikationsmöglichkeiten zu bieten (Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, 2009).

Auf Grund von angeborenen oder erworbenen Schädigungen sind einige Menschen kaum oder nicht in der Lage, sich sprachlich mit ihrem Umfeld zu verständigen. Mit Hilfe von unterstützter Kommunikation (englisch: Augmentative and Alternative Communication) können diese Menschen eine starke Verbesserung ihrer Verständigungsmöglichkeiten sowie ihrer Lebensqualität erreichen. Dadurch werden Selbstbestimmung sowie Partizipation ermöglicht (ebd.).

In dieser Konvention hat die Bundesrepublik Deutschland beschlossen, dass die Betrachtungsweise auf Behinderung als „Resultat gesellschaftlichen Handelns“ ausgewiesen wird (Bielefeldt, 2009 in Niedieck et al, 2010). Des Weiteren werden in Artikel 2 alternative und ergänzende Kommunikationsformen als Teil der lautsprachlichen Kommunikation angesehen und es werden Gebärdensprachen sowie andere nicht gesprochene Sprachen als Sprachen anerkannt. Die unterstützte Kommunikation wird in dieser Konvention also gleichgestellt mit der gesprochenen Sprache, sodass alle Möglichkeiten der Kommunikation berücksichtigt werden müssen (ebd.).

4. Unterstütze Kommunikation

Der Begriff unterstützte Kommunikation bezieht sich auf alle Formen der Kommunikation für Menschen mit begrenzter, schwer verständlicher oder gar keiner Lautsprache. Durch die alternativen Kommunikationsformen soll die unzureichende Lautsprache der betroffenen Menschen unterstützt werden (Braun, 2008).

Die unterstützte Kommunikation soll allen Menschen eine bedingungslose gesellschaftliche Partizipation ermöglichen und zu einem Kommunikationssystem verhelfen. Die ungenügende Kommunikation soll dabei durch bestimmte Methoden und Formen ergänzt (augmentative) oder ersetzt (alternative) werden (ebd.). „Augmentative“ bedeutet so viel wie Zuwachs der Kommunikationsfähigkeiten und „alternative“ lässt sich als eine Alternative zum Wortlaut übersetzen.

Dorothea Lage beschreibt in ihrem Buch „Unterstützte Kommunikation und Lebenswelt“ verschiedene Ursachen und Bedingungen, welche zu schweren Kommunikationsproblemen führen können. Sie thematisiert „angeborene Schädigungen wie Infantile Cerebralparese1 oder genetische Syndrome“ sowie „erworbene Schädigungen, die durch Unfälle oder Krankheiten“ entstanden sind (Lage, 2006, S. 91). Außerdem können Kommunikationsprobleme durch „fortschreitende Krankheiten wie Muskeldystrophien2, Multiple Sklerose3, Parkinson4“, durch „vorübergehende Krankheitsbilder wie Tracheotomie5, durch schwere Gesichtsverletzungen“, autistische Störungen6, psychische Störungen oder durch Sprachentwicklungs- oder Wahrnehmungsstörungen entstehen (ebd. S. 91-92).

Die unterstützte Kommunikation soll Menschen ohne Lautsprache Chancen verschaffen, sodass eine bessere Verständigung und somit mehr Entwicklungschancen entstehen. Außerdem sollen betroffene Menschen Einflussmöglichkeiten haben, um mehr Lebensqualität zu verspüren. Für diesen Prozess braucht es die Bereitschaft der beeinträchtigten Person sowie der Gesprächspartner, die unterstützte Kommunikation anzunehmen und entsprechend zu nutzen (Kristen, 2000, S. 4).

1 Bewegungsstörungen durch frühkindliche Hirnschädigungen
2 Rückbildung des Muskelgewebes
3 die äußere Schicht der Nervenfasern ist/wird beschädigt
4 „Schüttelerkrankung/Zitterlähmung“, langsamer fortschreitender Verlust von Nervenzellen
5 Luftröhrenschnitt
6 verschiedene tiefgreifende Entwicklungsstörungen

5. Kommunikationsformen

Es gibt verschiedene Methoden, um sich ohne Lautsprache auszudrücken. Die Methoden lassen sich unterteilen in körpereigene und körperferne Kommunikationsformen. (Lüke & Vock, 2019).

5.1 Köpereigene Kommunikationsformen

Körpereigene Kommunikationsformen benötigen keine externen Hilfsmittel, sondern beinhalten Dinge wie Mimik, Gestik, Blicke, Handzeichen oder Gebärden (Lüke & Vock, 2019).

Außerdem werden bei dieser Art der Kommunikation einzelne lautliche Äußerungen und individuelle Zeichen für „Ja“ und „Nein“ verwendet (Kristen, 2000, S. 5). Durch die Körpersprache hat die nicht sprechende Person die Möglichkeit, deutlich ihre seelischen und körperlichen Empfindungen auszudrücken. Zudem werden Gefühle wie z.B. Angst, Abwehr, Wut, Interesse oder Freude veranschaulicht, sodass die Menschen aus dem Umfeld die Befindlichkeiten wahrnehmen und darauf reagieren können. Durch diese Form der Kommunikation wird die beeinträchtigte Person feststellen, dass die Bezugspersonen auf die Äußerungen reagieren und sie so etwas zum Ausdruck bringen können (Pivit, 2003). Die Betroffenen müssen hierbei in hohem Maße gefördert und unterstützt werden, da die Bedürfnisse somit leichter nachvollzogen werden können.

5.2 Körperferne Kommunikationsformen

Im Gegensatz zu der körpereigenen Kommunikation werden bei der körperfernen Kommunikation elektronische oder nichtelektronische Hilfsmittel wie Gegenstände, Fotos, Symboltafeln oder technische Geräte benötigt (Von Tetzchner & Martinsen, 2000, S. 48).

Im Folgenden werden zuerst die nicht-elektronischen Kommunikationshilfen aufgezeigt und danach die elektronischen Hilfsmittel.

5.3 Nicht-elektronische Kommunikationshilfen

Nicht-elektronische Kommunikationshilfen sind Dinge wie Kommunikationstafeln, Bücher oder Poster. Die Kommunikationstafeln werden häufig verwendet und eignen sich als Hilfsmittel für Menschen mit schwer verständlicher Lautsprache, die jedoch grundlegend in der Lage sind, eine Abbildung zu erfassen und eizuordnen (Braun, 1997, S. 6-8). Auf diesen Tafeln werden Symbole oder Fotos abgebildet, mit denen die betroffenen Personen sich auszudrücken können. Neben den Kommunikationstafeln gibt es außerdem Kommunikationsbücher, die mehr Platz für verschiedene Symbole bieten, sodass verschiedene Bereiche wie Essen, Freizeit, Kontaktpersonen sowie Dinge aus dem Bereich der Schule oder der Arbeit abgebildet werden können. Eines der bekanntesten Symbolsysteme ist das Boardmarker-System mit 4500 Dateien von Mayer-Johnson sowie das Metacom-Symbolsystem mit über 2000 Grafiken (Otto et al, 2010, S. 33f.). Als Symbolposter werden Plakate bezeichnet, welche an bestimmten Orten fixiert sind, sodass ein Poster mit bestimmten Themen an dem dafür passenden Ort hängt (Kristen, 2000, S. 7).

5.4 Elektronische Kommunikationshilfen

Die elektronischen Kommunikationshilfen bestehen häufig aus Sprachausgabengeräten wie zum Beispiel dem „BickMack“ oder „Step by step“. Die Sprache wird hierbei entweder von einer Computerstimme gesprochen oder eine Bezugsperson bespricht das jeweilige Gerät mit der eigenen Stimme. Außerdem existieren Geräte, welche sich an Schriftzeichen und Symbolen orientieren, wie beispielsweise Computerprogramme oder der „Talker“ (Sprachausgabegerät) (Hedderich, 2006, S. 58). Zudem gibt es Computersoftwares ohne Sprachausgabe, bei denen der Inhalt auf dem Bildschirm angezeigt wird. Eine wichtige Voraussetzung ist in diesem Zusammenhang die Selektion, welche in direkt und indirekt unterteilt wird. Die Selektion beinhaltet den Zugriff des Benutzers auf die entsprechenden Zeichen. Die direkte Selektion erfolgt durch das Berühren oder Drücken von Tasten oder durch eine andere Form des Zeigens und setzt keine hohen kognitiven Fähigkeiten voraus. Für viele Betroffene mit starken motorischen Beeinträchtigungen ist diese Ansteuerungstechnik jedoch zu komplex, sodass andere Techniken wie „Scanning“ oder „Codierung“ genutzt werden müssen. (ebd., S. 61). Beim „Scanning“ werden die Felder auf dem „Talker“ automatisch nacheinander hervorgehoben (und benannt), sodass der Benutzer nur auf eine einfach zu bedienende Taste drücken muss, um das Feld auszuwählen. Bei der „Codierung“ werden Symbole, welche für bestimmte Mitteilungen stehen vorher durch „Codes“ wie eine vereinbarte Farbe, ein Muster, Zahlen oder ähnliches festgelegt, sodass die betroffene Person einen der „Codes“ auswählt, um sich zu äußern (ebd., S. 49).

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Kritische Reflexion der unterstützten Kommunikation. Reflexion des Förderprogramms für Menschen mit geistiger Behinderung
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
16
Katalognummer
V1059890
ISBN (eBook)
9783346473943
ISBN (Buch)
9783346473950
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kritische, reflexion, unterstützt, kommunikation, förderprogramm, menschen, behinderung
Arbeit zitieren
Franziska Theismann (Autor:in), 2021, Kritische Reflexion der unterstützten Kommunikation. Reflexion des Förderprogramms für Menschen mit geistiger Behinderung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1059890

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