Das Verb. Fachtheoretische Aspekte und Analyse eines Lehrwerkes


Ausarbeitung, 2021

12 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Klassifikation von Verben
2.1 Die semantische Klassifikation und warum das Verb kein „Tu-Wort“ ist
2.2 Die morphologische Klassifikation
2.3 Einordnung des Verbs durch das Lehrwerk

3 Starke und schwache Verben
3.1 Entwicklung der Verbklassen und Relevanz für den Grammatikunterricht
3.2 Die Darstellung starker und schwacher Verben im Lehrwerk

4 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Der persönliche Sprachgebrauch von Heranwachsenden wird maßgebend durch den schulischen Grammatikunterricht geprägt. Aufgrund dessen ergeben sich zahlreiche Anforderungen an diesen. Sprache soll nicht einfach verwendet werden, sondern durch das eigenständige Beschreiben, das Sich-Befassen mit der Komplexität von Sprache und das Erfassen von Regularitäten und Systematiken den SchülerInnen eine Bewusstwerdung ermöglichen. Auf zahlreichen Sprachbeschreibungsebenen wird dem Verb eine besondere Bedeutung zugeschrieben und somit ist es durch Matthias Granzow-Emden (2014) nicht zu Unrecht „als Schlüssel zum grammatischen Verstehen“ (S. 21) beschrieben. Der vorgelegten Arbeit ging eine Präsentation voraus, welche die Betrachtung und Analyse eines Lehrwerksauschnitts zum Zweck hatte. Das analysierte Lehrwerk erarbeitet in der Lerneinheit verschiedene Angelegenheiten rund um das Verb. Die SchülerInnen sollen Verben richtig konjugieren und mit Tempora umgehen können sowie die Unterscheidung starker und schwacher Verben beherrschen. Im Folgenden möchte ich herausfinden, welche Herausforderungen bei der didaktischen Reduktion eines grammatischen Gegenstandes auftreten können und wie daraus entstandene Konflikte und Fehlkonzepte im traditionellen Grammatikunterricht verankert sind. Exemplarisch werde ich dafür die Klassifikation von Verben und die Unterscheidung in starke und schwache Verben genauer betrachten. Die Analyse dieser beiden Aspekte des Lehrwerks, wird durch fachtheoretische Grundlagen erarbeitet und problematisiert.

2 Klassifikation von Verben

Eine grundlegende Anforderung an den Grammatikunterricht ist die sinnvolle Systematisierung des Verbs, damit es in seiner Komplexität begreifbar gemacht und neues Wissen geordnet verarbeitet werden kann. Im Deutschen gibt es zahlreiche Versuche Verben zu kategorisieren und den grammatischen Gegenstand anhand von Kategorien zu strukturieren. Nach Hentschel & Weydt (2003, S. 36) kann die Klassifikation nach inhaltlichen und nach formalen Aspekten erfolgen. Neben den folgenden Ausführungen zur semantischen und morphologischen Klassifikation gibt es weitere nennenswerte Möglichkeiten für die Systematisierung des Verbs. So zum Beispiel die syntaktische Klassifikation. Dabei sind zentrale Aspekte die Rektion, also „die Fähigkeit eines Wortes den Kasus anderer Wörter zu bestimmen, die von ihm abhängig sind“ (Hentschel & Weydt, 2003, S. 56), sowie die Valenz, welche auf das Modell der Dependenzgrammatik zurückgeht und das Binden anderer Elemente an ein Verb beschreibt (Hentschel & Weydt, 2003, S. 58-60).

Für die Betrachtung verschiedener Klassifikationsarten sind Aspekte und Aktionsarten von Bedeutung. Es handelt sich nach Hentschel & Weydt (2003, S. 38) um morphologische und semantische Merkmale, welche für die Charakterisierung von Verlauf, Dauer und Ergebnis einer bestimmten Handlung verantwortlich sind.

2.1 Die semantische Klassifikation und warum das Verb kein „Tu-Wort“ ist

Die in Lehr- und Schulbüchern verbreitetste und allgemein bekannteste Form der Einteilung des Verbs ist die semantische. Die Semantik ist die Lehre vom Inhalt und betrachtet die Beziehungen von sprachlichen Zeichen zwischen Ausdrucks- und Inhaltsseite (Kürschner, 2008, S. 16). Betrachtet man die Definitionen des Verbs verschiedener AutorInnen, begegnet man in vielen Fällen einer Unterteilung in semantische Kategorien. Nach Kürschner (2008) sind Verben „Wörter, die ein Geschehen, das heißt: eine Tätigkeit, einen Vorgang oder einen Zustand, bezeichnen“ (S. 83). Auch Bußmann (2002) schreibt, Verben sind „in der Zeit verlaufende Phänomene: Tätigkeiten, Vorgänge und Zustände“ (S. 731)[I]. Eine besonders geläufige Gruppierung ist die von Brinkmann (1971), er unterscheidet zwischen Handlungsverben, Vorgangsverben und Zustandsverben (S. 198). Der Begriff Handlungsverb wird synonym zu Tätigkeitsverb verwendet und beschreibt die Verwendung des Verbs, um eine intentionale Handlung des Subjekts zu zeigen, welche oft ein bestimmtes Ziel hat (Hentschel & Weydt, 2003, S. 36), zum Beispiel, dass das Subjekt geht, fährt oder spielt. Hingegen wird bei Vorgangsverben wie verwesen, wachsen oder aufblühen ein Vorgang oder Prozess beschrieben, welcher am Subjekt geschieht, die Handlung aber nicht selbstständig ist (Hentschel & Weydt, 2003, S. 37). Die dritte Kategorie ist die der Zustandsverben, bei welchen keine Veränderung beziehungsweise kein Prozess beschrieben wird. Auch diese passieren in der Zeit, erfassen jedoch keine Veränderung am Subjekt (Hentschel & Weydt, 2003, S. 37).

Die bereits erwähnten Aspekte und Aktionsarten sind vor allem in der semantischen Klassifikation des Verbs von Bedeutung. Die Begriffe perfektiv und imperfektiv bilden eines dieser Paare, perfektiv bedeutet die Abgeschlossenheit einer Handlung (Hentschel & Weydt, 2003, S. 38) oder die zeitliche Begrenzung dieser (Kürschner, 2008, S. 83), während imperfektive Verben eine „andauernde, nicht-abgeschlossene Handlung“ (Hentschel & Weydt, 2003, S. 38) bezeichnen sowie keiner zeitlichen Beschränkung unterliegen (Kürschner, 2008, S. 83).

Die semantischen Aspekte perfektiv und imperfektiv sind für eine analytische Tempusbildung relevant. Ausschlaggebend ist dahingehend die Ausführung von Hentschel & Weydt (2003) zur Perfektbildung: „Die Perfektbildung mit haben, erfolgt immer dann, wenn das Verb transitiv und/oder imperfektiv ist. Mit sein wird demgegenüber ein Verb verbunden, wenn es sowohl perfektiv als auch -> intransitiv ist“ (S. 54).

Betrachtet man die semantische Klassifikation, so fällt auf, dass die Unterscheidung in die drei Begriffe Zustand, Handlung und Vorgang durchaus ungenügend ist und bereits Widersprüche bei der Zuordnung von Verben in die Klassen auftreten. Der Übergang zwischen diesen ist fließend und die Frage, ob leben einen Zustand oder einen Vorgang beschreibt, beinahe schon philosophisch (vgl. Hentschel & Weydt, 2003, S. 37).

Weiterhin erhält diese Einteilung nach semantischen Kriterien Kritik durch Matthias Granzow- Emden (2014). Er erklärt, dass von den 25 im Deutschen am häufigsten vorkommenden Verben gerade einmal zehn Verben eine wirkliche Tätigkeit beschreiben und die fünfzehn anderen Verben fünfmal so häufig vorkommen (Granzow-Emden, 2014, S. 23). Unter diesen häufigsten Verben befinden sich beispielsweise sein, werden, haben, müssen. Hinzu kommt, dass nach dieser Klassifikation auch Substantive wie das Laufen oder das Präsentieren als Tätigkeitswort oder „Tu-Wort“ bezeichnet werden können und weitgehend alle Verben als Substantive verwendet werden können (Granzow-Emden, 2014, S. 23f).

Es ist also sinnvoll Abstand von diesem Zugang zu halten, nicht zuletzt, weil Granzow-Emden (2014) das Ziel von Grammatikunterricht, Sprache als System zu betrachten und nicht inhaltliches Erfassen, verfehlt sieht (S. 25).

2.2 Die morphologische Klassifikation

Eine weitere Möglichkeit ist die Gruppierung des Verbs nach morphologischen Kriterien. Dabei steht die Anpassung der äußeren Form von Verben im Mittelpunkt und die damit einhergehende Kennzeichnung verschiedener grammatischer Bestimmungen (Hentschel & Weydt, 2003, S. 46). Bei der sprachwissenschaftlichen Morphologie handelt es sich um die „Formenlehre, d.h. den Teilgebieten der Flexion sowie der Lehre von den Wortarten und ihren Klassifizierungskriterien“ (Bußmann, 2002, S. 450). Dabei stellen die Morpheme die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten dar (Bußmann, 2002, S. 448).

Das Gebiet der Morphologie umfasst auch die Flexion, das heißt „die Veränderung der äußeren Form eines Wortes, durch die syntaktisch-semantischen Bestimmungen wie beispielsweise Numerus, Kasus, Person oder Tempus ausgedrückt werden sollen“ (Hentschel & Weydt, 2003, S. 3). Neben den Formen Deklination und Komparation, ist die Konjugation die für Verben spezifische Form der Flexion (Hentschel & Weydt, 2003, S. 4).

Klassifiziert man Verben nach morphologischen Kriterien spielt die Bildung der Tempora eine wichtige Rolle. Wie im Vorangegangenen beschrieben, sind für die analytische Tempusbildung die Aktionsarten imperfektiv-perfektiv sowie auch transitiv-intransitiv entscheidend. Die analytische Tempusbildung ist charakterisiert durch die Verwendung weiterer Wörter, um grammatische Formen zu bilden und realisiert Perfekt, Plusquamperfekt, Zustandspassiv, Vorgangspassiv und Futur (Hentschel & Weydt, 2003, S. 46).

Ein weiterer zentraler Punkt der morphologischen Klassifikation ist die synthetische Tempusbildung, welche ohne zusätzliche Ergänzungen die Tempora Präsens und Präteritum bildet (Hentschel & Weydt, 2003, 46). Diesbezüglich unterscheidet man unter anderem starke, schwache und unregelmäßige Verben, auf welche ich später näher eingehe.

2.3 Einordnung des Verbs durch das Lehrwerk

Das Lehrwerk Deutschbuch. Sprach- und Lesebuch (2011) soll in der Einheit Rund um das Verb und seine Personalformen (S. 162-166) den SchülerInnen die Gelegenheit geben, ihr Wissen hinsichtlich des Verbs zu erweitern und von anderen Wortarten zu unterscheiden. Dabei folgt die Einheit einem isolierten und systematischen Grammatikunterricht, das heißt die linguistischen Kategorien werden getrennt betrachtet und unterrichtet, dabei werden keinen Verbindungen zwischen den grammatischen Gegenständen aufgezeigt und die Sprachanalyse erfolgt eher formbezogen. Darüber hinaus fällt auf, dass die Lerneinheit einer genauen Vorstrukturierung unterliegt und eng an den Lehrplan gebunden ist beziehungsweise diesem inhaltlich folgt. Das bedeutet auch, dass die Kinder an ein festes sprachliches und allgemeingültiges Sprachsystem herangeführt werden und durch deduktives Vorgehen von der Theorie ausgegangen wird. Die SchülerInnen können dabei nicht die Erfahrung sammeln, an der Aufstellung grammatischer Kategorien beteiligt zu sein und damit eigenaktiv zu lernen und zu entdecken. Dahingehend wäre es besser handlungsorientierter zu arbeiten und die Kinder nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen.

In den Aufgaben 1 und 2 werden die SchülerInnen zwar im Rahmen eines Staffellaufs aktiviert und ebenso erscheint das Lernen in den Gruppen als gewählte Sozialform erst einmal als Stärke des Lehrwerks. Jedoch fällt negativ auf, dass die Kinder vordergründig körperlich aktiviert werden und lediglich die Wörter den Tieren zugeordnet werden müssen, was keiner besonderen kognitiven Leistung bedarf. Ein weiterer Kritikpunkt an Aufgabe 1 und 2 ist die Unklarheit darüber, welches Ziel mit diesen verfolgt werden soll, denn einen Lerneffekt oder eine Erkenntnis ist nicht abzuleiten, da nicht auf den eigentlichen grammatischen Gegenstand, das Verb, eingegangen wird und das Sich-Reimen der Wörter im Vordergrund steht. Verwendet werden dabei lediglich Vollverben, andere wichtige Funktionsklassen fehlen völlig, Hilfsverben oder Modalverben werden in diesen beiden Aufgaben nicht berücksichtigt.

Im Anschluss daran, soll in 3a die Aufgabe der eingesetzten Wörter im Satz bestimmt werden. Die Lösungsmöglichkeiten sind vorgegeben und zielen auf die Erkenntnis „Die Wörter geben an, was jemand tut oder was passiert“ (S. 162) ab. Danach sollen sich die Kinder auf eine passende Bezeichnung für die eingesetzten Wörter einigen. Da lediglich Verben wie wiehern, pfeifen, knurren oder summen eingesetzt wurden, ist die Bezeichnung Tätigkeitswort oder Tu- Wort an dieser Stelle passend, jedoch für die eigentliche Ziele des Grammatikunterrichts unzulänglich.

Das Gremium für schulgrammatische Terminologie schlägt 2019 erneut mit dem Verzeichnis grundlegender grammatischer Fachbegriffe vor, wie bestimmte grammatische Erscheinungen zu bezeichnen sind. Sowohl in diesem Verzeichnis als auch im sächsischen Lehrplan findet keine Empfehlung für die Bezeichnung Tätigkeitswort statt. Dennoch hält das Lehrwerk an diesem Begriff fest und führt ihn noch vor dem Terminus Verb ein, was kritisch zu betrachten ist.

[...]


[I] Anzumerken ist hier, dass Bußmann (2002) in der weiteren Definition auch morphologische Aspekte betrachtet und die Kontroverse in den semantischen Klassifizierungsversuchen aufzeigt.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Das Verb. Fachtheoretische Aspekte und Analyse eines Lehrwerkes
Hochschule
Universität Leipzig
Note
1,7
Autor
Jahr
2021
Seiten
12
Katalognummer
V1060075
ISBN (eBook)
9783346493934
ISBN (Buch)
9783346493941
Sprache
Deutsch
Schlagworte
verb, fachtheoretische, aspekte, analyse, lehrwerkes
Arbeit zitieren
Linda Linke (Autor:in), 2021, Das Verb. Fachtheoretische Aspekte und Analyse eines Lehrwerkes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1060075

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