Schlafen und Träumen


Ausarbeitung, 2001

7 Seiten


Leseprobe


1. Die biologische Uhr und der zirkadiane Rhythmus

Die biologische Uhr

Jedes Lebewesen - also auch Pflanzen und Einzeller - haben eine "biologische Uhr", die viele Körperprozesse in einem bestimmten Rhythmus ablaufen läßt. Diese biologische Uhr beeinflußt unsere Stoffwechselprozesse, unser Wachstum (über die Produktion von Hormonen), und Teile unseres Verhaltens. Auch das Schlafver- halten wird von der biologischen Uhr bestimmt.

Hormone sind Botenstoffe. Sie werden vom K ö rper selbst erzeugt, und zwar ü berwiegend in den Dr ü - sen. Das Hormon Adrenalin bei- spielsweise wird in der Nebenniere gebildet und kann, wenn wir uns in Gefahr befinden, den gesamten Stoffwechsel hochpeitschen. Der Hormonhaushalt ist hochkompli- ziert und regelt sich weitgehend selber. So werden in der Hirnan- hangdr ü se, der Hyphophyse, Hor- mone f ü r die Regulation von Hor- monen hergestellt.

Warum werden wir abends müde?

Die Antwort schien lange Zeit selbstverständlich und auf der Hand zu liegen: wir werden müde, weil es abends dunkel wird. Und es wird deshalb dunkel, weil die Erde sich einmal am Tag um ihre Achse dreht. Man vermutete, daß der Taktgeber für den Schlaf-Wach-Rhythmus äuße- ren Ursprungs sei: nämlich die Periodizität einer Erddre- hung. Heute weiß man, daß der Taktgeber nicht äußerli- cher Natur ist, sondern im Menschen selber liegt, und zwar, wie es scheint, in den Genen. Diesen Taktgeber nennt man "biologische Uhr"1. Und man weiß noch mehr: der Takt, den der Taktgeber vorgibt (oder der Dirigent, um es zu veranschaulichen), wird anders, wenn die äußeren Orientierungen wie "hell" und "dunkel" wegfallen. Wenn das passiert, sucht sich der Dirigent seinen ganz eigenen, persönlichen Rhythmus. Dieser besondere, eigene Rhythmus ist der zirkadiane Rhythmus.

Experimente im Bunker

Der Zirkadiane Rhythmus (lat. circa = ungef ä hr + lat. dies = Tag) ist der Rhyth- mus unserer biologischen Uhr. Wenn er frei und unbeeinflu ß t schwingen kann, be- tr ä gt seine Frequenz ca. 25 Stunden. Im normalen Alltagsleben allerdings wird er haupts ä chlich durch den t ä glichen Tag- und Nachtwechsel auf 24 Stunden "zu- rechtgestutzt".

Als man in den 60er Jahren der Frage nachging, ob der Mensch so etwas wie eine biologische Uhr besitzt, kam man auf die Idee, Versuchspersonen in einem unterirdischen Versuchsbunker über mehrere Wochen von allen äußeren Einflüssen abzuschotten. Dabei wollte man deren Schlaf- und Wachverhalten beobachten.

Durch diese Experimente stellte es sich heraus, daß der natürliche Schlaf- und Wachzyklus, unbeeinflußt von "störenden" äußeren Einflüssen, ungefähr bei 25 Stunden liegt. Diesen 25-stündigen Rhythmus nennt man zirkadian.

Der Jet-Lag und die biologische Uhr

Einen Beweis für die biologische Uhr, den heutzutage jeder an sich ausprobieren kann (oder muß), ist der Jet-Lag. Wenn man weit Richtung Osten oder Westen fliegt, überquert man ver- schiedene Zeitzonen, und man eilt in der Tageszeit vor (Osten) oder zurück (Westen). Darauf kann sich unsere innere Uhr nicht so schnell einstellen, und es dauert meistens einige Tage, ehe der Schlaf-Wach-Zyklus sich den veränderten Verhältnissen angepaßt hat. Wenn wir kei- ne biologische Uhr hätten, w ü rde sich unser Organismus reflexhaft auf die neue Situation einstellen. Das ist aber nicht der Fall. Dabei ist unsere innere Uhr gar nicht einmal unflexibel: weite Seereisen in Ost-West-Richtung verkraftet sie mühelos, es gibt gar keine Anpassungs- probleme. Der Schlaf-Wach-Zyklus bleibt dann synchron mit der Zeitverschiebung, sozusa- gen ortszeitfest. Aber abrupte Zeitverschiebungen kann die biologische Uhr nicht verkraften.

Der Biorhythmus

Der Biorhythmus ist die in- dividuelle Schwingungsfre- quenz des zirkadianen Rhythmus.

Der Mensch hat also eine biologische Uhr, die viele Körperprozesse zeitlich steuert. Die Schwingungsfrequenz dieser Uhr nennt man den zirkadianen Rhythmus. Dieser paßt sich der Erddrehung von 24 Stunden an; nur unter künstlichen Bedingungen wie im Bunker verlängert er sich aus Gründen, die man nicht kennt, auf ca. 25 Stunden. Das gilt für alle Menschen. Nun hat aber jeder Mensch innerhalb dieses zirkadianen Rhythmus ausgeprägte persönliche Unterschiede: der eine neigt zum Frühaufstehen, der andere zum Spätaufstehen. Der eine erreicht hat sein Aktivitätsmaximum früh am Tage, der andere erst am Mittag oder am Nachmittag. Diese individuellen Unterschiede im zirkadianen Rhythmus nennt man den Biorhythmus.

2. Der Schlaf

REM - Schlaf

REM ist die Abk ü rzung von Rapid Eye Movement . W ä hrend des REM-Schlafes bewegt der Mensch un- ter den Augenlidern die Augen relativ h ä ufig und schnell hin und her, etwa genau so, als w ä re man wach. W ä hrend des REM-Schlafes tr ä umt der Mensch. Etwa 20 - 30% des Schlafes besteht aus REM-Schlaf, abh ä ngig vom Lebensalter. Bei S ä uglin- gen betr ä gt der REM-Schlaf-Anteil sogar 50%. Der REM-Schlaf hei ß t auch paradoxer Schlaf, weil die damit verbundene Hirnwellenaktivit ä t einen ganz leichten und flachen Schlaf anzeigt - trotzdem ist der REM-Schlaf sehr tief.

Das Schlaflabor

Der Mechanismus, der unser Schlaf- Wach-Verhalten steuert, ist also unsere biologische Uhr. Aber was bedeutet Schlafen für den Menschen, und was geschieht, wenn der Mensch schläft? Diesen Fragen geht man im Schlaflabor nach. Noch vor 50 Jahren glaubte man, Schlafen bedeute nichts anderes als ein Absinken in geistige Passivität. Und wenn man einen schlafenden Menschen beobachtet, scheint auf den ersten Blick auch nicht viel zu passieren. Erst vor 50 Jahren wurden - mehr zufällig - die REM-Schlaf- Phasen entdeckt. Bis zu diesem Zeitpunkt war nicht bekannt, daß der Mensch vorzugsweise in diesen Schlafphasen träumt.

Heute werden die Versuchspersonen im Schlaflabor rund um die Uhr beobachtet. Dabei werden vor allem das EEG, das EOG und das EMG ausgewertet.

- Das EEG zeichnet die Gehirnwellenaktivität auf. EEG = Elektroencephalogramm (gr. encephalos = Gehirn)

- Das EOG zeichnet die Augenbewegungen auf. EOG = Elektrookulogramm (lat. okulus = Auge)

- Das EMG zeichnet die Stärke des Muskeltonus auf. EMG = Elektromyogramm (gr. myos = Muskel)

Der Muskeltonus (lat. tonus = Spannung) ist die Muskelspan- nung. Der Tonus ist immer da, und sorgt f ü r vieles, was uns selbstverst ä ndlich erscheint, bspw. da ß uns der Kopf gerade auf den Schultern sitzt. Allerdings kann die Tonus-Intensit ä t nach- lassen, z. B., wenn wir m ü de werden. Dann f ä llt der Kopf zur Seite.

Um solche Aufzeichnungen machen zu können, werden die Versuchspersonen von oben bis unten verkabelt. Man sollte meinen, daß das den Schlaf stört. Aber erstaunlicherweise schlafen die Leute unter diesen Bedingungen oft besonders gut.

Die Hirnstromwellen

Es ist vor allem das EEG, welches wichtige Rückschlüsse über das Schlafgeschehen zuläßt. Es ändert sich in ganz charakteristischer Form, je nachdem, wie tief man schläft. Je nach Schlaftiefe unterscheidet man hauptsächlich folgende Gehirnstromwellen:

(Beta) β-Wellen produzieren wir, wenn wir wach und ausgeschlafen sind

(Alpha) α-Wellen treten dann auf, wenn wir entspannt sind und die Augen schließen

(Theta) ϑ-Wellen sind ein Zeichen für den Halbschlaf.

K-Komplexe und Schlafspindeln sind ein sicheres Zeichen von Schlaf

(Delta) δ-Wellen bedeuten Tiefschlaf

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wieviel Schlaf braucht der Mensch?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dafür gibt es keine allgemeinverbindliche Antwort. Das Schlafbedürfnis der Menschen ist individuell und ähnelt - Gauß-Verteilung graphisch dargestellt - der Glocke in einer Gauß- Normalverteilung. Fast alle erwachsenenen Menschen brauchen zwischen 4,5 und 10,5 Stunden Schlaf, wobei der Durchschnitt bei etwa 7,5 Stunden liegt Doch gibt es seltene extreme Abweichungen. Belegt ist der Fall einer englischen Gemeindeschwester, die mit 1 Stunde Schlaf pro Nacht auskam. Noch weniger Schlaf braucht der Leiter eines Londoner Waisenhauses. Er kommt mit 15 Minuten aus.

Menschen, die längere Zeit unter Schlafentzug stehen, berichten manchmal über Halluzinationen, die sich nach etwa 3 Tagen ohne Schlaf einstellen.

In diesem Zusammenhang muß man leider Tierexperimente erwähnen, die gemein und sinn- los sind. Hunde, Katzen und Ratten wurden zu Tode gefoltert, indem man sie permanent am Schlafen hinderte. Dabei stellte es sich heraus, daß ein vormals gesundes Lebewesen elend verendet, wenn man es etwa 10 Tage lang mit Schlafentzug bestraft. Ein Erkenntnisgewinn?

Schlaf bei Tieren

Daß auch andere Säugetiere als der Mensch Schlaf benötigen, haben obige Experimente ja bewiesen. Wie aber sieht es bei anderen Tiergruppen aus? Hier besteht das Problem, den Schlaf zu definieren und zu prüfen. Schließlich kann man nicht allen Tieren (Insekten zum Beispiel) Elektroden ansetzen und deren Gehirnwellen anschauen. Und wenn man es gemacht hat (z. B. bei Fischen), muß man die Gehirnwellen auch interpretieren. Bei Fischen ist das et- wa nicht möglich. Das Fisch-EEG ist nicht mit unserem in Einklang zu bringen. Trotz dieser Schwierigkeiten bei der Schlafbestimmung scheint es so zu sein, daß bis herunter zu den Bie- nen und Fliegen alle Tiere Schlaf benötigen. Dabei paßt sich die Art des Schlafes den Lebens- erfordernissen des jeweiligen Tieres an. Vögel schlafen oft nach Hirnareal getrennt (ein Auge zu, ein Auge auf), um notfalls immer alarmbereit zu sein. Zugvögel können während des Flu- ges schlafen, wenn auch nur sekundenweise. Der Schlaf von Gazellen ist kurz und häufig un- terbrochen, diese Tiere müssen immer auf dem Sprung sein. Der Schlaf von Bären ist fest und dauert lange, ein Bär kann sich das leisten, denn er hat normalerweise keine natürlichen Fein- de. Junge Fliegen scheinen mehr Schlaf zu benötigen als erwachsene Fliegen. An Krokodilen und Seeigeln konnte man bisher überhaupt keine Anzeichen von Schlaf feststellen. Faultiere schlafen fast den ganzen Tag.

Schlafstörungen

- Schlafwandeln

geschieht außerhalb der REM-Phasen. Der Beginn des Schlafwandelns fällt in eine Tiefschlafphase. Der Schlafwandler hat die Augen offen und produziert nun Alpha-Wellen. Die Wahrnehmung ist eingeschränkt, sie reicht aber aus, um - sozusagen unter Umgehung des Bewußtseins - Handlungen auszuführen. Einen Schlafwandler aufzuwecken, ist zwar nicht gefährlich. Allerdings könnte sich der Schlafwandler beim Aufwachen ein wenig erschrecken, weil er sich dann außerhalb des Bettes befindet. Wenn es geht, sollte man den Schlafwandler einfach wieder ins Bett führen, ohne ihn aufzuwecken.

Schlafwandeln tritt relativ häufig bei Kindern und Jugendlichen auf. Bildet sich dann meist zurück. Bei Erwachsenen ist es selten. Es gibt aber Menschen, die dazu neigen.

- Narkolepsie

äußert sich in unkontrollierten Einschlafanfällen während des Tages. Dem plötzlichen Einschlafen - das in jeder beliebigen Situation erfolgen kann - geht eine emotionale Er- regtheit voraus. Solche Menschen dürfen sich also z. B. beim Autofahren möglichst nicht aufregen.

- fatale familiäre Insomnie

hört sich genauso schlimm an wie es ist. Allmählich auftretende Schlafstörungen, die sich zur kompletten Schlaflosigkeit entwickeln. Geht tödlich aus. Vererbbar. Als Ursache vermutet man eine Degeneration eines Teils des Stammhirns.

- Dornröschen-Syndrom

extrem selten. Man schläft eventuell jahrelang (ohne im Koma zu liegen) und wacht dann irgendwann wieder auf. Ursache unbekannt.

- Schlafapnoe

ist gekennzeichnet durch ständige Dauermüdigkeit. Häufige Einschlafattacken tagsüber. Die Kranken sind starke Schnarcher, und darin hat die Krankheit ihre Ursache. Starke Schnarcher erleiden nachts ständige "Mini-Erstickungsanfälle" (bis 400 pro Nacht), und geraten dadurch genauso oft bis an die Wachschwelle. Ein gesunder und erholsamer Schlaf ist so natürlich nicht möglich. Relativ häufige Krankheit, viele Abstufungen in der Schwere (je nach "Schnarchverhalten"); heilbar.

3. Der Traum

REM-Schlaf

Atonie nennt man die sog. Schlaflähmung, die zu Beginn der REM-Schlaf-Phase einsetzt und auch mit dieser wieder aufhört. Die Hemmung des Muskelto- nus erfolgt über das Rückenmark, wobei das eigent- liche Hemmsignal an das Rückenmark wiederum vom Stammhirn kommt. Die Augen sind von dieser Lähmung ausgeschlossen, sie sind mit speziellen Nervenfasern direkt mit dem Stammhirn verbunden. Es kommt vor (ist aber selten), daß diese Lähmung nach dem Aufwachen nicht gelöst wird. So ein Vor- fall ist zwar sehr beängstigend, aber ansonsten unge- fährlich. Die Lähmung löst sich in jedem Fall in ei- nigen Minuten.

Der Mensch träumt vor allem in den REM- Schlaf-Phasen2. Laut EEG nimmt dabei die Schlaftiefe stark ab, und oft zeigen sich so- gar Alpha-Wellen, die ja kennzeichnend für ein entspanntes Wach-Stadium sind. Die Weckschwelle ist aber in diesen Pha- sen noch höher als im Tiefschlaf. Men- schen, die träumen, sind also nur relativ schwer aufzuwecken. Der ganze Körper fällt in eine fast vollständige Lähmung, der Muskeltonus ist minimal (Atonie). Die Augen, die von der Lähmung ausgenommen sind, bewegen sich genauso wie im Wachzu- stand, also sehr häufig und überwiegend von links nach rechts. Puls- und Atemfrequenz kön- nen derartig stark schwanken, als stünde man unter einem starken Schock. Heute weiß man: diese starken Schwankungen sind Ausdruck der emotionalen Anteilnahme, die der Schläfer an seinem Traum nimmt.

Mögliche Gründe für die Atonie

Was würde passieren, wenn man während des Traums keine Schlaflähmung hätte? Wenn man bei Katzen jene Gehirnregion außer Kraft setzt, die für die Blockade der Muskeln während des REM-Schlafes verantwortlich ist, bewegen sie sich während des Schlafes außerordentlich stark, sie fangen imaginäre Mäuse und verteidigen sich gegen Phantom-Tiere. Der Sinn der Muskellähmung ist also offensichtlich: zum einen ist die Verletzungsgefahr groß, wenn man während des Traumes völlig unkontrolliert durch die Gegend springt, zum anderen ist es eine sinnlose Energieverschwendung.

Die Augenbewegungen während des REM-Schlafes bei Blindgeborenen

Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen den Augenbewegungen im REM-Schlaf und der Traumgeschichte: träume ich z. B. von einem Tennisspiel, werden sich meine Augen so bewegen, als folgte ich dem Tennisgeschehen in Wirklichkeit. Blindgeborene, deren Träume nicht von Bildern, sondern von Geräuschen und Tasterfahrungen geprägt werden, zeigen keine Augenbewegungen während der REM-Schlaf-Phase. Oder genauer gesagt: fast keine. Denn auch Blinde zeigen isolierte Einzelaugenbewegungen, die offensichtlich nicht mit dem Traumgeschehen in Verbindung stehen. Diese Bewegungen findet man auch bei sehenden Menschen. Man vermutet, daß diese Bewegungen irgendwie mit dem Prozeß zu tun haben, den das Gehirn führt, um die Traumgeschichte aufzubauen3.

Welche Bedeutung haben Träume?

Sigmund Freud glaubte, daß Träume nichts anderes sind als symbolhaft verschleierte Triebwünsche des Unterbewußten. Freud unterschied zwischen dem latenten und dem manifesten Trauminhalt. Der manifeste Trauminhalt ist dabei die Handlung des Traums, an die man sich erinnert und die man beschreiben kann, z. B. ein wildes Tier, das mich verfolgt. Der latente Trauminhalt wäre die eigentliche Bedeutung des manifesten Trauminhalts. So könnte es sein, daß das wilde, mich verfolgende Tier für den Wunsch steht, mich sexuell unterwerfen zu wollen. Da ich mir diesen Wunsch im Wachzustand nicht zubillige, wird er verdrängt und erscheint in veränderter Form im Traum. Freud glaubte, daß es von großem therapeutischen Nutzen sei, solche latenten Trauminhalte aufzuspüren.

Alfred Adler glaubte nicht an Traumsymbole, die für jeden Menschen gelten. Er sagte, jeder Traum sei genauso hochindividuell wie der Mensch, der ihn träumt. Deshalb könne man nur dann zu einem Traumverständnis kommen, wenn man über die entsprechende Person sehr genau Bescheid weiß.

C.G. Jung glaubte, daß der Mensch im Traum oft diejenigen Seiten seiner Persönlichkeit aus- lebt, die bei ihm im normalen "Tagesgeschäft" unterentwickelt sind oder einfach auch nur zu kurz kommen. Darüberhinaus glaubte Jung auch, daß Träume manchmal eine Art Erinnerung an frühere Entwicklungsstufen der Menschheit darstellen. Er nannte das das "kollektive Un- terbewußte". Wenn ich z. B. träume, auf einem Grillfest getanzt zu haben, könnte es eine im "kollektiven Unterbewußten" gespeicherte Erinnerung an einen uralten Ritus aus der Steinzeit sein, den ich im Traum sozusagen bloß in meine heutige Erlebniswelt übersetze. C.G. Jung glaubte, daß das "kollektive Unterbewußte" eine Reihe von Archetypen bereithält. Das sind Formen, denen der Mensch im Laufe seiner Stammesgeschichte so oft begegnete, daß sie sich ihm "einbrannten" und vererbt wurden. Heute würde man sagen: genetisch fixierte Erfahrun- gen. So ein Archetypus wäre z. B. der Drachen, der in fast allen Kulturen irgendwo auftaucht. Vielleicht ist der Drachen also eine Erinnerung an eine sehr ferne Vorzeit, in der es vielleicht ähnlich bedrohliche Tiere gab.

Heute glaubt man, daß der Traum in seiner Funktion sehr vielschichtig ist. Daß der Mensch Mechanismen der Verdrängung besitzt, ist bekannt, daß verdrängte Bewußtseinsinhalte (Freud) in symbolhafter Form im Traum erscheinen können (aber nicht müssen) gilt als si- cher. Adlers Ansicht, daß jeder Träumer seine ihm eigene, spezifische Traumsymbolik entwi- ckele, ist auch heute nicht von der Hand zu weisen. Bei Jungs Theorie des kollektiven Unter- bewußten ist sich die Fachwelt nicht ganz einig: es gibt nämlich eigentlich keine genetisch fi- xierten Erfahrungen. Andererseits gibt es Phänomene, die gerade dieses nahelegen.

Mit Sicherheit jedenfalls werden im Traum ganze Verhaltensprogramme durchgespielt, die in unseren Instinkten festgelegt sind. Sozusagen als Probe für den Ernstfall. Darüberhinaus scheint der Traum auch eine Art kreative Spielwiese unseres Bewußtsein zu sein, in der Neues ausprobiert und Gelerntes verfestigt wird.

Es besteht die vage Möglichkeit, daß einige Träume prophetischer Natur sein können.

Letztlich können Träume auch einfach nur schön sein, sie tragen dann den Sinn in sich selbst. Bei der Traumerzeugung spielen nichtzufällige Gründe (z. B. ein aufregendes Erlebnis) eine Rolle, aber auch der Zufall ist sehr wichtig, denn die aktuelle Körperbefindlichkeit als auch vielleicht etwaige Umgebungsgeräusche im Schlafzimmer können Einfluß auf das Traumgeschehen haben oder sogar traumgestaltend sein.

Klarträume oder luzide Träume

In Klarträumen hat der Schläfer die Erkenntnis, daß er träumt, und er kann dann aktiv auf das Traumgeschehen Einfluß nehmen. Klarträume sind selten, können aber geübt werden. Das geht so: im Wachzustand wird häufig eine spezielle Geste ausgeführt (z. B. kann man sich ins Ohrläppchen zwicken). Macht man das lange genug, wird man von dieser Geste irgendwann träumen, und das ist genau der Augenblick, wo der Traum anfängt, luzide zu werden, denn dem Träumer wird schlagartig klar, welche Bedeutung diese Geste hat. Die Traumforschung beschäftigt sich mit diesem Thema gerade mit großer Intensität. Eine Erkenntnis, die man daraus schon gewonnen hat: man träumt in Echtzeit, d. h., Traumgeschehnisse nehmen gera- de so viel Zeit in Anspruch, wie sie in Wirklichkeit in Anspruch nähmen.

Literatur

Lavie, P.: Die wundersame Welt des Schlafes. M ü nchen 1999.

v. Ditfurth, H.: Dimensionen des Lebens. M ü nchen 1977.

[...]


1 Man vermutet heute, daß es mehrere getrennt ablaufende biologische Uhren gibt, die verschiedene Körperprozesse regelmäßig steuern. Diese biologischen Uhren werden durch die Erdumdrehung aufeinander abgestimmt und geeicht, so daß sie synchron ablaufen.

2 vor allem, aber nicht nur. Allerdings scheinen Träume außerhalb der REM-Phasen (sog. Non-REM-Träume) eher selten zu sein, und sie sind von anderer "Qualität". REM-Träume sind stets sehr lebendig und der Träumer meist emotional stark beteiligt, Non-REM-Träume sind dagegen eher statisch.

3 Wenn man sich an etwas erinnern möchte, blickt man oft nach oben, oder die Augen bewegen sich so, als suchten sie etwas in weiter Ferne. Achtet mal darauf.

Ende der Leseprobe aus 7 Seiten

Details

Titel
Schlafen und Träumen
Hochschule
Universität Hamburg
Veranstaltung
Seminar Allg. Psychologie I.
Autor
Jahr
2001
Seiten
7
Katalognummer
V106095
ISBN (eBook)
9783640043743
Dateigröße
517 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kurzer und anschaulicher Überblick über das Themengebiet.
Schlagworte
Schlafen, Träumen, Seminar, Allg, Psychologie
Arbeit zitieren
Christian Kubli (Autor:in), 2001, Schlafen und Träumen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106095

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