Gärten und Gartenhäuser im 19. Jahrhundert. Die Auswirkungen des europäischen Blumentrends


Hausarbeit, 2020

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Garten und Gartenhäuser während des Blumenwahns im Europa des 19. Jahrhunderts

In der Kultur des 19. Jahrhunderts spielten Blumen und Gärten eine sehr große Rolle. Schon in Pompeji und im Mittelalter wurden Blumen als Motiv für Buchschmuck verwendet. Nicht nur in der Kunst kam Blumen eine solch große Bedeutung zu, sondern auch in der Kultur, in Ägypten waren Schnittblumen eine beliebte Grabbeigabe. Der Glaube war, sie würden den Toten bei dem Übergang in das Jenseits helfen und böse Geister abhalten. In der Antike und dem Mittelalter waren Blumen ein Symbol für Schönheit und sie wurden mit Frauen verglichen und galten als Luxus. Bei den frühen Christen erweckten Blumen allerdings Misstrauen und galten als Beweis für den Verfall heidnischer Kulturen. In der Renaissance kam Blumen eine eher praktische Rolle zu, denn sie wurden verwendet, um unangenehme Gerüche zu überdecken, in diesem Zusammenhang entstand auch die Tradition des Brautstraußes, der den strengen Weihrauchgeruch der Kirche überdecken sollte. In der Zeit des Barock wurden Schnittblumen zum Sinnbild für Lebenskraft. Während die Blumenvielfalt in Haus und Garten im 18. Jahrhundert zunächst nur für den Adel bestimmt waren, konnte sich im 19. Jahrhundert nun auch das Bürgertum die Pflanzen leisten. Die Kolonialisierung brachte viele neue Blumenarten nach Europa und die Industrialisierung machte günstigere Gartenhäuser und Vasen möglich. Der Blumenstrauß galt nun nicht mehr nur als Geschenk, sondern wurde auch zu einem Dekorationsobjekt.

Neue Pflanzenarten, auf Expeditionen entdeckt und nach Europa gebracht, mussten allerdings artgerecht untergebracht werden. In dem regnerischen Klima in England konnten diese tropischen Pflanzen nicht überleben, ein klimatisierter Raum musste gebaut werden. Ein beheiztes Gewächshaus und Wintergarten entstand, eine Neuheit, allerdings keine neue Idee. Erste Erwähnungen eines Gewächshauses gehen auf das erste Jahrhundert nach Christus zurück, Aufzeichnungen von Lucius Columella, einem römischen Schriftsteller beschreiben den Anbau von Pflanzen in Behältern auf Rädern, um sie im Winter oder bei Nacht in ein Gewächshaus zu bringen und er empfiehlt die Aufbewahrung unter Glasscheiben. Die lichtdurchlässige Konstruktion bietet eine geschützte und kontrollierte Atmosphäre für Pflanzen. Der europäische Kolonialismus führte die Weiterentwicklung der Konstruktion an und der Wunsch nach tropischen und exotischen Pflanzen im eigenen Haus und Garten zu haben wurde immer größer. Um diesem Wunsch besser nachkommen zu können wurde in den 1830er Jahren ein transportables Miniaturgewächshaus konstruiert, mit dem der Transport neuer Pflanzen nach Europa erleichtert wurde. Doch die Anfänge des Treibhauses liegen schon in Rom und Ägypten, auch sie wussten, dass Sonnenlicht, welches durch Glas scheint, mehr Wärme abgibt. Sie nutzten Glas oder lichtdurchlässige Abdeckungen, um Gurken und Wein zu treiben. Später wurde in Europa, im Mittelalter, das Fensterglas bekannt und ab 1700 das Tafelglas. Im 19. Jahrhundert kam die Verwendung von Gusseisenteilen hinzu, die eine normierte Bauweise ermöglichten. Diese war jedoch zunächst zu teuer für das Bürgertum und daher nur dem Adel vorbehalten. Die Beliebtheit des Gartenhauses hielt an bis in die 1930er Jahre viel jedoch dann ab, kam erst vierzig Jahre später wieder in Mode und wurde in den 80ern zu einem regelrechten Wahn. Die viktorianischen Gärten demonstrierten Macht, Geld und Weisheit, oftmals waren es Themengärten mit exotischen Pflanzen in Mustern angepflanzt und tiefergelegte Gartenhäuser fanden ihren Platz im heimischen Garten.

Bekannt für seine Gärten und Treibhäuser war Max Kolb, ein deutscher Gartenarchitekt und Gartenkünstler, einer der bekanntesten und gefragtesten in Europa im 19. Jahrhundert. Unter anderem war er der Hofgärtner in Sanssouci im Jahr 1851 und arbeitete im Botanischen Garten Berlin, Gent und Paris. Unter ihm entstanden die Gartenanlagen für die Weltausstellung 1855 und er bekam die Leitung des Botanischen Garten München durch seine Bekanntschaft mit König Maximilian II.. Dort entstanden nun Gewächshäuser aus Glas- Stahlkonstruktionen und ein Palmenhaus in diesem Garten. Das Palmenhaus war eines der höchsten Europas, denn es beherbergte die höchste Palme in Europa. Er bekam hohes Ansehen mit seinen Garten- und Landschaftsgestaltungen in einem gemischten Stil. In München bekam er auch die Oberleitung der städtischen Anlagen, um die Stadt grüner zu gestalten.

Ein Paradebeispiel für prunkvolle Gärten sind die Bauten, die von Ludwig II. in Auftrag gegeben wurden. Ludwig II., geboren am 25. August 1845, war für zwölf Jahre König von Bayern, schon mit 18 Jahren wurde er gekrönt, nach seiner eigenen Aussage viel zu früh, denn er hatte keinerlei politische Erfahrung. Schnell bildete sich ein Mythos um den König, der bis heute in vielen Teilen anhält. Seine berühmten Schlösser, vor allem Schloss Neuschwanstein, sollten zu seiner Zeit nicht von jemand anderem als ihm selbst und ein paar ausgewählter Vertrauter betreten werden, heute werden sie von Touristen aus ganzer Welt betreten und bewundert. Ludwig und sein Bruder Otto wurden streng und pflichtbetonend erzogen, allerdings hatte Ludwig von klein auf eine starke Fantasie und einen Hang zur Vereinzelung. Unter seiner Herrschaft besiegte Preußen Österreich und Bayern im Jahr 1866,

woraufhin Bayern von Preußen außenpolitisch abhängig wurde. Er holte Wagner nach München und machte die Stadt zur Musikhauptstadt Europas. Ludwig war durchdrungen von der Idee eines heiligen Königtums unter Gottes Gnaden. Er hatte jedoch nur einen geringen Spielraum in seinen politischen Entscheidungen, was möglicherweise ein weiterer Faktor war, weshalb Ludwig sich eine eigene Realität errichtete. Im Jahr 1875 fing er an am Tag zu schlafen und in der Nacht zu leben, seine Gegenwelt wurde mehr und mehr epochenübergreifend, seine Bauten wurden in unterschiedlichen Stilen konstruiert. Ludwig II. ließ sich fantastische Kutschen bauen, in denen er sich nachts fortbewegte, oft verkleidet im historischen Kostüm. Immer öfter hielt er sich in den Bergen statt in München auf und identifizierte sich mehr und mehr mit Parzival, der mittelalterlichen Sagengestalt, die durch Reinheit und Glauben zum Gralskönig wurde. Dies führte zu einem inneren Kampf Ludwigs um Sündenfreiheit und Reinheit. Seine Fantasie konnte jedoch nicht lang finanziert werden und Ludwig wurde 1886 für unmündig erklärt und abgesetzt, woraufhin er in Schloss Berg interniert wurde. Nur einen Tag nach seiner Internierung verstarben Ludwig und sein Psychiater unter, bis heute, unbekannten Umständen im Starnberger See.

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Abb. 1: „Porträt König Ludwigs II.“, Wilhelm Tauber, 1864, Öl auf Leinwand

Seine Fantasie, seine Vorliebe für Theater, Poesie und Märchen, aber vor allem seine Schlösser machten ihn als Märchenkönig bekannt. Das bekannteste Schloss ist natürlich Neuschwanstein, ab 1869 im Stil alter deutscher Ritterburgen errichtet, in einer Architektur im Stil der Romantik des 13. Jahrhunderts. Die Wandmalereien sind Themenwelten Wagnerscher Musikdramen nachempfunden, der Sängersaal ist nach dem Vorbild des Festsaals der Wartburg gebaut. Ludwig kam bei der Planung des Thronsaals in Kritik, da er die Vorstellung von einem Königreich unter Gottes Gnade symbolisierte. Ludwig lebte jedoch nicht mehr lang genug, um die Fertigstellung des Schlosses zu erleben. Nach französischem Vorbild ließ Ludwig das Schloss Herrenchiemsee, mitten im Chiemsee bauen, dessen Höhepunkt das Prunktreppenhaus und der Spiegelsaal sind, auch hier starb Ludwig bevor der Schlossbau beendet werden konnte. Das Königshaus am Schachen diente für Aufenthalte in den Bergen, von außen eher unscheinbar, war es innen farbenfroh, orientalisch eingerichtet und war in der Nähe der Botanischen Gärten München.

Sein Lieblingsschloss war allerdings Schloss Linderhof mit einem großen Schlosspark und -garten. Der Park ist ein Nachbau der Schloss- und Gartenanlage von Versailles und wurde von dem Gartenarchitekten Carl von Effner entworfen. Carl von Effner war ein Talent für farbenprächtige, dekorative, effektvolle Gartenszenen, er bekam zur Belohnung für den Bau der Gartenanlage von Lindenhof den persönlichen Adel. Die Realisierung des Baus war jedoch zunächst schwierig, denn der erste Entwurf war zu groß für das enge Tal. Ludwigs Vater hatte zuvor ein Jagdhaus dort bauen lassen, durch mehrere Ausflüge kannte Ludwig das Gebiet gut und ließ das Jagdhaus später renovieren und erweitern. Die zuvor geplante Versailles-Anlage wurde aufgrund des geringen Platzes auf die Insel im Chiemsee verlagert. Das geplante „Königshäuschen“ wurde um 300 m versetzt, was die Realisierung des Gartens möglich machte. Vor dem Speisesaal wurde ein großes Wasserbecken mit einer 25 m hohen Fontäne platziert, vor dem Schlafzimmer im Nordtrakt wurde das ansteigende Gelände für den Bau einer Kaskade genutzt. Über 30 Marmorstufen fließt Wasser hinunter zu einem

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Abb.2: Foto Schloss Linderhof

Neptunbrunnen, der den unteren Abschluss der Kaskade bildet, während ein Musikpavillon den oberen Abschluss bildet. Der landschaftliche Park grenzt an den Tannen-Buchen-Bergwald. Ludwig ließ sich auch eine farbig ausgeleuchtete künstliche Grotte und einen Maurischen Kiosk bauen. Ludwig forderte die schnellstmögliche Fertigstellung, es wurde eine Rollbahn installiert, um das Baumaterial schneller transportieren zu können. Es waren teilweise 180 Arbeiter auf der Baustelle und der Park konnte 1880 fertiggestellt werden. Mit den barockisierenden Patteres, der renaissancehaften Terrassenanlage und dem Park mit Ursprüngen in England wurde die Anlage zum Musterbeispiel der Gartenkunst.

Neben all diesen Bauten war der Wintergarten auf dem Dach der Münchener Residenz ein besonderer Beweis für Ludwigs Fantasie und, wie von manchen Kritikern behauptet, seinen Größenwahn. Dieser Bau galt als Wunderwerk der Technik und wurde über den Festsaal gebaut. Das Flachdachgelände war an die Dachgeschosswohnung des Königs angeschlossen und hatte Glaspaläste in London und Paris als Vorbilder, denn die neuartige Eisen-Glas-Konstruktion der Palmenhäuser und tropischen Gärten waren neu im 19. Jahrhundert, die beiden Paläste konnten auf den Weltausstellungen 1851 und 1867 besucht werden. Auf dem Dach des Gebäudes war zuvor schon ein Wintergarten, den Ludwigs Vater 1851 an der Südostecke der Residenz bauen ließ. Für Ludwig war dieser allerdings zu weit entfernt, weshalb er einen neuen Garten an der Nordwestseite bauen ließ, allerdings blieb der Garten seines Vaters bis 1924 bestehen. Erste Pläne, von einem kleineren Pavillon mit 30 Quadratmetern, waren Ludwig zu klein, dies wurde ihm jedoch erst nach der Fertigstellung klar. Neue Pläne entstanden nach seinem Besuch auf der Weltausstellung in Paris 1867, diese wurden von dem Hofbaudirektor Edouard Riedel verwirklicht. Der neue Wintergarten war nun deutlich größer, statt 30 waren es nun 1300 Quadratmeter, ein 13 m tiefer Querflügel mit einem Unterbau auf dem Kaiserhof musste gebaut werden, um die Baute zu tragen. Die Überdachung wurde aus Glas und Eisen, ganz nach dem Vorbild London und Paris, gebaut, halbrund, bis zu neun Meter hoch und freitragend. Durch die freitragende Konstruktion waren keine Säulen nötig und die Illusion eines Dschungels konnte aufrecht gehalten werden.

Der Pavillon nach ersten Plänen wurde nach Berg verbracht. Der Innenraum des Wintergartens glich einem indischen Dschungel, ein dichtes Arrangement exotischer Pflanzen, darunter Bananenstauden, Agaven, Orchideen, Lianen und Kakteen. Ein Bach stürzte über eine künstliche Felswand mit einer Tropfsteingrotte, der Bach führte quer durch den Garten und speiste in einen künstlichen See. Viele, sich windende, Wege führten durch die Pflanzenvielfalt, über Brücken und durch einen vergoldeten Laubengang, vorbei an einem Maurischen Kiosk, einer Fischerhütte aus Binsenrohr und einem blauseidenem indischen Fürstenzelt. Neben vielen Pflanzenarten waren auch Tiere in Ludwigs Garten. In seinen Plänen hatte er den Wunsch nach Gazellen und einem lebendigen Elefanten, er wurde jedoch von seinem Gartenarchitekten davon überzeugt, dass ein Elefant doch zu groß für den Garten auf dem Dach eines Gebäudes gewesen wäre. Auch wenn kein Elefant seinen Wintergarten schmückte, waren Schwäne, Pfauen, Goldfische und Papageien vorzufinden. Technisch war die Konstruktion ein wahres Wunderwerk, die großen Räumlichkeiten wurden beheizt durch eine Kanalheizung, eine Dampfmaschine pumpte Frischwasser hoch, welches von unten beleuchtet war und durch eine Wellenmaschine in Bewegung gebracht wurde, um die Illusion eines echten Dschungels zu gewähren. Zutritt hatte nur ausgewähltes Personal und enge Freunde des Königs, er baute diese Prachtbauten für sich und seine Illusion, weniger um andere zu beeindrucken und seinen Wohlstand nach außen zu tragen. Das inszenierte Stimmungsbild hatte Inspirationen aus den Märchen 1001 Nacht und Reiseberichten von Expeditionen. Am Ende des Gartens war ein gemalter Theaterprospekt mit dem Gipfel des Himalaya, dieser Prospekt war austauschbar und konnte unterschiedlich beleuchtet werden.

Eine Ansichtskarte von 1900 zeigt ein Bild von Ludwig in seinem Garten, in einem ungewöhnlichen Moment. Das schwarz-weiße Motiv zeigt genau die Glasdach-Konstruktion und die Pflanzenvielfalt, mit Palmen, die fast bis an das Dach reichen. Es ist der künstliche Bach, der in den See übergeht zu sehen, auch ein kleines Boot im Hintergrund ist zu erkennen. Ludwig steht auf der rechten Seite des Bildes, neben dem Bach, in einem alltäglichen schwarzen Anzug und weißem Hemd. Er hat einen leichten Bart und seine dunklen Haare sind kurz geschnitten. Sein rechter Arm hängt locker an der Seite runter, er hält eine Papierrolle in seiner Hand. Die linke Hand hält er hinter seinem Rücken, diese Haltung kommt fast gestellt und speziell für ein Bild posiert vor. Ludwig dreht seinen Rücken zu dem See und der unüblichen Situation. Ein Bediensteter versucht eine Frau, mithilfe eines Seils, aus dem See zu ziehen. Die Frau im schwarzen Gewand und mit durchnässten Haaren hält sich fest an dem Seil fest und der Bedienstete, in weißer Hose und Hemd und mit dunklen Stiefeln und Jacke, bemüht sich der Dame zu helfen. Das Motiv entspringt einer Geschichte über Ludwigs Wintergarten, von denen es viele gab. Der König ließ häufiger Schauspieler der Hofbühne oder Sänger kommen, so auch die Wagner-Sängerin Josephine Schefzky, die für Ludwig geschwärmt haben soll. Ludwig lud sie zu sich in den Garten ein, er schätzte wohl ihr Talent sehr. Josephine soll sich nach ihrem Vortrag selbst in den künstlichen See gestürzt haben, in der Hoffnung von dem König gerettet zu werden. Diese Hoffnung ging jedoch nicht auf, der König soll sich abgewendet und einen Bediensteten gerufen haben.

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Details

Titel
Gärten und Gartenhäuser im 19. Jahrhundert. Die Auswirkungen des europäischen Blumentrends
Hochschule
Universität Siegen
Note
2,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
16
Katalognummer
V1061066
ISBN (eBook)
9783346479761
ISBN (Buch)
9783346479778
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Garten, Blumen, 19.Jh., Europa, Gartenhäuser, Blumenwahn, Ludwig II., Wintergarten, Schloss Lindenhof, Palmenhaus
Arbeit zitieren
Lea Drey (Autor:in), 2020, Gärten und Gartenhäuser im 19. Jahrhundert. Die Auswirkungen des europäischen Blumentrends, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1061066

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