Machiavelli, Il Principe und der Begriff der Macht


Hausarbeit, 2002

18 Seiten


Leseprobe


Einleitung

Niccolò Machiavelli ist einer der bekanntesten politischen Theoretiker. Er soll mit seinen Schriften, vor allem mit seinem Werk „Il Principe“, der Begründer des sogenannten Machiavellismus sein. Unter diesem Begriff versteht man den rücksichtslosen Machtmissbrauch des, oder der Regierenden, der einzig und alleine dazu dient, mit grausamen Methoden die Herrschaft und somit die Macht zu sichern.

So ist es auch kein Wunder, dass Machiavelli viel Kritik entgegenschlug. Die katholische Kirche beispielsweise, setzte seine Werke auf den Index und seine Schrift „Il Principe“ erschien erst knapp 200 Jahre nach seinem Tod. Friedrich der Große versuchte mit seinem „Anti-Machiavel“ die Menschlichkeit zu verteidigen, die er durch Machiavelli gefährdet sah.1 Diese Arbeit setzt sich mit Machiavellis Hauptwerk „Il Principe“ auseinander. Dabei soll der Schwerpunkt auf den Begriff der Macht gelegt werden.

Um Machiavellis Machtverständnis deutlich zu machen ist es nötig, zuerst auf die Biographie des Autors sowie auf die gesellschaftlichen und politischen Umstände zu seinen Lebzeiten, einzugehen.

Im Folgenden werden die Anleitungen für einen Fürsten betrachtet, die ihm sagen, wie er die Macht in einem Staat erringen und später auch erfolgreich verteidigen kann. Hier werden auch die jeweiligen Beispiele berühmter Persönlichkeiten aus der Geschichte behandelt, die Machiavelli in jedem Kapitel anfügt. Besonderes Augenmerk wird auch auf die Schlüsselbegriff „virtù“ und „fortuna“ gelegt .

Zum Schluss soll nochmals Machiavellis Machtverständnis deutlich gemacht werden, hierbei wird auch erläutert inwieweit „Il Principe“ in der Tradition des klassischen Fürstenspiegels steht. Abschließend wird noch kurz ein, aus Machiavellis Sicht, Idealbeispiel für das tugendhafte Verhalten eines Mannes, aus der Literatur betrachtet: die Figur des Jago aus Shakespeares Tragödie „Othello“.

Das Leben des Niccolò Machiavelli

Niccolò Machiavelli wurde am 3. Mai 1469 als Sohn eines Notars in Florenz geboren. Diese florentinische Familie war seit jeher republikanisch eingestellt und so sollte auch Niccolò Machiavelli, nach einer üblichen Schulausbildung, in den Staatsdienst von Florenz eintreten. Machiavelli wurde durch seine Eltern schon früh mit der antiken Literatur vertraut gemacht,2 er besuchte jedoch nie eine Universität. Der Grund hierfür waren wahrscheinlich die beschränkten finanziellen Verhältnisse der Familie. Ansonsten ist über Machiavellis Kindheit und Jugend sehr wenig bekannt.

Am 19. Juni 1498 begann Machiavellis politische Laufbahn. Er wurde zum „Segretario della Repubblica“ gewählt und musste sich mit militärischen Angelegenheiten und außenpolitischen Beziehungen befassen. Kurze Zeit später erhielt er den Vorsitz im „Rat der Zehn“, der die zweite Kanzlei leitete. In den nächsten Jahren war Machiavelli viel unterwegs. Im Jahre 1509 siegte er noch als militärischer Heerführer über Pisa, wurde aber 1512 all seiner Ämter enthoben. 1513 musste er für kurze Zeit ins Gefängnis. Er wurde verdächtigt an einer Verschwörung gegen die Medici beteiligt gewesen zu sein. In dieser Zeit begann er auch seine Werke zu verfassen. Die Themen waren: Die Geschichte sowie die Theorie und Praxis der Politik. 1524 und 1525 wurde er wieder in die Dienste der Stadt Florenz aufgenommen, doch schon wenig später, am 22. Juni 1527 verstarb Machiavelli in Armut, Verbitterung und Verzweiflung.

Machiavellis Position zog viele Reisen nach sich, so reiste er z.B. nach Frankreich zu Ludwig XII., an den Hof der römischen Kurie oder zu italienischen Kleinfürsten, beispielsweise besuchte er den Sohn von Papst Alexander VI., Cesare Borgia. Dieser zeichnete sich durch seine skrupellose Handlungsweise aus, so brach er jeden Widerstand gegen seine Person in den eigenen Reihen, um so seine Macht zu sichern. Genau dieser Cesare Borgia inspirierte Machiavelli zu seiner Schrift „Il Principe“.3

Historische Umstände zu Zeiten Machiavellis

Zu Zeiten Machiavellis herrschte in Florenz das Geschlecht der Medici, dem das damals größte Handels- und Bankhaus Europas gehörte.

Lorenzo de’ Medici hatte durch die Vergabe aller politischen Ämter an Medici-Anhänger, eine Monarchie gegründet, obwohl der Stadtstaat Florenz zu jener Zeit eigentlich eine Republik war.

In Italien gab es damals fünf Hauptmächte: Mailand, Venedig, Florenz, Neapel und der Kirchenstaat. Diese Staaten standen sich gleichgewichtig gegenüber und so war der Friede nach außen und innen gesichert.

Florenz selbst galt als kulturelles Zentrum Italiens, wenn nicht gar Europas. So befanden sich hier viele bedeutende Renaissancekünstler wie Michelangelo Buonaroti, Leonardo da Vinci oder Sandro Botticelli. Sie alle wurden von Lorenzo de’ Medici gefördert. Doch 1492 veränderte sich mit der Machtübernahme von Piero de Medici die politische Situation von Grund auf. Florenz verbündete sich mit Neapel und Mailand, die Isolation fürchtend, wandte sich an Frankreich. Der französische König, Karl VII., marschierte in Italien ein, was wiederum zu Zwistigkeiten mit Spanien und Österreich führte. Dies hatte zur Folge, dass der italienische Staatenbund zerfiel und sich die nun einzelnen Staaten untereinander bekämpften. Aus diesem Grund wurden Söldnerheere angeworben. Die Stimmung in Florenz wurde immer schlechter und so wurden die Medici 1494 aus der Stadt vertrieben. Ab 1496 versuchte der Dominikanermönch Savonarola durch strenge Religiosität und durch Verzicht auf Luxus die Krise zu überwinden, doch wegen seines fanatischen und waffenlosen Kampfes gegen die Kirche und den Papst, ließ ihn dieser im Jahre 1498 hinrichten.

Einige Jahre später wurde das französische Heer aus Italien vertrieben, in Florenz wurde die republikanische Regierung gestürzt und 1512 konnten die Medici die Macht wieder ergreifen. Florenz war im 15. Jahrhundert aber auch Zentrum des Humanismus, denn im Jahre 1439 fand dort das Allgemeine Konzil der römischen Kirche statt. Dadurch kamen viele griechische Philosophen in die Stadt und durch die daraus resultierende Gründung der „Platonischen Akademie“ wurde Florenz zum humanistischen Mittelpunkt. Ziel dieses Humanismus‘ war der „universale Mensch“, der sich durch die Kenntnisse der Antike herausbilden sollte. Verantwortlich für die Schaffung dieses geistigen Zentrums waren die Medici.4

Machiavellis Menschenbild

Um die radikale Einstellung Machiavellis betrachten zu können, ist es jetzt noch notwendig, Machiavellis Menschenbild zu betrachten. Machiavelli ist davon überzeugt, dass sich der Mensch in seinem Innersten nicht ändern kann. Sein Hauptziel ist die Machtmaximierung und er wird dies immer ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzen. Der Mensch wird zum Erreichen seiner Ziele alle ihm zu Verfügung stehenden Mittel gebrauchen, dabei ist es ihm egal, ob seine Methoden gut oder falsch sind. Hauptsache er kann so sein Vorhaben verwirklichen. In den Augen Machiavellis ist der Mensch: „...ingrati, volubili, simulatori e dissimulatori, fuggitari de’pericoli, cupidi di guadagno...“ ( S. 128 )5 und deshalb ist es nötig, dass es einen Fürsten gibt, der das Volk lenkt und führt.6

Gliederung des Werks „Il Principe“

Machiavellis „Il Principe“ lässt sich in vier Teile gliedern. Die Kapitel I bis XI gehen auf die verschiedenen Herrschaftsformen ein. Alle Staaten werden in Republiken und Fürstentümer unterteilt, wobei die principati in ererbte, neu erworbene und kirchliche gegliedert werden können. Diese verschiedenen Arten werden in den Kapiteln II bis XI behandelt. Machiavelli setzt seinen Schwerpunkt allerdings auf die neu erworbenen Fürstentümer. Der zweite Abschnitt umfasst die Kapitel XII bis XIV, sie beschäftigen sich mit den Problemen der militärischen Ordnung. Hierauf folgt eine Abhandlung über das Fundament der Fürstentümer. Diese Basis besteh aus „guten Gesetzen und guten Waffen“, wobei vor allem auf das Heerwesen ausführlich eingegangen wird.

Im dritten Teil folgen die Verhaltensprinzipien, die sich ein Fürst, laut Machiavelli, anzueignen hat, um die Macht zu erringen bzw. sie zu erhalten. Dieser Teil bildet zugleich das Kernstück der Schrift.

Die letzten drei Kapitel gehen nochmals ganz deutlich auf die Gründe für Herrschaftsverluste ein. Hier bezieht sich Machiavelli explizit auf die Zustände in Italien. Das Werk schließt mit einer Aufforderung an den Fürsten von Florenz, endlich etwas gegen die damals gegenwärtige Situation zu unternehmen.

„Il Principe“

Wie gesagt, beginnt die Schrift „Il Principe“ mit den zwei Grundtypen von Herrschaft. So gibt es entweder Republiken oder Fürstentümer und diese werden durch „...le armi d’altrio o con le proprie o per fortuna o per virtú...“ ( S.8 ), erobert. An dieser Stelle treten bereits zum ersten Mal die beiden Schlüsselbegriffe virt ú und fortuna auf, auf die später noch näher eingegangen wird.7

Als erstes wendet sich Machiavelli den „erblichen Fürstentümern“ zu. Diese Form der

Machtergreifung scheint die einfachste zu sein. Es entstehen weder für den Herrscher noch für das Volk Schwierigkeiten, wenn die Regierungsform des Vorgängers beibehalten wird. So geschah es z.B. in Ferrara. Der dortige Herzog hielt damals an der altbewährten Herrschaftsform fest und überstand dadurch die Angriffe von Venedig ( 1484) und von Papst Julius II. (1510) unbeschadet und konnte so seine Machtstellung beibehalten. Dadurch, dass also die Herrschaftstradition und die Regierungsform beibehalten werden, werden im Volk die Gedanken an Veränderungen ausgelöscht und der Fürst kann ohne Zwang und Druck regieren. Er findet eine hohe Zustimmung bei seinen Untertanen und somit ist es ein Leichtes, die Macht in einem ererbten Fürstentum zu erringen.8

Schwieriger wird es, wenn ein fremder Staat angegliedert werden soll. Machiavelli macht hier einen Unterschied zwischen völlig fremden und nur teilweise fremden Staaten. Soll nur ein Staat annektiert werden, dessen Sprache und Kultur bekannt sind, ist die Machtübernahme dann nicht schwer, wenn es der Herrscher nicht scheut, das alte Herrschergeschlecht auszurotten, aber die alten Gesetze und Sitten beizubehalten.

Handelt es sich allerdings um einen völlig fremden Staat, gibt es bei der Machtübernahme größere Schwierigkeiten und so sind auch andere Maßnahmen nötig: der neue Herrscher muss seine Residenz in das neue Gebiet verlagern, denn nur so werden Unruhen unterdrückt. Des weiteren sollen Kolonien gegründet werden, die dem neuen Staat Fesseln anlegen. Ein Beispiel hierfür sind die Römer. Sie gründeten Kolonien, gaben den Schwächeren Schutz und schwächten die Mächtigen. Auch achteten sie stets darauf, dass die gestärkten Schwachen nicht zu sehr an Einfluss gewannen. Dies setzten sie z.B. bei der Eroberung Griechenlands durch. Dort unterstützen sie die Achäer und Ätolier, sorgten aber gleichzeitig dafür, dass der König von Mazedonien unterdrückt wurde.

Als Gegenbeispiel nennt Machiavelli König Ludwig XII., der durch sein Fehlverhalten die Lombardei verlor. Er handelte nämlich genau im Gegenteil zu dem, was oben Machiavelli als Handelsprinzip vorgab.9

Alles in allem muss man aber sagen, dass nur ein sogenannter „uomo virtuoso“ die Macht in einem Staat übernehmen kann bzw. die Ordnung in einem Gemeinwesen wieder herstellen kann, in dem die Bürger dazu selbst nicht mehr in der Lage sind. Bei einem „uomo virtuoso“ handelt es sich um einen Mann, der viele außergewöhnliche Charaktereigenschaften besitzt. Er zeichnet sich durch virt ú aus.

Virt ú und occasione

Die virt ú wird am besten an einem Mann niedriger Herkunft deutlich, der durch seine

Fähigkeiten, aber ohne übermäßiges Glück ( fortuna ) zur Herrschaft gelangt. Allerdings ist virt ú mehr als das beherzte Handeln eines Menschen. Wo virt ú vorhanden ist, gibt es blühende Staaten.

Das, was Machiavelli aber unter virt ú versteht ist nicht mit der Übersetzung des lateinischen Wortes „virtus“ gleichzusetzen. Ist der Begriff „Tugend“ heute fast ausschließlich positiv konnotiert und impliziert christliches Verhalten, so schließt er bei Machiavelli auch negative Tugenden mit ein. Virt ú beinhaltet alle Eigenschaften, mit denen der Fürst an die Macht kommt. Der Bruch mit der Tradition liegt also darin, dass Tugendhaftigkeit nicht als Wert an sich bestimmt ist, sondern einem tugendlosen Herrschaftskalkül untergeordnet wird. Virt ú bedeutet also auch Macht. Bei Machiavelli wurde virt ú also zu einem politischen Begriff. Machiavelli geht davon aus, dass es nur ein bestimmtes Kontingent von virt ú auf der Welt gibt und die virt ú von einem zum anderen wandert. Deshalb muss man versuchen, die virt ú möglichst lange festzuhalten, was z.B. durch sittliches Handeln erreicht werden kann. Virt ú und Sitte bedingen sich also gegenseitig. Allerdings kann virt ú nicht durch Erziehung bzw. durch Erlernen erlangt werden, sie muss angeboren sein und so beschränkt sich ihr Besitz nicht auf adlige Häupter. Als Beispiele nennt Machiavelli Francesco Sforza und Hieron von Syrakus.10

Als Beispiel solcher „uomini virtuosi“ führt Machiavelli Mose, Cyrus, Romolus und Theseus an.11

Machiavelli beschreibt an dieser Stelle, dass das Leben dieser Männer so verlaufen musste , wie es geschah, damit sie so am Ende die occasione für ihre großen Taten hatten. Es musste z.B. sein, dass Romolus als Säugling entführt wurde, damit er später Rom gründen konnte. Es ist also so, dass die scheinbar hoffnungslose Situation dafür genutzt werden musste, die Eigenschaften als Schöpfer einer neuen Ordnung zu zeigen. Diese oben genannten Männer haben also la occasione gemeinsam. Dadurch, dass sie diese eine Gelegenheit genutzt haben, konnten sie ihre Macht begründen. Occasione gibt also die Möglichkeit zum aktiven Eingreifen, sie selbst bleibt aber immer passiv, da sie erkannt und genutzt werden muss. Dies zeigt, dass sich virt ú und occasione bedingen und das es keine virt ú geben kann, solange die occasione nicht vorhanden ist bzw. nicht entdeckt wird.12

Wenn Macht nun also nur mit sehr viel Mühe und gegen Widerstände errungen wird, wird es keine großen Schwierigkeiten geben, die Herrschaft zu erhalten. Allerdings ist es nötig, dass sie auf „eigenen Füßen“13 stehen und es nicht scheuen, Waffengewalt anzuwenden, denn „Di qui nasce che tutti e’ profeti armanti vinsono, e li disarmant ruinorono.“ ( S. 44 ). Als Beispiel hierfür wird der Mönch Savonarola genannt, der hingerichtet wurde, weil er seine Ziele ohne Waffengewalt nicht durchsetzen konnte.

Der bewaffnete Prophet ist bei der Erlangung der Herrschaft ein Typus, ein zweiter Typus ist der, der seine Macht durch „fremde Waffen und Glück“ erwirbt, wie z.B. Cesare Borgia. Dieser begann mit der Romagna, setzte dann aber seine große virt ú dafür ein, seine Macht zu erweitern und sie gegen Gegner zu sichern. Er musst seine virt ú also darin zeigen, dass er eine zufällig erworbene Macht in eine stabile Herrschaft umwandelt.

Das Beispiel Cesare Borgias

Dies ist auch der Übergang zum nächsten wichtigen Kapitel in Machiavellis „Il Principe“. Er gab ihm den Titel: „ De principatibus novis qui alienis armis et fortuna acquiruntur“. An dieser Stelle taucht der zweite Schlüsselbegriff der Schrift auf: fortuna. Sie befindet sich in einem dauernden Kampf mit virt ú und Machiavelli ist der Ansicht, dass diejenigen, die alleine durch fortuna ihre Macht erlangt haben, sie nur mit Schwierigkeiten erhalten können, da ihnen ihre Herrschaft in den Schoß fiel, ohne dass sie ein Fundament dafür geschaffen haben. Auf den Begriff der fortuna wird später noch ausführlicher eingegangen werden. Machiavelli geht hier ausführlich auf das Beispiel Cesare Borgias ein, der durch Glück an seine Herrschaft kam, sie aber nur schwer halten konnte und sie schließlich verlor. Papst Alexander VI. bereitete seinem Sohn Cesare Borgia den Weg zu seiner Herrschaft in der Romagna. Als der Herzog seine Macht sichern wollte gab es aber Komplikationen. Er fürchtete, dass ihm seine eigenen Truppen untreu wurden und ihm so seine Macht entreißen könnten. Von Frankreich musste das gleiche befürchten. Um dies zu verhindern hob er ein eigenes Heer aus. Nun wollte er die Orsini, die früher sein Heer stellten, vernichten. Durch geschickte Taktik vollbrachte es Borgia, dass die Orsini sich wieder mit ihm versöhnten. Er wog sie in Sicherheit, ließ sie aber bei der nächstbesten Gelegenheit töten.

So hatte er weitgehend seine Macht wieder gesichert und er musste nur noch fürchten, dass ein anderer Papst die Herrschaft übernahm und ihm somit gefährlich wurde. Dagegen versuchte „er sich durch vier Mittel zu sichern“14: Er wollte alle Fürstenhäuser vernichten, von denen er die Herrschaft übernommen hatte, des weiteren versuchte er den römischen Adel und die Kardinäle auf seine Seite ziehen. Um so die Macht des Papstes einzuschränken und außerdem war er bestrebt, seinen Einfluss vor dem Tode Papst Alexanders so weit auszubauen, dass er sich aus eigenen Kräften verteidigen konnte. Hierfür hätte er sich die Toskana, Perugia, Piombino, Pisa, Lucca und Siena unterwerfen müssen. Doch der Tod des Papstes und seine eigene schwere Krankheit kamen ihm zuvor, so dass er nichts mehr ausrichten konnte. Er willigte ein, dass Julius II. Papst wurde und das war ein Fehler, weil er sich zuvor das Geschlecht, dem der neue Papst entstammte, zu Feinden gemacht hatte und dies hatte seinen Untergang zu Folge.

Als er jedoch seine Macht noch inne hatte, beging er weitere Gräueltaten . So hatte er, nachdem er die Romagna unterworfen hatte, dort einen Statthalter eingesetzt, der in der verwahrlosten Region auf sehr grausame Weise für Ordnung sorgte. Nachdem Borgia aber bemerkt hatte, dass dieses Vorgehen Hass beim Volk erzeugt hat, ließ er den Statthalter „...mettere in due pezzi di legno e un coltello sanguinoso a canto“ ( S.56 ).15 Im Großen und Ganzen muss man aber sagen, dass Borgia, in den Augen Machiavellis, seine Sache gut gemacht hat. Er versuchte nämlich mit seiner ganzen virt ú die Macht zu festigen, was ihm durch unglückliche Zustände am Ende jedoch nicht gelingen sollte. Er ist auch ein Beispiel dafür, wie man „durch Verbrechen zur Herrschaft gelangt.“16 Aus diesem Beispiel wird auch ersichtlich, dass sich ein „uomo virtuoso“ auf ein Gewaltpotenzial eigener Truppen stützen muss. Es ist also zwingend, dass sich ein Fürst, um seine Macht zu erringen bzw. sie später zu erhalten, auf sein Heer verlassen können muss. Aus diesem Grund rät Machiavelli dem Fürsten von Söldnertruppen und Hilfsheeren ab, da diese als gefährlich und unnütz anzusehen sind, weil sie: „...disunito, ambiziose, sanza disciplina, infedele; gagliarde fra gli amici; fra e’ nimici, vile; non timore di Dio, non fede con gli uomini;“ ( S. 94 ) Machiavelli ist also der Ansicht, dass solche Truppen nicht hinter ihrem Herrn stehen, da sie nur für Geld, nicht aber aus Vaterlandsliebe dienen. Aus diesem Grund werden sie auch schnell untreu, sobald ihnen ein anderer Fürst mehr Geld bieten würde. So wurde beispielsweise Karthago nach dem Ersten Punischen Krieg von den eigenen Söldnern bedrängt. Genauso war Venedig solange erfolgreich, solange es mit eigenen Soldaten kämpfte, als es sich jedoch auf Söldner verließ, verloren sie nach einigen Jahren alles, was sie sich in acht Jahrhunderten aufgebaut hatten.17

Machiavelli prangert an, dass dies der Zustand in ganz Italien sei. Das Resultat aus diesem Verhalten war, dass Italien von Karl VIII. überrannt, von Ludwig XII. ausgeplündert und von Ferdinand von Aragonien und den Schweizern misshandelt worden ist. So sei, nach Machiavelli, Cesare Borgia ein Beispiel, wie man es besser machen kann. Dieser eroberte Imola mit Hilfstruppen, ließ von diesen aber ab, da er ihnen kein Vertrauen schenkte und setzte Söldner ein. Auch diesen traute er nicht und entschloss sich ausschließlich eigene Heere einzusetzen. Hier ist noch zu erwähnen, dass Machiavelli Hilfstruppen als noch gefährlicher ansah, da diese einem eigenen Fürsten unterstehen.18

Ebenfalls am Beispiel Borgias wird klar, dass es bei denen, die durch Verbrechen an die Macht gekommen sind, zwei Arten von Grausamkeiten gibt: nämlich den guten und den schlechten Gebrauch von Gräueltaten. Als gut bezeichnet Machiavelli Grausamkeiten dann, wenn es bei einer einmaligen Anwendung bleibt und diese nur aus necessit à geschieht, außerdem müssen sie einen großen Nutzen für die Untertanen haben.19 die Voraussetzung für den guten Gebrauch ist also, dass die Gewalttaten mit einem Schlag ausgeführt werden, denn nur so geraten sie beim Volk wieder in Vergessenheit. Wenn möglich sollten diese Taten auch nicht vom Fürsten selbst vollbracht werden. Es sollte aber unter allen Umständen vermieden werden, dass sich die Anzahl von Grausamkeiten steigert und es zu einer ständigen Wiederholung kommt, denn so werden sie nicht vergessen. Die Wohltaten jedoch sollen vom Fürsten selbst verübt werden und ständig in kleinen Dosen dem Volk gegeben werden.20 Als Beispiel für den guten Gebrauch von Grausamkeiten nennt Machiavelli den Sizilianer Agathokles, der aus niedrigsten Verhältnissen zum Friedensrichter von Syrakus wurde und dann beschloss, sein Amt in eine autokratische Herrschaft umzuwandeln. Er befahl seinen Soldaten, die führenden Bürger niederzumachen und konnte von da an seine Macht erhalten. Der Mut dieses Mannes scheint bewundernswert, doch von wirklicher Vollkommenheit trennte ihn seine Grausamkeit, seine Unmenschlichkeit und seine vielen Verbrechen. Die nächsten Kapitel handeln vor allem davon, ob der Fürst besser freigebig oder knauserig sein soll, ob es für ihn besser ist geliebt oder gefürchtet zu werden, ob er sein Wort halten soll und dass er sich vor Hass und Verachtung hüten solle. All diese Betrachtungen werden nur aus der Perspektive der Macht gestellt: Führen die Eigenschaften des Fürsten zum Untergang der Macht oder nicht?

Kapitel XV stellt eine Zusammenfassung der Charakterisierung des Fürsten dar. Der Fürst muss, um seine Macht zu erhalten und um eine politische Ordnung zu schaffen, einige Verhaltensregeln beachten. Machiavelli stellt hier auch die These auf, dass das Einhalten von Moral bei der Machterringung und -erhaltung eher zu Problemen als zu Erfolg führt. Machiavelli versucht die Wirklichkeit zu schildern, was andere Autoren seiner Meinung nach versäumt haben. Denn zwischen dem status quo und dem Sollzustand bestehe ein gewaltiger Unterschied und die Menschen, die nur sehen, was geschehen sollte, nicht was de facto geschieht, gingen auf die Weise zugrunde. Daher sollte ein Herrscher, der seine Macht ausbauen möchte, nicht nur nach moralischen Grundsätzen handeln, sondern: „... è necessario a uno principe, volendosi mantenere, imparare a potere essere non buono, e usarlo e non l’usare secondo la necessità“ ( S.118 ). Natürlich ist es für einen Herrscher löblich, im Glauben und in Integrität zu herrschen, doch diejenigen, die nicht zu sehr darauf achten, gewinnen eher an Macht und Vorherrschaft.21

„ s’egli è meglio essere amato che temuto...“

Kapitel XVII kann als eine der zentralen Stellen von Machiavellis Schrift „Il Principe“22 angesehen werden. Hier wird die Frage gestellt, ob es für eine Fürsten besser sei, geliebt oder gefürchtet zu werden. Um seine Macht zu erhalten darf ein Fürst nicht Angst haben, als grausam zu gelten, denn nur so kann er die „Treu und Einigkeit“ seiner Untertanen erhalten. Denn wenn es erst einmal Unordnung im Staat gibt, treffen die Sanktionen alle. Wird allerdings früh genug dagegen vorgegangen, sind nur die Verbrecher von der Strafe betroffen. Dies trifft besonders zu, wenn der Fürst die Macht neu erlangt hat.

So lässt Vergil Dido, die mit größter Härte regiert, sagen:

„Res dura et regni novitas me talia cogunt moliri, et late fines custode tueri.“23

Als Antwort auf die oben gestellte Frage, ob es nun besser sei geliebt, oder gefürchtet zu werden, antwortet Machiavelli: „...è difficile accozzarti insieme, è molto piu sicuro essere temuto che amato...“, denn: „...gli uomini hanno meno respetto a offendere uno che si facci amore, che uno che si facci temere.“ ( S.130 ) Trotzdem muss der Fürst stets darauf achten, nicht verhasst zu werden und dies erreicht er am ehesten dadurch, dass er das Hab und Gut des Volkes nicht berührt. Allerdings muss der Fürst in einer Kriegssituation grausam sein, denn nur so kann er die Kontrolle über sein Heer behalten, so wie dies Hannibal erfolgreich praktizierte, der es schaffte, ein unendlich großes Heer in Einigkeit zu halten.24 An diese Frage schließt sich die nächste Problemstellung an, nämlich „inwiefern die Fürsten ihr Wort halten müssen“. Hier erklärt Machiavelli, dass es zwei Arten des Kampfes gibt: Erstens, die menschliche Art, nach Gesetzen und zweitens die Art der Tiere, mit Gewalt. Da die Erste aber oft erfolglos ist, muss man sich der Zweiten zuwenden. Ein Fürst sollte also Tier und Mensch zugleich sein. Aus der Tierwelt sollte er sich folgendes zum Beispiel nehmen. Auf der einen Seite muss er einem Fuchs gleichen, um die Tricks seiner Gegner zu erkennen, er sollte ein Meister der Heuchelei sein. Auf der anderen Seite soll er einem Löwen gleich sein, dieser entgeht zwar nicht den Schlingen, aber er ist stark und kann so die Wölfe erschrecken.

Ein Fürst, der seine Macht erhalten will, muss bzw. sollte sein Wort nicht halten, da die Menschen schlecht sind und ihre Versprechen ebenfalls brechen. Somit können auch alles Verträge jederzeit aufgelöst werden. Diese Tatsache muss dem Volk aber natürlich verborgen bleiben.

Als Beispiel dient hier wieder Alexander VI., der stets sein Volk belog, auf diese Weise jedoch all seine Ziele erreichte. Daraus schließt Machiavelli, dass ein Fürst nicht: „...pietoso, fedele, umano, intero, religioso...“ ( S. 138 ) sein muss, er muss nur nach außen diesen Schein aufrecht erhalten. „E però bisogna che egli abbia uno animo disposto a volgersi secondo ch’e‘ venti della fortuna e le variazioni delle cose li comandano, e non partirsi dal bene, potendo ma sapere intrare nel male, necessitato.“ ( S.138 )25

Dieser Satz lässt nun den Gedanken aufkommen, ob Machiavelli nicht doch irgendwie an den alten Tugenden und an der Moral festhält. Denn meint er hier nicht, man sollte so wenig Gewalt und Immoral praktizieren wie möglich, indes so viel wie nötig? Allerdings betont er im Anschluss nochmals, dass es am wichtigsten sei, den Schein von „Mitleid, Treue, Menschlichkeit, Redlichkeit und Frömmigkeit“26 zu bewahren, „... perché il vulgo ne va sempre preso con quello che pare e con lo evento della cosa; e nel mondo non è se non vulgo.“ ( S. 140 )

Dieser Rat, bei dem die Diskrepanz zwischen Schein und Sein deutlich wird, gründet auf Machiavellis Menschenbild und auch der Fürst selbst kann nicht alle lobenswerten Tugenden erwerben. Aus diesem Grund muss es ein Fürst vermeiden, beim Volk, bzw. beim Heer verhasst oder verachtet zu werden. Dies verhindert er, indem er das Vermögen und die Frauen der Untertanen nicht berührt, Störenfriede kann er jedoch töten, „... perché gli uomini sdimenticano piu presto la morte del padre che la perdita del patrimonio.“ Bei den Soldaten gelingt es ihm dadurch, dass er sich mit dem Kriegswesen beschäftigt, andernfalls wird er seine Macht verlieren, da er so von den Soldaten missachtet wird und ihnen dadurch nicht mehr vertrauen kann. So erging es beispielsweise den Söhnen Franceso Sforzas. Sie wurden für ihr Desinteresse an der Kriegskunst verachtet, „... perché da uno armato a uno disarmato non é proporzione alcuna...“ ( S.112 ).27

Seine Macht kann der Fürst also nur dadurch bewahren, indem er es vermeidet, bei seinen Soldaten in Ungnade zu fallen. Des weiteren soll der Fürst es nicht fürchten, als geizig und knauserig zu gelten, denn nur so kann er mit seinem Besitz auskommen. Andernfalls müsste er Steuern erheben und dadurch würde er dem Volk verhasst werden. Außerdem soll sich der Souverän davor hüten, als „... tenuto vario, leggieri, effeminato, pusillanime, irresoluto...“ ( S. 140 ) zu gelten, denn dies würde zu dem gleichen Ergebnis führen. Seine ganzen Verdienste wären nichtig, wenn er eine dieser Eigenschaften hätte, denn dadurch würde er verachtet werden.

Machiavelli führt hierfür Beispiele der römischen Kaisergeschichte an: Commodus, Pertinax, Julianus, Severuss, Antonius Caracalla, Macrinus, Heliogabal, Alexander sowie Maximus. All diese Kaiser kamen ums Leben, weil sie sich entweder den Hass der Soldaten, bzw. den des Volkes zugezogen hatten.28 Nochmals zusammenfassend betrachtet, nennt Machiavelli in diesen Passagen vier Eigenschaften, die ein Fürst haben muss, um seine Macht zu erhalten: Milde und Güte sollen durch Härte und Grausamkeit ersetzt werden, er soll Angst und Furcht verbreiten aber auch gleichzeitig den Hass und die Verachtung vermeiden. Kurz, bei Machiavellis Fürsten handelt es sich um einen fordernden Souverän, der alles im Griff hat und auf einem Sockel der Unantastbarkeit thront. Er regiert so, dass seine Ziele und Ansprüche bestmöglichst erfüllt werden. Macht und Unterdrückung sind Mittel zum Zweck, wobei ihm jegliche Humanität abhanden gekommen ist.

Alles in allem kann man sagen, dass sich der Fürst am meisten Achtung durch herausragende Taten erwirbt. So z.B. Ferdinand von Aragonien. Dieser legte durch den Angriff Granadas die Basis für seine Macht, erhielt sie mit den Geldern der Kirche und des Volkes und übte „unter dem Vorwand der Religion eine fromme Grausamkeit aus.“29

Mit das schlechteste was ein Fürst machen kann besteht darin, wenn er in Konflikten oder sonstigen Situationen neutral bleibt. Der Fürst soll immer Partei für eine Seite ergreifen, denn nur so kann er an Macht und Ansehen gewinnen.

Wie vorhin schon erwähnt, soll ein Fürst vermeiden, wankelmütig zu sein, das heißt, er muss zu einer getroffenen Entscheidung stehen. Dies ist dadurch zu erreichen, dass er sich ständig beraten lässt und die engsten Vertrauten müssen ihm die Wahrheit sagen können, ohne Repressalien zu fürchten. Denn ändert ein Fürst seine Entschlüsse zu oft, wie dies bei Kaiser Maximilian der Fall war, wird er als wankelmütig angesehen und so verachtet.

Der Begriff fortuna

Nun soll noch auf einen weiteren Schlüsselbegriff neben virt ù und occasione eingegangen werden: fortuna. Wie früher schon erwähnt befinden sich virt ù und fortuna in einem ständigen Kampf, denn fortuna begrüßt, bzw. boykottiert unerwartete Handlungen. Machiavelli macht sie für den Zustand des Gemeinwesens verantwortlich und aus diesem Grund muss sie bekämpft werden. Viele sind nämlich der Meinung, dass weltliche Angelegenheiten von fortuna und Gott gelenkt werden und dass die Menschen mit ihrer Vernunft den vorbestimmten Weg nicht ändern können. Machiavelli gesteht zu, selbst manchmal dieser Meinung zu verfallen. Doch er glaubt, dass fortuna nur eine Hälfte des menschlichen Handelns bestimmt, die andere Hälfte bleibt der virt ù.30 Allerdings bleibt bei Machiavelli fortuna nicht konstant. So entspricht ein Teil der unbeugsamen necessit à, der andere Teil aber ist der virt ù gegenüber nachgiebig. Der Mensch kann somit also fortuna bestimmen und deshalb ist es besser ungestüm als vorsichtig zu handeln, „... perché la fortuna è donna, ed è necessario, volendola tenere sotto, batterla e utarla.“ ( S. 198 ). An dieser Stelle ist eine starke Personifizierung des Begriffs fortuna zu sehen. Machiavelli gibt ihr das weibliche Geschlecht, das Wort wird nicht etwa übersetzt, nein, es bleibt als die Göttin Fortuna bestehen. Fortuna ersetzt das mangelnde Gottvertrauen, das sich zu jener Zeit verbreitete. Fortuna kann sowohl Glück, aber auch Unglück bedeuten und wenn der Mensch in einem solchen Glücksrausch alle Vorsicht außer Acht lässt, kann sich das Blatt schnell zum Negativen wenden.31 Das heißt, dass sich ein Fürst unter keinen Umständen nur auf sein Glück verlassen soll, da er sonst untergeht; denn fortuna wandelt sich, der Charakter des Fürsten bleibt aber konstant. So kann es sein, dass eine Methode, die gestern noch erfolgreich war und zur Macht hinführte, heute schon deren Verlust bedeutet. Um Glück, Herrschaft und Macht zu erlangen ist es also notwendig, sein Handeln an die jeweiligen Zeitumstände anzugleichen. Diese Vorstellung könnte daraus resultieren, dass man vom Verlauf der Geschichte eine Stadienvorstellung hatte. Dies bedeutet, man nahm an, dass eine gewisse Zeit die Verhältnisse gleich blieben und nichts passiert, dann aber ein plötzlicher Wechsel der Situation eintritt. Fortuna ist also keine Göttin, die den Verlauf der Geschichte alleine bestimmt, sondern fortuna ist von Geschichtsfaktoren, der necessit à abhängig.

Machiavellis Machtbegriff

„Il Principe“ von Machiavelli steht eindeutig in der Tradition der Fürstenspiegel. Nur ist es so, dass im klassischen Fürstenspiegel stets positive Tugenden im Vordergrund stehen. Machiavelli geht hier eher von der Staatsräson aus. Die willkürlichen und grausamen Taten sind hier nicht Selbstzweck, sondern sie sollen dem Machterhalt dienen. Außerdem stellt Machiavelli Politik dar, wie sie ist und nicht wie sie sein soll, damit kann Machiavelli auch als ein Vordenker der Realpolitik gesehen werden.32

Die besondere Wirkung dieses Werkes auf die Nachwelt könnte darin begründet liegen, dass Machiavelli diese Schrift mit straffer Systematik ausstaffiert hat. Zum ersten Mal in der Geschichte wird das große, einige Italien, das an die Stelle kleinstaatlicher Zersplitterung und Fremdherrschaft treten soll, zum politischen Ziel erhoben. Das Abschlusskapitel besteht ja in dem deutlichen Aufruf an Lorenzo de’ Medici, Italien von den Barbaren zu befreien und zu einer Einheit zu führen und dies nach den Methoden, die Machiavelli in seinem Werk beschrieben hat. Denn er sah, dass sich sowohl seine Heimatstadt, als auch Italien in einer tiefen Krise befand. Machiavelli sucht nach Wegen, aus dieser Lage herauszufinden. Da die Regierung kein Machtpotenzial mehr besaß, war die Errichtung einer neuen Herrschaft unumgänglich.

Machiavelli beschreibt das Wesen der Herrschaft und der Macht, ihre verschiedenen Ausprägungen, die Mittel der Erringung und Behauptung sowie die Ursachen für den Niedergang einer Herrschaft. Er will den Fürsten den Weg zur Macht weisen. Machiavelli glaubt nicht, wie die antiken Staatsdenker, an die Macht der Vernunft und an die gute Gesinnung des Menschen dem Staat gegenüber. Ähnlich wie Thomas Hobbes ( 1588 - 1679 ), der jedoch ein noch negativeres Menschenbild hat, sieht Machiavelli das Wesen der Menschen in hemmungsloser Selbstsucht und unbändigem Machtwillen. Deshalb fordert er, wie später auch Hobbes in seinem „Leviathan“, einen starken Staat. Um dies zu erreichen institutionalisiert Machiavelli die Macht. Machtausübung wird also zu einer festen Einrichtung und dies ist auch ein Grund, weshalb die Kritik an Machiavellis „Il Principe“ so laut war und eigentlich noch immer ist. Machiavelli setzt seine Macht als Mittel zum Zweck ein, so sind auch die erschreckenden Grausamkeiten erlaubt, um die Ziele, sprich die Machterringung bzw. ihren Erhalt, durchzusetzen. Es handelt sich also um ein Machtstreben, das durch keine moralischen Bedenken gehemmt ist, und dies mit autoritärem Anspruch und rücksichtsloser Durchsetzung der Interessen. Politik und Moral sind bei Machiavelli also deutlich getrennt, denn wie sagte später auch Hobbes: „ Autorität, nicht Wahrheit macht das Wesen eines Staates aus.“

Machiavelli lässt also alle „moralischen und ethischen Gesichtspunkte“33 beiseite, wenn es um die Festigung der Macht geht. Dies mag daran liegen, dass Machiavelli „einen ausgeprägten Sinn für die Ordnungsfunktion der Macht hatte.“34

Dies sieht man auch daran, dass er sich solche Menschen wie Cesare Borgia zum Vorbild nahm. Dieser versuchte mit grausamsten Methoden, seine Macht zu festigen und auszubauen. Diese skrupellose und rücksichtslose Durchsetzung der Macht, bei der kein moralisches Wertesystem zu finden ist, sind auch die Gründe, weshalb „Il Principe“ sowohl von der katholischen, als auch von der evangelischen Kirche stark kritisiert worden ist und weshalb der Name „Machiavelli“ noch heute Unbehagen verursacht.. Allerdings warnt Adolf Berle in seinem Buch über die Macht davor, Machiavelli zu ernst zu nehmen. Er ist der Meinung, dass Machiavellis Schrift natürlich auf autoritäre und totalitäre Herrscher Einfluss hatte, jedoch vielmehr noch bei den Unternehmen und Kapitalisten des 19. Jahrhunderts in Amerika und Europa. An dieser Stelle kann man vielleicht noch weiter gehen, wenn man z.B. die Personalpolitik oder den Konkurrenzkampf großer Konzerne ansieht. Hier werden die amoralischen Methoden eines Machiavellis deutlich sichtbar, wobei dieser allerdings versuchte, einen Leitfaden für Fürsten zu schaffen, um so ein zerrissenes Italien zu einigen.35

Jago, eine typisch machiavellistische Person

Auch in der Literatur gibt es Figuren, die eindeutig dem Fürsten Machiavellis entsprechen. So kann man beispielsweise an Jago denken, den Fähnrich des Feldherrn Othello, in Sheakespeares gleichnamiger Tragödie. In diesem Drama entspricht der hochangesehene General Othello eher dem Bild von Machiavellis Löwen. Er ist zwar stark, aber letztendlich zu gutgläubig, „um die Schlingen zu kennen“ und so geht er den Intrigen Jagos auf den Leim. Othello erreichte alles durch fortuna, sowohl im Privaten als auch im Beruflichen. Machiavelli würde sagen, dass dies auch der Grund gewesen sei, wieso er letztlich unterging. Jago spiegelt aber sozusagen den idealen Fürsten Machiavellis wider, denn er ist sowohl stark wie ein Löwe, um den „Schlingen“ zu entgehen, auf der anderen Seite ist er aber auch listig wie ein Fuchs, er ist ein Meister der Heuchelei. Jago stellt einen maßlosen Egoisten dar. Für ihn sind andere Menschen nur Gegenstände, die ihn an seiner Selbstverwirklichung hindern. Oder er benutzt seine Mitmenschen, um so die Hürden aus dem Weg zu räumen. Sein wichtigstes Mittel zur Machtergreifung ist Geld, denn er hält alle für käuflich. Die Menschheit ist manipulierbar und so kann er sie als Marionetten für seine Zwecke verwenden. Dieser Charakter erinnert schon stark an das Idealbild, das Machiavelli von einem Fürsten zeichnet und wahrscheinlich würde er die Eigenschaften Jagos als virt ù bezeichnen.

Literaturverzeichnis:

Kersting, Wolfgang, Niccolò Machiavelli. C.H. Beck, München, 1988

Lieber, Hans-Joachim, Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 1993

Deppe, Frank, Niccolò Machiavelli. Zur Kritik der reinen Politik. Pahl-Rugenstein, Köln, 1987

Berle, Adolf, Macht. Die treibende Kraft der Geschichte. Hoffmann und Campe, Hamburg, 1973

Knauer Claudia, Das magische Viereck bei Machiavelli. Königshausen und Neumann, Würzburg, 1990

Machiavelli, Niccolò, Der Fürst. Übersetzt von Friedrich von Oppeln-Bronikowski. Insel Verlag, Frankfurt am Main, 1990

Machiavelli, Niccolò, Il Principe. Der Fürst. Übersetzt von Philipp Rippel. Philipp Reclam jun., Stuttgart, 2001

[...]


1 Wolfgang Kersting, Niccolò Machiavelli. C.H. Beck, München, 1988. S. 163

2 Hans-Joachim Lieber, Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart. Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn, 1993, S.146

3 Kersting, Niccolò Machiavelli. S. 13ff., S. 27f.

4 Kersting, Niccolò Machiavelli. S. 14f., S. 27f.

5 Alle italienischsprachigen Zitate entstammen der Ausgabe: Niccolò Machiavelli, Il Principe. Der Fürst. Übersetzt von Philipp Rippel. Philipp Reclam jun. Stuttgart, 2001

6 Frank Deppe, Niccolò Machiavelli. Zur Kritik der reinen Politik. Pahl- Rugenstein, Köln, 1987, S. 297f.

7 Niccolò Machiavelli, Der Fürst. Insel Verlag, Frankfurt am Main, 1990. S. 19, Kapitel I

8 Ebd. S.19f., II

9 Ebd. S. 20-30, III

10 Ebd. S. 39, VI

11 Ebd. S. 37, VI

12 Claudia Knauer, Das magische Viereck bei Machiavelli. Königshausen und Neumann. Würzburg, 1990. S.78

13 Niccolò Machiavelli, Der Fürst. S. 38, VI

14 Ebd. S. 45, VII

15 Ebd. S. 42-47, VII

16 Ebd. S. 49, VIII

17 Ebd. S. 64-68, XII

18 Ebd. S. 71ff., XIII

19 Ebd. S. 78, XV

20 Ebd. S. 53f., VII

21 Ebd. S. 78f., XV

22 Niccolò Machiavelli, Il Principe. Philipp Reclam jun. Stuttgart, 2001, S. 128

23 Ebd.S. 83, XVII

24 Ebd. S. 84f., XVII

25 Ebd. S. 86ff., XVIII

26 Ebd. S. 88, XVIII

27 Ebd. S. 74ff. XIV

28 Ebd.S. 93ff., XIX

29 Ebd. S. 107, XXI

30 Ebd. S. 117, XXV

31 Claudia Knauer, Das magische Viereck. S. 46f.

32 Kersting, Niccolò Machiavelli. S. 90f.

33 Adolf Berle, Macht. Die treibende Kraft der Geschichte. Hoffmann und Campe. Hamburg 1973. S. 46

34 Ebd.

35 Ebd. S. 48f.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Machiavelli, Il Principe und der Begriff der Macht
Autor
Jahr
2002
Seiten
18
Katalognummer
V106122
ISBN (eBook)
9783640044016
Dateigröße
451 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Machiavelli, Principe, Begriff, Macht
Arbeit zitieren
Beate Sewald (Autor:in), 2002, Machiavelli, Il Principe und der Begriff der Macht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106122

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