Zwei- und Mehrwortäußerungen


Hausarbeit, 2002

20 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einführung

1. Grammatische Strukturen
1.1 Die hierarchische Anordnung der Sprache
1.2 Die Oberflächen- und Tiefenstruktur der Sprache
1.3 Spracherwerb bei Kindern allgemein
1.4 Erste Wortkombinationen
1.4.1 Forschungsgrundlage
1.4.2 Forschungsergebnisse

2. Bedeutungen von Zweiwortäußerungen
2.1 Erwerbsreihenfolgen von Morphemen und Spracherwerbsraten
2.2 Erwerbsreihenfolgen von Bedeutungskategorien

3. Der Grammatikerwerb des Deutschen
3.1 Forschungsüberblick / Corpora- Erstellung
3.2 Ebenen des Grammatikerwerbs
3.2.1 Einwortäußerungen
3.2.2 Zweiwortäußerungen
3.3 Formbildende Aspekte des Grammatikerwerbs
3.3.1 Flexionsmorpheme
3.3.2 Verben
3.3.3 Wortstellung
3.3.4 Negation
3.3.5 Fragen

4. Drei- und Mehrwortäußerungen
4.1 Morphologische Veränderung der Nominalphrase
4.2 Verben
4.2.1 Verbflexion
4.2.2 Verbstellung

5. Zusammenfassung

6. Anhang: Überblickstabelle

7. Bibliographie

Einführung

Um einheitlich über den Erwerb der Grammatik bei Kindern sprechen zu können, ist es wichtig, einige linguistische Begriffe nochmals anzuschauen, um die Struktur der Sprache genau beschreiben zu können.

Die Forschung hat sich vor allem für Zweiwortäußerungen interessiert, und diese nach ihrer Regelmäßigkeit vom formalen und bedeutungstragenden Gesichtspunkt analysiert.

Es ließen sich gewisse Erwerbsreihenfolgen feststellen, das heißt, es gab Ähnlichkeit bei der Abfolge des Erwerbes, allerdings Unterschiede in der Schnelligkeit des Erwerbes.

1. Grammatische Strukturen

Dem Linguisten Chomsky (1959) gelang der Nachweis, dass die behavioristischen Theorien mit ihren klassischen Variablen (Stimulus, Response und Verstärkung) beim Erklären des Spracherwerbs nicht sonderlich erfolgreich sind. Chomsky suchte nach anderen Erklärungen:

1.1 Die hierarchische Anordnung der Sprache

Für Chomsky ist die Sprache von grundsätzlich anderer Natur als das Verhalten, welches einer Aneinanderkettung von Responses / Verhaltensreaktionen zugrundeliegt, denn die Sprache hat eine hierarchische Struktur, und Wörter und Sätze bilden hierarchisch angeordnete Einheiten

(Das entspricht den Argumenten des Neurologen Karl Lashley, der dem menschlichem Verhalten auch ein Ordnungsschema zugrunde legt, nachdem in einer Verhaltenssequenz ein vorhergehendes Element das nächste bestimmt _ es gibt einen übergreifenden Plan, eine hierarchische Ordnung).

Diese hierarchisch angeordneten Einheiten möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen:

Bsp.:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hier kann man folgendes erkennen:

1. einige Wörter gehören eher zusammen als andere (,,der Junge", ,,den Ball", aber nicht ,,traf den").

2. ersetzt man Zusammengehöriges durch ein anderes Wort, kann man die Einheiten stärker verdeutlichen.

Diese Vorgehensweise wird Phasenstrukturgrammatik genannt, in der die zusammengehörenden Satzsegmente Konstituenten heißen. Die verschiedenen Konstituenten werden mit Namen versehen, z.B. Artikel (Art) plus Nomen (N) = Nominalphrase (NP), Verb (V) plus zweite NP = Verbalphrase (VP). Die Konstituenten geben auch Auskunft über grammatikalische Funktionen (Subjekt, Prädikat des Satzes, Objekt des Prädikats). Nur so können wir den Satz verstehen.

Ein Baumdiagramm verdeutlicht besonders die hierarchische Struktur des Satzes:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aufgrund dieser Transformationsregeln lÄsst sich schließlich der Satz ,,Der Junge traf den Ball" ableiten.

Damit ist das Generieren des Satzes abgeschlossen.

Der hierarchische Aufbau der Sprache gehört also zum Charakter der Sprache. Für Chomsky gibt es noch eine weitere Eigenschaft, die ein besonderes Merkmal der Sprache ist:

1.2 Die Oberflächen- und Tiefenstruktur der Sprache

Damit ist gemeint, dass Sätze oberflächlich so aussehen, als haben sie die gleiche syntaktische Struktur, aber sie haben verschiedene Bedeutungen. Das nächste Beispiel soll dies verdeutlichen:

Bsp.:

Manche Menschen sind schwer zu verstehen.

Manche Menschen sind unfähig zu verstehen.

Nach der Phasenstrukturgrammatik haben diese Sätze die gleiche hierarchische Struktur, sieht man aber genau hin, bemerkt man, dass manche Menschen im ersten Satz Objekt, und im zweiten Satz Subjekt ist. Daran sieht man, dass die Sätze auf einer tieferen Ebene ganz verschiedene Bedeutungen haben, auch wenn sie an der Oberfläche gleich aussehen.

Dieses Phänomen gibt es auch umgekehrt:

Zwei Sätze haben unterschiedliche Strukturen an der Oberfläche, aber die Bedeutungen sind ähnlich. Im folgenden Beispiel zeigt sich dieses Phänomen:

Bsp.:

Die Katze fraßzwei Mäuse.

Zwei Mäuse wurden von der Katze gefressen.

Chomsky unterscheidet hier zwischen Tiefenstruktur und Oberflächenstruktur von Sätzen, was seiner Ansicht nach zur unbedingten Beschaffenheit der Sprache gehört.

Um die Sprache adäquat zu beschreiben, reicht es nicht aus, die Satzkonstituenten und deren mögliche Umordnung zu bestimmen, denn am obigen Beispiel kann man sehen, dass hier mehr passiert:

- Subjekt und Objekt werden vertauscht
- wurde und von kommen neu zum Satz dazu
- fra ß fällt weg
- gefressen kommt hinzu
- Das Hilfsverb bekommt die Endung der 3. Per. Pl.
- Der Artikel von Katze wird flektiert

- Chomsky schließt daraus, dass der Passivsatz gar nicht vom Aktivsatz abgeleitet wird, sondern von einer tieferliegenden, abstrakten Form des Satzes, der Tiefenstruktur. Die Tiefenstruktur ist ein abstraktes Schema, welches in der gesprochenen Sprache niemals realisiert wird. In diesem Schema gibt es zwar eine Unterscheidung von Subjekt und Objekt, aber es ist weder aktiv noch passiv (wenn auch eher aktiv).

Durch Transformation kann diese abstrakte Form in Aktiv- oder Passivsätze verwandelt werden, wobei die Transformationsregeln die korrekte Verbflexion, das Umordnen von Subjekt und Objekt, etc., bewirken.

- Transformationsregeln verbinden also die Oberflächen- und Tiefenstruktur. Eine solche Beschreibung nennt man Transformationsgrammatik.

1.3 Spracherwerb bei Kindern allgemein

Ein Kind lernt also beim Erwerb der Muttersprache bestimmte Regeln.

Es erwirbt ein nach Klassen geordnetes Vokabular (Nomen, Verben, Adjektive), und lernt Regeln, um diese Kategorien zu Sätzen zu kombinieren. Diese Regeln zum Generieren von Sätzen werden allerdings nicht bewusst angewandt. Das bedeutet, dass das Kind nach Chomsky schon ein gewisses sprachliches Wissen mitbringt, die Kompetenz.

Diese Kompetenz ist ein System von abstrakten Regeln. Das Gegenstück zur Kompetenz ist die Performanz, die tatsächlich gehörte Äußerung. Diese kann aus bestimmten Gründen wie Ablenkung, emotionaler Erregung, ein versagendes Erinnerungsvermögen oder sonstige äußere Einflüsse zu ungrammatischen Sätzen führen.

Das Kind lernt also Regeln, welche die Sätze generieren, und nicht jeden Satz einzeln.

Daraus, so betont Chomsky, ergibt sich die Kreativität der Sprache, denn Äußerungen sind durch die äußere Situation nicht völlig vorhersehbar. Der Mensch besitzt die Fähigkeit, beliebig viele neue Sätze zu produzieren und zu verstehen.

1.4. Erste Wortkombinationen

1.4.1 Forschungsgrundlage

Chomskys Erkenntnisse inspirierte die Forschung über die Entstehung der Grammatik beim Kind in den frühen 60er Jahren. Es wurden Kinder untersucht, die amerikanisches Englisch als Muttersprache erwarben. Es wurde die Methode der neutralistischen Beobachtung angewendet, das bedeutet, es wurden Tonbandaufnahmen der Kinder beim spontanen Sprechen in natürlichen Situationen zu Hause gemacht. Diese Daten nennt man spontane Sprechdaten. Die Kinder waren in einem Alter zwischen 18 Monaten und zwei Jahren. In diesem Alter treten gewöhnlich die ersten Zweiwortäußerungen auf.

1.4.2. Forschungsergebnisse

In den Studien zeigte sich, dass bestimmte Wörter mit großer Häufigkeit genutzt wurden. Diese nannte man Operatoren oder auch Pivotwörter. Diese Wörter wurden mit anderen Wörtern kombiniert, die individuell nicht so häufig gebraucht wurden, deren Anzahl aber wesentlich größer als die der Operatoren waren. Beispiele dafür sind:

no bed (kein Bett) more sing (mehr singen)

boot off (Stiefel aus) hot in there (heiß da drin)

more car (mehr Auto) hi Mama (hallo Mama)

water off (Wasser ab) milk in there (Milch dadrin)

Hier sehen wir die Operatoren no, more, hi, off, there.

Operatoren sind vergleichbar beziehungsweise ähneln den Funktionswörtern der Erwachsenensprache.

Diese Funktionswörter sind eine geschlossene Wortklasse, was bedeutet, dass keine neuen Wörter dazu kommen. Die Anzahl der Funktionswörtern ist relativ klein, sie kommen aber häufig vor und haben eine grammatische Funktion. (Funktionswörter sind zum Beispiel Artikel, Präpositionen, Hilfsverben).

Die ,,anderen Wörter", die mit den Operatoren kombiniert werden, gleichen den Inhaltswörtern der Erwachsenensprache. Diese Inhaltswörter (zum Beispiel Nomen, Verben, Adjektive) gehören in eine offene Wortklasse, es können also neue Wörter in der Sprache dazu kommen. Diese offenen Wörter haben einen hohen Bedeutungsgehalt.

Es wurden aber nicht nur Operatoren mit offenen Wörtern kombiniert, sondern es kam auch zu Kombinationen zwischen Wörtern der offenen Wortklasse. Hier einige Beispiele:

pants change (Hose dry pants (trockene Hose) wechseln)

Mommy sock (Mama

milk cup (Milch Tasse) Strumpf)

Besonders der Linguist Braine (1963) versuchte, diese Zweiwortäußerungen in einer Pivot- Grammatik festzuhalten, was sich allerdings nicht bestätigte. Er meinte, dass bestimmte Operatoren immer in erster, andere immer in zweiter Position im Satz stehen würden, und somit nicht austauschbar seien. Widerlegt wurde diese Theorie aber vor allen Dingen in Studien mit Kindern, die nicht die englische Sprache erwarben, so zum Beispiel deutsche Kinder. Hier kam auch brille genau so wie meike auch oder mehr buch genau so wie mama mehr vor.

(Das englischsprachige Kinder Operatoren eher in festen Positionen benutzen, läßt sich eventuell dadurch erklären, dass dies ein wesentliches Merkmal der Muttersprache ist, da im Englischen die Wörter in Sätzen in festen Positionen stehen.)

Zusammenfassend läßt sich also sagen, dass Kinder in Zweiwortäußerungen in unterschiedlichem Maße sowohl Funktionswörter mit offenen Wörtern als auch nur offene Wörter miteinander kombinieren. Der Bedeutungsgehalt der Wörter bleibt damit allerdings außen vor, da nur die Ebene der Distribution von Wörtern in Sätzen betrachtet wird. Eine solche Analyse wäre aber eine oberflächliche Beschreibung, da sie nicht berücksichtigt, dass äußerlich gleich aussehende Äußerungen unterschiedliche Bedeutungen haben können.

Das folgende Beispiel verdeutlicht, wie ein Kind namens Kathryn die Äußerung Mommy sock (Mami Strumpf) in zwei unterschiedlichen Kontexten gebrauchte:

Kontext 1: Kathryn hebt den Strumpf ihrer Mutter hoch, zeigt ihn, und will damit sagen, dass dies Mamis Strumpf ist. (Possesiv-Relation)

Kontext 2: Mami zieht Kathryn ihren Strumpf an, und Kathryn will das zum Ausdruck bringen.

(Subjekt-Objekt-Relation)

Um eine bessere Analyse der Zweiwortäußerungen von Kindern abgeben zu können, ist es daher wichtig, sowohl die Regelmäßigkeit als auch den Bedeutungsgehalt der kindlichen Äußerung miteinzubeziehen.

2. Bedeutungen von Zweiwortäußerungen

In unseren folgenden Ausführungen stützen wir uns hauptsächlich auf das Kapitel ,,Grammatikentwicklung" von Gisela Szagun in ,,Sprachentwicklung beim Kind: eine Einführung" aus dem Jahre 1996.

Der Ausdruck ,,Bedeutung" ist einem normalerweise am geläufigsten in Bezug auf die Bedeutung von einzelnen Wörtern, also die Wortbedeutung. Hier heisst Bedeutung ,,grammatische Bedeutung"; sie bezieht sich auf die Funktion, die ein Wort in einem Satz erfüllt, oder auch auf die Art der Beziehung, die das Wort zu anderen Wörtern eingeht.

Zuerst sollte man sich einige Beschreibungsschemata der Bedeutungen von Zweiwortäußerungen ansehen. Sagt ein Kind (Manuela)

Ela Tasse und zeigt dabeiauf eine Tasse, die vor ihm steht, dann ist den anwesenden Erwachsenen meist klar, dass das Kind etwas sagen will wie:

Das ist Manuelas Tasse, oder: Manuela hat eine Tasse.

Oft antwortet ein Erwachsener daraufhin wohl etwas wie:

Das ist deine Tasse, ja? oder Hast du ne Tasse?

- ohne sich viel zu fragen, ob er die Zweiwortäußerung des Kindes richtig interpretiert hat oder nicht, meistens sogar, ohne sich überhaupt bewusst zu sein, dass er interpretiert.

,,Das Kind enkodiert das, was es aussagen will, nicht so wie dies nach dem Standard der Erwachsenensprache ,,richtig" wäre. Es möchte aber mehr an Inhalt oder Bedeutung aussagen, als es dies mit sprachlichen Mitteln adäquat zustande bringt" (Szagun, 1996).

Analyse der Zweiwortbedeutungen: Bloom führte 1970 eine Längsschnittuntersuchung spontanen Sprechens von drei Kindern durch, wobei sie ausführlich den aussersprachlichen situativen Kontext der kindlichen Äußerungen in ihre Untersuchung mit einbezog.

Sie erstellte mit diesen Informationen über den situativen Kontext und die Antworten der Erwachsenen eine Analyse der Bedeutungen der Zweiwortäußerungen:

Kombinationen von Nomen:

1. Subjekt - Objekt: Bsp.: hebt einen Hut auf, der für

Mommy sock (Mami Parties gebraucht wird)

Strumpf) (die Mutter zieht

dem Kind seinen Strumpf 4. Subjekt - Lokation: Bsp.:

an) sweater chair (Pullover

Stuhl) (das Kind legt seinen

2. Genitiv: Bsp.: Mommy Pullover auf einen Stuhl)

sock (das Kind hebt den

Strumpf seiner Mutter hoch 5. Konjunktion: Bsp.:

und zeigt ihn) umbrella boot

(Regenschirm Stiefel) (die

3. Attribution (nähere Mutter des Kindes bringt

Bestimmung): Bsp.: Party Regenschirm und Stiefel

hat (Party Hut) (das Kind dorthin, wo das Kind sitzt)

2.1 Erwerbsreihenfolgen von Morphemen und Spracherwerbsraten

In einer der bekanntesten Untersuchungen zum Spracherwerb, der Harvard-Studie von Brown 1973, wurden einige grundsätzliche Themen behandelt, die für alle Sprachen wichtig sind, wie z.B. Maße für grammatische Entwicklung, Entwicklungsraten und Erwerbsreihenfolgen grammatischer Strukturen.

Es wurde ein Maßstab entwickelt, mit dem man die Grammatikentwicklung unabhängig vom Lebensalter der Kinder messen kann. Dies wurde notwendig, da sich schnell herausstellte, dass die Kinder ganz unterschiedlich schnell sprechen lernen. So wurde als Maßstab die durchschnittliche Äußerungslänge einer jeweiligen Sprachstichprobe genommen, englisch: ,,mean length of utterance", daher abgekürzt MLU. Er wird in Morphemen berechnet. Morpheme sind minimale Einheiten, die Bedeutung tragen.

Die Klasse von Morphemen, die hier interessiert, sind Flexionsmorpheme. Sie repräsentieren grammatische Inhalte. In Kinder ist -er ein Flexionsmorphem. Es bedeutet Plural. Zwei kindliche Einwortäußerungen Kinder und Kind würden ein MLU von 1,5 haben. MLU ist ein rein quantitativer Maßstab der Grammatikentwicklung, impliziert jedoch den Erwerb neuer grammatischer Strukturen, in Form morphologischer als auch syntaktischer Strukturen. Wie dieses Beispiel zeigt, wird durch die Kombination des Basismorphems mit dem Flexionsmorphem, das Plural indiziert, ein längeres MLU erreicht.

Dies geschieht natürlich ebenso durch die Kombination von mehreren Wörtern zu Sätzen. Auch wenn der Maßstab des MLU bei zunehmender Länge der Äußerungen und bei Anwendung auf stärker flektierte Sprachen ein Problem mit sich bringt, weil sich nicht alle Veränderungen grammatischer Strukturen quantitativ messen lassen, so hat sich das MLU als ein Maß für grammatischen Fortschritt doch recht gut bewährt.

Browns Untersuchungen konzentrieren sich auf einen Abschnitt der kindlichen Grammatikentwicklung, der bei einem MLU von ca. 1,75 anfängt und bei einem MLU von ca. 4,00 aufhört. Dieser Abschnitt wurde in fünf Stufen eingeteilt, von denen jede mit einer römischen Ziffer bezeichnet ist.

Die Stufen I bis V sind mehr oder weniger willkürliche Einteilungen eines Verhaltens, das eher kontinuierliche Veränderungen durchmacht, nämlich die Grammatikentwicklung. Brown weist auch selbst darauf hin, dass es sich bei diesen Stufen nicht um Stufen im Sinne einer breiten, qualitativen Reorganisation von Verhalten handelt.

Es stellt sich die Frage, welche grammatischen Strukturen denn nun von den Kindern erworben werden. Brown beobachtete in einem Überblick über die grammatische Entwicklung der von ihm untersuchten Kinder große Ähnlichkeiten, was die Art der Strukturen anging. Alle Kinder gebrauchten hauptsächlich kurze, affirmative Sätze und auch Imperativsätze.

Fragen und Verneinungen wurden zwar in Stufe I verstanden, aber ihre forma-sprachliche Realisierung war bis zur Stufe III noch nicht voll ausgebildet. Während in Stufe I alle Verben in unmarkierter Form bei den Kindern auftraten, entwickelten sich bis Stufe III die Verlaufsform

Beispiel:

(I am working), regelmäßige und einige unregelmäßige Vergangenheitsformen und eine Gruppe von Verben wie wanna

( = want to, deutsch: wollen), hafta ( = have to, deutsch: müssen) und gonna ( = going to, eine Zukunftsform).

Eine weitere Errungenschaft zwischen I und III war auch noch der Plural.

2.2 Erwerbsreihenfolgen von Bedeutungskategorien

Im letzten Abschnitt liess sich erkennen, wie die grammatischen Bedeutungen der frühen Kindersprache analysiert wurden. Eine weitere Frage in Bezug auf die Bedeutungskategorien der frühen Kindersprache ist, in welcher Reihenfolge sie auftreten. Bloom et al. (1975) untersuchte dies und erstellte ein Beschreibungsschema von ,,semantisch-syntaktischen" Kategorien, um die Bedeutungen der Zwe- und Mehrwortäußerungen der Kinder zu charakterisieren. Es wurde unterschieden zwischen Bedeutungen, die durch Verben determiniert sind, und solchen, die die Kombinationen von Verben mit anderen Wörtern betreffen.

- Im folgenden sind die Bedeutungskategorien der Verbrelationen mit Beispielen aufgeführt :

1. Handlung: Die Äußerungen beziehen sich auf zwei Arten von Handlung mit Bewegung: a) wenn der Agent handelt und dabei auf ein Objekt einwirkt,

(Bsp.: Gia fahren Dreirad); b) wenn nur der Handlungsträger, aber kein Objekt einbezogen wird, (Bsp.: Jana springt).

2. lokative Handlung: Die Äußerungen beziehen sich auf Handlung mit Bewegung, wobei das Ziel der Bewegung eine Veränderung in der Lokalisierung eines Objektes oder einer Person ist und angegeben wird: a) Die Handlung involviert einen Agenten, ein Objekt und einen Ort bzw. das Ziel der Bewegung, (Bsp.: tu in Dose, situativer Kontext: Jana wirft ein Auto in eine Dose); b) wie bei a), aber der Agent und das von der Bewegung betroffene Objekt sind identisch, (Bsp.: ich geh runter).

3. lokativer Zustand: Die Äußerungen beziehen sich auf eine Beziehung zwischen einer Person/einem Objekt und einer Lokalisierung, wenn keine Bewegung stattfindet, (Bsp.: Baby Korb; situativer Kontext: Gia zeigt auf ein Bild eines Babys in einem Korb).

4. Bemerken/ Wahrnehmen: Die Äußerungen beziehen sich auf das Bemerken bzw. das Aufmerksamwerden auf eine Person oder ein Objekt, (Bsp.: seh Hund).

5. Zustand: Die Äußerungen beziehen sich auf vorübergehende Zustände (im Gegensatz zu Handlungen) mit Verben, die Zustände ausdrücken, wie brauchen, wollen, gernhaben, (Bsp.: brauche Buch).

6. Intention: Äußerungen mit Verben, die eine Absicht oder Intention ausdrücken,

(Bsp: ich will gehen).

- Ausser diesen Verbkategorien unterscheiden Bloom et al. in der Kindersprache Bedeutungskategorien, die Kombinationen von Nomen mit anderen Wörtern betreffen, welche später noch genauer erklärt werden:

7. Vorhandensein
8. Nicht-Vorhandensein
9. Wieder-Vorhandensein
10. nähere Bestimmung
11. W-Fragen: Fragen mit wo, was, wer
12. Dativ: Es wird Bezug genommen auf den Empfänger der Handlung
13. Instrument: Ein unbelebtes Objekt, mit dem eine Handlung ausgeführt wird, wird genannt, (Bsp.: Messer schne iden).
14. Handlung und Ort: Es wird unabhängig vom Verb der Bewegung spezifiziert, wo der Ort einer Handlung ist, (Bsp.: diese Kinder tun da).

Bloom et al. (1975) bestimmten die Erwerbsreihenfolge der Bedeutungskategorien. Als Kriterium, dass eine Kategorie erworben ist, setzten sie den Gebrauch der Kategorie von mindestens fünf mal pro Sprechstichprobe von 6-8 Stunden.

- Hier ist die Erwerbsreihenfolge aller Bedeutungskategorien zusammengefasst:

1. Vorhandensein, Nicht - Vorhandensein, Wieder - Vorhandensein
2. die Verbrelationen: Handlung, lokative Handlung
3. die Verbrelationen: lokativer Zustand, Bemerken, Zustand
4. Intention, Dativ, Instrument, W-Fragen, Handlung und Ort
5. variabel: Besitzangabe, nähere Bestimmung

3. Der Grammatikerwerb des Deutschen

3.1 Forschungsüberblick / Corpora-Erstellung

Szagun stützt sich in ihrer Darstellung primär auf das Überblicksreferat von Mills aus dem Jahre 1985. Des weiteren bezieht sie die Arbeiten von Stern & Stern von 1928, Mille r 1976 und Clahsen 1982 bzw. 1984 mit ein.

1928 hielten Stern & Stern die Sprachentwicklung ihrer dreier Kinder in Form von Tagebuchaufzeichnungen fest. In stenographischem Stil wurden in erster Linie Neuerungen festgehalten und von Zeit zu Zeit Gesamtbestandsaufnahmen durchgeführt. Zum Alter der Kinder wird keine Angabe gemacht.

Ebenfalls längsschnittlich erhob Miller 1976 Daten eines Kindes mittels Tonbandaufnahmen, wobei das Kind alle 1-6 Wochen zwischen 20 Minuten und acht Stunden aufgenommen wurden.

1982 machte Clahsen Videoaufnahmen von drei Kindern einer Familie, darunter ein Zwillingspaar. Zu Beginn waren die Kinder ein Jahr und neun Monate, bzw. zwei Jahre und neun Monate alt. Alle zwei bis vier Wochen wurden Äußerungen auf Video festgehalten mit einer durchschnittlichen Länge von 45-60 Minuten. Der Zeitraum der Untersuchung betrug sieben Monate.

3. 2 Ebenen des Grammatikerwerbs

Bezüglich der verschiedenen Ebenen des Grammatikerwerbs des Deutschen ist vorab zu sagen, dass sich Szagun von einer Einteilung in serielle Stufen im Sinne echter Entwicklungsstufen distanziert. Sie betont in diesem Zusammenhang, dass im Laufe des Spracherwerbs einfache Strukturen durch komplexe zwar mehr und mehr abgelöst werden, beide jedoch zeitweilig parallel produziert werden und ineinander übergehen können. Zudem ist die Sprachentwicklung individuell verschieden, was ganz natürlich ist.

Laut Szagun produziert ein normal entwickeltes Kind im Alter von etwa einem Jahr und einem Jahr und acht Monaten Einwortäußerungen, geht mit ca. einem Jahr und sechs Monaten und zwei Jahren und drei Monaten zu Zweiwortäußerungen über, produziert zwischen 2 und 4 Jahren Drei- und Mehrwortäußerungen und wendet ab etwa drei Jahren schon vereinzelt komplexe Strukturen an. Im folgenden sollen die Charakteristika von Ein- und Zweiwortäußerungen besprochen werden.

3. 2.1 Einwortäußerungen

Einwortäußerungen bestehen meist aus Nomen, Verbpartikeln, Adverbien und Demonstrativa, teilweise auch aus Wörtern aus der Klasse der Verben und Adjektive. Die Unterschiede in den Wortklassen werden von Kindern in diesem Stadium noch nicht unterschieden.

Das Negationswort nein kommt schon vor, wird wohl aber nicht dazu genutzt, um eine Aussage zu negieren, sondern bedeutet v.a., dass das Kind etwas abwehrt oder ablehnt. Die Frageintonation ist bei Einwortäußerungen auch schon zu beobachten.

Beispiele von Stern und Stern 1928 und Miller 1976:

mama, papa, mieze ab, weg, auf, runter

puste mehr, auch, noma (= noch mal)

heiss

3.2.2 Zweiwortäußerungen

Lexikalischen Elementen werden in Sätzen bestimmte semantische Funktionen zugeordnet, wobei sich der Begriff ,,semantische Funktion" u.a. auf grammatische Bedeutungskategorien bezieht, welche Wörter in Sätzen haben können. So kann ein Wort beispielsweise in der Funktion des Handlungsträgers oder des Objekts auftreten. Diese semantischen Funktionen sind nicht auf das Deutsche beschränkt, sondern wurden auch in anderen Sprachen gefunden.

Die semantischen Funktionen von Zweiwortäußerungen lassen sich wie folgt charakterisieren, wobei ich mich auf die Beispiele von Miller, 1976; Clahsen, 1982 und Szaguns eigene unveröffentlichte Daten beziehe:

Vorhandensein

Das Kind richtet seine Aufmerksamkeit auf eine Person oder ein Objekt, welche(s) da ist. Es zeigt auf ein Objekt, fasst es an oder bewegt es:

da auto,

da brille, da

flasche,

mami da.

Nicht-Vorhandensein

Ein Objekt/eine Person ist nicht oder nicht mehr da. Auch das Verschwinden von Gegenständen wird auf diese Weise kommentiert. Wenn zum Beispiel ein Bus gerade um die Ecke fährt, und das Kind dies beobachtet, sagt es bus weg oder wenn eine Seifenblase platzt, blase weg.

Wieder-Vorhandensein

Wenn ein Gegenstand verschwindet und wieder zum Vorschein kommt, ein ähnlicher Gegenstand auftaucht, oder einer, der in irgendeiner Beziehung zu diesem Gegenstand steht, dann kommentiert das Kind dies etwa so: ,,mehr Hase" (wenn in einem Buch eine Seite mit einem Hasen wieder aufgeschlagen wird) oder ,,noch ?ne blase", wenn wiederholt eine Seifenblase geblasen wird.

Handlungsträger und Handlung

Das Kind kommentiert eine aktiv handelnde Person bzw. deren Handlung:

baby weint, opa essen, ich lesen

Objekt und Handlung

Das Kind verweist auf ein Objekt und auf das, was damit geschieht:

musik haben, ringelreihe machen, das mach, drehen brücke

Besitzer und Besitz

Kommentiert wird ein Objekt und dessen Besitzer:

danni tasse, titas wauwau, 'mones puppe ( = Simones)

Lokalisierung

Einem Objekt bzw. einer Person werden Ort oder Richtung zugewiesen:

karre rein, rauf lok, mama arm

Attribution

Ein Objekt bzw. eine Person wird mit einem Attribut versehen:

grosser fisch, hexe krank, schaukel putt

Analogie

Mittelbar zu den semantischen Funktionen zählt Szagun Millers Kategorie Auch (Analogie). In diese Kategorie fallen Äußerungen mit auch, in denen gewisse Ähnlichkeiten zwischen Elementen von Handlungssituationen festgestellt werden:

auch miau (das Kind zeigt auf eine andere Katze)

schal auch (das Kind zeigt auf den Schal nach der Mütze)

Wunsch und Aufforderung

Hierbei handelt sich um eine kommunikativ-pragmatische Kategorie, das Kind erwartet durch seine Äußerung eine Reaktion des Hörers.

Beispiele: will auch, auch pflaster, wasser haben

3.3 Formbildende Aspekte des Grammatikerwerbs

3.3.1 Flexionsmorpheme

Kinder müssen im Laufe ihres Grammatikerwerbs eine Reihe von Flexionsmorphemen erwerben. In der Nominalphrase betrifft das die Markierung von Genus, Numerus und Kasus.

In den Zweiwortäußerungen kleiner Kinder tauchen sporadisch schon einige formale Markierungen auf. So finden sich am Nomen vereinzelt die korrekten Pluralformen sowie Genitiv -s.

Artikel werden meist ausgelassen. Werden sie verwendet so geschieht das vor allem in der gekürzte n Form von de für den bestimmten und ?n für den unbestimmten Artikel.

Vereinzelt kommen Markierungen an Adjektiven vor, wobei die starke Deklination dominiert, wie in schönes buch, guter papa. Die Endungen sind meist korrekt für Genus, e kommt aber auch vor, dass die Endung -e übergeneralisiert wird, wie in grosse haus, grosse bagger. Vermutlich ist dies deshalb so, weil die -e- Endung in der Erwachsenensprache die häufigste ist. In der schwachen Deklination überwiegt diese.

3.3.2 Verben

In den Zweiwortäußerungen stehen Verben meist im Infinitiv oder in einer infinitivartigen Form, die auf -e endet. Beispiel: nase putze. Gelegentlich findet sich jedoch auch schon die Endung der 3. Pers. Singular, wie in baby weint, als auch das Partizip Perfekt, meist ohne die Vorsilbe ge- oder bei zusammengesetzten Verben mit einem -e statt ge-.

Beispiele (Szagun 1976, 1979):

runterfallen (= ist runtergefallen)

?putt ?emacht (= kaputt gemacht)

hinesetzt (= hingesetzt)

gut e..esse (gut gegessen)

3.3.3 Wortstellung

Die Wortstellung in Zweiwortäußerungen ist zum Teil variabel.

Untersuchungen haben ergeben, dass das Verb meist in Endstellung auftritt.

(u.a. Stern & Stern, 1928; Park, 1970; Miller, 1976; Clahsen, 1982, 1986; Mills, 1985)

Beispiele (Clahsen, 1982, 1986; Miller, 1976):

wasser schwim

hause gehen

milch habe

Ein möglicher Gründe dafür ist, dass sich in der Sprache der Eltern an Kinder viele Fragen und Aufforderungen finden -und diese haben Verbendstellung.

Zudem neigen Kinder dazu, ihre Aufmerksamkeit auf das Wort- bzw. Satzende zu richten.

3.3.4 Negation

in Zweiwortäußerungen kann der Negationsträger nein und nicht sein. Beide können vor als auch nach dem Verb stehen, wie in:

nein essen,

nein sitzen,

auto nein,

parken nich

3.3.5 Fragen

Wie bereits erwähnt, werden Fragen mit Frageintonation gestellt. Bei W-Fragen wird das Fragewort in der Regel ausgelassen. Gelegentlich kommen jedoch Fragen mit wo? vor. Oft ist dabei auch die Endstellung von wo? zu beobachten, wie in

apfe wo? (= wo ist der Apfel?).

Ja/Nein-Fragen werden meist ohne Inversion von Subjekt und Objekt gestellt (Clahsen, 1982; Mills, 1985).

4. Drei- und Mehrwortäußerungen

Vorraussetzung um in einer Sprachgemeinschaft verstanden zu werden, ist die Kombination von zueinander passenden Worten, die in jeder Sprache gewissen Regeln unterliegt:

Diese Regeln stehen hier jedoch im Hintergrund, vielmehr soll deutlich werden, wie und in welchem Entwicklungsstadium Kinder diese Regeln annehmen, wo Schwierigkeiten auftreten, wie diese aussehen und in welcher Reihenfolge die Regeln erworben und angewandt werden.

Wir bewegen uns in dieser Betrachtung im Entwicklungsstadium von zwei Jahren und null Monaten (2;0) bis vier Jahre und null Monate (4;0), in dem die meisten Flexionsmorpheme erworben werden.

4.1 Morphologische Veränderung der Nominalphrase

4.1.1 Genus

Das Geschlecht der Substantive wird schnell und richtig erkannt und fehlerfrei angewandt, wobei eine gelegentliche Übergeneralisierung von ,,die" und ,,eine" bekannt ist - die Mann, eine strumpf.

4.1.2 Kasus

Die Erwerbsreihenfolge beim Nomen ist: Nominativ, Genitiv, Akkusativ, zuletzt Dativ. Hierbei kommen die genitivischen Formen ohne -s vor: ,,Peter sein Auto" (2;6) und der Erwerb von Genitiv und Akkusativ können vertauscht sein. Bis ca. 3;6 werden die Adjektive erworben und die Übergeneralisierung von -e schrittweise abgebaut: große Mann, große Haus.

Die Erwerbsreihenfolge der Artikel stellt sich in den meisten Fällen wie folgt dar: Nominativ, Akkusativ, Dativ, Genitiv. Häufigster Fehler, neben den schon genannten Übergenerali- sierungen bei Nomen und Adjektiven, ist der Artikelgebrauch von Akkusativ in dativfordernden Kontexten: da kann man mit den Auto hinfahr... , hab mich das geholt..." .

4.2 Verben

4.2.1 Verbflexion

Die Flexionsmorpheme für Genus und Numerus sind recht schnell präsent und werden in der richtigen Form gebraucht: ,,hast bist, gehst ..."

Tempusformen der Verben: Während bei den Kommunikationstests mit Affen nicht über das Niveau des Gegenständlichen hinaus gegangen werden konnte, entwickeln Kinder im Alter etwa ab 2;8 ein Zeitgefühl und lernen, zeitlich getrennt liegende Ereignisse zu unterscheiden. Das Vorhandensein eines zeitlichen Bewusstseins drückt sich zuerst im Gebrauch des Perfekts aus: ,, bin gegangen" (anfangs noch ohne ge-).

Als nächstes tritt der Erwerb des Imperfekt hinzu: ,, war, hatte, sollte..." welches anfangs noch mit einer Übergeneralisierung der schwachen Konjugation einhergeht: ,,gingte, kamte...", aber recht schnell in die richtige Form gebracht wird.

Der Erwerb des Plusquamperfekts wird zwar erwähnt, ihm jedoch wenig Aufmerksamkeit geschenkt, da es in der realen Sprache der 2-4-Jährigen in verschwindend geringer Häufigkeit auftritt. Interessanter ist der Erwerb und Gebrauch des Futurs, das im Alter von etwa 3;0 erworben wird.

Über die Häufigkeit dieser Tempusform gehen die Meinungen der Forscher jedoch auseinander: Szagun verzeichnet das Futur in ihren Untersuchungen recht selten, wohingegen Stern & Stern den Gebrauch des Futurs in ihren Untersuchungen häufig beobachten konnten, was jedoch keine gravierenden Rückschlüsse auf die Allgemeingültigkeit der Reihenfolge im Spracherwerb zulässt, da in beiden Untersuchungen das Futur im gleichen Entwicklungsstadium (3;0) auftritt, und nur dies gilt es hier nachzuweisen.

4.2.2 Verbstellung

Bei der Wortstellung, insbesondere der Verbstellung, gibt es ab etwa 3;0 grundlegende Veränderungen; die bis dahin dominierende Verbendstellung wird zugunsten einer regelkonformen Wortstellung aufgegeben:

..."nach Hause gehen" wird zu: ,,...ich gehe nach Hause."

Außerdem werden nach und nach komplexere Strukturen grammatisch korrekt aufgebaut und angewandt. Zum Beispiel tritt die korrekte Endstellung des konjugierten Verbs in Nebensätzen auf:

,,...dass ich raus kann."

Des weiteren stellt sich auch die korrekte Wortstellung bei Verneinung und Frage ein: ,,das Negationswort ,,nicht" gewinnt gegenüber dem bis dato vorherrschenden ,,nein" immer mehr an Bedeutung und die Inversion von Subjekt und Verb bei Ja/Nein -Fragen stellt sich ein.

An dieser Stelle befinden wir uns am Ende der Entwicklungsstufe der Dre- und
Mehrwortäußerungen. Die hier gemachten Altersangaben stützen sich auf unterschiedliche Forscher und deren Untersuchungen und erheben keinen Absolutheitsanspruch.

Sie beschreiben lediglich Zeitpunkte, zu denen die eine oder andere Stufe von den von ihnen untersuchten Probanden erreicht wurde. Einzig eine grobe Reihenfolge der zu durchlaufenden Entwicklungsstufen im Spracherwerb sollte hier nachgezeichnet werden, ohne Unregelmäßigkeiten oder Besonderheiten (siehe Thema Zwillinge, Wolfskinder) zu berücksichtigen.

5. Zusammenfassung

Ab ca. 1;0 fangen Kinder an, sich durch einzelne Worten aus verschiedenen Wortklassen der Erwachsenensprache auszudrücken. Dazu werden einfachste lautliche Gebilde aus der jeweiligen Sprache herangezogen; im Deutschen wären dies zum Beispiel: auf, ab, da, nein, etc. Im normalen Verlauf erstreckt sich dieses Stadium bis etwa 1;8, wobei ab 1;6 schon Übergänge zur Zweiwortäußerung zu beobachten sind.

Hier zeigen sich bereits semantische Funktionen wie das Bewusstsein über Vorhandensein / Nicht-Vorhandensein / Wieder-Vorhandensein / Unterscheidung von Objekt und Handlung, etc. (siehe auch Anhang Überblickstabelle).

Normalerweise sollte ein Kind bis 2;3 zur Zweiwortäußerung übergegangen sein, da in der weiteren Entwicklung Kinder ab 2;0 in die Phase der Drei- und Mehrwortäußerungen eintreten. Kinder in diesem Stadium erkennen immer komplexere Strukturen und können diese und ähnliche an anderer Stelle korrekt wiedergeben (Transfer).

Dazu gehören das Erkennen und richtige Zuordnen von Kasus, Numerus und Genus sowie bei den Verbformen das Tempus. Fragen und Verneinungen treten in korrekter Form auf und der Übergang zu komplexen Strukturen (Nebensätze, Passiv etc.) ist nur mehr eine Frage der Zeit.

6. Anhang

Überblickstabelle (nach Szagun, 1996)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

7. Bibliographie

Szagun, G. (1996): Sprachentwicklung beim Kind: eine Einführung. 4., überarb. und erw. Aufl. München: Psychologie -Verlags-Union.

Bloom, L. (1970): Language development: Form and function in emerging grammars. Cambridge, Mass.: M.I.T. Press.

Bloom, L. et al (1975). Structure and variation in child language . Monographs of the Society for Research in Child Development, 40 (2).

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Clahsen, H. (1986). Die Profilanalyse: Ein linguistisches Verfahren für die Sprechdiagnose im Vorschulalter (Logotherapia 3). Berlin: Marhold.

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Szagun, G. (1979). The development of spontaneous reference to past and future: A cross linguistic study. Forschungsbericht Nr. 79-4, Institut für Psychologie, TUB. Berlin: Technische Universität.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Zwei- und Mehrwortäußerungen
Autor
Jahr
2002
Seiten
20
Katalognummer
V106320
ISBN (eBook)
9783640045990
Dateigröße
520 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zwei-, Mehrwortäußerungen
Arbeit zitieren
Katrin Schmitt (Autor:in), 2002, Zwei- und Mehrwortäußerungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106320

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