Die Tesla-Gigafactory in Grünheide zwischen Naturschutz, Wirtschaft und Strukturveränderungen

Die Konfliktkonstellation aus Perspektive der Politischen Ökologie


Bachelorarbeit, 2021

51 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Landnutzungskonflikte
2.1 Landnutzungskonflikte in der Politischen Ökologie
2.2 Bürgerproteste gegen Bauvorhaben
2.3 Methodik

3 Bau der Tesla-Gigafactory in Grünheide
3.1 Strukturveränderungen
3.1.1 Wirtschaft und Arbeitsmarkt
3.1.2 Infrastruktur
3.1.3 Ökologie
3.2 Konfliktverlauf

4 Akteur*innen im Tesla-Konflikt
4.1 Gegner*innen
4.1.1 Bürgerinitiative Grünheide
4.1.2 Naturschutzverbände
4.1.3 Wasserverband Strausberg-Erkner
4.2 Befürwortende
4.3 Politik
4.4 Tesla
4.5 Konfliktkonstellation

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

We've decided to put the Tesla Gigafactory Europe in the Berlin area” (MUSK 2019, zit. nach Thorbecke 2019) - mit dieser überraschenden Ankündigung von Tesla-Chef Elon Musk am 12. November 2019 startet ein Bauprojekt der Superlative in der Gemeinde Grünheide (Mark) in Brandenburg. „Was passiert mit einem Dorf, in dem plötzlich die Zukunft ein­schlägt?“ (RBB 2020): Dieser Frage widmet sich ein achtteiliger Podcast des Rundfunk Berlin- Brandenburg (RBB) und hier deutet sich bereits an, dass das Bauvorhaben von Tesla weitrei­chende Folgen für die Gemeinde haben wird. Der Begriff „Paukenschlag“ wird mit der Ankün­digung in Verbindung gebracht (ebd.; KEMFERT 2020) und das öffentliche Interesse ist groß: Neben dem Podcast existieren bislang zwei Dokumentationsfilme über den Bau. Innerhalb von etwas mehr als einem Jahr soll die Fabrik fertiggestellt und bereits ab Sommer 2021 mit der Produktion von 500.000 Elektroautos jährlich begonnen werden, dafür werden etwa 12.000 Beschäftigte angestellt (vgl. Staatskanzlei Brandenburg 2021). Der RBB spricht im Zusammen­hang mit dem Bauprojekt von einer „Tesla-Geschwindigkeit“, da es in Deutschland keine ver­gleichbaren Vorhaben gibt, die mit solch einer Schnelligkeit umgesetzt wurden (vgl. RBB 2020).

Dass es zu Protesten gegen ein Bauvorhaben in dieser Dimension kommt, scheint nahelie­gend. Im Januar 2020 finden die ersten Demonstrationen von Gegner*innen statt, eine Bürger­initiative gründet sich und Naturschutzverbände schalten sich ein. Sorge sind vor allem Um­weltschäden durch Waldrodungen und hohen Wasserverbrauch. Aber auch Befürwortende der Fabrik treten auf, denn die Unternehmensansiedlung verspricht enorme wirtschaftliche Vorteile (vgl. ebd.).

Bürgerproteste gegen große lokale Bauvorhaben erregen immer wieder mediale Aufmerk­samkeit. Oft schließen sich dabei Bürgerinitiativen mit Naturschutzverbänden zusammen, um gegen entsprechende Pläne vorzugehen, da schädliche Folgen für die Umwelt befürchtet wer­den. Zugleich ist für solche Proteste charakteristisch, dass die Bürger*innen sich von der Politik übergangen fühlen (vgl. BAUMGARTEN & RUCHT 2013, S. 107). Die Proteste gegen Stuttgart 21, einem Infrastrukturprojekt zur Modernisierung des Eisenbahnknotens Stuttgart, ist ein Bei­spiel solcher Konflikte (vgl. ebd., S. 109). Auch Bauvorhaben, die Waldrodungen miteinschlie­ßen, werden meist kritisch gesehen. In Bayern ruft die örtliche Bürgerinitiative gegen die Wald­zerstörung zum Unterschreiben einer Petition gegen die Rodung des Nürnberger Reichswaldes auf. Hier soll ein Instandhaltungswerk der Deutschen Bahn errichtet werden (vgl. Bürgerinitiative gegen die Waldzerstörung 2021). Insbesondere im Bereich der Energiewende ist mit lokalen Bürgerprotesten gegen Bauvorhaben zu rechnen, da diese meist Veränderungen hervorrufen, die sich tiefgreifend auf das Lebensumfeld der Bürger*innen auswirken (vgl. ZILLES & SCHWARZ 2015, S. 669). Auch hier richten sich die Proteste oft gegen Rodungen von Waldflächen, auf denen etwa Windparks entstehen sollen (vgl. ebd., S. 670f.).

Das sind nur einige Beispiele aktueller Bürgerproteste, die insbesondere seit den 1970er Jah­ren verstärkt auftreten (vgl. FEINDT 2010, S. 9). Seitdem wird immer mehr Literatur veröffent­licht, die sich mit solchen Konflikten auseinandersetzt. So gibt es zahlreiche Untersuchungen zu Bürgerprotesten rund um die Energiewende (z.B. ZILLES & SCHWARZ 2015; ALTHAUS 2012; SCHLECHT et al. 2008; RADTKE & KERSTING 2018), dem wohl aktuell populärsten Konflikt, aber auch zu allgemeinen Umwelt- und Technikkonflikten, die etwa den Einsatz von Gentech­nik, Atomenergie oder Bauvorhaben allgemein betreffen (z.B. FEINDT 2010). Hinzu kommen theoretische Analysen vor allem aus dem Fachbereich der Politikwissenschaft, die sich mit Bür­gerprotesten und demokratischen Prozessen in diesem Zusammenhang auseinandersetzen. So analysiert GOBERT (2016) im Rahmen von Protesten gegen Großbauprojekte die Konfliktpar­teien und ihre Vorgehensweisen im Konflikt. Andere Arbeiten beschäftigen sich mit politischen Lösungsmöglichkeiten solcher Proteste, beispielsweise entwickeln GRAF et al. (2020) ein In­formationsinstrument, das Bürger*innen in politischen Entscheidungsprozessen helfen soll. Aus humangeographischer Perspektive werden Haltungen und psychologische Effekte wie der sogenannte NIMBY (Not In My Backyard) im Zusammenhang mit Bauvorhaben vor allem im energetischen Bereich betrachtet (z.B. VAN DER HORST 2007; MICHAUD et al. 2008).

Der Konflikt um die Gigafactory in Brandenburg wurde bislang nicht wissenschaftlich un­tersucht. Es existieren einige wenige Publikationen, die aber als Kommentare zum Bau der Fabrik die eigene Meinung der Autor*innen widerspiegeln (z.B. KEMFERT 2020; SCHIERSCH 2019; V. HIRSCHHAUSEN 2019). Die oben genannte allgemeine Literatur zu Bürgerprotesten ge­gen Bauvorhaben lässt sich aber auf diesen Konflikt anwenden, da sich das Muster anderer Konflikte wiederholt: ALTHAUS (2012) benennt lokale Bürgerinitiativen und professionell ge­führte Umweltverbände als die zentralen Akteure in Konflikten um Kraftwerk- und Netzaus­bauprojekten (S. 103), um ein Beispiel zu nennen. Diese gelten genauso bei der Gigafactory in Grünheide als Protestanführende. Der in dieser Arbeit untersuchte Konflikt reiht sich demnach in eine Vielzahl von ähnlichen Konflikten um Bauvorhaben in Deutschland ein und weist dabei einige Besonderheiten auf, die zu einem hohen öffentlichen und medialen Interesse führen: die hohe Geschwindigkeit der Bauumsetzung und die tiefgreifenden Strukturveränderungen, die mit der Ansiedelung eines Unternehmens dieser Größe in der Gemeinde Grünheide (Mark) ein­hergehen (vgl. RBB 2020).

Solche Konflikte um Land werden unter anderem mit Ansätzen der Politischen Ökologie untersucht. Die Politische Ökologie beschäftigt sich „mit den Wirkungen und der gesellschaft­lichen Konflikthaftigkeit sich wandelnder Ressourcenverfügbarkeit“ (DIETZ & ENGELS 2014, S. 84). Die Verknappung von Ressourcen wird hierbei nicht als natürlich angesehen, sondern als gesellschaftlicher Prozess. Zentrale Analyseschritte sind die Fragen nach der Entschei­dungsmacht über Landnutzung und den Interessen und Machtverhältnissen im Konflikthandeln (vgl. ebd.). Das Interesse an Umweltkonflikten nahm ab den 1990er Jahren zu, als Umweltthe­men zunehmend politisiert wurden (vgl. ROBBINS 2012, S. 23). Eine der vielen Perspektiven der Politischen Ökologie konzentriert sich auf die Akteur*innen, die am Konflikt beteiligt sind (vgl. DIETZ & ENGELS 2014, S. 85). Auch der Konflikt um den Bau der Gigafactory hängt mit Ressourcenknappheit zusammen, dabei geht es um Raum- und Wassernutzung sowie den Um­gang mit Waldlandschaft, wodurch Strukturveränderungen in der Gemeinde hervorgerufen werden. Es zeigt sich, dass einige Anwohner*innen der Gemeinde den Strukturveränderungen große Bedeutung beimessen und sich aus diesem Grund an Protesten beteiligen - entweder als Befürwortende oder Gegner*innen. Sie sind die zentralen Treibenden des Konflikts (vgl. RBB 2020).

Aus diesem Grund analysiert diese Arbeit den Konflikt um die Gigafactory in Brandenburg aus akteurszentrierter Perspektive. Es stellt sich dabei folgende Fragestellung: Wie sieht die Konfliktkonstellation um den Bau der Gigafactory insbesondere in Bezug auf die Akteur*innen und ihre Position im Konfliktfeld aus? Zur Beantwortung der Frage wird zunächst der theoreti­sche Rahmen der Politischen Ökologie sowie von Landnutzungskonflikten allgemein erläutert. Anschließend wird der bisherige Konfliktverlauf beschrieben und die Strukturveränderungen, die mit dem Bau der Fabrik einhergehen, erörtert. Der Hauptteil der Analyse zielt schließlich auf die beteiligten Akteur*innen ab. Ihre Interessen und Handlungen werden zusammen mit der Verwendung von Narrativen analysiert und es wird ermittelt, welche Stellungen und Machtpo­sitionen sie in der Konfliktkonstellation einnehmen. Ziel ist es zu verstehen, aus welchen Grün­den es zum Konflikthandeln kommt und durch welche Machtverhältnisse sowie Einflussmög­lichkeiten es geprägt ist. Ausführlicher wird die Methodik in Kapitel 2.3 dargelegt.

2 Landnutzungskonflikte

Bei dem Tesla-Konflikt handelt es sich um einen Landnutzungskonflikt. Dieser Begriff meint „Auseinandersetzungen über die Art und Weise des Gebrauchs und der Gestaltung von Flächen - oder allgemeiner - des Raumes“ (Spektrum Akademischer Verlag 2001a). Meist stehen dabei die Ansiedelung von Großunternehmen oder Kraftwerken oder der Ausbau von Infrastruktur im Konflikt mit ökologischen Anliegen wie dem Erhalt von Freiflächen. Ursache der Konflikte ist die zunehmende Verknappung der Ressource Raum (vgl. ebd.). Der Tesla­Konflikt wurde als Konflikt um Naturschutz, Wirtschaft und Strukturveränderungen tituliert. Naturschutz beschreibt die „Gesamtheit von Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung des Naturhaushalts mit allen seinen Bestandteilen“ (JEDICKE 2001). Zu letzteren zählen die wilden Tier- und Pflanzenarten sowie die Vielfalt der Landschaft allgemein (vgl. ebd.). Wirtschaft meint die Generierung und Regulierung von Angebot und Nachfrage durch Einrichtungen, Ma­schinen und Personen, die dafür Geld erhalten oder entrichten (vgl. BENDEL 2018). Naturschutz und Wirtschaft spielen im Tesla-Konflikt eine maßgebliche Rolle für die Akteur*innen (siehe Kap. 4).

Die folgenden Abschnitte dienen dazu, die theoretische Rahmung des Tesla-Konfliktes aus Perspektive der Politischen Ökologie zu beschreiben. Dazu werden zunächst Begriffe und Ana­lyseschritte des Forschungsfeldes definiert und wissenschaftliche Befunde zu Landnutzungs­konflikten allgemein dargestellt. Abschließend wird das methodische Vorgehen dieser Arbeit erläutert.

2.1 Landnutzungskonflikte in der Politischen Ökologie

Die Ansätze der Politischen Ökologie haben sich im Bereich der Geographie in den letzten Jahrzehnten etabliert. Ihre zentralen Forschungsfragen bleiben aber bis heute Gegenstand zahl­reicher Diskussionen. Diverse wissenschaftliche Beiträge beschäftigen sich mit der Frage, was genau Politische Ökologie ausmacht (vgl. WALKER 2005, S. 73). Innerhalb dieser Diskussionen finden sich etliche Differenzierungen und Stränge: ROBBINS (2012) nimmt eine Abgrenzung von Apolitischer und Politischer Ökologie vor, WALKER (2005) widmet einen Beitrag der Frage nach der Ökologie dieses Forschungsfeldes, DIETZ & ENGELS (2014) wiederum versuchen den Konfliktbegriff der Politischen Ökologie mit gesellschafts- und konflikttheoretischen Ansätzen weiterzuentwickeln. Sämtliche Autor*innen betonen dabei die große Anzahl an Definitionsan­sätzen mit verschiedenen Akzentuierungen, die im zeitlichen Verlauf entstanden sind und wei­terentwickelt wurden. Manche Ansätze heben die wirtschaftliche Seite hervor, andere beziehen sich stärker auf politische Institutionen oder Narrative über Strukturveränderungen (vgl. ROBBINS 2012, S. 14). Eine allgemeine Definition, die im Kontext dieser Arbeit am passendsten erscheint, liefert WATTS (2000), indem er das Ziel der Politischen Ökologie wie folgt formu­liert: „ to understand the complex relations between nature and society through a careful analysis of what one might call the forms of access and control over resources and their impli­cations for environmental health and sustainable livelihoods” (S. 257). Der Kern des Konflikts um die Gigafactory liegt in der Frage, wer über die Ressource Raum, im Speziellen das Fabrik­gelände, verfügt und ihre Nutzung kontrolliert sowie welche Folgen diese Raumnutzung für die Akteur*innen hat, und lässt sich demzufolge aus Perspektive der Politischen Ökologie betrach­ten.

DIETZ & ENGELS (2018) liefern mit dem Konfliktfeld einen Analyserahmen für Konflikte um Land. Unter letzteren verstehen sie vor allem Konflikte durch land grabbing, also der „In- kontrollnahme von Land zum Zweck der agrarindustriellen Nutzung“ (BORRAS et al. 2012, zit. nach DIETZ & ENGELS 2018, S. 1). Ursache des Konflikts um die Tesla-Gigafactory ist nach dieser Definition kein land grabbing, dennoch lassen sich die Analyseschritte auf das Fallbei­spiel übertragen, da sie auch auf Landnutzungskonflikte nach der in dieser Arbeit gewählten Definition (siehe Kap. 2) bezogen werden können. Das Konfliktfeld als analytischer Rahmen stellt eine Verknüpfung zwischen Strukturveränderungen und dem Handeln von Akteuren her (vgl. ebd., S. 1). Dabei wird der Konfliktbegriff als handlungsorientiert aufgefasst und meint soziales Handeln aufgrund gegensätzlicher Interessen und Ziele (vgl. ebd., S. 5). Die Konflikt­konstellation, die diese Arbeit entwickelt, bildet demnach die Verhältnisse und Handlungen zwischen den am Konflikt beteiligten Akteur*innen sowie ihre Positionen im Konfliktfeld ab. Im folgenden werden die Analyseschritte dargelegt.

Das Konflikthandeln wird maßgeblich von den Akteur*innen bestimmt und ist davon ab­hängig, welche Bedeutung diese den Strukturveränderungen zuweisen (vgl. ebd., S. 9). Ak- teur*innen sind Individuen oder Kollektive, „die als Träger einer sozialen Rolle in einer sozia­len oder politischen Situation handel[n]“ (Spektrum Akademischer Verlag 2001b). Die Stellun­gen der Akteur*innen haben maßgeblichen Einfluss auf ihr Konflikthandeln, daher ist es wich­tig, ihre Machtressourcen und Verhältnisse zu anderen Beteiligten zu betrachten. Im Vorder­grund steht dabei die Frage, welche Interessen die Akteur*innen vertreten und welche Mittel ihnen zur Durchsetzung dieser Interessen zur Verfügung stehen (vgl. DIETZ & ENGELS 2018, S. 9).

Ein weiterer Analyseschritt betrachtet die strukturellen Veränderungen bzw. Strukturverän­derungen. DIETZ & ENGELS (2018) benennen für deren Analyse verschiedene Kategorien wie Besitz- oder Arbeitsverhältnisse, gesellschaftliche, soziale oder ökologische Strukturen (S. 7; 9). Im Tesla-Konflikt spielen ökologische, wirtschaftliche und infrastrukturelle Veränderungen eine zentrale Rolle. Bezüglich ökologischer Veränderungen zeigt sich oft, dass die Verursachenden meist nicht unter den Umweltschäden leiden, sondern andere Akteur*innen, die nicht in Entscheidungsprozesse integriert werden (vgl. ebd., S. 9).

Die Konfliktfeldanalyse betrachtet außerdem Narrative. Diese haben als „Bindeglieder zwi­schen strukturellen Veränderungen und Akteurshandeln Einfluss darauf, ob es zu Konflikthan­deln kommt“ (ebd., S. 13). Narrative sind Erzählungen, die die Strukturveränderungen den Ak- teur*innen veranschaulichen. Sie können das Konflikthandeln steuern, da sie die Wahrneh­mung und die Bedeutungszuschreibung von Veränderungen sichtbar machen. Akteur*innen können gezielt Narrative einsetzen, um ihre Interessen durchzusetzen (vgl. ebd.).

Der Konfliktfeldansatz sieht auch eine Analyse der Rolle des Staates sowie des staatlichen Handelns vor (vgl. ebd., S. 7). Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit und der eher untergeordneten Rolle für den lokalen Tesla-Konflikt wird dieser Analyseschritt nicht explizit durchgeführt, sondern die wichtigsten Elemente in andere Bereiche der Untersuchung inte­griert.

2.2 Bürgerproteste gegen Bauvorhaben

Wie in der Einleitung bereits beschrieben, kommt es in Deutschland immer wieder zu Pro­testen gegen größere Bauvorhaben. Besonders die Energiewende ist davon betroffen. Es zeigt sich eine Diskrepanz zwischen der laut Umfragen hohen Befürwortung von regenerativen Ener­gien und den zahlreichen lokalen Protesten gegen explizite Bauprojekte. Sowohl die Anzahl von Protesten als auch die Professionalisierung der Protesthandlungen nehmen deutlich zu: Es gründen sich Bürgerinitiativen, die politische Erfolge mit ihrem Handeln verzeichnen (vgl. EICHENHAUER 2018, S. 316). Doch nicht nur in der Energiewende formieren sich Bürgerpro­teste, sondern bei Bauprojekten jeder Art, vor allem im infrastrukturellen Bereich (vgl. ZILLES & SCHWARZ 2015, S. 669). Solche Proteste gegen Bauvorhaben sind meist ähnlich organisiert. Bürgerinitiativen verfolgen dabei Handlungsstrategien auf mehreren Ebenen: Proteste oder Un­terschriftenaktionen sollen mediale und öffentliche Aufmerksamkeit erregen, um Druck auf die Politik auszuüben; weitere Strategien sind Öffentlichkeitsarbeit sowie die Aufklärung der An- wohner*innen über befürchtete negative Folgen der jeweiligen Bauprojekte. Gleichzeitig enga­gieren sich einige Mitglieder, indem sie Informationen zusammentragen und sich an politischen Prozessen beteiligen oder Bauvorhaben kommentieren (vgl. ebd., S. 674-676).

Im Zusammenhang mit solchen regionalen Konflikten fällt oft der Begriff NIMBY. Dieser meint bürgerlichen Widerstand gegen lokale Veränderungen, etwa Bauprojekte, obwohl eigent­lich breite Zustimmung für Projekte dieser Art vorherrscht. Anwohner*innen halten Windkraftwerke etwa wegen der Energiewende für notwendig, lehnen explizite Bauvorhaben in ihrem näheren Umfeld aber ab (vgl. DEVINE-WRIGHT 2009, S. 430). Die Beweggründe dieses Phänomens gelten gemeinhin als eigennützig (vgl. EICHENHAUER 2018, S. 317). Viele Wissen- schaftler*innen kritisieren daher, dass Bürger*innen allein das Motiv des NIMBY zugeschrie­ben wird (z. B. EICHENHAUER 2018; DEVINE-WRIGHT 2009). So ergeben Untersuchungen, dass NIMBY nicht allein die Beweggründe von Protestierenden erklären kann, denn das Konzept geht von uninformierten und ignoranten Bürger*innen aus. Es zeigt sich aber, dass Bürgerini­tiativen meist hochgradig engagiert und informiert sind. Aus diesen Gründen werden heute ver­mehrt andere Ansätze zur Erklärung der Bürgerproteste gewählt (vgl. DEVINE-WRIGHT 2009, S. 431 f.). Ein neuer Ansatz erklärt die Proteste aus der Bedeutung von Raum für die Menschen heraus und betrachtet dabei die emotionale Ebene der Heimatidentifikation (vgl. ebd., S. 437). Andere Autor*innen finden weitere Erklärungsansätze, etwa in der Verfahrensgerechtigkeit: Als ungerecht oder illegitim wahrgenommene Verfahren bei Bauvorhaben stoßen bei Bür- ger*innen oft auf Widerstand, sie werden von ihnen als undemokratisch empfunden (vgl. EICHENHAUER 2018, S. 318). MICHAUD et al. (2008) schlussfolgern aus Untersuchungen, dass lokale Bauprojekte ein natürliches Umfeld für Konflikte darstellen. Dies liegt daran, dass solche Projekte auf lokaler Ebene viel Aufmerksamkeit erfahren und Bürger*innen sich in dem Zuge informieren und Veränderungen als für sie bedeutsam wahrnehmen. Lokale Proteste sollten weniger als Wandel von öffentlichen Meinungen, sondern vielmehr als Wandel von politischem Aktivismus gesehen werden (vgl. MICHAUD et al. 2008, S. 35).

In Konflikten dieser Art verwenden die Bürger*innen vor allem ökologische Argumente (vgl. BAUMGARTEN & RUCHT 2013, S. 107); oft verbünden sich Bürgerinitiativen mit Natur­schutzverbänden. Im Verlauf des Konflikts wird meist die Expertise der Fachleute infrage ge­stellt und das Verhalten der zuständigen Behörden und Amtsinhabenden kritisiert (vgl. BRETTSCHNEIDER 2013, S. 319). Oft entzünden sich die Konflikte an einem behördlichen Vor­gehen, das als undemokratisch wahrgenommen wird, da die Bürger*innen sich nicht in Planun­gen miteinbezogen fühlen. Des Weiteren befürchten Protestierende, dass ihre Einwendungen gegen Bauprojekte nicht ernsthaft anerkannt und geprüft werden (vgl. EICHENHAUER 2018, S. 330 f.). Meist sind die Proteste in dem Sinne erfolgreich, dass die Baupläne geändert oder zeit­lich verzögert werden. Dies hat negative Auswirkungen für die betroffene Gemeinde als Wirt­schaftsstandort, außerdem steigen die Kosten des Bauvorhabens. Umfragen ergeben, dass die Mehrheit der Bürger*innen Großbauprojekte in ihrer Region generell ablehnt, darunter vor al­lem Infrastrukturprojekte (vgl. BRETTSCHNEIDER 2013, S. 319 f.).

Aus diesen Gründen wird verstärkt untersucht, mit welchen Mitteln Bürgerproteste abge­schwächt oder gar verhindert werden können. Als zentrale Lösung gilt die Bürgerpartizipation bei entsprechenden Bauvorhaben. So hat etwa das Bundesumweltministerium ein entsprechen­des Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben. Man hofft, mit Hilfe von informellen Dialogver­fahren die Bürger*innen einbinden und ihnen auf Augenhöhe begegnen zu können (vgl. ABT et al. 2017, S. 5). Diese Verfahren sollen möglichst frühzeitig eingeleitet werden und gemeinsam mit allen Akteur*innen Lösungen erarbeiten. Der Erfolg eines Verfahrens hängt davon ab, ob die Konfliktparteien Vertrauen zueinander und Verständnis füreinander aufbauen können (vgl. GEIS 2010, S. 261 f.). Den Projektinhabenden wird empfohlen, intensiv und den gesamten Pro­jektzeitraum über mit den Bürger*innen zu kommunizieren, um Konfliktsituationen im besten Fall zu vermeiden (vgl. BRETTSCHNEIDER 2013, S. 322). Transparente Informationsweitergabe schafft Glaubwürdigkeit und Vertrauen (vgl. EICHENHAUER 2018, S. 334). Es zeigt sich aber, dass sich private Vorhabentragende eher aus Konflikten heraushalten und die Verhandlungen den Behörden überlassen (vgl. GOBERT 2016, S. 13).

2.3 Methodik

Der Tesla-Konflikt soll vor dem Hintergrund der soeben dargelegten theoretischen Rahmun­gen von Landnutzungskonflikten in Deutschland betrachtet werden, dabei orientiert sich das Vorgehen dieser Arbeit an dem Konfliktfeldansatz nach DIETZ & ENGELS (2018). Strukturver­änderungen sind Teil der Argumentation der Akteur*innen und werden daher als Erstes darge­legt. Für die Konfliktkonstellation wird der Konfliktverlauf hinsichtlich der Akteurshandlungen und ihrer Narrative analysiert.

Grundlage dieser Arbeit bildet die Auswertung von grauer Literatur sowie die Analyse von journalistischen Medien und Internetauftritten. Da der Tesla-Konflikt sehr aktuell ist, existiert noch keine weiße Literatur zu diesem Thema (siehe Einleitung). Um also den Konfliktverlauf nachvollziehen zu können, werden Berichte von verschiedenen Medien analysiert. Hier exis­tieren zahlreiche Online-Artikel, zwei Dokumentationen (vom RBB und ZDFinfo) sowie ein Podcast des RBB, die den Konfliktverlauf journalistisch aufbereiten und kommentieren. Hier gilt es zu reflektieren, wann eigene Meinungen wiedergegeben werden. Bevorzugt werden Quellen der öffentlich-rechtlichen Medien verwendet, da diese für ein hohes Maß an Objekti­vität stehen. Des Weiteren liegen offizielle Informationen zu dem Bauprojekt vom brandenbur­gischen Landesministerium für Umwelt (LfU) sowie der Bauantrag und die Verfahrensdoku­mentationen der Umweltverträglichkeitsprüfung als offizielle Dokumente vor. Diese dienen als Faktengrundlage rund um das Bauvorhaben. Gemeindepläne für den infrastrukturellen Ausbau infolge der Unternehmensansiedlung liefern einen Beitrag, die Strukturveränderungen in der Region nachzuvollziehen.

Für die Analyse der Akteurskonstellation werden direkte Aussagen der Beteiligten herange­zogen, etwa mit Hilfe von Pressemitteilungen und Kommentaren von Internetseiten der Bür­gerinitiativen oder Naturschutzverbände. Auch Interviews mit Politiker*innen oder anderen Akteur*innen werden als Material verwendet, um die Positionen zu analysieren. Um die Machtressourcen zu beurteilen, muss der Konfliktverlauf hinsichtlich des Einflusses der Ak- teur*innen betrachtet werden. Dabei stellt sich die Frage, ob insbesondere die Gegner*innen die Mittel haben, das Bauvorhaben zu verändern oder aufzuhalten, und welche Rolle die Ak- teur*innen im Konfliktfeld einnehmen.

3 Bau der Tesla-Gigafactory in Grünheide

Die Gigafactory wird in der Gemeinde Grünheide (Mark) in Brandenburg gebaut. MUSK spricht in seiner Ankündigung des Bauvorhabens von der „ Berlin area “ (THORBECKE 2019) aufgrund der geographischen Nähe zur Hauptstadt. Die Gemeinde gehört zum Landkreis Oder­Spree (vgl. Gemeinde Grünheide (Mark) o. J.) und liegt unmittelbar außerhalb der Landesgren­zen Berlins im Südosten zwischen den beiden Städten Erkner und Fürstenwalde / Spree (vgl. Gemeinde Grünheide (Mark) 2021). Die Einwohnerzahl beträgt 8.800, die Siedlungen haben zumeist einen dörflichen Charakter. Die Landschaft ist von Wald und Seen geprägt und ver­kehrstechnisch durch die naheliegende Autobahn A10 angebunden (vgl. Gemeinde Grünheide (Mark) o. J.).

Daten zum Bauvorhaben lassen sich der offiziellen Vorhabensbeschreibung im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung entnehmen. Diese wurde im Auftrag von Tesla Manufacturing Brandenburg SE durch die Gesellschaft für Umwelt und Managementberatung (GfUM) formu­liert und im Genehmigungsverlauf modifiziert. Die hier verwendete Version betrifft die Neu­auslegung der Baupläne von Juni 2020.

Das Fabrikgelände liegt an der westlichen Grenze der Gemeinde an der A10 südlich des Ortes Grünheide (Mark) (siehe Abb. 1). Es umfasst etwa 300 Hektar Fläche und ist als Indust­riegebiet ausgewiesen. Neben der Autobahnanbindung existiert im Norden des Geländes ein Eisenbahnanschluss sowie die Landstraße L38 im Osten (vgl. GfUM 2020, S. 8). Der Standort selbst liegt direkt in einem Wasserschutzgebiet, im weiteren Umfeld der Anlage befinden sich weitere Schutzgebiete, darunter Vogel- und Naturschutzgebiete sowie Natura-2000-Gebiete (vgl. ebd., S. 9f.). Letztere dienen der Erhaltung von Lebensräumen gefährdeter Arten (vgl. BMU 2016).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Vorhabenstandort Grünheide (GfUM 2020, S. 8).

Die Planung beinhaltet die Errichtung einer Fabrik für den Bau und die Montage des Model Y (vgl. GfUM 2020, S. 4), einem vollelektrischen Automodell mit Allradantrieb (vgl. Tesla Germany GmbH 2021). Vorgesehen ist zunächst die Produktion von 500.000 Autos jährlich ab Juli 2021, dafür sollen in drei Schritten knapp 200 Hektar Wald für den Fabrikbau gerodet werden (vgl. Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung 2020). Nach Abschluss des Fab­rikbaus ist Medienberichten zufolge eine zweite Ausbaustufe geplant, die unter anderem den Bau einer Batteriefabrik beinhaltet. Nach dieser Erweiterung könnten bis zu zwei Millionen Autos jährlich produziert werden (vgl. RBB 2020). Bislang ist im Dezember 2020 ein Antrag für den Bau einer großen Halle beim Landkreis Oder-Spree eingegangen, welche zunächst eine Lagerfunktion einnehmen, später aber die Batterieproduktion beherbergen soll. Ein Antrag auf eine Batteriefabrik liegt noch nicht vor (Stand Januar 2021) (vgl. METZNER 2021b).

Die Besonderheit am Bau der Gigafactory ist die Geschwindigkeit, mit der das Projekt rea­lisiert wird. Nach der Verkündung des Ziels im November 2019, ab Sommer 2021 mit der Pro­duktion zu beginnen, erklärt der brandenburgische Wirtschaftsminister STEINBACH, Tesla müsse sämtliche Unterlagen in „Rekordgeschwindigkeit“ einreichen (VOGT & KRAUSE 2019).

Im Juli 2020 begann der Bau der Fabrik, im Januar 2021 sind die meisten Gebäude bereits weitgehend fertiggestellt. Dabei wurde der Bau lediglich mit Vorabgenehmigungen für Teil­schritte durchgeführt, die endgültige Baugenehmigung für die Fabrik steht noch aus. Wird diese nicht erteilt, muss Tesla auf eigene Kosten die Fabrik zurückbauen und den Ursprungszustand wiederherstellen (vgl. METZNER 2021a). Dieses Vorgehen wird durch §8a des Bundes-Immis­sionsschutzgesetzes ermöglicht. Einzelne Bauschritte können vom Landesumweltamt vorabge­nehmigt werden, wenn die Hauptgenehmigung als wahrscheinlich gilt und ein berechtigtes In­teresse am vorzeitigen Baubeginn besteht. Die vorläufigen Zulassungen können dabei jederzeit widerrufen werden (vgl. Bundesamt für Justiz 2020).

3.1 Strukturveränderungen

Im Zusammenhang mit der Unternehmensansiedlung wird immer wieder von strukturellen Veränderungen im wirtschaftlichen, ökologischen und infrastrukturellen Bereich gesprochen. Bereits einige Wochen nach der Bauprojektankündigung äußern der Wasserverband Straus­berg-Erkner (WSE) sowie der Verkehrsclub Deutschland Bedenken: Die Gigafactory löse große Schwierigkeiten mit der Trinkwasserversorgung und Schmutzwasserentsorgung aus (vgl. WSE 2020) und sorge gleichzeitig für ein deutlich erhöhtes Verkehrsaufkommen sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr (vgl. Vehrkehrsclub Deutschland - Landesverband Brandenburg 2020, S. 4). Auch ökologische Veränderungen durch den Fabrikbau sind Teil der Bedenken der örtlichen Bürgerinitiative Grünheide (BI Grünheide) sowie diverser Naturschutz­verbände, so befürchtet man negative Folgen aufgrund der Waldrodungen, Trinkwasserent­nahme und Schadstoffemissionen der Fabrik (vgl. LaN 2020, S. 6; BI Grünheide o. J.a). Andere Akteur*innen, etwa der Grünheide NetzWerk e.V., versprechen sich von der Unternehmensan­siedlung herausragend positive Auswirkungen für die Wirtschaft und Arbeitswelt (vgl. Grünheide NetzWerk e.V. 2020a). Da die Strukturveränderungen bei der Argumentation der Akteur*innen also eine entscheidende Rolle spielen, werden die Veränderungen, die sich mit der Unternehmensansiedlung im Bereich Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Infrastruktur und Öko­logie ergeben, an dieser Stelle erläutert.

3.1.1 Wirtschaft und Arbeitsmarkt

STEINBACH bezeichnet in einem Interview die Tesla-Ansiedelung als „größte industrielle Ansiedlung seit der Wende“ und spricht von positiven Folgen für die Beschäftigungslage des Landes (KERSTING & NEUERER 2020). Die Erwartungen an die Steigerung der Wertschöpfung in der Region sind hoch: Ein Zuwachs von Menschen mit höherem Einkommen könnte dafür sorgen, dass der Markt von Dienstleistern und Einzelhandel wächst (vgl. GLBB 2021, S. 26). Dieser Effekt ist im Frühjahr 2021 bereits spürbar: Gewerbegebiete in der Region erhalten An­fragen von Logistikern, neue Gewerbeflächen müssen ausgewiesen werden (vgl. RBB 2021). Tesla investiert rund sechs Milliarden Euro (Stand März 2021) in die Unternehmensansiedlung in Grünheide, mit dem Bau der geplanten Batteriefabrik wird die Summe steigen (vgl. Focus Online 2021). Damit gehen auch hohe Steuereinnahmen durch das Unternehmen und seine Mit­arbeitenden einher (vgl. RBB 2020).

SCHIERSCH (2019) kommentiert, dass die deutsche Zuliefererbranche von dem neuen Tesla­werk profitieren könne. Diese befinde sich durch den Strukturwandel und der Mobilitätswende im Umbau, der durch die Nachfrage von Tesla beschleunigt werden könnte. Das Besondere an der Gigafactory sei dabei, dass der Standort in Brandenburg im Vergleich zu anderen deutschen Bundesländern kaum für die Automobilindustrie relevant sei. Derzeit seien nur etwas über 9000 Beschäftigte aus Brandenburg und Berlin in dieser Branche tätig, in ganz Deutschland dagegen rund eine Million (vgl. SCHIERSCH 2019, S. 866).

Hier deutet sich bereits an, dass strukturelle Veränderungen im Arbeitsmarkt mit der Unter­nehmensansiedlung einhergehen. Denn Tesla plant, mit der ersten Baustufe der Fabrik ab Som­mer 2021 rund 12.000 Mitarbeitende am Standort Grünheide zu beschäftigen (vgl. Staatskanzlei Brandenburg 2021). Das Land Brandenburg erwartet, dass sich die positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt weit über die Region hinaus zeigen werden. Dabei wird eine große Bandbreite von Arbeitskräften gesucht, von qualifizierten Führungskräften, Ingenieur*innen und Mana- ger*innen bis hin zu Arbeiter*innen in der Produktion und Logistik (vgl. ebd.).

Das Landesplanerische Konzept der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung Berlin-Bran­denburg (GLBB) berücksichtigt auch die Endstufe des Fabrikausbaus, nach der am Standort Grünheide etwa 40.000 Beschäftigte benötigt werden könnten (vgl. GLBB 2021, S. 11). Die GLBB beauftragte das CIMA Institut für Regionalwirtschaft mit einem Gutachten zum Wohn­raumbedarf, der sich durch die Tesla-Ansiedlung ergibt (vgl. ebd., S. 22). CIMA geht aber an­ders als Wirtschaftsminister Steinbach davon aus, dass der Großteil der Arbeitsplätze bei Tesla nicht mit Arbeitssuchenden belegt wird, sondern mit Fachkräften, die anderen Unternehmen in der Region abgeworben werden. Grund hierfür ist die niedrige Arbeitslosenquote in der Region. Berechnungen ergeben, dass rund zwei Drittel der Arbeitskräfte aus dem überregionalen Ar­beitsmarkt stammen werden und demnach entweder pendeln oder ihren Wohnsitz verlagern, die restlichen ein Drittel werden dem regionalen Markt abgeworben (vgl. ebd., S. 23f.).

Mit der Unternehmensansiedlung verbinden sich demnach sowohl Hoffnungen als auch Sor­gen: Durch Tesla fließt viel Geld in die Region und positive Folgeeffekte im wirtschaftlichen und demographischen Bereich sind absehbar, zugleich könnten andere lokale Unternehmen durch Tesla Mitarbeitende verlieren.

3.1.2 Infrastruktur

Dass der Bau der Gigafactory weitreichende infrastrukturelle Folgen haben wird, ergibt sich unter anderem aus dem hohen Arbeitskräftebedarf der Fabrik und dem ländlichen Charakter der Region, aber auch aus den Anforderungen der industriellen Produktion. Dabei ist nicht nur die Gemeinde selbst betroffen, sondern ein weitaus größerer Bereich. Zum einen muss Wohnraum für die zuziehenden Arbeitskräfte geschaffen werden, zum anderen benötigt es eine deutliche Ausweitung der öffentlichen Infrastruktur, etwa im Bildungssektor, aber auch im industriellen Bereich für Zulieferer und Dienstleister (vgl. GLBB 2021, S. 13). CIMA berechnete, dass im ersten Ausbauschritt knapp 5.000 der 12.000 Arbeitskräfte aus dem überregionalen Arbeits­markt stammen und voraussichtlich ihren Hauptwohnsitz in die Region um Grünheide verla­gern werden. Mit dem Bau der Batteriefabrik im nächsten Schritt könnten rund 20.000 Arbeits­kräfte in die Region ziehen (vgl. ebd., S. 24). Als Folgeeffekt der Unternehmenswechsel von Beschäftigten innerhalb der Region wird es voraussichtlich zu weiteren Zuzügen von außerhalb kommen, da die vakanten Arbeitsplätze der regionalen Unternehmen besetzt werden müssen (vgl. ebd., S. 26). Insgesamt ergeben sich damit etwa 11.600 Zuzüge durch Tesla in der ersten Baustufe und rund 36.000 Zuzüge nach der Fertigstellung aller Baustufen (siehe Abb. 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Abschätzung der durch Tesla ausgelösten Zuzüge nach Berlin und Brandenburg (Da­ten: CIMA GmbH) (GLBB 2021, S. 28).

[...]

Ende der Leseprobe aus 51 Seiten

Details

Titel
Die Tesla-Gigafactory in Grünheide zwischen Naturschutz, Wirtschaft und Strukturveränderungen
Untertitel
Die Konfliktkonstellation aus Perspektive der Politischen Ökologie
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
51
Katalognummer
V1064217
ISBN (eBook)
9783346476210
ISBN (Buch)
9783346476227
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bürgerprotest, Gigafactory, Strukturveränderungen, Politische Ökologie, Bürgerkonflikt, Landnutzungskonflikt, Waldordung, Industriekonflikt, Politik, Wirtschaft, Politische Geographie, Bürgerinitative, Tesla, Brandenburg, Grünheide, Giga Berlin, Elon Musk, Fabrik, Konflikt, Konfliktanalyse, Naturschutz
Arbeit zitieren
Merle Becker (Autor:in), 2021, Die Tesla-Gigafactory in Grünheide zwischen Naturschutz, Wirtschaft und Strukturveränderungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1064217

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