Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
1 Grundlegende Begriffe
1.1 Steuerumgehung
1.2 Steuerhinterziehung
2 Rechtsentstehung und -entwicklung des § 42 AO
2.1 Entwicklung bis zum Jahressteuergesetz 2008
2.2 Neufassung durch das Jahressteuergesetz 2008
3 Sinn und Zweck des § 42 AO
3.1 Inhalt und Prüfung des § 42 AO
3.2 Anwendungsbereiche
3.3 Anwendung anhand von Einzelfällen
4 Definitionsprobleme
4.1 Gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil
4.2 Unangemessene Gestaltung
4.3 Außersteuerliche Gründe
5. Weitere Anwendungsprobleme des § 42 AO
5.1 Methodenproblem
5.2 Abgrenzungsprobleme zur Steuerhinterziehung
5.3 Steuerumgehungen durch Basisgesellschaften
Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abs. Absatz
AO Abgabenordnung
Art. Artikel
BFH Bundesfinanzhof
BMF Bundesministerium für Finanzen
d. h. das heißt
DBA Doppelbesteuerungsabkommen
EuGH Europäischer Gerichtshof
FG Finanzgericht
GG Grundgesetz
i. S. d. im Sinne des
Nr. Nummer
RAO Reichsabgabenordnung
StAnpG Steueranpassungsgesetz
z. B. zum Beispiel
Einleitung
Das Ziel eines jeden Steuerpflichtigen ist die Niedrighaltung der Steuerbelastung. Das Interesse des Staates hingegen besteht in der Erzielung seiner Steuereinnahmen. Die Bestrebung einer gleichmäßigen Besteuerung verfolgen beide Interessensgruppen. Der Gesetzgeber eröffnet dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit seine Steuern gering zu halten, indem er seine Geschäftstätigkeit entsprechend anpasst.1 Um diese Vorgehensweise zu realisieren, werden diese beispielsweise individuell von einem Steuerberater erarbeitet, die von verschiedenen Faktoren abhängig sind.2 Dabei sind kreative und unkonventionelle Maßnahmen zur Steuerminderung aller Steuerarten einzuleiten. Der Oberbegriff im Steuerrecht für solche Handlungen wird als Steuergestaltung oder Steueroptimierung bezeichnet. Der Gesetzgeber setzt jedoch Grenzen beim Steuerersparnisstreben, insofern ein Gestaltungsmissbrauch im Rahmen einer Steuerumgehung vorliegt.3 Im Steuerrecht werden in den Einzelsteuergesetzen bestimmte Regelungen zur Vermeidung von missbräuchlicher Steuergestaltung erläutert. Eine allgemeine Vorschrift für Gesetze ohne Einzelregelungen hält die Abgabenordnung fest. Die Funktion der Abgabenordnung ist es, Einzelsteuergesetze zu entlasten, um Wiederholungen zu vermeiden. Die Abgabenordnung ist in verschiedene Teile gegliedert. Bei dieser Arbeit handelt es sich um den § 42 AO, der sich im 2. Abschnitt vom 2. Teil der Abgabenordnung befindet und auf der Regelung des Steuerschuldrechtverhältnisses basiert.4 Zunächst stellt die Arbeit zwei Grundlegende Begriffe dar, die zum besseren Verständnis dienen. Daraufhin geht die Autorin auf die Entstehung und Entwicklung der Norm ein, um anschließend die Anwendungsbereiche darzustellen. Im 4. und 5. Abschnitt werden die Anwendungsprobleme des § 42 AO herausgearbeitet.
1 Grundlegende Begriffe
1.1 Steuerumgehung
Die Steuerumgehung fällt unter den Begriff „Gesetzesumgehung“. Die Literatur verwendet dabei folgende Definition: „Durch gezieltes Handeln eines Steuerpflichtigen wird ein Steuervorteil erlangt, der dem betreffenden Gesetzeszweck widerspricht, jedoch im Wortlaut dieses Gesetzes dem Steuervorteil nicht entgegensteht.“ 5 Demzufolge ist die Voraussetzung einer Steuerumgehung die Wahl einer Gestaltung, die gesetzlich nicht vorgesehen ist und zu einem Steuervorteil führt. Gleichzeitigt ist die Gestaltung im Verhältnis zum angestrebten Ziel unangemessen.6
1.2 Steuerhinterziehung
Die Steuerhinterziehung gehört zu den wesentlichen Straftaten im Steuerrecht und wird im § 370 AO geregelt. Bei einer Steuerhinterziehung verletzt der Steuerpflichtige vorsätzlich Steuererklärungspflichten zum Erlangen eines Vermögensvorteils.7 Laut Gesetz wird die Steuerhinterziehung in zwei Tathandlungen unterschieden. Wer den zuständigen Behörden unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich relevante Tatsachen macht, wird nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO belangt.8 Bei Nichtabgabe der Steuererklärung macht sich der Steuerpflichtige gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 wegen Unterlassen strafbar.9 Als Rechtsfolge der Steuerhinterziehung droht dem Täter eine Geldstrafe oder bis zu 5 Jahres Freiheitsstrafe. Bei Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen besteht eine mögliche Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren.10
2 Rechtsentstehung und -entwicklung des § 42 AO
2.1 Entwicklung bis zum Jahressteuergesetz 2008
Den Gedanken, eine Vorschrift zur Verhinderung von Gestaltungsmissbräuchen zu entwickeln, hatte der Gesetzgeber bereits bei der Einführung des Schuld- und Verfahrensrechts in der Reichsabgabeordnung von 1919. Die damals formulierte Rechtsnorm richtete sich jedoch ausschließlich an die Missbräuche hinsichtlich zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten. Bei erstmaliger Auslegung der Vorschrift stellte der Gesetzgeber fest, dass die Formulierung einer allgemeinen Regelung komplexer als die eines konkreten Einzelfalls ist. Folgende Formulierung beinhaltete der § 5 Abs. 1 RAO: „Durch Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts kann die Steuerpflicht nicht umgangen oder gemindert werden.“11 Um eine Ausdehnung der Interpretation dieser Norm seitens des Steuerpflichtigen zu verhindern, fügte der Gesetzgeber in Absatz 2 die Voraussetzungen anhand von drei Bestandsmerkmalen ein. Der Absatz 3 beinhaltete anschließend die Rechtsfolge bei Vorliegen eines Missbrauchs.12 Die praktische Anwendung des § 5 RAO wurde aufgrund der Legaldefinition des Missbrauchs aus Abs. 2 kaum verwirklicht. Durch die drei konkreten Bestandsmerkmale zur Verwirklichung einer Steuerumgehung gelang es dem Steuerpflichtigen problemlos, den Missbrauch zu vermeiden.13 Entgegen der Schwäche dieser Norm hielt die spätere Reform der RAO im Jahr 1931 die gleiche Vorschrift im § 10 RAO fest.14 Mit Einführung des Steueranpassungsgesetzes 1934 reagierte der Gesetzgeber auf die mangelnde Effektivität der Steuerumgehungsnorm. Für den § 6 Abs. 1 StAnpG übernahm er den § 10 RAO Absatz 1 unverändert. Der § 6 Abs. 2 StAnpG bekam den ehemaligen § 10 Abs. 3 RAO und er strich den § 10 Abs. 2 RAO ersatzlos.15 Mit dem Wegfall der Missbrauchstatbestände sollte die Rechtsprechung instinktiv entscheiden, ob im vorliegenden Sachverhalt eine Steuerumgehung vorliegt.16 Mit Einführung der Abgabenordnung 1977 übernahm der Gesetzeber den Inhalt des § 6 StAnpG in § 42 AO. Durch das Steueränderungsgesetz 2001 ergänzte der Gesetzgeber die Vorschrift um einen neuen Abs. 217 und erweiterte den Anwendungsbereich von bürgerlichem Recht auf das übrige Recht, unter anderem auf das öffentliche Recht.18
2.2 Neufassung durch das Jahressteuergesetz 2008
Die aktuelle Fassung des § 42 AO verabschiedete der Gesetzgeber durch das Jahressteuergesetz 2008. Abs. 1 Satz 1 blieb unverändert und wurde mit Satz 2 und 3, sowie mit der Legaldefiniton aus Abs. 2 ergänzt. Der Gesetzgeber erweiterte die Regelung, weil die Vorschrift nicht ausreichend in der Rechtsprechung zur Anwendung kam, aufgrund der zu allgemeinen Formulierung. Zweck der Neuregelung ist eine Konkretisierung des Missbrauchstatbestandes, der laut Rechtsprechung zu „einer präzisen und effektiven Regelung“ werden sollte.19 Außerdem sollte die Behandlung der missbräuchlichen Steuergestaltung dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) und der Rechtssicherheit (Art. 20 GG) entsprechen. Durch die Neufassung regelte der Gesetzgeber das Verhältnis der Regelungen zu den Einzelsteuergesetzen, da in der alten Fassung an dieser Stelle Unklarheiten bestanden. Zusätzlich bekam die Norm eine neue Begriffsdefinition sowie die Regelung zur Beweis- und Feststellungslast.20 Hinsichtlich der Definition des Missbrauchsgegenstandes entschied die Rechtsprechung, sich nicht mehr auf die Ungewöhnlichkeit, sondern auf die Unangemessenheit der rechtlichen Gestaltungen abzustellen.21 Die alte Fassung verknüpfte den Begriff des Missbrauchs mit einer entsprechenden Absicht des Steuerpflichtigen. Nach der neuen Fassung ist für den Tatbestand einer Gesetzesumgehung die Missbrauchsabsicht nicht mehr relevant, sondern fordert ausschließlich einen objektiven Verstoß. Die Gültigkeit der Neufassung begann zum 01.01.2008 und bekam ein Rückwirkungsverbot auf frühere Kalenderjahre.22
[...]
1 Franz, FinanzRundschau (2017), S. 1117 (1117).
2 Pflaum, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Rdn. 2.
3 Geißler, Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten.
4 Kußmaul, Steuern: Einführung in die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S. 11.
5 Oberheide, Die Bekämpfung der Steuerumgehung, S. 30.
6 Geißler, Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten.
7 Pflaum, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Rdn. 2.
8 Jäger in Klein Kommentar zur Abgabenordnung, § 42, Rdn. 40.
9 Jäger in Klein Kommentar zur Abgabenordnung, § 42, Rdn. 60.
10 Jäger in Klein Kommentar zur Abgabenordnung, § 42, Rdn. 270.
11 Wendt, Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, S. 118.
12 Oberheide, Die Bekämpfung der Steuerumgehung, S. 72.
13 Oberheide, Die Bekämpfung der Steuerumgehung, S. 73.
14 Wendt, Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, S. 119.
15 Oberheide, S. Die Bekämpfung der Steuerumgehung, 73.
16 Wendt, Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsmissbrauch im Steuerrecht, S. 119.
17 Schwarz in AO Kommentar, § 42, Rdn. 5.
18 Schwarz in AO Kommentar, § 42, Rdn. 4.
19 Lenz, Gerhard, Betriebs-Berater, Das „Grundrecht auf steueroptimierende Gestaltung“, S. 2431 (2429).
20 Vogt in AO Kommentar, § 42, Rdn. 4.
21 BT-Drucks, 16/7036, S. 24.
22 Vogt in AO Kommentar, § 42, Rdn. 15.