Die Schule im Nationalsozialismus


Seminararbeit, 2002

8 Seiten


Leseprobe


Die Schule im Nationalsozialismus

1. Einleitung

Diese Hausarbeit setzt sich mit dem Schulsystem während der nationalsozialistischen Herrschaft 1933 - 1945 in Deutschland auseinander. Ich werde versuchen, folgende Fragen zu beantworten : Wie wurde das Schulsystem nach der Machtergreifung Hitlers 1933 verändert ? Wie hoch war der Stellenwert der Erziehung, was waren die Ziele der Erziehung ? Wie verhielten sich die LehrerInnen, wie die SchülerInnen ? In welcher Weise wurden die Bildungs- und Lerninhalte verändert ? Außerdem möchte ich noch auf die nationalsozialistischen Bildungsanstalten eingehen, auf die Adolf-Hitler-Schulen und die Nationalpolitischen Erziehungsanstalten, die sogenannten Napolas.

2. Erziehung im Nationalsozialismus

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten rückte die Erziehung des deutschen Volkes in den Mittelpunkt des innenpolitischen Geschehens. Die Nationalsozialisten sahen die Erziehung nicht nur als pädagogische, sondern auch als politische Aufgabe an. Reichsinnenminister Frick brachte dies so zum Ausdruck :

„In den letzten Monaten haben wir in einem in der deutschen Geschichte unerhörten Ausmaß und unerhörten Tempo die politische Macht im Reich erobert und gegen gewalt- same Umsturzversuche weitestgehend gesichert. Jetzt stehen wir vor der schwierigen Aufgabe, auf lange Sicht diese Macht auch innerlich derart zu festigen, daß in alle Zukunft ein Rückfall in die Fehler der Vergangenheit unmöglich wird. Dazu muß die Grundlage in der Erziehung unseres Volkes geschaffen werden. (...) Ihre Aufgabe ist es, die Volksgenossen schon vom frühesten Lebensalter an so zu erfüllen mit dem, was der Sinn unseres Volkstums und der ganzen Nation ist, daß die einmal gewonnene Erkenntnis in Fleisch und Blut übergeht und auf Generationen hinaus durch nichts mehr zerstört werden kann. Überstürzte Versuche, Augenblicksmaßnahmen sind hier fehl am Platze. Der organische Staatsgedanke, dessen Sieg wir erreicht haben, verlangt gerade auf dem Gebiete der Erziehung einen klaren Blick, eine ruhige Hand und einen auf lange Dauer wirkenden stahlharten Willen.“1

Für diese Erziehung seien am ehesten die Kinder und Jugendlichen empfänglich, denn diese hätten noch keine eigenen ausgeprägten Wertvorstellungen. Die Umerziehung der Erwachsenen sollte zur Not auch mit Zwang erreicht werden.

„Eine neue Gemeinschaftsordnung ist ohne eine neue Menschheit nicht möglich. (...) Da aber der größte Teil der gewordenen Generation, auch wenn er sich noch so nationalsozialistisch gebärdet, im Grunde doch liberal ist, muß der deutsche Mensch erst nach Hitlers Zielen hin erzogen werden. Solange dieses Ziel nicht erreicht ist, muß durch Zwang und Organisation das vor das deutsche Volk hingestellt werden, wozu es sich nach vollzogener Menschenwandlung aus freiem Entschluß bekennen soll und bekennen wird.“2 Wie sehr sich Jugendliche mit dem NS - System identifizieren konnten, zeigt der Bericht einer damals 18 jährigen Heimerzieherin:

„Wenn sich schon die Erwachsenen diesen Gefühlseruptionen nicht entziehen konnten, wer sollte die jungen Menschen, die Kinder schützen vor der Verführungskraft, vor der emotional gerichteten Flut der propagandistisch berechneten NS-Symbole, die so unmittelbar hinreißend die Begeisterungsfähigkeit ansprachen: Die Fahnen über ihren Köpfen, die Lieder, die Zeremonien und rituellen Umzüge, Massenfeierstunden und anderen Großveranstaltungen, von denen schon das Jahr 1933 voll war.

Uniformen verstärkten zudem die Vorstellung, daß sich soziale Unterschiede in Zukunft verwischen würden. Der rasche Ausbau der Hitlerjugend mit ihren vielfältigen Aktivitäten und sozialen Großaktionen, z.B. Spendensammlungen für Bedürftige, die Winterhilfe, schienen der Jugend einen weiten Raum für neue Erlebnisformen, für solidarische Betätigung und Verantwortung, für die Gestaltung und Führung jugendeigenes Lebens zu eröffnen.“3 Überhaupt sollten die Jugendlichen lückenlos in außerschulischen Parteiorganisationen erzogen werden. Hitler führte dieses Ziel der nationalsozialistischen Totalerziehung in einer Rede am 4.12.1938 in Reichenberg / Sudetenland aus:

„ Diese Jugend, die lernt ja nichts anderes, als deutsch denken, deutsch handeln und wenn diese Knaben mit 10 Jahren in unsere Organisation hineinkommen und dort oft zum ersten Male überhaupt eine frische Luft bekommen und fühlen, dann kommen sie vier Jahre später vom Jungvolk in die Hitlerjugend, dort behalten wir sie wieder vier Jahre, und dann geben wir sie erst recht nicht zurück in die Hände unserer alten Klassen- und Standeserzeuger, sondern dann nehmen wir sie sofort in die Partei, in die Arbeitsfront, in die SA oder in die SS, in das NSKK usw. Und wenn sie dort zwei oder anderthalb Jahre und noch nicht ganze Nationalsozialisten sein sollten, dann kommen sie in den Arbeitsdienst und werden dort wieder sechs und sieben Monate geschliffen, alles mit einem Symbol, dem deutschen Spaten. Und was dann nach sechs oder sieben Monaten noch an Klassenbewußtsein oder Standesdünkel da oder da noch vorhanden sein sollte, das übernimmt dann die Wehrmacht zur weiteren Behandlung auf zwei Jahre, und wenn sie nach zwei, drei oder vier Jahren zurückkehren, dann nehmen wir sie, damit sie auf keinen Fall rückfällig werden, sofort wieder in die SA, SS, usw., und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben.“4

Wie stellte sich Hitler den „ganzen Nationalsozialisten“ vor, den es zu formen galt ?

Im Folgenden verdeutlichen sich seine pädagogischen Vorstellungen:

„Mit der Jugend beginne ich mein großes Erziehungswerk. (...) Meine Pädagogik ist hart. Das Schwache muß weggehämmert werden. In meinen Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken wird. Eine gewalttätige, herrische unerschrockene, grausame Jugend will ich. Jugend muß das alles sein. Schmerzen muß sie ertragen. Es darf nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein. Das freie, herrliche Raubtier muß erst wieder aus ihren Augen blitzen. Stark und schön will ich meine Jugend. Ich werde sie in allen Leibesübungen ausbilden lassen. Ich will eine athletische Jugend. Das ist das erste und wichtigste. So merze ich die tausende von Jahren der menschlichen Domestikation aus. So habe ich das reine, edle Material der Natur vor mir. So kann ich das Neue schaffen. Ich will keine intellektuelle Erziehung. Mit Wissen verderbe ich mir die Jugend. Am liebsten ließe ich sie nur das lernen, was sie ihrem Spieltrieb folgend, sich freiwillig aneignen. Aber Beherrschung müssen sie lernen. Sie sollen mir in den schwierigsten Proben die Todesfurcht besiegen lernen. Das ist die Stufe der heroischen Jugend.“5

Hitler skizzierte hier die Erziehungsziele der Nationalsozialisten: Es wurde größten Wert auf die körperliche Ausbildung gelegt, die Aneignung von Wissen wurde als nebensächlich empfunden. „Um einen guten Nationalsozialisten zu erziehen, war eine umfassende, fundierte Ausbildung eher hinderlich. Der nationalsozialistische Staat brauchte keine qualifizierten, mitdenkenden, kritikfähigen Kräfte, sondern das Gegenteil, den Jasagertyp.“6

Neben der Leibeserziehung wurde viel Wert auf die Charakterbildung gesetzt. Eigenschaften wie Ehre, Treue, Wahrhaftigkeit und Gewissen, Opferwilligkeit und Verschwiegenheit sollten gefördert werden, um sich total Staat und Partei unterordnen zu können. Idealbild war der kämpferische, deutsche Mann, der sich uneigennützig für die Gemeinschaft, die Rasse, das Volk aufopfern sollte. Diese Art der Erziehung hatte natürlich immer auch das Ziel, wehrfähige, zukünftige Soldaten zu schaffen. Den Frauen war nur die Rolle als Hausfrau und Mutter vorbehalten.

3. Administrative Maßnahmen in der nationalsozialistischen Schulpolitik

Im Folgenden soll aufgezeigt werden, welche Veränderungen die Nationalsozialisten in den Bereichen der Verwaltung und Schulpolitik vornahmen. Dabei beziehe ich mich haupt- sächlich auf das Buch von Karin Lauf-Immesberger7. Die Schulpolitik ist durch zwei Phasen gekennzeichnet: Die erste Phase zwischen 1933 und 1936 diente in erster Linie der Machtkonsolidierung der Nationalsozialisten, in der zweiten Phase ab 1937 wurde versucht, das Schulsystem strukturell zu vereinfachen.

Die ersten Maßnahmen dienten der Zentralisierung der Kompetenzen, wohl um die Schulen besser überwachen zu können. Am 30.01.1934 trat das „Gesetz über den Neuaufbau des Reichs“ in Kraft: Alle administrativen und schulpolitischen Kompetenzen wurden an das Reichsministerium des Inneren unter Frick übertragen, später dann an das am 01.05.1934 errichtete Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung unter Bernhard Rust. Grundsätzliche Änderungen des Schulsystem wurden noch nicht vorgenommen, Schulen mit privater Trägerschaft und private Schülerheime wurden aber aufgelöst. Konfes- sionelle Bekenntnisschulen wurden, ohne daß es einen Erlaß auf Reichsebene gegeben hätte, in regionalen Aktionen entweder in Gemeinschaftsschulen umgewandelt, oder gleich ganz geschlossen. Am 07.04.1933 trat das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ in Kraft, das auch dazu diente, sich der Loyalität der Lehrerschaft zu sichern. Alle LehrerInnen, die nicht bereit waren, sich voll für den nationalsozialistischen Staat einzu- setzen, wurden entlassen, ebenso die „nichtarischen“ und die kommunistischen LehrerInnen. Frühere SPD-Mitglieder mußten sich schriftlich von ihrer SPD-Zeit distanzieren. Auch bei der Lehrerausbildung wurden Änderungen vorgenommen; weltanschauliche Fächer, wie Vererbungslehre oder Rassen- und Volkskunde, wurden mit in die Ausbildung auf- genommen, Juden wurden nicht mehr zugelassen. Die alte Lehrerschaft wurde in Schulungs- lagern „umgeschult“ und der nationalsozialistischen Ideologie näher gebracht. Auch aus den Schulen wurden jüdische SchülerInnen gedrängt. Das „Gesetz gegen die Über- füllung deutscher Schulen und Hochschulen“ vom 25.04.1933 legte einen maximalen Anteil von 5 Prozent SchülerInnen jüdischer Religion fest. 1937 wurden diese dann endgültig von den Schulen ausgeschlossen.

1938 wurde das höhere Schulwesen im Erlaß „Erziehung und Unterricht in der höheren Schule“ neu geordnet. Die Vielfalt der Schultypen sollte eingeschränkt und die höheren Schulen auf zwei Grundformen reduziert werden: Die Oberschule und das Gymnasium. Die Geschlechter sollten getrennt ausgebildet werden. In dem Erlaß heißt es:

„Eine gemeinsame Ausbildung widerspricht nationalsozialistischem Erziehungsgeiste. Für Jungen und Mädchen sind daher grundsätzlich getrennte Schulen eingerichtet, die neue hauswirtschaftliche Form der Oberschule für Mädchen steht dabei in ganz besonderem Maße im Dienste der Forderungen, die das Leben an die deutsche Frau und Mutter in Familie, Beruf und Volksgemeinschaft stellt.“8

Für Jungen wurde in den Oberschulen ein naturwissenschaftlich-mathematischer und ein sprachlicher Zweig eingerichtet, für Mädchen gab es den oben erwähnten hauswirt- schaftlichen und ebenfalls einen sprachlichen Zweig. Aus „wichtigen bevölkerungs- politischen Gründen“9 wurde die Schulzeit der höheren Schulen von 9 auf 8 Jahre gekürzt. Die Gymnasien blieben als Sonderform erhalten, waren aber nur Jungen offen. Jeder unliebsame Schüler konnte mit Hilfe des „Erlass[es] über die Schülerauslese an höheren Schulen“ vom 27.03.1935 von den Schulen ferngehalten werden. Folgende Schülergruppen sollten ausgeschlossen werden: körperlich Behinderte, aber auch nur unsportliche Schüler, Schüler, die sich der „Kameradschaftlichkeit“ und dem „Gemeinsinn“ widersetzten, solche, die gegen „Zucht, Ordnung und Ehrlichkeit“ verstießen oder nicht die „geistige Gesamtreife“ besaßen, ebenso die „nichtarischen“ Schüler und Schülerinnen.

4. Die nationalsozialistischen „Eliteschulen“

Da die Parteioberen den Schulen, insbesondere den höheren, mißtrauten, wurden Sonderformen geschaffen, um den Führungsnachwuchs heranzubilden. 1933 wurden die ersten Nationalpolitischen Erziehungsanstalten, die sogenannten Napolas, gegründet. Ihre Zahl stieg im Laufe der Zeit auf über 30 Stück. Die Napolas waren direkt dem Reichs- erziehungsministerium unterstellt. Sie bildeten eine Sonderform der Oberschule, deren Lehrpläne auch für die Napolas galten. Auf körperliche Ausbildung wurde starkes Gewicht gelegt, Boxen, Rudern, Segelfliegen, Motorsport, Reiten und Schießen wurden praktiziert. Es gab zusätzlichen nationalpolitischen Unterricht, für 8 - 10 Wochen im Jahr war Arbeit im Bergwerk und der Landwirtschaft vorgesehen. Außerdem wurden regelmäßige Deutschlandund Auslandsfahrten veranstaltet. Die Internatsform dieser Schulen erlaubte es den Erziehern die Schüler ohne elterlichen Einfluß zu drillen, Jugendliche und Erzieher lebten in ständiger Gemeinschaft, der Fachlehrer war auch politischer Führer.

Ab 1937 entstand eine zweite Form der „Eliteschule“, die Adolf-Hitler-Schulen (AHS). Diese waren Einrichtungen der Hitler-Jugend, unterstanden nur der Partei und sollten den Führungs- nachwuchs hervorbringen. Für die AHS konnte man sich nicht anmelden, sondern man wurde „berufen“, d.h. mittels der Hitler-Jugend ausgewählt. Auch in den AHS spielte Leibes- erziehung und Wehrertüchtigung eine große Rolle. Die Schulfächer wurden in drei Arbeits- gebiete eingeteilt: Volkskunde, Naturkunde und Fremdsprachen. In dem Arbeitsgebiet Volks- kunde wurden folgende Fächer zusammengefasst: Geschichte, Deutsch, Erdkunde, Politik, Religion und Rassenkunde, die Naturkunde umfasste die Naturwissenschaften und die Mathe- matik. Zusätzlich wurden Fahrten und Lager abgehalten, Arbeitseinsätze auf dem Feld, in der Fabrik und unter Tage waren vorgesehen.

Aufgrund der geringen Lebensdauer des Nationalsozialismus und ihrer geringen Anzahl, spielten diese „Eliteschulen“ aber insgesamt keine große Rolle, sie ermöglichen aus heutiger Sicht eigentlich nur, einen Blick auf die Zukunftspläne der Nationalsozialisten zu werfen.

5. Die Unterrichtsinhalte

Die Unterrichtsinhalte wurden nur begrenzt verändert. Ausnahmen waren neue Richtlinien für Geschichtsbücher, ein Erlaß über die Berücksichtigung von Rasse und Vererbung in Abschlussklassen, später wurde noch die Rassenkunde zum Unterrichtsprinzip erklärt. Dieser rassenkundliche Unterricht wurde zumeist in das Fach Biologie eingebaut. Der Fächerkanon und die Stundentafel blieben weitgehend erhalten, nur die Leibesübungen wurden mit zusätzlichen Wochenstunden gefördert.

In der Enzyklopädie des Nationalsozialismus werden die Unterrichtsinhalte wie folgt charakterisiert:

„Die Bildungsinhalte erhielten einen charakteristischen Drall: Im Geschichtsunterricht traten u.a. das Reich des Mittelalters, die Ostsiedlungen, die preußische Großmachtbildung, die Ab- qualifizierung der Französischen und der anderen liberalen und sozialistischen Revolutionen stärker als bisher in den Vordergrund. Das Unterrichtsziel lautete: Begeisterung für vater- ländische Größe und Heroismus sowie Verständnis für die schöpferischen Kräfte des Volks wecken. Im Erdkundeunterricht wurden geopolitische Momente betont, der Biologieunterricht vermittelte Abstammungs- und Rassenlehre, der Deutschunterricht bekam heroisierende und deutschtümelnd, die Innerlichkeit beschwörende Züge, der Musikunterricht pflegte das Lied- hafte und Musikantische, der Kunstunterricht blieb konventionell antimodern, die neueren Sprachen vermittelten, vor allem nach Kriegsbeginn, nur einseitige Einblicke in die englische und französische Kultur, in den Mathematikbüchern benutzte man die sogenannten ein- gekleideten Aufgaben, um die nationalsozialistische Ideologie zu verbreiten.“10 Diese Ausführungen möchte ich nun mit einer Reihe von Beispielen aus Schulbüchern verdeutlichen.

Im Fach Geschichte wurde beispielsweise das Themengebiet der germanischen Frühzeit sehr ausführlich behandelt. Die herausragende Rolle des deutschen Volkes sollte dargestellt werden, es wurde immer wieder versucht, die Rassentheorie zu untermauern, wie in folgender Passage über den Neandertaler:

„Plump und schwerfällig, etwas vornübergebeugt ist der Gang dieser Menschen, ihre Stirn ist flach und niedrig, die Augen liegen tief unter vorgewölbten Knochenwülsten, über einem vorspringenden, kinnlosen Unterkiefer blitzt ein mächtiges Gebiß. Arm an Lauten und Worten ist seine Sprache. Wir nennen ihre Rasse nach dem ersten Fundort (Neandertal bei Düsseldorf) die N e a n d e r t a l e r; von Deutschland bis Westfrankreich und Spanien und nach Osten bis Kroatien haben sich ihre Spuren gefunden. Selbst die niedrigste heute lebende Rasse macht nicht einen derart tierähnlichen Eindruck Die Zeiten des Neandertalers waren jetzt vorüber. Eine neue Menschenrasse , die R e n n t i e r j ä g e r, machte ihm das Leben immer schwerer Aus einer Höhle nach der anderen verdrängten sie ihn, schließlich verschwand er ganz aus Europa. Die plumpen, schwerfälligen Neandertaler waren im Kampfe mit der edleren und gewandteren Rasse unterlegen. Leicht und behend war der Gang der Renntierjäger..."11

Das sozialdarwinistische Weltbild der Nationalsozialisten und der Rassismus kommen hier voll zum Ausdruck.

Im Fach Erdkunde zieht sich ein Thema wie ein roter Faden durch die Schulbücher: der Verlust der Kolonien und anderer Gebiete durch das „Schanddiktat“ von Versailles. Die Größe des deutschen Volkes wird natürlich betont, das Bild von anderen Völkern ist durch Vorurteile, Ressentiments und Klischees gekennzeichnet. In einem Erdkundeschulbuch heißt es zum Beispiel:

„Das Vordringen der Polen gegen das deutsche Reich. Polen war vor Jahrhunderten ein selbständiger Staat. Zur Zeit Friedrichs des Großen teilten sich die mächtigen Nachbarn Rußland, Österreich und Preußen das Land. Aus diesen Teilungen stammten die preußischen Provinzen Westpreußen und Posen, in denen vor dem Weltkriege eine gemischte Bevölkerung aus Deutschen und Polen wohnte. Anders lagen die Verhältnisse in Oberschlesien, dieses Gebiet gehörte seit Jahrhunderten dem deutschen Staatsverband. Es lebte aber im oberschlesischen Industriebezirk zwischen den Deutschen eine Bevölkerung, die ein mit deutschen Worten durchsetztes Polnisch sprach und die man als „Wasserpolen" bezeichnete. Als am Ende des Weltkrieges der neue Staat Polen gegründet wurde, versuchten die polnischen Führer, von dem damals machtlosen Deutschland möglichst große Stücke abzureißen. Mit äußerster Rücksichtslosigkeit ist dieser Kampf um den Boden geführt worden. Die deutschen Bauern, die sich erst in den letzten Jahren vor dem Kriege angesiedelt hatten, wurden von ihren Höfen heruntergeworfen und mit geringen Summen entschädigt...“12

Im Geographieunterricht wurde die militärische Komponente stark betont. Diese Komponente nannte man „Wehrgeographie“. Ein Beispiel:

„ ... wie oft sah das deutsche Land die Heere fremder Staaten! Das Reich glich zu allen Zeiten einer Festung, oft sogar einer belagerten. Auch jetzt trifft dieser Vergleich zu. Denn wie die Besatzung einer Festung nach allen Seiten hin Ausschau halten muß, um das Herankommen von Feinden rechtzeitig zu erkennen, so muß auch Deutschland stets auf der Wacht sein Die Lage in der Mitte so vieler Nachbarn stellt unser Vaterland allzu leicht vor die Aufgabe, sich im Ernstfalle nach mehreren Seiten zugleich zu wenden Wir sind so stets in der Gefahr eingekreist zu werden, und mit der Möglichkeit, daß die Festung umzingelt wird, muß eine verantwortungsbewußte Staatsführung beständig rechnen. Die Lage inmitten einer Fülle von Staaten setzt das Reich in hohem Maße der Gefahr von Luftangriffen aus. Jede Gegend, jeder Ort im Vaterlande kann von feindlichen Bombern erreicht werden ...“13

Wie bereits erwähnt, wurden rassenkundliche Inhalte in das Fach Biologie integriert.

Die Rassentheorie, nach der die nordische Rasse den anderen Rassen überlegen sei, nahm eine fundamentale Stellung im nationalsozialistischen Weltbild ein. Im Biologie-, aber auch im Deutsch- und Erdkundeunterricht, wurde ihr viel Platz eingeräumt. Welche absurden Thesen in Biologiebüchern verbreitet wurden, möchte ich unkommentiert an folgendem Zitat zeigen: „Das Kapital der Welt ist zum großen Teil in jüdischen Händen. es war kein Ausfluß neiderfüllten Hasses, sondern der völkische Selbsterhaltungstrieb des deutschen Volkes, der Befreiung von dieser Bevormundung verlangte; deshalb entfernte die nationalsozialistische Regierung die Juden aus den führenden Stellen der Regierung, deshalb erließ sie das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Aus der klaren Erkenntnis heraus, daß bei einer Rassenmischung das Erbgut beider Rassen erhalten bleibt und von Geschlecht zu Geschlecht weitervererbt wird, müssen wir die Mischehe mit Juden und allen anderen Nichtariern unbedingt ablehnen. Sowohl auf körperlichem als auch ganz besonders auf seelisch-geistigem Gebiet herrscht eine solche Kluft, daß der Mischling in seinem ganzen Körper- und Geistesgefüge eine starke Disharmonie und Zerrissenheit zeigt. Die für den harmonischen Verlauf aller Lebensvorgänge so wichtigen inneren Drüsen werden durch Rassenmischung ganz besonders gestört, und daraus folgt fast immer körperliche und geistige Minderwertigkeit. - Es zeugt von einem unerhörten Mangel an Rasseninstinkt und Rassenverantwortungsgefühl, wenn ein deutschblütiger Mensch eine Ehe mit einem Rassenfremden eingeht."14

Auch der Deutschunterricht diente als Mittel zur völkisch-nationalen Identitätsfindung, im Zentrum stand die Verherrlichung des Deutschtums. Alte Heldensagen dienten als Lektüre, das Lesen des Nibelungenliedes war obligatorisch. Die germanischen Mythen sollten mit dem Mythos des Nationalsozialismus verwoben werden. In den Lesebüchern fanden sich auch neue Heldengeschichten über Hitler und andere Nationalsozialisten. Die Lesestücke waren tief mit Ideologie, wie der Rassen- oder der Blut-und-Boden-Ideologie, durchtränkt. Die Lektüre von Werken aus der Klassik und der Aufklärung wurde in den Hintergrund gedrängt. Als Beispiel für den Einfluß der nationalsozialistischen Weltanschaungen in den Lesebüchern, zitiere ich folgendes Lesestück, das die Arbeit verherrlicht:

„Ehre der Arbeit! Wer den wucht´gen Hammer schwingt, wer im Felde mäht die Ähren, wer ins Mark der Erde dringt, Weib und Kinder zu ernähren, wer stroman den Nachen zieht, wer bei Woll´ und Werg und Flasche hinterm Webstuhl sich müht, daß sein blonder Jüngling wachse: - jedem Ehre, jedem Preis! Ehre jeder Hand voll Schwielen! Ehre jedem Tropfen Schweiß, der in Hütten fällt und Mühlen! Ehre jeder nassen Stirn hinterm Pfluge! - Doch auch dessen, der mit Schädel und mit Hirn hungernd pflügt, sei nicht vergessen!"15

Auch die Sprache blieb nicht unberührt: Man versuchte Fremdwörter einzudeutschen und wetterte gegen die „Verwelschung“ der deutschen Sprache.

Zum Schluß möchte ich noch ein Beispiel für eine „eingekleidete“ Mathematikaufgabe geben:

„... 40 Flugzeuge werfen jedes 620 Brandbomben von je 1,5 kg Gewicht über einer Stadt ab. a.) Wieviel Brände entstehen, wenn 3/5 der Brandbomben unwirksam bleiben?...“16 Einen Kommentar erspare ich mir zu dieser zynischen Aufgabe.

Abschließend kann man sagen, daß die nationalsozialistischen Unterrichtsinhalte andere Inhalte meist nicht ersetzten, sondern eher ergänzten. Wie weit der Unterricht weltanschaulich gefärbt war, hing wohl vom Lehrer oder der Lehrerin ab. Konservative Positionen waren aber in der Lehrerschaft stark vertreten, so daß weniger radikale nationalsozialistische Ansichten auch von Nichtnationalsozialisten übernommen werden konnten. Autoritärer Unterrichtsstil war auch unter Nichtnationalsozialisten die Regel. Auf jeden Fall kann man sagen, daß die staatlichen Schulen nicht total „braun gefärbt“ waren, wohl aber „braun gesprenkelt“.

6.Verwendete Literatur

1. U. Hochmuth, H. de Lorent (Hrsg.) : „Hamburg: Schule unter dem Hakenkreuz“ Hamburger Lehrerzeitung, Hamburg, 1986
2. K. Lauf-Immesberger : „ Literatur, Schule und Nationalsozialismus“ Werner J. Röhrig Verlag, St.Ingbert, 1987
3. H. Kanz (Hrsg.) : „Der Nationalsozialismus als pädagogisches Problem“ Verlag Peter Lang, Frankfurt a. M., 1984
4. M. Götz : „Die Grundschule in der Zeit des Nationalsozialmus“ Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn / Obb., 1997
5. K. D. Bracher : „Die Deutsche Diktatur“ Studienbibliothek Kiepenheuer & Witsch, Köln, 1969
6. W. Benz, H. Graml, H. Weiß : „Enzyklopädie des Nationalsozialismus“ Klett - Cotta Verlag, Stuttgart, 1997

Die Schulbuchzitate sind aus dem Internet, die Quelle ist in den Fußnoten angegeben.

[...]


1 2, S.33

2 2, S.34

3 3, S.22

4 3, S.241

5 3, S.100

6 2, S.43

7 2, S.36 - S.44

8 2, S.40

9 2, S.40

10 6, S. 206f

11 Kumsteller, B. ; Haacke, U. ; Schneider, B., Geschichtsbuch für die deutsche Jugend - Klasse 2, Leipzig, Verlag von Quelle & Meyer, 1943,S.10

12 Dr. Hansen, J. ; Bartel, K. „Vom Vaterland vom deutschen Volk und von der weiten Welt Erdkunde für deutsche Schüler“ 1938, Langensalza - Berlin - Leipzig Verlag von Julius Beltz

13 Dr. For, R. ; Griep, K. „Heimat und Welt - Band 5 Das deutsche Volk und sein Siedlungsraum in Mitteleuropa Teubners Erdkundliches Unterrichtswerk für höhere Schulen“ Leipzig und Berlin, Verlag B.G. Teubner, 1939,S.183

14 Dr. Bauer, A. „Rassen-, Bevölkerungs- und Familienkunde für die Abschlußklasse der Mittelstufe höherer Lehranstalten“ Leipzig, Verlag G. Freytag AG 1934

15 „Deutsches Lesebuch für Volksschulen 5. und 6. Schuljahr“ Nürnberg, Verlag der Friedr. Kornschen Buchhandlung 1935,S.1

16 3, S.185

Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Die Schule im Nationalsozialismus
Autor
Jahr
2002
Seiten
8
Katalognummer
V106505
ISBN (eBook)
9783640047840
Dateigröße
429 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schule, Nationalsozialismus
Arbeit zitieren
Markus Bräuhauser (Autor:in), 2002, Die Schule im Nationalsozialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106505

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