Geschlechtsspezifische Überlebensstrategien im stalinistischen Gulag


Seminararbeit, 2000

42 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Einführung
1. Einleitung
2. Fragestellung
3. Quellen und Literatur
4. Methode

1. Verhaftung, Gefängnis, Transport
1.1. Verhaftung und Untersuchungshaft
1.2. Transport ins Lager

2. Allgemeine Lebensbedingungen: Häftlingsgesellschaft, Hunger, Arbeit
2.1. Die Häftlingsgesellschaft
2.2 Die Ernährung
2.3. Die Arbeit

3. Einige Überlebensstrategien: Freundschaft, Liebe, Sexualität, Prostitution und Mutterschaft
3.1. Lagerfreundschaften
3.2. Liebe, Sexualität und Prostitution
3.3. Mutterschaft

4. Die Lager der 70er und 80er Jahre
4.1. Untersuchungshaft und Transport
4.2. ‘Allgemeine’ Lager
4.3. Lager mit Politzonen

Schlusswort
1. Zusammenfassung
2. Erkenntnisse
3. Fragen zur Diskussion

Anhang
Beilage 1: Der Strafisolator
Beilage 2: Bekanntmachung der Situation Irina Ratuschinskajas

Bibliografie

Einführung

1. Einleitung

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Stellung von Frauen in den sowjetischen Zwangsarbeitslagern zu untersuchen. Allerdings müssen wegen der Menge des zu verarbeitenden Materials und des begrenzt zur Verfügung stehenden Platzes einige Einschränkungen gemacht werden:

- Der Gulag war keineswegs eine statische Institution, sondern durchlief einzelne Phasen der Entwicklung und ist in diesen verschiedenen Perioden auch immer wieder modifiziert worden1: die Lager der 20er Jahre waren anders als jene in der zweiten Hälfte der 30er, diese wiederum waren anders als die Lager nach dem 2. Weltkrieg, usw. In der Folge dieser Entwicklung variierte auch die Zusammensetzung der Häftlingsgesellschaft. Auf diese Entwicklung wird hier nicht eingegangen. Doch ist zu bedenken, dass die unterschiedlichen Zusammensetzungen der Häftlingsgesellschaften auch Auswirkungen auf deren Zusammenleben hatten, ebenso wie auf die Möglichkeiten von Widerstand und Solidarität. So finden sich zum Beispiel in Interviews und Schriftquellen Belege dafür, dass sich während und nach dem Krieg die Häftlinge eng in einzelne Gruppen, definiert nach ethnischen und sozialen Merkmalen, zusammenschlossen.2 Vor dem Krieg scheint das weitaus weniger der Fall gewesen zu sein.

- Auch der Tatsache, dass die Häftlingsgesellschaft keine egalitäre Opfergesellschaft im Sinne gleich schlechter Überlebenschancen für alle war, kann an dieser Stelle keine Beachtung geschenkt werden - es werden die Frauen als solche untersucht und keine weiteren Differenzierungen, etwa zwischen Russinnen und Ausländerinnen, Arbeiterinnen oder Intellektuellen, vorgenommen werden.

Für die hier gestellte Frage nach der speziellen Situation der Frauen im Lager ist das Thema keineswegs nur auf den Gulag selbst zu reduzieren, sondern schliesst die Untersuchungshaft, welche Monate, teils sogar Jahre dauern konnte, mit ein. Deshalb wird auf diese Phase der Haft in der vorliegenden Arbeit ebenfalls eingegangen.

Das Hauptaugenmerk wird auf die Untersuchung des Lebens und Überlebens von Frauen in stalinistischen Zwangsarbeitslagern der 30er und 40er Jahre gelegt. Dieser Schwerpunkt entspringt einerseits dem Interesse der Autorin, andererseits dem für diesen Zeitabschnitt reichen Quellenmaterial. Doch soll in einem abschliessenden Kapitel das Leben der Frauen in stalinistischen Lagern mit dem Leben in Lagern der 70er und 80er Jahre verglichen werden, um damit die Untersuchung abzurunden.

2. Fragestellung

“Die - weniger zahlreichen - Frauen lebten und litten wie die Männer, aber ihre Moral soll höher, ihr Äusseres und das ihrer Baracken gepflegter, ihr Verhalten ‘vernünftiger’ und ihre Ernährungsweise ‘ökonomischer’ gewesen sein; vielleicht waren das aber auch nur männliche Mythen.”3 Die folgende Untersuchung versucht zu zeigen, dass es sich bei dieser Feststellung nicht um einen Mythos handelt, sondern um einen Umstand, der durch die Quellen belegt werden kann. Darüber hinaus soll gezeigt werden, dass die genannten Faktoren - unter anderen - massgeblich das Überleben der Frauen erleichterten, womit die u. a. von Meinhard Stark4 und Irina Scherbakova5 vertretene These, dass mehr Frauen die Zwangsarbeit und die Lagerzeit überlebten als Männer, gestützt wird. Der Grundsatzfrage - bildeten Frauen im Gulag eine besondere Kategorie von Opfern - wird daher vor allem in den folgenden Leitfragen nachgegangen:

- Waren die äusseren Lebensumstände der Frauen dieselben wie die der Männer?
- Entwickelten die Frauen geschlechtspezifische Überlebensstrategien, oder wurde ihr Überleben durch äussere Umstände (z. B. Bevorzugung durch das Lagerpersonal) erleichtert?
- Welche geschlechtsspezifischen Probleme stellten sich den Frauen in den Lagern?

3. Quellen und Literatur

Bis in die 80er Jahre dieses Jahrhunderts hinein gab es keine politischen und wissenschaftlichen Mittel, um ein auch nur annähernd angemessenes Bild von den sowjetischen Zwangsarbeitslagern zu zeichnen. Der Archipel Gulag blieb “weithin eine terra incognita”6, welche bis heute vor allem durch literarische Zeugnisse und Erinnerungen ehemaliger Häftlinge erschlossen werden kann.

Als Basis für diese Untersuchung wurde das Buch von Gerhard Armanski: “Maschinen des Terrors. Das Lager (KZ und Gulag) in der Moderne” benutzt, dazu die Aufsätze von Armanski, Plener, Stark und Scherbakova aus dem Sammelband “Strategie des Überlebens. Häftlingsgesellschaften in KZ und GULAG”. Es existieren noch keinerlei Untersuchungen und Analysen über Frauen in den Lagern, woraus folgt, dass auch auf diesem Gebiet der Lagerforschung nichts anderes übrigbleibt, als mit Quellen - vor allem mit Memoiren - zu arbeiten. Es gibt mittlerweile einige Historikerinnen und Historiker, welche mit den Methoden der Oral History die Erfahrungen der letzten Überlebenden sammeln; weil die schriftlichen Erinnerungen meist von Intellektuellen stammen, erhält man mit der Befragung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen einen wertvollen zusätzlichen Einblick in den Lageralltag.

Im russischsprachigen Raum ist es vor allem Irina Scherbakova, welche bis jetzt etwa 250 Interviews mit Überlebenden der Lager, darunter zwei Drittel mit Frauen, durchgeführt hat. Die ethnische Mehrheit bildeten dabei die Russinnen, die übrigen kamen aus verschiedenen sowjetischen Republiken, Polen und Deutschland.7 Im deutschsprachigen Raum sind es Freya Klier und Meinhard Stark, die Interviews mit Überlebenden der Lager durchgeführt haben. Klier konzentrierte sich dabei auf Frauen und Mädchen, welche nach dem Einmarsch der russischen Truppen in Ostdeutschland gefangengenommen und in Arbeitslager verschleppt worden sind. Stark unterhielt sich mit 15 deutschen Frauen8, die in stalinistischen Lagern sassen.

Mit den poststalinistischen Lagern befasste sich eingehend Abraham Schifrin, welcher ab 1953 selbst 10 Jahre in einem Lager verbrachte.9 Schifrin ist Leiter des Forschungsinstituts ‘Reasearch Centre for prisons, Psychprisons and Forced - Labour Concentration Camps of the USSR’.

Für die vorliegende Untersuchung wurde hauptsächlich folgende Literatur benutzt:

Für die stalinistischen Lager :

- Die Lagererinnerungen von Jewgenija Semjonowna Ginsburg, welche in zwei Bänden vorliegen. Dazu die ausführlichen Lagererinnerungen der Deutschen Susanne Leonhard und Margarete Buber-Neumann. Diese drei Frauen waren intellektuelle Sozialistinnen bzw. Kommunistinnen, welche im Gefolge der Grossen Säuberungen 1937 verhaftet und verurteilt wurden. Die deutsche Christin Johanna Harms, die ihre Lagererlebnisse ebenfalls niedergeschrieben hat, wurde 1941 verhaftet und in ein Lager verschickt.
- Die von Scherbakova, Klier und Stark geführten Interviews, welche zum Teil in voller Länge, zum Teil zusammengefasst vorliegen. Manche der befragten Frauen entstammen der Arbeiterschicht, hauptsächlich handelt es sich aber auch hier um Intellektuelle.
- Zusätzlich wurde - wegen seiner Ambivalenz unter Vorbehalten - das Kapitel ‘Die Frau im Lager’ des 2. Bandes von Solschenizyns “Archipel Gulag” hinzugezogen.

Für die poststalinistischen Lager:

- Die Lagererinnerungen der russischen Dichterin Irina Ratuschinskaja, dazu eine Sammlung von Briefen, welche von aus politischen Gründen inhaftierten Frauen aus den Lagern geschrieben und von Julia Wosnessenskaja zusammengestellt wurden.
- Ein Bericht von Abraham Schifrin, den er über Frauen und Kinder in sowjetischen Konzentrationslagern der 70er und 80er Jahre verfasst hat.
- Die im ‘Samisdat’ erschienene Broschüre über das Lager Baraschewo, in dem unter anderen Irina Ratuschinskaja interniert war.

4. Methode

Es ist zu beachten, dass es sich bei den benutzten Quellen um Erinnerungen handelt, die zum Teil Jahrzehnte zurücklagen, bevor die Zeitzeuginnen über sie berichteten, bzw. sie niederschrieben. In der Erinnerung werden ja Erlebnisse oft verklärt, andere Geschehnisse werden verdrängt oder einfach nicht berichtet. Es wurde versucht, die Berichte möglichst kritisch zu betrachten, auch wurden stets mehrere Belege gesucht, um die im Folgenden dargelegten Untersuchungsergebnisse abzusichern.

Wo vorhanden, wurde beim ersten Zitat aus einem Bericht stets ein kurzer biografischer Abriss der betreffenden Frau in der Fussnote angefügt.

Im allgemeinen ist in den Quellen von aus politischen Gründen inhaftierten Frauen die Rede; Die Berichterstatterinnen machten diese Unterscheidung von sich aus; wenn sie doch einmal über eine kriminelle Mitgefangene berichteten, dann wurde dies explizit vermerkt.

1. Verhaftung, Gefängnis, Transport

1. 1. Verhaftung und Untersuchungshaft

Es spielte für das Verhalten der Häftlinge während der Untersuchungshaft eine grosse Rolle, wie weit sie auf eine Verhaftung vorbereitet waren, wie weit also ihr Verständnis für die Vorgänge im Land reichte und welche Einstellung sie zur Obrigkeit hatten. Im allgemeinen waren sich die verhafteten Frauen keinerlei Schuld bewusst; jede fühlte sich selbst als ‘unrechtmässig’ verhaftet, während die anderen Häftlinge oft als ‘zurecht’ inhaftiert angesehen wurden:10 “Als ich in die Haftzelle kam, da hab’ ich gedacht, die haben alle irgendwas ausgefressen, bloss ich nicht, bei mir ist es ein Irrtum, der sich aufklären muss. Man hat sich nicht denken können, dass man ohne Schuld eingesperrt bleiben kann. Man hat doch nichts gemacht.”11

Die Unterstützerinnen des stalinistischen Regimes sahen ihre Mitgefangenen, zumindest anfänglich, als Feindinnen an und waren überzeugt, dass ihre eigene Verhaftung ein Missverständnis sein müsste. Jewgenija Ginsburg wurde von einer Mitgefangenen gewarnt: “Man kann ja nicht wissen, wer ein wirklicher Volksfeind ist und wer nur einem Versehen zum Opfer gefallen ist wie wir beide. Seien sie (...) vorsichtig, damit sie nicht, ohne es zu wollen, ein wirkliches Verbrechen gegen die Partei begehen. Es ist das beste, man schweigt ...”12. Auch Ginsburg selbst wurde immer wieder von Zweifeln geplagt: “Wieviel einfacher und leichter wäre für mich alles gewesen, wenn es die Gestapo gewesen wäre! Ich wusste ganz genau, wie sich ein Kommunist zu benehmen hatte, der ihr in die Hände fiel. Aber hier? Hier musste man sich erst einmal klarmachen, wer die Menschen waren, die einen gefangenhielten. Waren es verkleidete Faschisten? Oder waren es Opfer eines ungeheuren Betruges, einer raffinierten Intrige? Und wie hatte sich ein Kommunist in seinem ‘eigenen’ Gefängnis zu verhalten (...)?”13

Es war für diese Frauen charakteristisch, sich völlig mit dem Regime zu identifizieren. Es war “unser Land” und “unsere Partei” und “unser Gefängnis”. Damit ist auch die Scham zu erklären, die sie - wie sie berichten - gegenüber den verhafteten ausländischen Kommunisten und gegenüber jungen Nicht-Kommunisten empfanden.14

Die Verhaftung bedeutete in vielerlei Hinsicht eine seelische und körperliche Erschütterung. Verhaftung und Untersuchungshaft leiteten einen Prozess der Entwürdigung und Demütigung ein, welcher die persönliche und politische, bei Frauen zusätzlich die geschlechtliche Identität erheblich schmälerte. Meinhard Stark bezeichnet diesen Prozess als ‘Depersonalisation’15, eine planmässig betriebene Infragestellung der Inhaftierten. Ziel war die psychische Zerstörung der Häftlinge, weil dadurch Selbst- und Fremdbeschuldigungen leichter erreicht werden konnten. Diese ‘Depersonalisation’, der Verlust der persönlichen und geschlechtlichen Identität, setzte sich bei den Frauen später im Lager in einem verstärkten Masse fort.

Die Aufnahme ins Untersuchungsgefängnis war gerade für Frauen äusserst demütigend; zunächst erfolgte eine erniedrigende gynäkologische Untersuchung, dann wurden ihnen Haarnadeln, Strumpf- und Gummibänder abgenommen. Damit verwandelten sie sich in zerlumpte Häftlingsfrauen mit rutschender Unterwäsche und ebensolchen Strümpfen, Hosen ohne Gürteln und Schuhen ohne Schuhbänder16: “Jetzt befinde ich mich in einem Raum der vollgepfercht ist mit nackten und halb ausgezogenen Frauen. Dazwischen, wie schwarze Krähen, die Aufseherinnen in ihren dunklen Uniformen. (...) Mit versteinerten Gesichtern, mit exakten und sachlichen Handgriffen wühlen die Aufseherinnen in den Haaren, als wollten sie nach Läusen suchen, untersuchen sie den Mund, den After. Auf den Gesichtern mancher Frauen liegt Entsetzen, auf denen anderer Abscheu. (...) Auf langen Tischen häufen sich die konfiszierten Sachen: Nadeln, Ringe, Uhren, Ohrringe, Strumpfbänder, Notizbücher.”17

Im Anschluss an die Beschlagnahmung persönlicher und ‘gefährlicher’ Gegenstände erfolgte die Leibesvisitation. Margarete Buber-Neumann schrieb dazu: “Dort [in der Lubjanka, dem Untersuchungsgefängnis vom Moskau] erlebte ich meine erste Körpervisitation. Da wurde man genau so behandelt wie eine Prostituierte. (...) was ein Häftling ist, was es heisst, über seinen Körper verfügen lassen zu müssen, das weiss man nach der ersten Körpervisitation in der Lubjanka. Von da ab war ich kein normaler Mensch mehr, hatte nur noch den Wunsch, mich zu rächen und mit dem Absatz in dieses Gesicht treten zu können, in diese Fratze mit den Rosshaaren.”18

Nach der Aufnahme wurden die Frauen in die Duschen geschickt, ihre Kleidung wurde desinfiziert, manchen wurden Kopf und Körperbehaarung abrasiert: “Gleich wo ich dort ankam, haben sie mir die Haare runter geschnitten, kahl, ganz kahl. Ich musste mich splitternackt ausziehen. (...) Ich hab mich so geschämt.”19 Jewgenija Ginsburg berichtete, wie ihre Häftlingsgruppe auf dem Transport ins Lager mit einer Gruppe von Frauen aus einem anderen Gefängnis zusammengelegt wurde: “(...) Schwestern, denen noch mehr Kränkung und Leid widerfahren ist als uns. Die Haare! Man hat ihnen die Haare abrasiert! (...) Wir schreiben erst das Jahr 1939, und trotz Untersuchungshaft (...) weiss ich noch lange nicht, was Menschen einander antun können. Deshalb denke ich beim Anblick der kahlen Köpfe dieser Häftlinge aus Susdal (...) dass dieses Kahlscheren die schlimmste Verhöhnung der weiblichen Natur ist.”20

Gerade die Aufnahmeprozedur und die Konfrontation mit den Haftbedingungen zwang die Frauen in den ersten Stunden und Tagen zur Hinnahme gravierender persönlicher Entwürdigung. Damit wurde der Prozess der ‘Depersonalisation’ eröffnet. Erkennungsdienstliche Behandlung, Aufnahme von Fotos und Fingerabdrücken, Entkleidung, Duschen, Leibesvisitation, Desinfektion, oftmals von männlichem Personal vorgenommenes Scheren der Behaarung, all dies erschütterte die menschliche und geschlechtliche Würde der Frauen in höchstem Masse.21

Die bewusste ‘Depersonalisation’ vertiefte sich durch die inhumanen Haftbedingungen in den Gefängnissen. Margarete Buber-Neumann: “Als Zelle 31 aufgeschlossen wurde, blieb ich entgeistert im Türrahmen stehen. (...) Mein erster Gedanke war: eine Irrenanstalt! Hunderte fast nackter Frauen hockten, lagen, kauerten dicht nebeneinander. Die ganze Zelle war ein einziges Gewimmel. Die Luft kaum einzuatmen.”22 Die Frauen lagen so dicht nebeneinander, dass sie sich nachts nur auf Kommando alle gemeinsam umdrehen konnten. Oft wurde in Schichten geschlafen, oder einige schliefen auf dem Boden. Es gab auch das System des ‘waletom’: “Das heisst, der Kopf lag an den Füssen des Nachbarn, Kopf an den Füssen, Füsse am Kopf, die ganze Reihe. Wenn du einige Sachen mithattest, konntest du dich zudecken. Vom Gefängnis gab es nichts.”23

Demoralisierend wirkten die häufigen Durchsuchungen der Massenzellen und die wiederholten Leibesvisitationen. Sie dienten einzig dem Zweck, die Frauen zu zermürben.24 Eine Belastung stellten auch die hygienischen Bedingungen dar. Antonie Satzger: “Du hast den ganzen Tag den Kübel in der Zelle gehabt, den durfte ich bloss einmal am Tag ausleeren. Der ganze Uringestank war ständig da. Gross musstest du ja auch mal. Den Gestank hat man dann auch drin gehabt. Du konntest ja nicht auf Kommando. (...) Und das Schlimmste war, du hast ja kein Papier, kein Klopapier gehabt. Du konntest dich nicht säubern und hast regelrecht gemerkt, wie der Stuhl am Hintern eingetrocknet ist.”25

Eine tägliche Körperreinigung gab es nicht. Alle acht bis zehn Tage führte man die Frauen in die Banja, wo innerhalb kürzester Zeit Körper- und Wäschereinigung erledigt werden mussten. Die öffentliche Verrichtung der Notdurft auf dem Kübel oder der kollektive Vollzug beim verordneten Toilettengang - meist morgens und abends - waren Situationen, denen sich die Frauen nur langsam anpassen konnten.

Noch bedrückender waren die Belastungen der Frauen während der Menstruation. Sie hatten sich dabei völlig ohne hygienische Mittel zu behelfen.26

Doch spielte die Aufmerksamkeit für die persönliche Hygiene und des Aussehens gerade für Frauen eine grosse Rolle. Irina U. erzählte, wie ihre Zellengenossin ein Stück Verputz von der Wand kratzte, um sich damit die Nase zu pudern, bevor sie zum Verhör ging. Sie tat das nicht etwa, weil sie dem Untersuchungsrichter gefallen wollte, sondern weil sie nicht derart erniedrigt und heruntergekommen vor ihm stehen wollte.27 Susanne Leonhard und ihre Zellengenossinnen betrieben in ihrer Zelle Gymnastik, um sich fit zu halten.28 Auch in den Lagererinnerungen der Frauen wird mehr Gewicht auf die Aufrechterhaltung von Sauberkeit und Körperpflege gelegt als bei den Männern. Man wusch sich, egal wie kalt es war, und wenn es kein Wasser gab, rieb man sich mit Schnee ab. Diese einfachen Prozeduren erlangten existentielle Bedeutung.29

Die Untersuchungshaft hinterliess bei den Inhaftierten oft ausserordentlich starke Spuren und konnte für ihr Überleben ausschlaggebend sein, weil die Kraft zum Widerstand in hohem Masse vom Verlauf der Untersuchung abhing: je früher die betroffenen Personen begannen, Geständnisse abzulegen, desto grösser waren ihre Chancen, sich physisch zu retten. Nicht zufällig gibt es unter den Überlebenden einen grossen Prozentsatz an Personen, die keiner körperlichen Folter ausgesetzt waren.30 Andererseits zeigten Selbst- beschuldigung und die Belastung nahestehender Personen zerstörerische Auswirkungen auf die Psyche.31

Die Untersuchungsgefangenen berichteten immer wieder von psychischen und physischen Folterungen; davor wurde auch bei Frauen nicht halt gemacht. Jewgenija Ginsburg erzählte, dass sie eine Woche lang ununterbrochen verhört wurde, während die Untersuchungsrichter sich abwechselten. Sie bekam während dieser Zeit nichts zu essen und nur ab und zu etwas Wasser; aber immerhin konnte sie während des Verhörs sitzen.32 Dina Slavutsky hingegen, eine von Scherbakova interviewte Englischlehrerin, musste während ihres Verhörs drei Tage und drei Nächte hindurch ununterbrochen stehen, wodurch sie sich eine Lähmung zuzog.33 Die Frauen wurden geschlagen34, einer wurden die Finger gequetscht35. Und dennoch stellte Solschenizyn fest, dass die Untersuchungshaft den Frauen weniger zu schaffen machte, als den Männern: “Doch es scheint, dass es sie nicht härter, nein, eher leichter ankam als uns. In den Berichten weiblicher Untersuchungsgefangener fand ich bislang keinen Hinweis darauf, dass sie durch die Verhöre schlimmer entmutigt und in tiefere Verzweiflung gestürzt worden wären als die Männer. Der Gynäkologe N. I. Subow, der selbst seine zehn Jahre abgesessen (...) hat, meint allerdings, dass die Frauen (...) unmittelbarer und stärker von der Verhaftung und der damit verbundenen Trennung von der Familie betroffen würden.”36

Vor allem unter den sogenannten ‘Ehefrauen der Volksfeinde’ gab es sehr viele junge Frauen, die unter der Trennung von ihren kleinen Kindern litten und sich um deren Schicksal schrecklich ängstigten. Jewgenija Ginsburg schrieb über den Moment, in dem sie erfuhr, dass auch ihr Mann verhaftet worden war: “Noch heute kann ich nicht ruhig darüber schreiben, wie mir in dem Augenblick zumute war: seit meiner Verhaftung hatte ich mir streng verboten, an die Kinder zu denken. Jeder Gedanke an sie nahm mir den Mut. (...) Bis zu diesem Tag vertrieb ich die tödlich verletzenden Erinnerungen, die mich umlauerten, durch den kurzen Bannspruch: ‘Der Vater ist bei ihnen!’ Und nun ”37 Auch Frieda Siebenaicher erinnerte sich: “Manche Nacht ging es los mit den Frauen, die ihre Kinder zu Hause hatten. Das war grausam, grausam. Die riefen ihre Kinder im Traum. Du konntest die ganze Nacht nicht schlafen.”38 Sich selbst schätzte Frieda Siebenaicher glücklich, weil sie ihre Tochter in Deutschland bei ihrer Mutter in guter Obhut wusste. “Das war das grösste Glück, dass ich in der Sowjetunion überhaupt hatte. Wenn man mir mein Kind weggenommen hätte, das hätte ich gar nicht durchgestanden. Hätte im Lager gesessen, mein Mann weg, das Kind irgendwohin, ich wäre verrückt geworden. Vielen Frauen ist es so ergangen.”39

Die Ungewissheit über das Schicksal ihrer Kinder war für die Frauen in der Untersuchungshaft und später im Lager eine Quelle ständiger Qual, gleichzeitig aber auch ein Ansporn, zu überleben. Ulla Plener kommt in ihrem Aufsatz “Quellen persönlicher Widerstandskraft kommunistischer Häftlinge” zum Schluss, dass Frauen seelisch und geistig widerstandsfähiger waren als Männer; im Unterschied zu vielen Männern lehnten sie es konsequent ab, die ihnen inkriminierten ‘Verbrechen’ anzuerkennen und die gefällten Urteile zu unterschreiben. Plener erklärt das daraus, dass die Frauen überwiegend Mütter waren: das Überleben war für sie wichtig, weil sie ihre Kinder wiedersehen wollten und ihnen darüber hinaus auch “einen ehrlichen Namen”40 hinterlassen wollten.41 Erna Kolbe: “Ich habe mich immer an mein Kind, an meine Tochter geklammert. Sie wiederzusehen, wiedersehen zu müssen, dieser Wunsch half mir, am Leben zu bleiben.”42 Nach vier Jahren Haft gelang es ihr, den Aufenthaltsort ihrer Tochter ausfindig zu machen. In einem Brief an die Pflegeeltern ihrer Tochter schrieb sie: “Vielleicht sind sie der Meinung, dass ich mich besser nicht melden sollte, ganz auf meine Tochter verzichten sollte und den Namen einer Mutter. So hätte ich auch gehandelt, wenn auf meinem Gewissen irgendwelche verachtenswerten Handlungen liegen würden, die ein schlechtes Licht auch auf meine Tochter werfen würden. (...) Aber mein Gewissen erlaubt mir, offen in die wahrhaften Kinderaugen zu blicken.”43

1. 2. Transport ins Lager

Die Überstellung von den Untersuchungsgefängnissen in die Lager dauerten oft wochenlang. Meist per Bahn wurden die Häftlinge über Sammelgefängnisse und Durchgangslager an ihre Bestimmungsorte gebracht. Die Erzählungen über die Transporte gleichen sich alle; der folgende Bericht stammt von Erna Kolbe: “Ende Februar[1938]gingen wir auf Transport. Wir kriegten Reiseproviant, ein Brot, für jeden ein grosses Stück Fisch, roher Fisch, nicht geräuchert, nicht gekocht, nur gesalzen. Wir fuhren in einem Güterzug. Liegen konnte man natürlich nicht, höchstens hocken, so vollgestopft war der Wagen. Das Essen sollte für fünf Tage reichen. Wir bekamen ab und zu einen Topf Wasser, aber die Verpflegung mussten wir uns einteilen. Viele haben den salzigen Fisch gegessen und waren andauernd durstig. Tagelang haben wir auf irgendwelchen Nebengeleisen gestanden. Anstelle von fünf Tagen waren wir schliesslich siebzehn Tage unterwegs.”44

Das Ende der Bahnfahrt hiess nicht, dass die Gefangenen nun im Lager angekommen wären: “Nachdem wir aus unseren Waggons kamen, sind viele Frauen an der frischen Luft umgefallen. Uns haben die Beine gezittert. (...) Vor uns lag jetzt der Fussmarsch zum Lager. Das sollten vierzig oder sechzig Kilometer werden. Viele konnten nicht mehr, andere sind unterwegs umgefallen. Einige Lastwagen haben diese Frauen aufgeladen und sind vorne weg gefahren. Man muss sich unseren langen Zug vorstellen: wir waren sechstausend Frauen. Wir sind nur geschlichen und den ganzen Tag und die ganze Nacht gelaufen, ehe wir ankamen.”45

Oft waren diese ersten Stationen nur Durchgangslager, von denen aus die Reise dann weiterging; doch die Dauer des Aufenthalts war unterschiedlich. Für manche war es tatsächlich nur ein Durchgangslager, andere blieben monatelang dort.46

Nach den Bedingungen der Untersuchungshaft, dem Transport und den Zuständen in den Durchgangslagern wurde das Arbeitslager von vielen richtiggehend herbeigesehnt. Es herrschten darüber die merkwürdigsten Vorstellungen: “(...) dass wir frei herumlaufen könnten, dass wir zu lesen hätten, arbeiten würden - ein Ort, wo wir unser Bett haben würden, wo wir in die Bibliothek gehen, wo wir Schach spielen könnten und unsere Zeit absitzen würden. So haben wir uns das Lager vorgestellt.”47 Und sogar wenn die Häftlinge wussten, was auf sie zukommen würde: man sehnte sich nach dem Ende der Reise. Jewgenija Ginsburg berichtete darüber: “(...) für den ‘Tjursak’48 gab es in der Regel nur noch einen Weg - nach Kolyma. Es war ein seltsames Phänomen: dieses Wort, das jedem in Freiheit einen Schrecken einjagte, hatte hier, bei den Insassen des Transitlagers, nicht nur seinen Schrecken verloren, sondern weckte sogar eine unbestimmte Hoffnung. (...) Immer öfter hörte man in unseren fiebrigen Nächten, zwischen Stöhnen und Zähneknirschen, den Aufschrei: ‘Ach, wären wir doch schon in Kolyma’.”49

2. Allgemeine Lebensbedingungen: Häftlingsgesellschaft, Hunger, Arbeit

2. 1. Die Häftlingsgesellschaft

50 Die Häftlinge hiessen ‘wremmenyje saklutschonnyje’, zu deutsch ‘zeitweilig Inhaftierte’, abgekürzt ‘Seki’. Nach meist monatelanger Untersuchungshaft und wochenlangem Transport kamen sie an ihren zeitweiligen oder endgültigen Bestimmungsort, das Strafarbeitslager. Hier kamen vier Fünftel zu den ‘Allgemeinen’, die den Kern des Lagers bildeten und seinen schweren Bedingungen am heftigsten ausgesetzt waren.

Die Gefangenen stellten eine hierarchisch geschichtete Lagergesellschaft dar. Unter den Schwerkriminellen standen Gelegenheitsverbrecher und kleine Gauner, unter diesen wiederum versammelten sich Gesetzes- übertreter der verschiedensten Art. Sie vor allem besetzten die höheren Posten in der Lagerverwaltung. Als Zwischengruppen gab es die Ordner und die technischen Spezialisten. Ganz unten standen die ‘volksfeindlichen’ Politischen, die in stalinistischer Zeit etwa die Hälfte der Lagerbevölkerung ausmachten. Unter den politischen Gefangenen waren alle Gruppen der Bevölkerung vertreten, insbesondere aus der ausländischen und russischen Intelligenz. Neben den Kommunistinnen und anderen Linken gab es Christinnen, als staatsfeindlich angesehene Individuen und Angehörige nichtrussischer Völker.

In aller Regel waren die Lager gemischt, wurden also von Frauen und Männern bewohnt. Diese gemeinsamen Lager waren bis zum Ende des 2. Weltkrieges üblich; ab dem Jahre 1946 begann die Obrigkeit dann damit, die weiblichen und männlichen Gefangenen in verschiedenen Lagern unterzubringen.51

Vereinzelt gab es aber schon in den 30er Jahren reine Frauenlager; eines davon war das ‘Spez.-Lager Postkasten 26’ in der Nähe von Akmolinsk. Hier wurden überwiegend Frauen, die als ‘Familienangehörige’ verurteilt waren, inhaftiert. So hatten die Frauen die ‘Vergünstigung’, die gesamte Haftdauer in einem Lager zu bleiben. Dadurch waren sie von den fortwährenden Transporten, immer wieder neuen Lagern und deren personellen und lokalen Besonderheiten verschont; auf lange Sicht konnte sich so eine stabile Häftlingsgemeinschaft herausbilden. Mit Ausbruch des Krieges glich sich das Spez. - Lager dann allerdings dem allgemeinen Gulag - Regime an; neu wurden nun auch kriminelle Häftlinge hierher verlegt.52

Auch Susanne Leonhard berichtete in ihren Erinnerungen von einem solchen Lager: “Noch ein anderes Erlebnis bewegte zu dieser Zeit - es war wohl im Dezember 1939 - die Gemüter in Adak. Eine grosse Frauengruppe traf ein. Beinahe wäre man versucht zu sagen: eine Etappe von Damen, denn die Neuen kamen mit eleganten Koffern und trugen Pelzmäntel. Das waren die Ehefrauen der im Laufe des Jahres 1937 als ‘Volksverräter’ verhafteten ehemaligen Parteileute. Die meisten dieser Frauen waren einige Monate oder ein Jahr nach der Verurteilung ihrer Ehemänner verhaftet worden. Ein Prozess war ihnen nicht gemacht (...) worden (...). Sie waren zu acht Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden als ‘shóny’ [Ehegattinnen] von ‘Volksfeinden’. (...) Diese ‘shóny’ hatten das erste Jahr ihrer Strafzeit in völliger Isolierung von der Aussenwelt in den Temnikow-Lagern bei Potma (...) verbracht. Sie hatten weder Post empfangen noch Briefe schreiben dürfen. In diesen Lagern hatten ausschliesslich Frauen gelebt, und alle Arbeiten waren von Frauen verrichtet worden. (...) Ein grosser Prozentsatz der in den Temnikow-Lagern befindlichen Frauen - und es gab dort mehrere Zehntausend! - war mit Stickereiarbeiten beschäftigt worden.”53

Die Frage nach der Zahl der in den Lagern arbeitenden Frauen lässt sich nicht abschliessend beantworten, weil verlässliche Zahlen über den Umfang der Verfolgungen von Frauen in der UdSSR bislang nicht vorliegen. Solschenizyn gibt für die zwanziger Jahre unter Berufung auf amtliche sowjetische Quellen ein Verhältnis von sechs bis sieben internierten Männern zu einer inhaftierten Frau an. Für die dreissiger und vierziger Jahre sieht er das Verhältnis “weitgehend ausgeglichen”54. Allerdings macht Solschenizyn hierbei keinen Unterschied zwischen politischen und kriminellen Gefangenen.55 Robert Conquest dagegen vermutet, dass weniger als 10% der Lagerinsassen Frauen gewesen seien; darüber hinaus sei von diesen 10% der Hauptanteil den Kriminellen zuzurechnen gewesen.56 Auch Armanski schreibt, dass es “wenige [Frauen], infolge ihres Geschlechts besonders unterdrückt und in prekärer Lage”57, gewesen seien.

Abraham Schifrin hat 1980 in seinem “Reiseführer durch Gefängnisse und Konzentrationslager in der Sowjetunion” eine Liste mit 119 Frauen- und Kinderlagern zusammengetragen58, deren Bestehen auch schon vor 195059 zu vermuten ist. Daraus lässt sich auf eine hohe Zahl inhaftierter Frauen schliessen.

Wieviele Frauen in den Gulag deportiert oder nach kurzer Untersuchungshaft erschossen60 worden sind, ist also ebenso ungewiss wie die Zahl der Überlebenden. Nach den verschiedenen vorliegenden Schätzungen muss davon ausgegangen werden, dass mehrere Millionen Frauen und Mädchen Opfer der Verfolgungen wurden und jahrelang im Gulag vegetieren mussten.61

2. 2. Die Ernährung

Den Kern des Lagerlebens bildete die Ernährung; diese hing mit der Normerfüllung bei der Arbeit zusammen und war im übrigen zeitlich und regional verschieden.62 Die Höhe der Normerfüllung bedingte die Grösse der Verpflegungsration, diese wiederum die künftige Leistungsfähigkeit. Doch war die Norm schwer zu erreichen: “Die Norm gefällter, zersägter und gestapelter Stämme betrug gleich am Anfang sieben bis acht Meter pro Tag, das war natürlich kaum zu schaffen. (...) Die Norm zu schaffen, strebte jede von uns an - und als wir das Pensum erreicht hatten, wurde sie kurzerhand heraufgesetzt. (...) Wer die neue Norm nicht schaffte, bekam Abends kein Essen. Das war absurd - man schaffte die Norm nicht, weil man zu schwach war, und bekam dafür die Abendration gestrichen, wodurch man noch schwächer wurde.”63

Auf der Grundlage einer Mindestration von 300 bis 400 Gramm Brot erhob sich ein ausgeklügeltes System abgestufter Nahrungszuteilung. Auch die weitere Ernährung erfolgte nach unterschiedlichen ‘Kesseln’, welche mehr oder weniger statt machten. Dass der Hunger “die schwerste Geissel im Lager”64 war, darüber sind sich alle Überlebenden einig: “immer war man hungrig”65 ist ein Standardsatz in allen Lagererinnerungen.

Intellektuelle hatten im allgemeinen grössere Probleme, die Zwangsarbeit zu bewältigen, als Frauen proletarischer oder bäuerlicher Herkunft: “Das war etwas über meiner Kapazität, weil ich nie körperlich gearbeitet hatte, vor allem bei dieser schwachen Kost. Ich war schrecklich abgemagert. (...) Das tägliche Brot spielte eine sehr grosse Rolle.”66

Doch trotz dem allgegenwärtigen Hunger betonten viele Frauen, dass sie immer noch sehr viel besser dran waren als ihre männlichen Leidensgenossen: “Die Männer waren in einer sehr viel schlimmeren Situation als wir. Sie litten sehr unter dem Hunger, denn die Portionen waren viel zu klein für sie. Auch ihr moralischer Zustand war viel schlechter als der unsere.”67 Dieselbe Beobachtung machte Gertrud K.: “Bedrückend war es, mitansehen zu müssen, wie Männer die ausgespuckten Fischgräten mit dem Zeigefinger von den Holztischen pickten und sie in den Mund schoben. Wir litten ja alle unter diesen Hungerrationen, die Männer aber offenbar noch weit mehr.”68

Dass die Männer dem Hunger weniger stand halten konnten als die Frauen liegt einerseits daran, dass der Energiebedarf des Mannes pro Kilogramm seines Körpergewichts höher ist als bei der Frau. Das Problem verstärkt sich noch durch das üblicherweise höhere Körpergewicht des Mannes; der ohnehin schon grössere Bedarf an Kalorien wird dadurch noch einmal gesteigert. So bekommen Frauen bei gleichem Nahrungs- angebot viel weniger Mangelerscheinungen als Männer.69 “Wer die Norm nicht geschafft hatte, bekam dreihundert Gramm Brot. Darum sind die meisten Männer zugrunde gegangen. Die hatten fast alle Hunger- typhus. Und zwar nannten die das Pellagra, das ist eine Eiweisserkrankung. Da grösster Mangel an Eiweiss war, hat der Körper die eigene Leber aufgefressen. Deshalb hatten sehr viele Männer überhaupt keine Widerstandskraft. Die konnten einen Eimer voll Suppe in sich reinschütten und waren trotzdem hungrig.”70

Der Nahrungsmangel führte bei manchen Männern zu verzweifelten Versuchen, satt zu werden. Jewgenija Ginsburg berichtete über einen Fall von Kannibalismus.71 “Unverhüllte Gier und hemmungslose Sucht, sich zu sättigen - ganz gleich womit - war bei den Männern stärker verbreitet als bei den Frauen”72 beobachtete auch Susanne Leonhard. “Männer halfen mit Vorliebe, wenn ein Tier geschlachtet wurde. Sie verschlangen dann die Gedärme und kochten die Pferdeknochen aus.”73 Und Gertrud Platais erzählte: “Die Männer, die noch konnten, arbeiteten auf den Feldern. Die haben sich die Ähren genommen und gefressen. (...) Da sind die Männer, die elend und krank in der Baracke sassen und überhaupt nicht raus konnten, auf’s Klo gegangen, haben in der Scheisse rumgewühlt, die Körner rausgeklaubt und die wieder gefressen. Und dabei hat man sie erwischt und dafür sind diese Männer in den Karzer74 gekommen.”75

Dass Frauen mit weniger Nahrung auskommen konnten als die Männer machte sicher einen Grossteil ihrer besseren Überlebenschancen im Lager aus. Zu diesem Schluss kommt auch Prof. Dr. med. Ernst-Günther Schenk in seiner “Pathographie der Kriegs-, Hunger- und politischen Katastrophen Europas”; zwar bezieht er sich auf Lager in Deutschland, doch sind die Ergebnisse in diesem speziellen Fall sicherlich auf die russischen Lager übertragbar: “Im ostdeutschen Lager Mühlberg kamen 64% der dort internierten Männer und nur 6% der unter fast gleichen Verhältnissen lebenden Frauen um. Dieselben Beobachtungen machten Richet und Mans in Konzentrationslagern. In Übereinstimmung hiermit steht, dass wenigstens ab 1946/47 Frauen in durchweg besserem Ernährungs- und Gesundheitszustande heimkehrten als Männer. (...) Unter zivilen Verhältnissen allgemeiner Unterernährung erwiesen sich Mädchen und Frauen bis zum 40. Lebensjahr am wenigsten, Männer und Frauen vom 55. Jahre ab am stärksten betroffen.”76 Die Unterschiede hinsichtlich des Nahrungsbedarfs scheinen sich also bei älteren Menschen beiderlei Geschlechts zu verwischen, sind aber bei jüngeren Frauen und Männern wissenschaftlich belegt.77

2. 3. Die Arbeit

Den zweiten zentralen Punkt des Lagerlebens bildete die Arbeit, die ja auch die Basis für das materielle Überleben war. “Ich erinnere mich, immer nur gearbeitet zu haben. Wir mussten bei jedem Wind und Wetter raus, auch bei fünfundvierzig Grad minus. Früh, in der Dunkelheit, ging es unter Bewachung hin ... am Abend todmüde wieder zurück.”78

Wie Arbeitstiere wurden die Gefangenen gemustert und in Kategorien eingeteilt: “Der Arzt umfasste mit einer Hand die Gesässmuskulatur, um deren Grösse und Konsistenz festzustellen. Dies war ein aussagefähiges Zeichen für den Kräftezustand des Untersuchten. Bei Frauen allerdings wurden in den meisten Fällen, insbesondere, wenn die Patientinnen schon sehr schwach waren, nur die Mammae, die Brüste, begutachtet.”79 Diese Arbeitseinteilungsmethode war für die Frauen höchst unangenehm: “Hier kam alle vier Wochen eine Kommission ins Lager, zur ‘Fleischbeschauung’, wie wir es nannten. Dann mussten wir uns nackt ausziehen und einzeln vor drei Offiziere treten, den Lagerarzt und den Kommandanten. Sie empfingen uns stets mit einem spöttischen Lächeln, und wir haben uns jedesmal furchtbar geschämt ...”.80

Die ‘allgemeinen Arbeiten’ waren meist hart und eintönig und konnten kaum geschafft werden. “In the labor camps, there were seldom tractors or horses, and sleds of wood were pulled by the prisoners. If the team was made up of men, five were harnessed; if of women, seven. A Polish journalist who served in the Pechora camps reports seeing several hundred women carrying heavy logs, and later rails for the railway.”81

Frauen wurden also für die gleichen Arbeiten eingesetzt wie Männer: als Bauarbeiterinnen im Strassen-, Haus- und Geleisebau; bei Waldarbeiten als Holzfällerinnen und beim Holztransport; im Bergbau, in der Ziegelei, in der Landwirtschaft. Und zwar nicht erst, wie Solschenizyn schreibt, seit der “Abtrennung der Frauen”82 in eigene Lager; so arbeiteten Jewgenija Ginsburg83, Erna Kolbe84 und Elinor Lipper85 bereits Ende der 30er Jahre als Holzfällerinnen, ebenso Johanna Harms zu Beginn der 40er86. Andere Frauen arbeiteten als Sackträgerinnen87 und Feldarbeiterinnen88. Darüber hinaus waren viele als Näherinnen, Stickerinnen und Fabrikarbeiterinnen beschäftigt.89 Auch diese Arbeiten in den lärmigen und staubigen Fabriken waren hart; es wurde Tag und Nacht gearbeitet, und besonders die Nachtschichten machten den Frauen sehr zu schaffen.90

Es ist dennoch nicht zu bestreiten, dass manche Frauen in den gemeinsamen Lagern etwas besser gestellt waren, als ihre männlichen Mitgefangenen. Solschenizyn: “In einer gemischten Brigade kann eine Frau noch mit so etwas wie Nachsicht und leichterer Arbeit rechnen.”91 Dieser Punkt wird in den Erinnerungen von Erna Kolbe bestätigt: “In einem anderen Lager mussten wir Waldarbeit machen, zusammen mit den Männern. Die Männer mussten Bäume umsägen und wir die Äste abhacken und verbrennen. (...) Das Schreckliche war, dass die Männer die gleichen Essensrationen wie wir Frauen bekamen, obwohl sie meistens viel schwerere Arbeit hatten.”92 Ob die Frauen in einer gemischten Brigade wirklich leichtere Arbeit bekamen als die Männer hing ganz vom Brigadier ab, dessen Charakter und Verhalten für die Gefangenen oft überlebenswichtig sein konnte.

Nicht nur bekamen Frauen manchmal leichtere Arbeiten zugeteilt als die Männer, sondern es gab auch ganz direkte und uneigennützige Hilfeleistungen von männlichen Mitgefangenen. Margarete Buber-Neumann und Susanne Leonhard berichteten wiederholt, dass sie ohne die Hilfe ihrer männlichen Kollegen die Norm nicht geschafft hätten.93

Neben der besseren Ernährungssituation der Frauen liegt daher ein weiterer Grund für ihr besseres Überleben in den Lagern einerseits in den traditionellen Geschlechterrollen, wonach die Frau schwach und hilfsbedürftig sei, der Mann aber stark und daher zur Hilfe verpflichtet. Dieses Konzept wurde auch im Lager offenbar noch bis zu einem gewissen Grad aufrechterhalten, und zwar sowohl von männlichen Mitgefangenen als auch - zu mindest teilweise - von Brigadeführern.

Andererseits entwickelten die Frauen eine spezifische Anpassungs- und Gestaltungsstrategie in bezug auf die Zwangsarbeit. Sie waren nicht nur passive und leidende Opfer, sondern fähig, sich den Bedingungen des Lagers - oft besser als Männer94 - anzupassen und sich eigenständig und nicht selten mit Raffinesse zu wehren.

Jewgenija Ginsburg beschrieb, wie sie durch Bestechung der Kolonnenführerin mittels einer Wolljacke zu einem Monat ‘leichter Arbeit’ kam: “Hin und wieder hielt Werka eine Reihe an und holte irgendeine vermummte geschlechtslose Gestalt heraus. (...) Dieses ‘Aussortieren’ konnte Gutes oder Böses bedeuten. Man konnte zum Beispiel mit dem nächsten Transport in die Taiga geschickt werden. Dagegen war die Arbeit mit der Spitzhacke und unser Lager Magadan geradezu ein Paradies. Aber man konnte auch auf einen der so heissersehnten Arbeitsplätze ‘im geschlossenen Raum’ abkommandiert werden, wo die Schwellungen an den Füssen zurückgingen, wo man ‘Freie’ treffen und ihnen vielleicht einen Brief zustecken konnte, wo man sich durch ‘Schwarzarbeit ein Stück Brot oder sogar eine Schüssel Suppe verdienen konnte. (...) Die geschenkte Jacke aus Kasan war für mich der Hasenpelz von Grinjow95.”96

Daneben gab es zahlreiche andere Möglichkeiten, sich das Arbeitsleben zu erleichtern; gute Beziehungen zu den Lagerärzten waren wichtig, denn gerade sie konnten veranlassen, dass jemand von der Arbeit freigestellt wurde, was manchmal über Leben und Tod entschied.97 Susanne Leonhard brachte es in diesem Punkt zu wahrer Meisterschaft98, und auch Jewgenija Ginsburg erwähnte diesen Umstand mehrfach99.

Nicht unwesentlich war auch die innere Einstellung zur Arbeit, denn obschon sie physisch hart und oft genug tödlich war, war sie doch für viele Gefangene überaus wichtig und weitaus besser als die Untätigkeit. Erna Kolbe führte dafür verschiedene Gründe an: “Ich habe die Arbeit ganz einfach als Verpflichtung empfunden, weil ich den ganzen Jammer, das Lebensniveau in den verschiedenen Lagern kennengelernt habe. Ausserdem hab’ ich mich durch die Arbeit auch abgelenkt von meinen persönlichen Dingen, von meiner Sehnsucht nach der Tochter. (...) Auch aus Überzeugung war ich fleissig, als Kommunistin wollte ich Vorbild sein. (...) Gute Arbeit hat mir auch moralisch Halt gegeben. Man war zufrieden.”100

Besonders von Kommunistinnen und Kommunisten wurde die Zwangsarbeit als ‘Arbeit für Russland und für den Sozialismus’ betrachtet: “Wir erschliessen für den Sozialismus den hohen Norden”101, sagten sie sich. Das Phänomen, dass Zwangsarbeit als nützlich und sinnvoll empfunden werden konnte, trug zum Überleben der Frauen und Männer ebenso bei wie zur Bewahrung bzw. Wiedererlangung ihrer persönlichen Würde.

Doch hatte die harte körperliche Arbeit den besonders für Frauen schmerzlichen Effekt, die in der Unter- suchungshaft begonnene ‘Depersonalisation’, den Verlust ihrer Persönlichkeit und damit einher gehend auch ihrer Geschlechtlichkeit, zu beschleunigen. “Der Körper verzehrt sich bei solch einer Arbeit, und alles, was in der Frau das Frauliche ausmacht, beständig oder einmal im Monat, versiegt.”102 schrieb Solschenizyn. Auch Frieda Siebenaicher erwähnte das Ausbleiben der Periode: “Unsere ‘Tage’, wie man so sagt, die waren alle weg. Hat keine Frau gehabt. Da haben die uns was gegeben. Sie sagten, sie täten uns was ins Essen. Zuerst dachten die Frauen, sie wären alle schwanger, vom lieben Gott, aber nachher war das ganz normal. Wir fühlten uns nicht schlecht, im Gegenteil, eher gut.”103 Tatsächlich ist dieses Ausbleiben der Menstruation jedoch eher auf die Kombination von Unterernährung und harter Arbeit zurück zu führen, als auf die Verabreichung eines Medikaments.

Wurde das Ausbleiben Monatsblutung und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten, nicht zuletzt in hygienischer Hinsicht, von vielen Frauen noch als Segen empfunden104, sah es mit den übrigen aus der harten Arbeit resultierenden Veränderungen des Körpers anders aus. Manche Frauen hatten faustdicke Schwielen auf ihren Schultern105 ; sie verknöcherten förmlich: “Sie ist alterslos; ihre Schultern ragen spitz in die Höh, ihre Brüste sind ausgedörrte Säcke, an den flachen Hinterbacken hängt die überschüssige Haut in Falten herab, oberhalb der Knie ist so wenig Fleisch geblieben, dass der Kopf eines Schafes, wenn nicht gar ein Fussball durch die entstandene Aushöhlung hindurchginge; ganz rauh ist ihre Stimme und heiser; (...).”106

Jewgenija Ginsburg erwähnte diesen Verlust der Persönlichkeit und vor allem der Geschlechtlichkeit immer wieder: “Ja, sie sind geschlechtslos, diese Arbeitssklaven in ihren gesteppten Hosen, mit den zerlumpten Fusslappen, den tief ins Gesicht gezogenen Ohrenmützen, mit den ziegelroten, von schwarzen Frostbeulen bedeckten Gesichtern, die bis zu den Augen in undefinierbare Lumpen gewickelt sind. (...) Das also erwartet uns hier. In Elgen werden wir, die wir bereits unseren Beruf, die Zugehörigkeit zur Partei, das Bürgerrecht und unsere Familie verloren haben, auch noch unser Geschlecht verlieren.”107

3. Einige Überlebensstrategien: Freundschaft, Liebe, Sexualität, Prostitution und Mutterschaft

3. 1. Lagerfreundschaften

“Wer ist der schlimmste Feind des Häftlings? Sein Nebenmann. Wenn nicht jeder jedermanns Feind wäre, dann wäre alles etwas anders.”108 Die aus der Normerfüllung resultierenden Konkurrenzmechanismen führten oft zu Neid und Missgunst unter den Gefangenen: “Das Prinzip der Ernährung nach Normerfüllung auf Brigadebasis führte dazu, dass die Häftlinge sich selbst antrieben und desolidarisierten. Rücksicht oder gar Hilfe gegenüber Schwächeren wurden dadurch sehr erschwert, wenn nicht unmöglich. Die Jagd nach Normprozenten regierte. (...) Fälle von opferbereitem Einsatz füreinander gab es, aber beispielgebend waren sie nicht. Zu schwer lastete der Druck und zu zahlreich waren die Reibungspunkte. Jeder sorgte in erster Linie für sich.”109 In diesem Abschnitt bezieht sich Armanski - wie in seinen Ausführungen vorwiegend - auf die männlichen Gefangenen. Natürlich gab es Apathie, Neid, Missgunst und Denunziantentum auch in den Frauenbaracken; es scheint aber die Desolidarisierung bei den Frauen in geringerem Mass gegriffen zu haben als bei den Männern. Die Kriegsgefangene Annemarie M.: “In meinen Lagerjahren habe ich die Menschen wirklich kennengelernt, da gab es kein Verstecken, da sah man genau, wer ein anständiger Mensch ist und wer nicht. Insgesamt, so würde ich sagen, waren die Frauen solidarischer.”110 Die Lagererinnerungen der Frauen scheinen diese Ansicht zu bestätigen. Das menschliche Bedürfnis nach engen und vertrauensvollen Freundschaften blieb trotz aller Drangsale des Lageralltags bestehen. “Es haben sich viele Freundschaften zwischen Frauen gebildet,”111 erinnerte sich Eva B. und erzählte weiter, wie eine Praline, die anlässlich eines Feiertags mit einem Paket ins Lager gekommen war, in vier Teile geschnitten wurde.

In diesen Lagerfreundschaften halfen die Frauen körperlich geschwächten Häftlingen bei der Normer- füllung112 oder besserten deren Verpflegungsration auf, was teilweise nicht ungefährlich war. Die Entwendung von Nahrungsmitteln galt als ‘Diebstahl sozialistischen Eigentums’ und wurde mit Erhöhung der Frist bestraft.113 Und dennoch kam gerade diese Form der gegenseitigen Hilfe häufig vor. “Die Erna Petermann hat mir in ihren Haaren eine Mohrrübe mitgebracht, oder irgend etwas anderes. Wenn sie nach Hause kam, hatte ich inzwischen warmes Wasser vorbereitet, damit sie sich waschen konnte. So haben wir uns gegenseitig ein bisschen geholfen.”114

Margarete Buber-Neumann wurde gar zur ‘Ernährerin’ ihrer gesamten Baracke, als ihr für kurze Zeit das Glück zuteil wurde, im Gemüsekeller zu arbeiten: “Das war ein aufregendes, aber umso befriedigenderes Leben. Der Gemüsekeller barg Schätze wie Kartoffeln, Mohrrüben, rote Rüben und Zwiebeln, Dinge, die wir im Strafblock niemals zu essen bekamen. Das grosse Problem war: wie stiehlt man, ohne erwischt zu werden? Alle Häftlinge der Kolonne wurden das erste Mal beim Verlassen des Kellers und ein zweitesmal beim Betreten des Strafblocks visitiert. Nun war es auf einmal ein Glück, eine Politische zu sein, denn ich wurde nur auf dem Rücken und an den Seiten des Körpers abgetastet, während man Kriminelle und Asoziale auch an Brust und Bauch untersuchte. Da konstruierte ich mir einen Beutel, der wurde an einer Strippe um den Bauch gebunden. Den galt es nun tagsüber während der Arbeit langsam mit Kartoffeln und Mohrrüben anzufüllen. Dann kamen noch ein paar Zwiebeln in den Busen und man trat leicht schwitzend vor Angst zum Nachhausemarsch an. Aber es lohnte sich wirklich. Was für ein Jubel im ganzen Raum, wenn die Beute auf die Bretter geschüttet wurde (...) und dann bereitete die alte Dnewalnaja115 in mehreren grossen Konservenbüchsen eine Kartoffelsuppe. Dazu hatte sie schon tagsüber Kohlen gestohlen. Jeder im Barackenraum bekam seinen Anteil, und nach ein paar Wochen konnte man schon feststellen, dass wir uns erholten.”116

Frieda Siebenaicher ging noch einen Schritt weiter und fälschte Brotkarten; mit dem ergatterten Brot fütterte sie ihre Freundin Nina Galkowitsch, welche die Norm nicht schaffte und deshalb am verhungern war.117

Auch andere Formen der Hilfeleistung sind überliefert; Jewgenija Ginsburg versorgte nach der Arbeit im Steinbruch jene, die sich gar nicht mehr auf den Beinen halten konnten, mit Wasser.118 Die Frauen betätigten sich häufig als Krankenpflegerinnen; dass eine Krankheit überlebt werden konnte, war oft der Hilfe und Pflege von Mitgefangenen zu verdanken: “Ich bekam Typhus! (...) ich hatte hohes Fieber und lag drei bis vier Wochen fest, beinahe ohne Besinnung. (...) Eine mitgefangene Polin hat mich in dieser schweren Zeit sehr lieb und selbstlos betreut und mir immer wieder Wermuttee eingeflösst. Ich glaube, vor allem ihr verdanke ich, dass ich heute noch lebe.”119 Über ein ähnliches Erlebnis berichtete auch Gertrud K., welche von einer Frau aus Rumänien mit deren eigener Lagerkost versorgt wurde, bis sie sich wieder einigermassen erholt hatte. “Für ihre Hilfe danke ich ihr noch heute - wer weiss, ob ich es sonst geschafft hätte, jemals wieder auf die Beine zu kommen.”120 Auch Johanna Harms wurde von ihrer Freundin Nina Iwanowna mit deren eigenem Essen mit durchgefüttert, als sie in der Krankenbaracke lag und dort beinahe verhungert wäre.121

Viele, vor allem ältere Frauen umsorgten die jüngeren unter ihnen mit mütterlicher Fürsorge. Gerade unter den bei Kriegsende deportierten Frauen befanden sich viele, zum Teil sehr junge Mädchen, die nur dank der Hilfe von solchen ‘Ersatzmüttern’ mit ihrem Schicksal einigermassen zurecht kamen.122 Johanna Harms berichtete von einer jungen Russin Namens Nina, welche an einem schweren Herzfehler litt und deshalb zu den Invaliden gehörte: “Immer fanden sich im Lager gute Menschen, die sich der Jugend annahmen, und auch Nina hatte eine ältere Freundin, die sie betreute.”123

Freundschaftliche Hilfe und menschliches Mitgefühl konnten so einerseits ganz direkt zum Überleben beitragen; andererseits halfen Freundschaften über schmerzliche Erinnerungen hinweg und stifteten kleine Freuden. Frieda Siebenaicher: “Nach den drei Jahren Postsperre haben viele Päckchen von zu Hause bekommen. Und dann gab’s immer eine kleine Feier. Wir haben uns oben auf unseren Brettern zusammengesetzt und jeder musste ein Stückchen Brot mitbringen. Da gab es dann was drauf. Das war natürlich eine grosse Freude. Zu meinem Geburtstag haben mir meine Freundinnen ein Stück Brot geschenkt. Sechshundert Gramm Brot haben sie für mich zum Geburtstag zurechtgemacht. Das haben wir untereinander aufgeteilt und zusammen aufgegessen. Die eine hatte vielleicht was Süsses, Honig wurde manchmal geschickt oder Schmalz. Sonst, ich weiss nicht, was da sonst für Freude im Lager war. Man hatte seine Freundinnen.”124

In diesem Zusammenhang lässt sich ermessen was es für die Frauen bedeutete, ‘auf Etappe’ in ein anderes Lager verschickt zu werden. Die fortwährende Verlegung der Häftlinge innerhalb des Gulag gehörte zum System der Machtausübung und förderte die Vereinzelung der politischen Häftlinge. Adele Schiffmann: “Wir waren meistens alleine. Wir waren mit solchen zusammen, die nicht zu uns gepasst haben. (...) Einmal, kann ich mich erinnern, war ich mit Zenzl Mühsam125, Erna Petermann126 und der Erna Kolbe zusammen. (...) Eine Zeitlang waren wir zusammen, und dann wurden wir wieder auseinandergerissen.”127

Welchen Stellenwert die zwischenmenschlichen Beziehungen hatten, formulierte Paulina S., die insgesamt etwa 20 Jahre in stalinistischen Lagern und Gefängnissen zubrachte, in einem Interview mit Irina Scherbakova: “Wenn sie mich fragen, ob das Gefängnis oder das Lager besser war, so weiss ich darauf keine Antwort. Beides war fürchterlich. Aber wenn sie mich damals auf Kolyma gefragt hätten, ob ich ins Gefängnis oder ins Lager gehen will, hätte ich darauf geantwortet: Ich gehe dorthin, wo meine Freunde hingehen.”128

Menschlichkeit und freundschaftliche Hilfe sind somit weitere gewichtige Punkte, die den Frauen das Überleben ganz direkt erleichterten, es manchmal sogar erst ermöglichten. Scherbakova stellte in ihren Interviews fest, dass die Frauen den Stellenwert freundschaftlicher und menschlicher Beziehungen im Lager nachdrücklicher betonten und höher bewerteten als ihre männlichen Interviewpartner.129 Sollte es diese Art der Hilfestellungen unter Männern tatsächlich nicht bzw. in geringerem Ausmass gegeben haben als bei den Frauen, wäre dies ein weiterer Faktor für die schlechteren Überlebensraten unter den männlichen politischen Gefangenen in den Lagern.

3. 2. Liebe, Sexualität und Prostitution

“‘I suppose there is no more horrifying sight for the normal man than a few hundred filthy, diseased-looking, shabby women. The deep-rootet romanticism of the male is outraged’130. And they [d. h. die Frauen] felt this keenly. All accounts agree that even the debilitating work and diet did not damp down their sexual feelings, as it did in the case of men. Hysteria was common from this cause.” schreibt Conquest. Gegen diese Auffassung, nämlich dass die Männer von den zerlumpten und schmutzigen Frauen abgestossen und durch die harte Arbeit und den Nahrungsmangel sexuell ohnehin nicht aktiv waren, sprechen andere Autoren, die sich mit dem Lagerleben beschäftigen, wie etwa Armanski: “Trotz aller äusserlichen Gleichbehandlung waren weder Geschlechterdifferenz noch -spannung geschwunden, ja nicht einmal weit abgedrängt worden. (...) Des offiziellen Verbots ungeachtet und obgleich die Seki körperlich schwer belastet und ausgezehrt waren, grassierte der Geschlechtsverkehr in allen möglichen Situationen und Winkeln.”131

Auch die Quellen widersprechen sich in diesem Punkt; zwar sind sich viele der überlebenden Frauen einig, dass sich manche Paare bildeten, die oft regelrechte ‘Lagerehen’ führten; viele Frauen liebten und wurden wiedergeliebt. So lernte Jewgenija Ginsburg im Lager ihren späteren Mann kennen.132 Auch Susanne Leonhard133 und Margarete Buber-Neumann134 hatten eine Beziehungen mit einem Mann, die aber - zumindest in ihren Erinnerungen - viel mehr eine Suche nach Geborgenheit und geistigem Austausch war, als Leidenschaft. Man versuchte, durch die Liebe dem Lagerelend mindestens zeitweise zu entkommen.

Wie weit verbreitet sexuelle Beziehungen aber waren, darüber gehen die Meinungen auseinander. So berichtete Frieda Siebenaicher: “In unserem Lager war nichts mit Männern. Es gab auch keine Übergriffe von Soldaten, Schläge oder Vergewaltigungen. Wenn das gewesen ist, dann war die Frau einverstanden. Aber die Frauen waren alle wie tot in der Hinsicht.”135 Gertrud Platais bestätigte diese Meinung: “Sonst waren wir alle so verhungert und so todmüde und so erfroren, dass wir an sowas überhaupt nicht gedacht haben. Wir haben uns zwar, wenn wir Zeit hatten, von unseren Liebesgeschichten erzählt, aber sexuell, ich weiss von nichts.”136 Wohingegen Erna Kolbe sagte: “Es wurde mir schnell klar, dass auch Sexualität ein Thema war. Die zwanzig Jahre warst du ja in voller Abstinenz, oder du musstest dich mit irgendjemand in einer Ecke rumdrücken. (...) Das kam für mich sowieso nicht in Frage, wenn ich vielleicht auch so’n Typ gewesen wäre, der das triebmässig gebraucht hätte. Ich hab’ das nicht vermisst. Aber ich habe natürlich genug von den anderen gesehen. Wenn du mal auf die Toilette gegangen bist, konntest du über die Pärchen stolpern. Die konnten eben ohne dem nicht sein.”137 Und auch Susanne Leonhard berichtete, dass es nicht lange dauerte, bis “fast sämtliche Bewohner der ‘Frauenbaracke’ (...) in ‘festen Händen’ [waren].”138

Laut Erna Kolbe gab es im Lager auch lesbische Liebe, was von Solschenizyn bestätigt wird - allerdings meint er, dass sich lesbische Beziehungen erst verbreiteten, nachdem die Frauen von den Männern getrennt in separaten Lagern untergebracht worden waren: “Die Frauen selber (und die sie behandelnden Ärzte in den getrennten Wohnzonen) bestätigen, dass sie an der Trennung schwerer litten als die Männer. Sie waren auf besondere Art erregt und nervös. Schnell kam es zu lesbischen Beziehungen.”139

Ob die Frauen unter der Trennung tatsächlich stärker litten, ob sie generell ihrem Sexualtrieb stärker unterworfen waren und daher unter ihm mehr zu leiden hatten als die Männer, wie Conquest meint, kann an dieser Stelle nicht untersucht werden. Es muss offen bleiben, ob es sich bei diesen Behauptungen um Tatsachen oder um männliche Mythen von ‘den sexbesessenen Frauen’ handelt.

Die oben erwähnten ‘Lagerehen’ konnten natürlich auf gegenseitiger Zuneigung beruhen; weitaus häufiger jedoch waren sie Mittel zum Zweck - des Überlebens. Von wenigen Ausnahmen140 abgesehen, konnten sich aber nur die Zugehörigen einer gewissen privilegierten Oberschicht innerhalb der Häftlingsgesellschaft eine ‘Lagerfrau’ leisten, denn nur sie verfügten über die Mittel, sich die ‘Zuneigung’ einer Frau zu erkaufen. Die Entlohnung war verschieden, je nach dem, wo der Mann arbeitete. Während die einen hauptsächlich mit Lebensmitteln bezahlten, verschafften die anderen ihren Frauen Arbeitsvergünstigungen.141 Diejenigen unter den Gefangenen, die nicht in der allgemeinen Baracke wohnten, sondern über ein eigenes Dienstzimmer verfügten, waren am besten dran, denn sie waren nicht auf Begegnungen in Heuschobern oder Dachböden angewiesen, sondern konnten ihrer ‘Frau’ jene Abgeschiedenheit bieten, die es im Lagerleben eines allgemeinen Häftlings nicht gab. Margarete Buber-Neumann berichtete über einen ‘Heiratsantrag’, den ihr der Friseur142 machte: “Die Begrüssung war sehr herzlich. ‘Wie gefällt Ihnen denn Ihre Arbeit? Zu welcher Küche gehören Sie?’ leitete der Friseur das Gespräch ein (...) um mich dann ohne Übergang zu fragen: ‘Haben Sie eigentlich schon einen Lagermann? (...) Wollen Sie nicht meine Lagerfrau werden? Ich verdiene 25 Rubel im Monat und habe gute Beziehungen zur Küche, bekomme Fleisch und alles mögliche. Ausserdem schlafe ich in einem eigenen Raum, und wenn Sie meine Frau sind, können Sie sich täglich in der Badestube waschen.’ (...) Als ich einwandte, dass das doch nicht genüge, um sich zu verheiraten, dass man sich doch eigentlich kennen und lieben müsste, meinte er: ‘Ja, das verstehe ich schon, das auch, aber in Sibirien muss eine Frau sich vor allem einen Lagermann nehmen, um nicht zu verhungern.’”143

Auch Frauen vertraten diesen Standpunkt. Susanne Leonhard lässt in ihren Erinnerungen eine Mitgefangene sagen: “(...) es ist der einzige Ausweg, und Sie werden noch sehen: kaum 25% der weiblichen Lagerbevölkerung sind nicht Prostituierte. Man sollte nicht so viel Wesens machen von diesem Wort. Mir haben wohlmeinende Leute, kaum dass ich ins Lager gekommen war, gesagt: Wenn Sie nicht verhungern oder an der schrankenlosen Ausbeutung zugrunde gehen wollen, dann seien Sie nicht zimperlich! Nur ein männlicher Freund kann Sie vor dem Tode retten! Diese Worte habe ich mir zu Herzen genommen. Aber Sie? Sie werden es noch bereuen! Ohne Hilfe eines Mannes kann eine Frau im Lager nicht durchkommen, noch dazu eine Schwächliche, wie Sie, die nicht imstande ist, hohe Prozente zu erarbeiten.”144

Laut Susanne Leonhard war auch die ‘gewöhnliche’ Prostitution weit verbreitet: “Für ein Schneehuhn, für ein Kesselchen Beeren, für eine Handvoll Machorka [Tabak], für ein Stück Brot oder Shmych [Ölkuchen, als Kraftfutter an Kälber verfüttert] gaben sich manche Frauen jedem beliebigen Manne hin. (...) Wenn gewöhnliche Gefangene, die zur ‘grauen Masse’ gehörten, eine Frau haben wollten, war es sogar üblich, mit Arbeitsleistungen zu zahlen.”145 Auch Jewgenija Ginsburg berichtete über Prostitution, wobei sie sich ganz explizit146 nur auf politische Häftlingsfrauen bezog. Die Freier waren meist Kriminelle, die Kleidungsstücke und Esswaren als Bezahlung boten: “Meist mussten diese Händler unverrichteter Dinge wieder abziehen.

Manchmal jedoch kam der Handel zustande. Das war bitter, gewiss. Es ergab sich allmählich: zuerst Tränen, Entsetzen, Empörung. Dann Gleichgültigkeit. Und dann meldete sich der Magen immer rebellischer, und nicht nur der Magen, der ganze Körper meldete sich, alle Muskeln, denn dieser Hunger ging an die Substanz. (...) Und manchmal war es auch der Geschlechtstrieb, der sich trotz allem regte. Am häufigsten aber war es das Beispiel der Pritschennachbarin, die an Gewicht zunahm, sich besser anziehen konnte und ihre feuchten, zerschlissenen Fusslappen gegen Filzstiefel eingetauscht hatte.”147

Bei den ‘Lagerehen’, die oft durchaus auch als Prostitution bezeichnet werden können, ebenso wie bei der traditionellen Art der ‘käuflichen Liebe’, ist unklar, wie häufig sie unter den aus politischen Gründen Inhaftierten waren. Laut Solschenizyn gab es für “die Ware Weib”148 in den Lagern kaum eine andere Wahl als jene zwischen Hungertod und Prostitution.149 Diese Ansicht kommt auch in den Quellen häufig zum Ausdruck: “Gunst spielt eine grosse Rolle im Lager, und für manche hängt das Leben davon ab.”150

Von jenen Frauen, deren Erinnerungen bei dieser Untersuchung berücksichtigt wurden, nahm sich allerdings keine aus rein materiellen Gründen einen ‘Lagermann’ - zumindest ist in den Quellen davon nicht die Rede - und überlebte dennoch. Über Angebote von ‘heiratswilligen’ Männern wurde allerdings häufig berichtet.151 Es ist also nicht zu übersehen, dass die Prostitution für die Frauen eine Möglichkeit war, ihr Überleben zu sichern oder sich das Leben, zumindest materiell, zu erleichtern. Dabei ist es natürlich durchaus möglich, dass gewisse Erlebnisse verschwiegen oder geschönt dargestellt wurden: bei den hier behandelten Punkten - Sexualität und Prostitution - muss die dieser Untersuchung zugrunde liegende Quellengattung in besonderem Masse berücksichtigt, das heisst, quellenkritisch betrachtet, werden. Ist dieses Thema ja auch heute noch oft tabuisiert, so war es für die Generation von Frauen, deren Memoiren untersucht wurden, erst recht nicht unproblematisch. Dies gilt sogar noch verstärkt für den nächsten zu untersuchenden Punkt, den der sexuellen Gewalt.

Ausser Jewgenija Ginsburg, welche sich erfolgreich gegen den Vergewaltigungsversuch eines betrunkenen Wachsoldaten wehrte152, scheinen Vergewaltigungen in den Lagern kaum vorgekommen zu sein. Frieda Siebenaicher erwähnt diesen Umstand sogar mehrfach: “Mit den Soldaten gab es sonst keine Schwierigkeiten. Es gab keine Übergriffe auf uns.”153 Und auch die Mädchen und Frauen, welche nach dem 2. Weltkrieg als ‘lebende Reparationen’ in die russischen Arbeitslager verschleppt wurden, wurden dort sexuell nicht mehr missbraucht, obwohl sie vorher wie Freiwild behandelt und regelmässig von mehreren Soldaten abwechslungs-weise vergewaltigt worden waren.154 Laut Klier waren Vergewaltigungen und Brutalitäten durch das Wachpersonal in den Lagern verboten.155

Anders sieht es aus, wenn man Conquest folgt: “In the mixed camps, noncriminal women were frequently mass-raped by urkas [Kriminellen], or had to sell themselves for bread, or to get protection from camp officials.”156 Ähnliches lässt Solschenizyn verlauten, wenn er schreibt: “Und die Frau an der Kolyma? Dort hat sie ja vollends Seltenheitswert, ein Rangeln und ein Zerren, wo mal eine auftaucht. Dort ist eine Frau auf der Baustelle vollends ausgeliefert - den Wachen, den Freien, den Seki, ganz egal. An der Kolyma wurde der Ausdruck Trambahn - für Gruppenvergewaltigung - geboren.”157 Jewgenija Ginsburg allerdings, die in Kolyma im Steinbruch und im Wald arbeitete, erwähnte solche Gräueltaten nicht; wohl aber den bereits genannten Vergewaltigungsversuch, der allerdings nicht auf der Baustelle, sondern in der Frauenbaracke stattfand: “Die Rotte betrunkener Soldaten fiel so unerwartet in die Baracke ein, dass ich dachte: Durchsuchung! Aber nein, sie kamen in eigener Sache. Zu einer stinkenden, scheusslichen, schmutzigen Orgie. So etwas hatte ich in meinen acht Gefängnis- und Lagerjahren noch nicht erlebt.”158

Aus diesen wenigen und sehr verschiedenen Aussagen sind kaum gültige Schlussfolgerungen zu ziehen. Einerseits ist es natürlich möglich, dass sich die Frauen aus Scham über erlebte Vergewaltigungen ausschwiegen; allerdings ist diese Wahrscheinlichkeit eher gering, denn die von Klier befragten Frauen sprachen über die Vergewaltigungen durch russische Soldaten sehr offen; es ist nicht anzunehmen, dass sie andere, im Lager erfolgte Missbräuche hätten verschweigen sollen. Dasselbe gilt für Jewgenija Ginsburg: warum hätte sie die eine, versuchte, Vergewaltigung erwähnen sollen, andere aber nicht? Andererseits wären ja, folgt man Conquest und Solschenizyn, Vergewaltigungen auch gar nicht nötig gewesen, denn laut diesen beiden Autoren gab es ja genug Frauen, die bereit waren, auch ohne Gewaltanwendung auf ein sexuelles Verhältnis einzugehen. Und doch sind es gerade diese Beiden, welche Vergewaltigungen überhaupt erwähnen.

3.3. Mutterschaft

Natürlich wurden in den Lagern auch Kinder geboren; Frauen wurden schwanger verhaftet, oder sie wurden im Lager schwanger, was jedoch verhältnismässig selten war. Armanski schätzt die Zahl der in den Lagern geborenen Kinder auf eine halbe bis eine Million.159 Diese “trotz der Promiskuität relativ niedrige Zahl von Lagerkindern (...) mag auf das häufige Ausfallen der weiblichen Geschlechtsfunktion zurückzuführen sein. (...) Die Frauen und ihre Kinder genossen einen gewissen Schutz und etliche Vergünstigungen. Mit zwei Jahren wurden aber die Kinder von den Müttern fort in besondere Heime gebracht. Oft waren dies traumatische Separationen.”160

Auf das Ausbleiben der Menstruation wurde weiter oben bereits eingegangen. Allerdings ist die niedrige Geburtenrate in den Lagern nicht allein auf das Ausfallen des monatlichen Zyklus der Frauen zurückzuführen; die Kombination von Unterernährung und harter körperlicher Arbeit wirkt sich auf die männlichen Geschlechtsfunktionen ebenso aus, wie auf die weiblichen: die Spermienproduktion wird gedrosselt und zudem nimmt die Qualität der männlichen Spermien erheblich ab, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer Zeugung zusätzlich vermindert wird.161

Wenn eine Schwangerschaft dennoch eintrat und eindeutig diagnostiziert war, konnte dies verschiedene Folgen haben. Über die von Armanski erwähnten ‘Vergünstigungen für Mutter und Kind’ berichtete Susanne Leonhard, die 1946 für einige Zeit in einer Kinderstation beschäftigt war: die werdende Mutter bekam vom fünften Monat an 400 Gramm Milch täglich und wurde, falls sie bis dahin Schwerarbeiterin war, auf eine leichtere Arbeit versetzt. Insgesamt standen der Mutter 75 Tage Urlaub zu, die sie vor und nach der Entbindung beziehen konnte. Irgendwelche materielle Hilfe für das Kind erhielt sie nicht: die werdende Mutter musste sich die Wäsche für ihr Kind selber beschaffen. Susanne Leonhard vermutete, dass viele Mütter sich die benötigten Windeln mit der Milch erkauften, oder mit den Essenszulagen, die sie zusätzlich erhielten, solange sie ihre Kinder stillten.162 Dennoch versiegte durch die immer noch unzureichende Ernährung und die harte Arbeit die Milch bei vielen Müttern schnell.163

Auch Jewgenija Ginsburg arbeitete zeitweise im Kinderheim des Lagers Elgen. Hier hatte man ein Kinderheim eingerichtet - nicht, weil die Gegend für die Gesundheit der Kinder besonders günstig gewesen wäre, sondern weil es sich bei Elgen um die Frauen-Strafkolonie von Kolyma handelte. Denn das Lagerregime stellte sexuelle Beziehungen zwischen Häftlingen unter Strafe, und durch eine Schwangerschaft war eine Frau eindeutig überführt, eine illegale Liebesbeziehung unterhalten zu haben. Darauf standen einige Tage Strafisolator164 oder die Verschickung eines der Partner in ein anderes Lager165 ; meist war es der für die Lagerleitung weniger gut einsetzbare Partner, der verschickt wurde166, und im Falle einer Schwangerschaft betraf dies fast immer die Frau. Auch in Elgen arbeiteten die Mütter innerhalb der Zone, bei der Bodenverbesserung167, was bedeutete, dass sie mit Spitzhacke und Schaufel den ewigen Frostboden bearbeiteten. Bei dieser Arbeit versiegte die Milch meist schon nach ein paar Wochen und die Mütter wurden wieder zu Aussenarbeiten, zum Holzfällen oder der Heuernte, eingeteilt.168

Die Lagerkinder lebten - und starben - in speziellen, vom Hauptlager abgetrennten Gebäude und konnten von ihren Müttern nur zwei bis drei mal am Tag zum Stillen besucht werden.169 Nach dem Abstillen durften die Mütter ihre Kinder ein mal in der Woche sehen170, daneben gab es an Sonn- und Feiertagen bestimmte Besuchsstunden für die Mütter.171 In andern Lagern durften die Mütter ihre Kinder nach dem Abstillen nicht mehr besuchen.172

Die Säuglingssterblichkeit in den Lagern war hoch: “Die Säuglinge starben wie die Fliegen, obwohl sie von den freien wie von den inhaftierten Ärzten sorgsam gepflegt wurden. Aber die Bedingungen, unter denen diese Lagerkinder ausgetragen worden waren, die geringe Güte der Muttermilch und nicht zuletzt das Klima (...) - all das blieb nicht ohne Folgen. Das Schlimmste war jedoch, dass auch diese durch die Leiden der Mütter verdorbene Milch knapp war und mit jedem Tag knapper wurde. Nur wenige Glückliche wurden zwei, drei Monate lang gestillt. Alle anderen bekamen Flaschennahrung. Im Kampf gegen die (...) Dyspepsie gab es jedoch nichts wichtigeres als wenigstens ein paar Tropfen Muttermilch.”173

Die überlebenden Kinder wurden nach einem Jahr vom Lager weg in eigene Kinderlager bzw. Kinderheime gebracht.174 Bei der grossen Mehrheit der Mütter handelte es sich um Kriminelle175, welche eine Schwangerschaft oft nur deshalb anstrebten, um eine Zeitlang nicht arbeiten zu müssen,176 doch gab es auch politische Gefangene unter den Müttern, welche ihre Kinder oft leidenschaftlich liebten.177 Für diese Mütter bedeutete die Trennung oft eine schreckliche Erfahrung: “Es war erschütternd, die Verzweiflungsschreie der Frauen mit anzuhören, wenn die Kommission eintraf, die die Kinder mitnahm.”178

Eine Mutterschaft hatte also für die Frauen durchaus nicht nur positive Folgen. Einerseits konnten sie sich dadurch zwar etwas zusätzliche Nahrung und Arbeitserleichterung, befristet sogar Arbeitsbefreiung, verschaffen; doch scheinen in verschiedenen Lagern und zu verschiedenen Zeiten in dieser Hinsicht recht unterschiedliche Bedingungen geherrscht zu haben. Der negative Aspekt einer Schwangerschaft war die drohende Verschickung in eine Strafkolonie, wo man nicht nur Gefahr lief, von der Arbeit umgebracht zu werden179, sondern den Wechsel auch mit dem Verlust der Freundinnen und, in diesem Fall, auch mit der Trennung vom Vater des Kindes bezahlte. Hinzu kam, dass die Mutter früher oder später unvermeidlich auch von dem Kind selber getrennt wurde, sei es durch den Tod des Kindes oder durch dessen Verschickung in ein Kinderlager. Herrschten schon in den Kinderstationen im Lager selber keine den Kindern besonders zuträglichen Bedingungen180, so waren die Zustände in den Kinderheimen und -lagern selber erst recht katastrophal.181

4. Die Lager der 70er und 80er Jahre

4. 1. Untersuchungshaft und Transport

Die Haftbedingungen während der Untersuchungshaft veränderten sich in der Nach-Stalinära kaum; noch immer mussten sich die Frauen beim Eintritt einer demütigenden Leibesvisitation unterziehen182, waren die Untersuchungsgefängnisse überfüllt und schmutzig, wurden die Frauen ein mal pro Woche zum Duschen geführt, mussten sie sich ohne Toilettenpapier und Monatsbinden behelfen.183 Noch immer wurden die Verhöre ohne Staatsanwalt oder Rechtsanwalt durchgeführt, wurden Anschuldigungen erfunden und Urteile aufgrund von nicht erfolgten ‘Geständnissen’ gefällt.184

Was sich geändert hatte war die Anzahl der politischen Untersuchungshäftlinge; diese sassen nun nicht mehr unter ihresgleichen in den Zellen, sondern unter Dirnen185 und Kriminellen, wenn sie nicht isoliert und in Einzelzellen gesperrt wurden.186

Auch der Transport ins Lager erinnerte frappant an die 30er und 40er Jahre: die Häftlinge reisten in überfüllten Güterwaggons und bekamen als Proviant ein Stück Schwarzbrot, einen Hering und nichts zu trinken.187

4. 2. ‘Allgemeine’ Lager

Edella Schermann wurde zusammen mit Kriminellen in einem Lager in Gorki interniert. Insgesamt lebten in diesem Lager etwa 1500 Frauen, womit das Lager von etwa doppelt so vielen Insassinnen bewohnt wurde, als vorgesehen war.188 Laut Gesetz mussten einem Häftling zwei Quadratmeter Raum zur Verfügung stehen189, was in den wenigsten Fällen erfüllt wurde. Vielfach teilten sich zwei Frauen eine Pritsche und schliefen schichtweise, wie sie auch schichtweise arbeiteten.190

Im Lager in Gorki lebten Mörderinnen, Diebinnen und Prostituierte, aber auch Kassiererinnen und Buchhalterinnen, in deren Bücher man Fehler gefunden hatte, sowie Leiterinnen von Läden, in deren Geschäften Mängel aufgetreten waren. Unter den ‘politischen’ Häftlingen waren Gläubige, Auswanderungswillige wie Edella Schermann und Angehörige von nationalen Bewegungen; insgesamt waren es etwa 15 Frauen, die wegen ihres Glaubens oder ihrer politischen Einstellung hier interniert waren.191

Obwohl in den ‘allgemeinen’ Lagern der 70er Jahre die Essensrationen nicht mehr mit dem Erreichen der Arbeitsnorm zusammen hingen, waren die Verhältnisse jenen der stalinistischen Lager ausgesprochen ähnlich: um die Norm zu erreichen, arbeiteten die Frauen in den Nähateliers in zwei Schichten von jeweils zwölf Stunden, deren eine von 3 Uhr morgens bis 15 Uhr dauerte, die andere von 15 Uhr bis 3 Uhr nachts. Die Arbeitsbedingungen waren sehr schlecht: Stofffusseln und Härchen von Watte flogen herum, das alles atmeten die Arbeiterinnen ein. Dazu kam, dass das Gewebe imprägniert wurde und dass diese Chemikalien Geschwüre an den Händen verursachten192 ; die Maschinen waren alt und Sicherheitsvorkehrungen nicht vorhanden. Die Frauen arbeiteten auch beim Barackenbau, beim Holztransport, in verschiedenen Fabriken, sie schleppten Zementsäcke und verrichteten Reinigungsarbeiten.193 Es gab auch noch immer Frauen, die Bäume fällten, in Steinbrüchen oder auf Grossbaustellen arbeiteten, und vermutlich waren auch etliche von ihnen in Chemiefabriken und Atomkraftwerken tätig.194

Das Essen in diesen Lagern bestand aus Brot, verfaulter Kohlsuppe und Kascha195. Gemüse oder Früchte waren hier ebenso wenig erhältlich wie Fleisch noch Fett.196

In allen Lagern herrschte eine grenzenlose Willkür: Entzug der Besuchs-, Post- und Einkaufsrechte und vor allem Karzerstrafen197 wurden für kleinste Regelübertretungen verhängt. Dazu zählten Arbeitsverweigerung - wobei schon der Gang zur Toilette als solche ausgelegt werden konnte198 - ebenso wie beten199, der Besitz von Zivilkleidung200, schmutzige oder fehlende Erkennungsmarken201, Unhöflichkeit oder Widerrede gegenüber dem Lagerpersonal202, Klagen über das Lagerpersonal203, ohne die Brigade in den Essraum zu gehen204 und ähnliches.

Infolge der verheerenden hygienischen und sanitären Zustände205 und dem häufigen Mangel an Wasser206 grassierten in den Lagern Epidemien: “Mehrmals hatten wir Epidemien von Typhus [Fleckfieber] wegen den Läusen. Dies diente der Lagerleitung zum Vorwand, alle unsere Köpfe kahl zu scheren207. (...) Viele Frauen waren völlig abgezehrt und ausgemergelt (...) infolge ungenügender Nahrung und des absoluten Vitaminmangels.”208 Ein grosser Teil de Frauen menstruierte auch in den ‘modernen’ Lagern nicht mehr.209 Diese Zustände erinnern frappant an jene von Jewgenija Ginsburg geschilderten, welche 35 Jahre früher die ‘Depersonalisation’ und ‘Versachlichung’ ihres Geschlechts in Elgen erlebt und beklagt hatte.

Gesonderte Zonen der Lagers bildeten nach wie vor die Kinderbaracken; die Mütter wurden drei mal täglich unter Bewachung zum Stillen hineingeführt210, in Lagern mit ‘mildem’ Regime durften sie darüber hinaus während ihrer Freizeit eine Stunde mit ihren Kindern zusammen sein211. Mit zwei Jahren wurden die Kinder zu Angehörigen der Gefangenen oder in Kinderheime gegeben.212

Sowohl die Kindersterblichkeit als auch die Mortalitätsrate unter den internierten Frauen war hoch: Edella Schermann berichtete, dass innerhalb von 19 Monaten in ihrer Schlafbaracke 15 von 140 Insassinnen starben; im Kinderhaus starben in 8 Monaten 15 Kinder von insgesamt zwischen 60 und 70.213

Waren die Lebensumstände in den Lagern der 70er und 80er Jahre mehr oder weniger die gleichen wie zu Stalins Zeiten, so auch die Überlebensstrategien der internierten Frauen. Das herausragendste Merkmal war noch immer die gegenseitige Hilfe; sowohl in den ‘allgemeinen’ Lagern214 als auch, besonders signifikant, in jenen Zonen, in denen politgefangene Frauen unter sich waren.

4. 2. Lager mit Politzonen

Im Gegensatz zu Edella Schermann wurde Irina Ratuschinskaja als ‘besonders gefährliche Staatsverbrecherin’215 eingestuft und von den Kriminellen getrennt gehalten - sowohl während der Untersuchungshaft, als auf dem Transport und später im Lager. Sie verbüsste ihre Haftzeit im Lager Baraschewo in Mordwinien, wo verschiedene Zonen bestanden: zwei Zonen für politische Frauen und Männer und weitere Zonen für Kriminelle; zusammen genommen lebten hier etwa 2000 Häftlinge. In der Politzone für Frauen sassen 1983/84 elf aus politischen Gründen Inhaftierte sowie eine Kriminelle, die als Spitzel eingesetzt war.216 Diese ‘Politverbrecherinnen’ setzten sich aus Angehörigen verschiedener christlicher Gemeinden217 zusammen, einige hatten Untergrundliteratur in Umlauf gebracht218, eine weitere Frau hatte die Publikation einer Frauenzeitschrift mitgetragen219, andere hatten in Menschenrechtsorganisationen mitgewirkt220.

Die Bedingungen in der Zone für politische Gefangene waren von jenen in den ‘allgemeinen’ Lagern gänzlich verschieden. Die Frauen der Politzone konnten sich ihr Leben mehr oder weniger selber organisieren; die Arbeit im Nähatelier teilten sie sich selbst in Schichten ein221, ebenso wie die übrigen Arbeiten in und um das Haus, welche sie unter einander aufgeteilten, so dass jede ihren eigenen Aufgaben- bereich hatte222.

Auch in der Politzone Baraschewos hing die Ernährung nicht von Normprozenten ab - die im übrigen immer erreicht wurden, weil die Frauen sich gegenseitig bei der Erreichung der Norm unterstützten223 ; trotzdem hungerten die Frauen auch hier: das Essen war oft ungeniessbar, zudem waren die Rationen sehr klein224 und die Frauen von den häufigen Hungersteiks völlig ausgezehrt225.

Obwohl man auch in der Politzone des Lagers Baraschewo allzu leicht sterben konnte226, war es nicht ein täglicher Kampf ums Überleben, den die Frauen führten, sondern ein ständiger Streit um ihre Rechte: “Hauptmerkmal unseres Lagerdaseins ist, dass wir für jedes, auch das kleinste Recht einen beständigen, zermürbenden Kampf führen müssen. Und was sind das für Errungenschaften: Suppe ohne Würmer, die volle Ration Brot für die Zone, (...) das Recht auf Versand und Erhalt von Einschreibbriefen - all diese Rechte billigt man uns nur zu aufgrund der permanenten Kampfbereitschaft der ganzen Zone.”227 Dazu kam der Kampf um die oft verweigerte medizinische Versorgung, um das den Gefangenen zustehende Besuchsrecht, gegen die Schikanen des Aufsichtspersonals;228 diese Rechte erfochten sich die Frauen durch Streiks und Boykotte.

Hauptregel im Lager war das Verbot, für andere einzutreten229, eine Regel, die immer wieder übertreten wurde und damit neue Bestrafungen nach sich zog230. Wenn eine Gefangene in den Karzer geschickt wurde, legten ihre Mitgefangenen die Arbeit nieder; wurde aber eine Kranke dorthin geschickt, traten die anderen in einen Hungerstreik.231 Auch bei willkürlicher Verweigerung des Besuchsrechts wurde gestreikt - nicht nur für das eigene, sondern auch für das der anderen232. Bis auf eine der Frauen hielten die weiblichen Politgefangenen Baraschewos diese solidarische Haltung trotz aller Intrigen des KGB bis zum Ende ihrer Haftzeit durch;233 tatsächlich scheiterte der Apparat mehrfach an dieser geschlossenen Solidarität, und entzogene Rechte mussten wieder zugestanden werden.234

Schlusswort

1. Zusammenfassung

Die äusseren Lebensbedingungen der Frauen in den Lagern unterschieden sich nur wenig von denen der männlichen Internierten. Manche Frauen waren für eine gewisse Zeit etwas besser gestellt, weil sie in reinen Frauenlagern lebten, ohne die Gesellschaft von kriminellen Mithäftlingen. Doch der Grossteil der Frauen lebte in gemischten Lagern, wo sie unter den Kriminellen mindestens ebenso zu leiden hatten wie die aus politischen Gründen inhaftierten Männer.

Frauen waren bei denselben Arbeiten beschäftigt wie die Männer, doch lag es im Ermessen des Brigadiers, ob er ihnen etwas leichtere Aufgaben zur Erledigung zuteilen wollte als ihren männlichen Leidensgenossen; das Prinzip der mit der Normerfüllung zusammenhängenden Verpflegung wurde jedoch bei beiden Geschlechtern gleichermassen strikt angewendet. Frauen litten körperlich stärker unter der Arbeit als die Männer, wodurch die in der Untersuchungshaft begonnene ‘Depersonalisation’ bei ihnen weiterhin vor sich ging, in viel stärkerem Mass als bei den Männern.

Für die Klärung der Tatsache, warum Frauen sich als widerstandsfähiger gegenüber den Lagerbedingungen erwiesen als Männer, liefern die Biografien keine restlose Klarheit; um diesen Umstand zufriedenstellend zu erhellen, müssten wesentlich mehr Lagererinnerungen, und zwar sowohl von Frauen als auch von Männern, herangezogen werden, als es für die vorliegende Untersuchung möglich war. Doch ergeben die gesammelten Punkte zumindest einige Hinweise zur Beantwortung dieser Frage:

- Zum Ersten waren die Überlebensmechanismen sicherlich individuell verschieden; ob es der Wunsch war, die eigenen Kinder wieder zu sehen, oder die Hoffnung, dass sich ‘alles aufklären’ werde - eine Hoffnung, die bei Frauen stärker verbreitet war als unter Männern235 - oder ob jemand ‘einfach Glück gehabt hatte’236, wie es in den Lagererinnerungen immer wieder erwähnt wurde - diese Faktoren waren wohl bei Frauen wie bei Männern gleichermassen vorhanden und konnten für Leben oder Sterben bis zu einem gewissen Grad ausschlaggebend sein.
- Zum Zweiten hatten Frauen den ganz klaren Vorteil, mit weniger Nahrung überleben zu können als ihre männlichen Mitgefangenen. Dies war ein - bei der im Lager herrschenden Ernährungssituation und den damit verbundenen Faktoren, wie dem Zwang zur Normerfüllung - ganz entscheidender Punkt, der den weiblichen Gefangenen das Überleben massgeblich erleichterte. Doch war auch für die Frauen der Hunger das schlimmste Übel des Lagers.
- Drittens hatten die internierten Frauen auch bei solchen Sphären wie Arbeit und Kontaktgestaltung, Überlebenskampf und anderen Bereichen spezifische Anpassungs- und Gestaltungsstrategien; dazu gehören einerseits die gegenseitige Hilfe bei der Normerfüllung und der Ernährung, wie sie im dritten Kapitel vorgestellt worden sind. Andererseits sind aber auch scheinbare Kleinigkeiten wie Körperpflege und Sauberkeit von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Auch kochten die Frauen sich oft ihr Essen um, um es schmackhafter zu machen237, ein Punkt, auf den in der Arbeit nicht eingegangen wurde. Ebenso wenig konnte die Funktion der Kultur und der Ästhetik der Natur238 behandelt werden, welche Mittel waren, die Menschenwürde wieder zu erlangen und zu bewahren, der ‘Depersonalisation’ also etwas entgegen zu setzen; diese Faktoren spielten ebenfalls nicht nur für die weiblichen Gefangenen eine Rolle.239
- Als vierter Punkt muss die Prostitution erwähnt werden, welche es den Frauen ermöglichte, sich materiell zu verbessern. In diesem Sinne kann das Leben der Frauen im Lager als ‘leichter’ bezeichnet werden, denn sie hatten immerhin die Wahl, durch Prostitution ihr Leben zu retten. Doch war diese Möglichkeit längst nicht für alle Frauen eine in Betracht zu ziehende Lösung: “Manch einer ist dieser Schritt vom ersten bis zum letzten Tag unerträglicher als das Sterben.”240

Daneben hatten Frauen - auch das darf nicht übersehen werden - besondere Drangsale und Demütigungen zu überstehen. Solschenizyn meinte, dass ihnen der Dreck und das allgegenwärtige Ungeziefer im Lager weit mehr zu schaffen mache, als den Männer: “Im Lager ergeht es der Frau in allem schlimmer als uns. Schon mit dem Schmutz beginnt es. (...) Falls sie in einem Durchschnittslager sitzt, in einer Frauenbrigade arbeitet und folglich in einer allgemeinen Baracke lebt, wird es ihr kaum je gelingen, sich wirklich sauber zu bekommen (...). Nie und nimmer kann sie sich auf legalem Wege ein Stück Mull, einen Stoffrest verschaffen. Vom Wäschewaschen ganz zu schweigen ...”241 Tatsächlich haben Berichte über die hygienischen und sanitären Bedingungen der Lager in den Erinnerungen der Frauen einen grossen Stellenwert, und ebenso oft wurde erzählt, wie man entgegen allen Widrigkeiten versuchte, diese Unannehmlichkeiten wenigstens einigermassen unter Kontrolle zu bringen; man versuchte sich selbst, seine Wäsche und die Wohnbaracken in einem sauberen und gepflegten Zustand zu halten, wofür die Frauen viel Zeit und Mühen auf sich nahmen.242

Die Trennung von ihren Kindern war für viele Frauen nicht nur ein Faktor, den Überlebenswillen zu stärken, sondern auch eine gross Qual; Frieda Siebenaicher berichtete über eine “kleine Verrücktenanstalt” in ihrem Lager, wo Mütter sassen, die über den Verlust ihrer Kinder nicht hinweg gekommen waren.243 Das gleiche lässt sich über Schwangerschaft und Mutterschaft im Lager sagen: zwar konnte sich eine Frau dadurch einige Vergünstigungen holen, doch bedeutete die unvermeidliche Trennung vom Kind für viele Mütter auch einen grossen Schmerz.

Die Lebensumstände der Frauen in den meisten Lagern hatten sich in den 70er und 80er Jahre kaum verändert; ebenso blieben auch ihre Überlebensstrategien die gleichen. In jenen Lagern, in welchen es Zonen gab, in denen ausschliesslich weibliche Politgefangene lebten, kam die ja auch in den stalinistischen Lagern bereits bemerkbare erstaunliche Solidarität der Frauen besonders deutlich zum Ausdruck.

2. Erkenntnisse

Die meisten der in der Zusammenfassung erwähnten Punkte betrafen sowohl Frauen als auch Männer, obwohl sie für die weiblichen Häftlinge wohl vielfach eine grössere Rolle spielten als für die meisten Männer. Abschliessend sollen hier nun noch einmal jene Faktoren zusammengestellt werden, welche ausschliesslich auf die Frauen zutrafen und ihr Überleben begünstigten:

- Frauen konnten mit weniger Nahrung leben als Männer.
- Frauen konnten sich durch Prostitution oder geschickte Auswahl eines Lagermannes materiell besser stellen.
- Frauen konnten sich durch eine Schwangerschaft während einer bestimmten Zeitspanne erholen.
- Frauen profitierten - bis zu einem gewissen Grad - von den traditionellen Geschlechterrollen.

Diese vier aufgelisteten Punkte sind mehr oder weniger objektiv, und sie hätten sicherlich allein schon ausgereicht, um die Überlebensrate der internierten Frauen gegenüber jener der Männer zu verbessern. Was die Lagerinsassinnen aber wirklich zu ‘einer speziellen Katergorie von Opfern’ machte, ist ihre enorme Konsensfähigkeit, die sie in allen der untersuchten Lager, sowohl während der Stalinära als auch danach, bewiesen. Es wäre interessant, durch weitere Untersuchungen heraus zu finden, inwiefern sie sich in diesem Punkt von ihren männlichen Leidensgenossen unterschieden; denn dass diese Konsensfähigkeit ganz wesentlich zum Überleben der Frauen beigetragen hat, ist offenbar.

3. Fragen zur Diskussion:

-Inwiefern ist der ‘weibliche Blickwinkel’ bei solchen Untersuchungen wie der vorliegenden zu berücksichtigen? Wie gross ist also die Rolle der geschlechtlich geprägten Sozialisation? Hat sie evt. einen Einfluss auf die Untersuchungsergebnisse?
-Warum war die Arbeit so wichtig - wie konnte Zwangsarbeit als nützlich empfunden werden? Warum war sie immer noch besser als Untätigkeit?
-Wie sind die unterschiedlichen Aussagen über Sexualität und Prostitution zu werten?
-War das Leben der Frauen in den reinen Politzonen leichter als jenes in den ‘allgemeinen’ Lagern?

Anhang

Beilage 1: Der Strafisolator.

244 Die Einzelzelle (Karzer)

Die Temperatur in den Einzelzellen liegt gewöhnlich unter 16˚ C. Damit die Gefangenen nicht klagen, wird ihnen ein Thermometer vorgewiesen, der nie in der Temperatur schwankt, weil er von der Lagerleitung eingestellt wurde. OSSIPOWA hat untersucht, ob er funktioniert und legte ihn in den Schnee, der durch das Fenster hereingeweht war (was an sich schon die Temperatur in der Zelle charakterisiert). Doch auch im Schnee zeigte das Thermometer 15,5˚ C, dieselbe als es gebracht wurde! In der Zelle gibt es noch ein Spiritusthermometer, das im Prinzip funktioniert, jedoch stets auf 26-27˚ C angewärmt hereingebracht und auf ein Läppchen gelegt wird, nicht auf den eisernen Tisch. Die Wachhabende griff mit den Händen ständig nach dem Spiritusreservoir, damit sich die Säule nicht senke. Wir forderten, dass das Thermometer abgekühlt werde, wenn die Wachhabende schon keine Zeit habe zu warten bis sich die Spritsäule senkt. Einmal wurde in unserer Zelle eine Temperatur von 27˚ C gemessen! Zweimal wandten wir uns an den Lagerleiter von 385/2 (wohin wir immer in die Einzelhaft gebracht werden) KOLEDINOW mit der Bitte, uns schriftlich zu belehren, wie die Temperatur gemessen wird, damit keine falschen Ergebnisse resultieren. Wir erhielten keine Antwort. OSSIPOWA und RATUSCHINSKAJA brachten im Geheimen ein Thermometer aus der Zone und machten während 8 Tagen Messungen. Sie verglichen die tatsächliche Temperatur in der Zelle mit der festgesetzten. Real wurden 14-12˚ C gemessen, offiziell 26-16˚ C, in der Nacht real 9-13˚ C. Die Wachhabende gab zu, dass es in der Zelle kühl sei: Sie haben ja einen heissen Ofen! Am 31. Januar, als sie das sagte, massen wir die Temperatur des Ofens: 23˚ C, die zusätzliche Heizkörperbatterie hatte eine Temperatur von 23,5˚ C. Es war einer der seltenen Tage, an denen sowohl der Ofen als auch der Heizkörper warm waren. Nur - am Tag sank die Temperatur auf 16˚ C. Die Zellen sind reparaturbedürftig. Von den Fenstern zieht es, weil sie nicht gekittet sind. Vom Boden zieht es, weil die Bretter oft verfault sind und Spalten aufweisen. Die Zellen sind nicht heizbar, weil sie die Wärme nicht halten.

Am 8. Februar kam der stellvertretende Staatsanwalt des Lagers 385 OSSIPOW. Zu diesem Ehrentag wurden uns Leibchen verteilt. Wir verlangten, dass in den Zellen die Temperatur gemessen werde. Man brachte das berühmte, eingestellte Thermometer. Es stand auf 15˚ C und bewegte sich nicht weiter. Sofort verlangten wir nach dem Spritthermometer und ehrlichen Messungen. Die Wachhabenden bekamen Angst und gehorchten. Die Temperatur betrug 9˚ C. OSSIPOW war bei der Messung nicht zugegen. Er reiste ab. Am nächsten Tag wurden uns die Leibchen wieder weggenommen. OSSIPOW schickte einen Rapport: Es wurde festgestellt, dass die Haftbedingungen in den Einzelzellen dem Reglement entsprechen. Im Fall einer zu niedrigen Temperatur wird den Gefangenen eine wärmere Kleidung ausgehändigt.

Nach der Abreise von OSSIPOW erwies sich das Spritthermometer als defekt. Der obere Teil der Skala, in dem das Maximum fixiert wurde, war abgebrochen. Nun flitzte die Spritsäule rauf und runter und konnte auf einer beliebigen Höhe zwischen 10 und 15˚ C fixiert werden.

Früher durften wir in unserer Kleidung bleiben (Unterwäsche, Kleid und eigene Pantoffeln). Seit Ende 1983 wird verlangt, die Kleider und Pantoffeln des Gefängnissees anzuziehen. In der Einzelhaftanstalt werden 2000 Kriminelle mit Kleidung versorgt. Die Wahrscheinlichkeit sich anzustecken ist sehr gross. RATUSCHINSKAJA zog sich an den Füssen eine Mykose zu. Unsere Ärztin WOLKOWA bemühte sich, die Angelegenheit zu vertuschen und teilte die Diagnose nicht mit. Auch macht sie nichts, um die Mykose zu kurieren. im Februar 1984 wurde uns mitgeteilt, dass wir in der Einzelhaft auch die Unterwäsche hergeben müssen, nur die Höschen und Leibchen durften wir behalten. Seitdem sind alle krank aus der Einzelzelle zurückgekehrt. Bei den so niedrigen Temperaturen wissen wir nicht, was geschehen wird! Am 5. Februar massen wir mit unserem Thermometer in der Badestube: im Auskleideraum 11˚ C, im Baderaum 16˚ C.

Beilage 2: Bekanntmachung der Situation Irina Ratuschinskajas.

245 Bekanntmachung

Wir, die politgefangenen Frauen, wollen über unsere Mitgefangene Irina RATUSCHINSKAJA berichten. Ihr Schicksal verdient ganz besonders die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit!

Irina RATUSCHINSKAJA ist die jüngste Gefangene des mordwinischen Konzentrationslagers. Sie ist die erste Frau, welche die maximale Strafe von 7 Jahren Lager und 5 Jahren Verbannung nach 70-1 (antisowjetische Agitation) erhielt.

Irina ist eine talentierte Dichterin, deren Gedichte wie Schwalben der Freiheit über das ganze Land flogen. Sie hat einen klaren, scharfen Verstand und ist eine tapfere Streiterin für das Recht. Verstand, Talent und Mut werden vom KGB als besonders gefährlich eingestuft.

Sogar im Lager wird sie verfolgt: sie darf nicht im Kiosk einkaufen, keine Besuche empfangen, sie wird unter Folterbedingungen in die Einzelzelle gesperrt für die Weigerung, das erniedrigende Gefangenenabzeichen zu tragen. Sie wird dafür bestraft, dass sie den Kampf für die Menschenwürde nicht aufgibt und den anderen als Beispiel in diesem Kampf vorangeht.

Ihr wurde das Urteil nicht einmal schriftlich mitgeteilt - ein Gesetzesbruch ohne Präzedens!

Wir haben die Erlaubnis, nur zwei Briefe im Monat zu schreiben. Für RATUSCHINSKAJA scheint sogar dies zu viel zu sein! Ihre Briefe werden ständig konfisziert oder verschwinden unterwegs. Dasselbe geschieht mit Briefen an sie. Irina kam als gesunde Frau ins Gefängnis. Jetzt ist sie bereits seit vielen Monaten krank. Sie hat Schmerzen in der Nierengegend, Oedeme und dauernd Temperaturerhöhungen.

Ungeachtet ihres Krankseins hat sie oft den Streik und Hunger zur Verteidigung der anderen erklärt, was zu neuen Repressalien gegen sie führte.

Es gelang den Schergen nicht, sie moralisch zu brechen. Sie behielt ihre Würde und Bereitschaft, jederzeit für andere einzutreten. Hier ein Beispiel: Als sie im Dezember aus der Einzelhaft entlassen wurde, erklärte sie sogleich wieder einen Streik zum Schutz der in die Einzelhaft eingewiesenen kranken Natalia LASAREWA. Sie wurde wieder, und zwar ungeachtet des Hungers und mit Fieber, in die Einzelhaft gesperrt. In dieser eisigen, steinernen Kammer empfing sie das neue Jahr. In der Neujahrsnacht stützte Irina die kraftlos hingestreckte LASAREWA und las den Gefangenen in den Nachbarkammern Gedichte vor.

Vor Irina liegen noch 5 Jahre Lagerhaft. Wenn sie gleich sein werden wie die ersten, wird sie die Entlassung aus der Gefangenschaft nicht erleben.

Wir rufen alle Menschen guten Willens zur Verteidigung von Irina RATUSCHINSKAJA auf, damit ihr nicht das übliche tragische Schicksal russischer Dichter zuteil wird!

Galina BARAZ, Hedwig BELJAUSKENE,

Lydia DORONINA, Natalia LASAREWA,

Tatjana OSSIPOWA, Lagne PAREK

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Schifrin, Abraham: UdSSR Reiseführer durch Gefängnisse und Konzentrationslager in der Sowjetunion. Seewis 1980

Solschenizyn, Alexander. Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch. München, Zürich 1963

Stark, Meinhard. Das Trauma erinnern - Biographische Erfahrungen von in der Sowjetunion verfolgten deutschen EmigrantInnen im Umgang mit Ihren Lebensgeschichten. In: Hauch, Gabriella (Hg.). Geschlecht - Klasse - Ethnizität. 28. Internationale Tagung der Historikerinnen und Historiker der Arbeiterbewegung (ITH), Bd. 29. Wien, Zürich 1993. S. 143-153

Stark, Meinhard: Deutsche Frauen im GULag. Individuelle Erfahrungen und Verhaltensformen im Haftalltag. In: Streibel, Robert und Schafranek, Hans (Hg.). Strategie des Überlebens. Häftlingsgesellschaften in KZ und Gulag, Wien 1996. S. 168-205

[...]


1 Siehe dazu die Arbeit von Martin Lüpold “Stalins Gulag. Entwicklung und Funktionen”.

2 Scherbakova, Irina. Erinnerung und die Strategie des kollektiven und individuellen Überlebens im Gulag. In: Streibel, Schafranek (Hg.) Strategie des Überlebens. S. 84-85

3 Armanski, Gerhard: Der GULag - Zwangsjacke des Fortschritts. In: Streibel, Schafranek (Hg.) Strategie des Überlebens. S. 40

4 Stark schreibt, dass wesentlich mehr Frauen als Männer die Lager überlebten. Stark, Meinhard. Deutsche Frauen im GULag. In: Streibel, Schafranek (Hg.) Strategie des Überlebens. S. 171

5 Scherbakova kam im Laufe ihrer Forschungsarbeit zu dem Ergebnis, dass die Zwangsarbeit von zwei Dritteln der internierten Frauen und einem Drittel der Männer überlebt wurde. Scherbakova, Irina. Geschlechtsspezifische Dimensionen in Erinnerungen an den GULAG. In: Geschlecht - Klasse - Ethnizität. S. 134

6 Armanski, GULag, S. 16

7 Scherbakova, Dimensionen, S. 134

8 Stark, Meinhard. Das Trauma erinnern. In: Geschlecht - Klasse - Ethnizität. S. 146

9 Schifrin, Abraham. Frauen und Kinder in sowjetischen Konzentrationslagern. S. 24

10 Stark, Frauen, S. 180-181. Zu den selben Ergebnisse kommt Scherbakova.

11 Adele Schiffmann, zitiert nach Stark, Frauen, S. 181. Adele Schiffmann wurde 1905 in Prag geboren, trat 1930 in die KPD ein, flüchtete nach illegaler Tätigkeit gegen das NS-Regime zurück nach Prag und 1935 weiter in die Sowjetunion. 1938 wurde sie verhaftet und zu zehn Jahren Lagerhaft mit anschliessender Verbannung verurteilt. 1959 Rückkehr in die DDR.

12 Ginsburg, Jewgenija. Marschroute eines Lebens. S. 197. Jewgenija Semjonowna Ginsburg, 1906 in Moskau geboren, Historikerin, war Parteimitglied und Funktionärin. Bereits 1935 erhielt sie eine strenge Rüge wegen ‘Nachlassens der politischen Wachsamkeit’ und ‘Kontakts mit feindlichen Elementen’. Den Ratschlägen von Freunden, unterzutauchen, folgte sie nicht, weil sie überzeugt war, dass die Partei ihre Schuldlosigkeit und Ergebenheit erkennen würde. 1937 wurde sie aus der Partei ausgeschlossen und kurze Zeit später wegen ‘Beteiligung des Attentates auf Kirow’ und ‘trotzkistischer Tätigkeit’ verhaftet. Jewgenija Ginsburg wurde vor ein Militärgericht gestellt und von diesem zu 10 Jahren Einzelhaft verurteilt. Nach zwei Jahren Isolationshaft wurde sie zu Zwangsarbeit in Kolyma begnadigt. Kurz nach ihrer Entlassung 1947 erneut verhaftet, blieb sie bis 1955 interniert. Jewgenija Ginsburg liess zwei Söhne bei ihrem Mann, welcher nach ihr verhaftet wurde, zurück. Sie ist 1977 in Moskau gestorben.

13 Ebd. S. 98

14 Scherbakova, Erinnerung, S. 75

15 Stark, Frauen, S. 174-175

16 Dieser Vorgang ist präzise festgehalten worden auf den im Gefängnis angefertigten Fotos, die in den Untersuchungsunterlagen erhalten geblieben sind. Scherbakova, Erinnerung, S. 76

17 Ginsburg, Marschroute, S. 182-183. Siehe zur Aufnahmeprozedur auch Stark, Frauen, S. 176

18 Buber-Neumann, Margarete. Als Gefangene bei Stalin und Hitler. S. 30. Margarete Buber-Neumann war seit 1921 Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands. 1935 flüchtete sie zusammen mit ihrem Mann, einem leitenden Mitglied der KPD, vor dem Nationalsozialismus in die UdSSR, wo sie als Übersetzerin arbeitete. 1938 wurde sie verhaftet und wegen ‘konterrevolutionärer Agitation’ zu 5 Jahren Zwangsarbeitslager verurteilt. 1940 wurde Margarete Buber-Neumann vom NKWD an die Gestapo ausgeliefert, wo sie bis zum Ende des Krieges im Konzentrationslager Ravensbrück sass. Sie hatte keine Kinder.

19 Antonie Satzger zitiert nach Stark, Frauen, S. 176. Antonie Satzger, 1911 am Bodensee geboren, trat 1930 in die KPD ein und emigrierte 1933 in die UdSSR. 1944 wurde sie verhaftet und zu acht Jahren Lager mit anschliessender Verbannung verurteilt. 1959 reiste sie in die DDR aus.

20 Ginsburg, Marschroute, S. 413

21 Stark, Frauen, S. 175

22 Buber-Neumann, Gefangene, S. 34

23 Erna Kolbe zitiert nach Stark, Meinhard. “Wenn du willst deine Ruhe haben, schweige.” S. 107. Erna Kolbe, 1904 in Berlin geboren, war von frühester Jugend an Kommunistin, arbeitete als technische Mitarbeiterin bei der KPD und kämpfte gegen das nationalsozialistische Regime. 1933 flüchtete sie in die Sowjetunion. 1937 wurde sie verhaftet und wegen ‘konterrevolutionärer Tätigkeit’ zu 10 Jahren Arbeitslager verurteilt. Nach Beendigung der Haftzeit verbrachte Erna Kolbe weitere 9 Jahre in der Verbannung, bevor sie 1956 nach Deutschland zurückkehrte. Sie hatte eine Tochter, die sie bei ihrer Verhaftung in der Obhut ihres Mannes, welcher nach ihr verhaftet wurde, zurückliess.

24 Stark, Frauen, S. 177

25 Antonie Satzger zitiert nach Stark, Frauen, S. 178

26 Ebd. S. 177

27 Scherbakova, Erinnerung, S. 82

28 Leonhard, Susanne. Gestohlenes Leben. S. 84. Ebenfalls bei Ginsburg, Marschroute, S. 200 Susanne Leonhard, geboren 1895, studierte Mathematik und Philosophie und arbeitete in Berlin als Publizistin. 1935 flüchtete die Sozialistin zusammen mit ihrem 14jährigen Sohn vor dem Hitlerregime in die UdSSR. 1936 wurde sie verhaftet und wegen ‘konterrevolutionärer trotzkistischer Agitation’ zu 5 Jahren Arbeitslager mit anschliessender Verbannung verurteilt. 1948 kehrte sie nach Deutschland zurück, wo sie 1984 88jährig starb.

29 Scherbakova, Erinnerung, S. 82. Siehe dazu auch Frieda Siebenaicher in Stark, Ruhe, S. 41

30 Von ‘meinen’ Frauen (Ginsburg, Leonhard, Harms, Buber-Neumann, Siebenaicher, Platais und Kolbe) wurde keine körperlich gefoltert; anders sieht es bei den von Klier untersuchten Fällen verschleppter ostdeutscher Mädchen und Frauen aus: sie alle wurden vor und während ihrer Verschleppung systematisch vergewaltigt.

31 Scherbakova, Erinnerung, S. 79-80

32 Ginsburg, Marschroute, S. 110. Ab Juni 1937 wurde die Körperfolter bei den Verhören erlaubt. Dazu gehörte, dass sich die Gefangenen während den Verhören tagelang nicht setzen durften. Ebd. S. 92

33 Scherbakova, Dimensionen, S. 138

34 Nach Erna Kolbe, in Stark, Ruhe, S. 105, 109

35 Nach Ginsburg, Marschroute, S. 197

36 Solschenizyn, Alexander. Der Archipel Gulag. Folgeband. S. 216

37 Ginsburg, Marschroute, S. 151

38 Frieda Siebenaicher zitiert nach Stark, Ruhe, S. 43. Frieda Siebenaicher wurde 1908 in Niederschlesien geboren. 1928 folgte sie ihrem Lebensgefährten, einem russischen Diplomaten, von Berlin aus, wo sie in einem Krankenhaus arbeitete, nach Moskau. 1938 wurde sie als ‘Ehefrau’ verhaftet und zu acht Jahren Lagerhaft und lebenslänglicher Verbannung verurteilt. Frieda Siebenaicher hatte eine kleine Tochter, die sie bei ihrer Emigration in der Obhut ihrer Mutter zurückliess. 1966 übersiedelte sie in die DDR.

39 Frieda Siebenaicher, ebd. S. 28

40 Gerda Hauser, zitiert nach Plener, Ulla. Quellen persönlicher Widerstandskraft kommunistischer Häftlinge. In: Streibel, Schafranek (Hg.) Strategie des Überlebens. S. 217

41 Plener, Quellen, S. 216-217. Plener hat sich u. a. die NKWD-Akten der von ihr untersuchten Inhaftierten angesehen. S. 216

42 Erna Kolbe zitiert nach Stark, Ruhe, S. 126

43 Ebd. S. 128-129

44 Erna Kolbe zitiert nach Stark, Ruhe, S. 113

45 Frieda Siebenaicher zitiert nach Stark, Ruhe, S. 40.

46 Siehe dazu Ginsburg, Marschroute, S. 446 und Leonhard, Leben, S. 100

47 Erna Kolbe zitiert nach Stark, Ruhe, S. 113

48 Tjursak: Abk. für ‘tjuremnoje sakljutschenije’, dt. Gefängnishäftling; hier Isolationshäftling. Ginsburg, Marschroute, S. 537

49 Ebd. S. 446-448

50 Wo nicht anders vermerkt, stützen sich die Ausführungen in diesem Kapitel auf Armanski, Maschinen des Terrors. Das Lager (KZ und GULAG) in der Moderne. S. 157-167. Siehe dazu auch die Arbeit von André Sommerfeld ”Das Leben im Gulag unter Stalins Sowjetregime”

51 Solschenizyn, Archipel, Folgeband, S. 233-243

52 Stark, Frauen, S. 185-187

53 Leonhard, Leben, S. 177-178

54 Solschenizyn, Archipel, Folgeband, S. 218

55 Wenn man zu Solschenizyns Zahlen jene von Armanski hinzuzieht, wonach etwa 50% der Lagerinsassen der 30er und 40er Jahre Politische gewesen seien, könnte man somit einen Anteil von ca. 25% aus politischen Gründen im Lager internierten Frauen annehmen.

56 Conquest, Robert. The Great Terror. S. 315

57 Armanski, GULag, S. 35

58 Schifrin, Abraham. UdSSR. Reiseführer durch Gefängnisse und Konzentrationslager in der Sowjetunion. S. 19-21

59 Nach Stark, Frauen, S. 202

60 In Butowo bei Moskau sind auf einem als Schiessplatz getarnten Ort während der 30er Jahre ca. 20’000 bis 26’000 Menschen von NKWD-Truppen erschossen worden. Nach einer vorläufigen Analyse der “Gruppe zur Würdigung des Andenkens an die Opfer der politischen Verfolgung”, der Erschiessungslisten der NKWD zugrunde liegen (Angaben von ca. 3000 Erschossenen), waren 4% der Ermordeten Frauen. Eine Hochrechnung der vorliegenden Zahl der erschossenen Frauen (122) auf die Gesamtzahl der geschätzten Opfer würde mehr als 1000 weibliche Opfer ergeben. Ebd. S. 202

61 Nach Stark, Frauen, S. 170

62 Armanski, Maschinen, S. 169

63 Erna B. zitiert nach Klier, Freya. Verschleppt ans Ende der Welt. S. 242. Die in Pommern lebende Erna B., geboren 1921, wurde 1945 mit 24 Jahren von russischen Soldaten verhaftet und zur Zwangsarbeit in ein Lager im Ural deportiert. Ende 1949 kehrte sie nach Deutschland zurück.

64 Leonhard, Leben, S. 296. Susanne Leonhard beschreibt wiederholt und sehr ausführlich das System der Brot- und Essenszuteilung. Siehe dazu S. 165-166, 294-298

65 Siehe u. a. Harms, Johanna. Im finsteren Tal. S. II / 62; Buber-Neumann, Gefangene, S. 80; Frieda Siebenaicher in Stark, Ruhe, S. 42

66 Eva B. war Pädagogin und wurde in der Landwirtschaft eingesetzt. Zitiert nach Stark, Frauen, S. 188. Eva B., 1898 in Ostpreussen geboren, flüchtete 1931 zusammen mit ihrem Mann in die Sowjetunion. Nach der Verhaftung ihres Mannes wurde sie mit ihren zwei kleinen Kindern nach Kasachstan verbannt und dort 1937 verhaftet. Als ‘Ehefrau’ wurde sie zu acht Jahren Lager mit anschliessender Verbannung verurteilt. 1957 siedelte sie in die DDR über.

67 Martha Globig, zitiert nach Plener, Quellen, S. 216

68 Gertrud K. zitiert nach Klier, Verschleppt, S. 192. Gertrud K. wurde 1929 in Ostpreussen geboren und mit 15 Jahren aus als ‘lebende Reparation’ zur Zwangsarbeit nach Russland in ein sibirisches Lager deportiert. Anfangs 1950 durfte sie nach Deutschland zurückkehren.

69 Aus einem Gespräch vom November 1999 mit der Internistin Dr. med. Elisabeth Simons

70 Erna Kolbe zitiert nach Stark, Ruhe, S. 119

71 Ginsburg, Gratwanderung, S. 158-160

72 Leonhard, Leben, S. 296

73 Ebd. S. 296

74 Siehe zum Strafisolator (auch Karzer oder Einzelzelle) die Beilage 1 “Der Strafisolator” im Anhang.

75 Gertrud Platais zitiert nach Stark, Ruhe, S. 214-215. Gertrud Platais, 1910 in Schlesien geboren, machte eine Lehre als Fotolithografin. 1932 folgte sie ihrem Freund, einem lettischen Studenten, in die Sowjetunion. Das Paar heiratete, Gertrud Platais arbeitete zuerst in einer Druckerei und machte sich anschliessend selbstständig. 1938 wurde sie verhaftet und als ‘Ehefrau’ zu acht Jahren Lager mit anschliessender Verbannung verurteilt. 1959 siedelte sie in die DDR über.

76 Schenck, Ernst-Günther. Das menschliche Elend im 20. Jahrhundert. S. 134

77 Eine tabellarische Darstellung dieses Umstandes findet sich in: Keller, Meier, Bertoli. Klinische Ernährung. S. 21

78 Else I. zitiert nach Klier, Verschleppt, S. 257. Else I., 1926 in Niederschlesien geboren, wurde mit 19 Jahren verschleppt. Von den 2000 Deportierten auf ihrem Transport erreichten noch 400 Menschen das Lager in Sibirien. 1949 kehrte sie nach Deutschland zurück.

79 Erinnerungen des deutschen Kriegsgefangenenarztes Dr. med. Werner Dietrich. In: Klier, Verschleppt, S. 213

80 Erna B. zitiert nach Klier, Verschleppt, S. 245

81 Conquest, Terror, S. 315

82 Solschenizyn, Archipel, Folgeband, S. 234: “Mit der Abtrennung der Frauen verschlechterte sich jäh ihre allgemeine Arbeitslage. Früher, in den gemischten Lagerpunkten, arbeiteten viele Frauen als Wäscherinnen, Sanitäterinnen, Köchinnen, Magazinverwalterinnen oder Rechnungsführerinnen; diesen Posten hiess es nun ade sagen, in den Frauenlagerpunkten aber gab es der warmen Plätzchen nicht genug und der Anwärter immer zu viele.”

83 Ginsburg, Marschroute, S. 516-519

84 Stark, Ruhe, S. 119

85 Lipper, Elinor “Ich war elf Jahre lang in sowjetischen Gefängnissen und Zwangsarbeitslagern”. Schweizer Allgemeine Volkszeitung vom 9. Dezember 1956

86 Harms, Tal, S. II / 43. Johanna Harms arbeitete seit 1937 in Täbris/Persien in einem Blindenheim. 1941 wurde sie von den dort eindringenden Russen verhaftet und wegen ‘Spionage’ zu zehn Jahren Lager mit anschliessender Verbannung verurteilt. 1955 kehrte sie nach Deutschland zurück.

87 Margarete Buber-Neumann im Jahre 1939/40. Buber-Neumann, Gefangene, S. 117-118

88 Frieda Siebenaicher von 1939-1946 in: Stark, Ruhe, S. 48; Erna Kolbe 1937-1947, ebd. S. 116-117

89 Siehe dazu u.a. Klier, Verschleppt, S. 194-280

90 Harms, Tal, S. II / 81; Siehe dazu auch Leonhard, Leben, S. 332

91 Solschenizyn, Archipel, Folgeband, S. 223

92 Erna Kolbe zitiert nach Stark, Ruhe, S. 118

93 Siehe dazu z.B. Buber-Neumann, Gefangene, S. 89-92 und Leonhard, Leben, S. 104 und S. 154

94 Stark, Frauen, S. 171

95 Der Hasenpelz, den der junge Grinjow in Puschkins Roman ‘Die Hauptmannstochter’ einem Kosaken schenkt, rettet ihm später das Leben, als sich dieser Kosak als Pugatschow zu erkennen gibt.

96 Ginsburg, Marschroute, S. 474-475

97 Scherbakova, Erinnerung, S. 89

98 Siehe dazu Leonhard, Leben, S. 93-94, 105-106, 115, 162-164, 239, 290-291 u.a.

99 Ginsburg, Marschroute, S. 461-468, 530-532; Ginsburg, Gratwanderung, S. 39

100 Erna Kolbe zitiert nach Stark, Ruhe, S. 116

101 Trude Richter zitiert nach Plener, Quellen, S. 212

102 Solschenizyn, Archipel, Folgeband, S. 224

103 Frieda Siebenaicher zitiert nach Stark, Ruhe, S. 41

104 Stark, Frauen, S. 192

105 Plener, Quellen, S. 213

106 Solschenizyn, Archipel, Folgeband, S. 224

107 Ginsburg, Marschroute, S. 507

108 Solschenizyn, Alexander. Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch. S. 140

109 Armanski, GULag, S. 37-38

110 Annemarie M. zitiert nach Klier, Verschleppt, S. 272. Annemarie M. wurde 1920 in Danzig geboren. Sie war verheiratet, hatte zwei Kinder und lebte in der Mark Brandenburg, als sie 1945 als 25jährige von russischen Soldaten verschleppt, nach Russland deportiert und in ein Arbeitslager gesteckt wurde. 1948 kehrte sie nach Deutschland zurück.

111 Eva B. zitiert nach Stark, Frauen, S. 191

112 Siehe dazu zum Beispiel Gertrud Platais in Stark, Ruhe, S. 220; Susanne Leonhard, Leben, S. 138

113 Stark, Frauen, S. 191

114 Adele Schiffmann zitiert nach Stark, Frauen, S. 197

115 Die dnewalnaja ist eine - auf Vorschlag der Lagerleitung - von den Gefangenen bestimmte Person, die die in der Baracke anfallenden Arbeiten übernimmt: Putzen, Austeilen der Essensrationen, Heizen des Ofens usw. Nach Leonhard, Leben, S. 116

116 Buber-Neumann, Gefangene, S. 122. Auch Frieda Siebenaicher stahl bei einer sich bietenden Gelegenheit für die Frauen in ihrer Baracke einen Sack Kartoffeln. In: Stark, Ruhe, S. 42

117 Ebd. S. 44

118 Ginsburg, Marschroute, S. 446

119 Hildegard N. zitiert nach Klier, Verschleppt, S. 206. Hildegard N. wurde 1929 in Ostpreussen geboren und 1945, zusammen mit ihren beiden Schwestern, in ein russisches Lager verschleppt. Die Schwestern hatten das seltene Glück, in all den Lagerjahren zusammen bleiben zu können; 1948 kehrten sie alle drei nach Deutschland zurück.

120 Gertrud K. zitiert nach Klier, Verschleppt, S. 201-202. Es ist interessant, dass sowohl Hildegard N. wie auch Gertrud K. von Nicht-Deutschen Frauen geholfen wurde - und das kurz nach dem Krieg. Was die Beziehungen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen anbelangt, differieren die einzelnen Berichte stark. Leider können diese Beziehungen an dieser Stelle nicht näher untersucht werden.

121 Harms, Tal, S. II / 109

122 Erinnerungen des deutschen Kriegsgefangenenarztes Dr. med. Werner Dietrich. In: Klier, Verschleppt, S. 216

123 Harms, Tal, S. II / 68

124 Frieda Siebenaicher zitiert nach Stark, Ruhe, S. 46-47

125 Kreszentia Mühsam, geboren 1884, Ehefrau von Erich Mühsam. 1935 Emigration in die UdSSR, verhaftet 1936, Freilassung aufgrund internationaler Proteste, wurde sie 1938 erneut verhaftet und sass bis 1946 im Lager. Anschliessend lebte sie bis 1955 in der Verbannung und siedelte dann in die DDR über, wo sie 1962 verstarb. Nach Stark, Frauen, S. 205

126 Erna Petermann, geboren 1905, Mitglied der KPD, arbeitete als Übersetzerin bei der Komintern. Im März 1938 wurde sie verhaftet und zu Lagerhaft verurteilt. Sie hatte ein Kind, das während ihrer Haftzeit verstarb. 1956 siedelte sie in die DDR über; 1981 ist sie in Berlin verstorben. Nach Stark, Frauen, S. 205

127 Adele Schiffmann zitiert nach Stark, Frauen, S. 197

128 Paulina S. zitiert nach Scherbakova, Erinnerung, S. 84

129 Scherbakova, Dimensionen, S. 139

130 Zitiert nach Conquest, Terror, S. 315

131 Armanski, Maschinen, S. 177-178

132 Ginsburg, Jewgenija. Gratwanderung. S. 149-150

133 Leonhard, Leben, S. 149-152, 227-236

134 Buber-Neumann, Gefangene, S. 90-98

135 Frieda Siebenaicher zitiert nach Stark, Ruhe, S. 41

136 Gertrud Platais zitiert nach Stark, Ruhe, S. 220

137 Erna Kolbe zitiert nach Stark, Ruhe, S. 121

138 Leonhard, Leben, S. 194

139 Solschenizyn, Archipel, Folgeband, S. 236

140 Gelegentlich hatten Handwerker, die heimlich für Freie arbeiteten, oder Häftlinge, die von zu Hause grosszügige Pakete erhielten die Möglichkeit, eine Frau mit durch zu füttern. Nach Leonhard, Leben, S. 192

141 Leonhard, Leben, S. 193

142 Der Friseur gehörte in der Lagerhierarchie zu den ‘Aristokraten’. Nach Solschenizyn, Archipel, Folgeband, S. 218

143 Buber-Neumann, Gefangene, S. 82

144 Leonhard, Leben, S. 137

145 Leonhard, Leben, S. 193

146 “Ich spreche hier nur von Frauen der gebildeten Schicht, die aus politischen Gründen inhaftiert waren. Die Kriminellen stehen für mich ausserhalb der menschlichen Gesellschaft. Ihre Orgien möchte ich nicht beschreiben, obwohl ich nicht wenigen als unfreiwillige Zeugin beiwohnen musste.” Ginsburg, Gratwanderung, S. 33

147 Ebd. S. 34

148 Solschenizyn, Archipel, Folgeband, S. 218. Dieselbe Meinung vertrat der ehemalige deutsche Kriegsgefangene Hans Rebach : “Dieser Zwang, sich das Leben einigermassen erträglich zu machen, führte unweigerlich zur Prostitution.” In: Gemordet wurde nachts. Spiegel vom 25. Mai 1951, S. 26

149 Solschenizyn, Archipel, Folgeband, S. 216-238

150 Harms, Tal, S. II / 45

151 Leonhard, Leben, S. 136; Buber-Neumann, Gefangene, S. 82; Ginsburg, Marschroute, S. 490; Gertrud Platais in Stark, Ruhe, S. 222

152 Ginsburg, Gratwanderung, S. 136

153 Frieda Siebenaicher zitiert nach Stark, Ruhe, S. 46

154 siehe dazu ihre ausführlichen Lebensgeschichten in Klier, Verschleppt, S. 28-182

155 Ebd. S. 189

156 Conquest, Terror, S. 315

157 Solschenizyn Archipel, Folgeband, S. 222

158 Ginsburg, Gratwanderung, S. 136. Jewgenija Ginsburg war zu diesem Zeitpunkt die einzige Politische auf diesem betreffenden Lagerpunkt.

159 Armanski, Maschinen, S. 178; Conquest, Terror, S. 316, nennt die selbe Zahl. Allerdings wird bei beiden Autoren nicht zwischen den Kindern politischer und krimineller Mütter unterschieden.

160 Armanski, Maschinen, S. 178

161 Nach einem Gespräch vom Dezember 1999 mit der Internistin Dr. med. Elisabeth Simons

162 Laut Hans Rebach bestand der “Mütterzusatz” vornehmlich aus Zucker und Schafsmilch und wurde den Frauen bis zu einem Jahr nach der Entbindung abgegeben. In: Gemordet, Spiegel vom 25. Mai 1951, S. 26

163 Leonhard, Leben, S. 330-331

164 Ebd. S. 192; Ginsburg, Gratwanderung, S. 37

165 Erna Kolbe in Stark, Ruhe, S. 122

166 Solschenizyn, Archipel, Folgeband, S. 227

167 Ginsburg, Marschroute, S. 469

168 Ebd. S. 512-513

169 Ebd. S. 512; Leonhard, Leben, S. 331

170 Frieda Siebenaicher in Stark, Ruhe, S. 52

171 Leonhard, Leben, S. 332

172 Ginsburg, Gratwanderung, S. 25-26; Solschenizyn, Archipel, Folgeband, S. 230

173 Ginsburg, Gratwanderung, S. 28 Einer Erklärung von Frau Dr. Elisabeth Simons zufolge ist Dyspepsie eine durch Fehl- und Unterernährung des Säuglings bedingte erhöhte Anfälligkeit auf Infektionskrankheiten im Magen-Darm-Trakt. Obwohl die Kinder genug Milch, Butter und Zucker mit der Flaschennahrung bekamen, mangelte es ihnen an Vitaminen. Leonhard, Leben, S. 331

174 Conquest, Terror, S. 316; Solschenizyn, Archipel, Folgeband, S. 231

175 Ginsburg, Gratwanderung, S. 28; Leonhard, Leben, S. 332

176 Solschenizyn, Archipel, Folgeband, S. 232

177 Leonhard, Leben, S. 332

178 Rebach, Gemordet, Spiegel vom 25. Mai 1951, S. 26

179 Ginsburg, Gratwanderung, S. 32

180 Ebd. S. 23-32 und Leonhard, Leben, S. 328-332. Beide beschreiben die Lebensbedingungen der Kinder ausführlich.

181 Siehe dazu u. a. Margarete Buber-Neumann, Gefangene, S. 128 und Leonhard, Leben, S. 377-381. Die Zustände in Kinderheimen der 70er und 80er Jahre beschreibt Schifrin in Frauen, S. 19-21

182 Ratuschinskaja, Irina. Grau ist die Farbe der Hoffnung. S. 15, 257 Die Dichterin und Theaterschriftstellerin Irina Ratuschinskaja, geboren 1954 in Odessa, studierte Physik und Mathematik. 1972 wurde ihr vorgeschlagen, für das KGB zu arbeiten, was sie ablehnte. 1982 wurde sie verhaftet und wegen ‘Bedrohung der inneren Sicherheit der Sowjetunion’ zu 7 Jahren Lager mit strengem Regime und anschliessender Verbannung verurteilt. 1987 wurde sie ‘begnadigt’. Nach: Chronik des Frauenkonzentrationslagers Baraschewo. S. 19

183 Brezná, Irena. Der Vorhof der Hölle. Frankfurter Rundschau vom 13. Januar 1996; Ratuschinskaja, Farbe, S. 257

184 Edella Schermann in Schifrin, Frauen, S. 12. Die Lehrerin Edella Schermann, geboren 1944 in der UdSSR, wurde 1976 verhaftet und wegen ‘Vaterlandsverrat’ angeklagt - sie hatte für sich und ihre Tochter einen Ausreiseantrag nach Israel gestellt. Da sie ihre ‘Verbrechen’ nicht ‘gestand’ wurde sie wegen Spekulation zu 4 Jahren allgemeinem Arbeitslager verurteilt. Der Prozess wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten. Edella Schermanns Familie wurde während ihrer 8 Monate dauernden Untersuchungshaft nicht über ihren Verbleib informiert, sie selbst erfuhr nichts über das Los ihrer 4jährigen Tochter. Im November 1978 durfte Edella Schermann mit ihrer Tochter nach Israel ausreisen.

185 Ebd. S. 8

186 Ratuschinskaja, Farbe, S. 13

187 Ebd. S. 14-15 und Edella Schermann in Schifrin, Frauen, S. 10

188 Siehe zum Strafisolator (auch Karzer oder Einzelzelle) die Beilage 1 “Der Strafisolator” im Anhang.

189 Ratuschinskaja, Farbe, S. 315

190 Ratuschinskaja, Farbe, S. 315-316

191 Edella Schermann in Schifrin, Frauen, S. 15-18

192 Ratuschinskaja, Farbe, S. 27

193 Edella Schermann in Schifrin, Frauen, S. 12-15; siehe dazu auch Wosnessenskaja, Julia. Briefe über die Liebe. S. 91

194 Holm, Kerstin. Moschaisk und die Folgen der Amnestie. Frankfurter Allgemeine vom 12. November 1988

195 Brei aus Hafer, Graupen, Hirse oder Weizen. Nach Ratuschinskaja, Farbe, S. 63

196 Edella Schermann in Schifrin, Frauen, S. 12. Quantität und Qualität des Essens hatten sich auch im Jahre 1991 noch nicht gebessert, wie aus einem Artikel in ‘Der Welt’ vom 4. Oktober 1991 hervorgeht. Rowold, Manfred. Das Gestern lebt in UG 42/14.

197 Wosnessenskaja widmete dem Strafisolator ein Kapitel. In: Briefe, S. 25-27

198 Rowold, Gestern, Die Welt vom 4. Oktober 1991

199 Edella Schermann in Schifrin, Frauen, S. 12

200 Ebd. S. 12

201 Ebd. S. 12. Die Erkennungsmarken zeigten die Nummer der Gefangenen und ihren Familiennamen.

202 Ebd. S. 12-13

203 Ebd. S. 13

204 Ebd. S. 12

205 Rowold, Gestern, Die Welt vom 4. Oktober; Wosnessenskaja, Briefe, S. 23; Ratuschinskaja, Farbe, S. 316-317

206 Edella Schermann in Schifrin, Frauen, S. 14 und Ratuschinskaja, Farbe, S. 316

207 Üblicherweise wurde nur den männlichen Gefangenen der Kopf geschoren. Nach Rowold, Gestern, Die Welt vom 4. Oktober und Holm, Moschaisk, Frankfurter Allgemeine vom 12. November 1988

208 Edella Schermann zitiert nach Schifrin, Frauen, S. 14

209 Wosnessenskaja, Briefe, S. 19

210 Edella Schermann in Schifrin, Frauen, S. 11, 19

211 Holm, Moschaisk, Frankfurter Allgemeine vom 12. November 1988

212 Ebd.

213 Edella Schermann in Schifrin, Frauen, S. 15, 20-21

214 Siehe dazu u.a. Edella Schermann in Schifrin, Frauen, S. 16

215 Ratuschinskaja, Farbe, S. 16

216 Ebd. S. 86-90 und Chronik, S. 6

217 Die Moskauer Historikerin Galina Baraz, Angehörige der Pfingstgemeinde, 6 Jahre Lager, Verbannung; Baraz und ihr ebenfalls internierter Mann waren auch für Emigrantenrechte eingetreten. Die Litauerin Hedwig Beljauskene, die wegen ihrer Staatsangehörigkeit bereits zur Stalinzeit im Lager sass; 4 Jahre Lager, anschliessend Verbannung; Beljauskene hatte patriotische und religiöse Literatur verteilt. Die Lettin Lydia Doronina, welche ebenfalls schon zur Stalinzeit im Lager sass, hatte Verbindung zu ausländischen Baptisten und verteilte pazifistische Aufrufe; 5 Jahre Lager mit anschliessender Verbannung.

218 Lagne Parek, Unterschreibung und Verteilung offener Briefe und Proteste gegen die Menschenrechtssituation in der UdSSR; 6 Jahre Lager , anschliessende Verbannung. Raissa Rudenko, Verteilung von Samisdat und Weiterleitung von Briefen aus Lagern ins Ausland; 5 Jahre Lager, 5 Jahre Verbannung. Edith Arbutene, Litauerin, traf mit ausländischen Journalisten zusammen und übergab diesen Untergrundliteratur; 4 Jahre Lager, Verbannung.

219 Natalja Lasarewa aus Leningrad, Dichterin und Schauspielerin, war an der Frauenzeitschrift Marija beteiligt; Wegen Verbreitung ‘antisowjetischer Literatur’ zu 4 Jahren Lager und 2 Jahren Verbannung verurteilt.

220 Olga Matussewitsch, wegen Beteiligung an der ukrainischen Helsinki-Gruppe zu 3 Jahren Lager und anschliessender Verbannung verurteilt; ihr Mann war ebenfalls Politgefangener. Tatjana Ossipowa, trat für die Menschenrechte, die Rechte von Gläubigen und politisch Verfolgten ein; Verteilte Samisdat-Literatur, gehörte der Helsinki-Gruppe von Moskau an. 5 Jahre Lager, 5 Jahre Verbannung. Tatjana Welikanowa, Mathematikerin aus Moskau, sammelte Informationen über die Menschenrechte für die ‘Chronik der laufenden Ereignisse’; 4 Jahre Lager und 5 Jahre Verbannung. Alle Biografien aus Chronik, S. 3-23

221 Ratuschinskaja, Farbe, S. 67-68

222 Ebd. S. 301

223 Ebd. S. 69-70

224 Ratuschinskaja, Farbe, S. 64

225 Zu den Folgen der Hungerstreiks siehe Ratuschinskaja, Farbe, S. 296 u. a. und Chronik, S. 7

226 Siehe dazu die Beilage 2 “Bekanntmachung” im Anhang.

227 Ratuschinskaja, Farbe, S. 65-66

228 Chronik, S. 1-30

229 Wosnessenskaja, Briefe, S. 27 und Chronik, S. 5

230 Chronik, S. 1-30

231 Ratuschinskaja, Farbe, S. 114, 219 und Chronik, S. 3

232 Ratuschinskaja, Farbe, S. 163 und Chronik, S. 10

233 Ratuschinskaja, Farbe, S. 252-253

234 Siehe zum Beispiel Chronik, S. 2, 4, 17; Ratuschinskaja, Farbe, S. 292

235 Plener, Quellen, S. 216

236 Siehe dazu Scherbakova, Erinnerung, S. 73 und Lipper, Jahre, Schweizer Allgemeine Volkszeitung vom 9. Dezember 1956

237 Siehe dazu u. a. Leonhard, Leben, S. 296; Klier, Verschleppt, S. 270-271; Harms, Tal, S. II / 73-74

238 Siehe zu diesen beiden Punkten u.a. Plener, Quellen, S. 215-216; Ginsburg, Marschroute, S. 439; Leonhard, Leben, S. 301-302

239 Siehe dazu Sommerfeld, Leben, S. 20

240 Solschenizyn, Archipel, Folgeband, S. 219

241 Ebd. S. 217

242 Siehe dazu Leonhard, Leben, S. 363, 390; Erna Kolbe in Stark, Ruhe, S. 114-115; Frieda Siebenaicher, ebd. S. 41; Gertrud Platais, ebd. S. 208; Margarete Buber-Neumann, Gefangene, S. 86, 100; Else I. in Klier, Verschleppt, S. 257-258; Harms, Tal, S. II / 11, 69

243 Frieda Siebenaicher in Stark, Ruhe, S. 44

244 Aus: Chronik, S. 38-39

245 Aus: Chronik, S. 36-37

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Geschlechtsspezifische Überlebensstrategien im stalinistischen Gulag
Hochschule
Universität Zürich  (Osteuropäische Geschichte)
Veranstaltung
Zwangsarbeit und Verbannung als Mittel staatlicher Repression. Zarismus und Sowjetsystem im Vergleich
Autor
Jahr
2000
Seiten
42
Katalognummer
V106519
ISBN (eBook)
9783640047987
Dateigröße
564 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschlechtsspezifische, Gulag
Arbeit zitieren
Aila de la Rive (Autor:in), 2000, Geschlechtsspezifische Überlebensstrategien im stalinistischen Gulag, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106519

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