Quelleninterpretation Antisemitismus in der 1848er Revolution


Seminararbeit, 2001

14 Seiten, Note: 3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung
1.1 Der Begriff Revolution

2. Zusammenfassung der Quelle

3. Geschichtlicher Hintergrund

4. Interpretation

5. Schluss

1. Einleitung

Die Hausarbeit behandelt das Thema Antisemitismus in Deutschland in der Revolution von 1848. Der Handlungsort ist Süddeutschland, wo ein Vater mit seinem Sohn am Hof eines Fürsten angestellt ist.

Dargestellt wird das Leben des Vaters und die Ereignisse während der Revolution. Die zentrale Frage lautet, wie das Leben der Juden im Alltag in der damaligen Gesellschaft war. Sie wird durch eine Darstellung der Geschichte vor der Revolution und die Interpretation der Quelle beantwortet.

1.1 Der Begriff Revolution

Das Verb „revolvere“ hatte bis zum 4. Jahrhundert die Bedeutung von schwerfälligem, langsamen oder gewaltsamen „rollen“, „zurückwälzen“ oder „von neuem wälzen“. Nach dieser Zeit entstand das Substandiv „revolutio“ das aus der Griechischen Literatur stammt und als astronomischer Terminus im Sinne der Umdrehung der Sterne um die Erde verwendet wurde1.

Ab dem 5. Jahrhundert gab es einen Zusammenhang mit der Festlegung der kirchlichen Feiertage. Die periodische Wiederkehr eines Feiertages nach Ablauf einer Jahresfrist wurde mit „revolutio“ bezeichnet.

Der heilige Augustinus gebrauchte das Wort als Bezeichnung für das Wegrollen des Grabsteines vom Grabe Christi.

Bis ins Mittelalter hinein wurde das Wort für zeitliche und Astronomische Zusammenhänge gebraucht. Im 13. Jahrhundert tauchte der Begriff „revoluzione“ in Italien auf und in Frankreich hatte das Wort „révolution“ ebenso eine astronomische Bedeutung.

Sozialpsychologisch wird das Potential für eine Revolution aus der In- und Extensität der Frustration bestimmt, die durch die Gesellschaft unter ihren Mitgliedern verursacht worden ist. Revolution ist also die Folgeerscheinung der Überschreitung der Frustrationstoleranz der Gesellschaftsmitglieder als anhaltende Verweigerung der Bedürfnisbefriedigung.2

Nach Chalmers Johnsons Revolutionstheorie bestehen die notwendigen Bedingungen für das Entstehen einer Revolution aus dem Verlust an Glaubwürdigkeit der herrschenden Gruppe durch Machtdeflation und Unfähigkeit zur Resynchronisation. Zu den zureichenden Bedingungen zählt die Unmöglichkeit für die herrschende Elite die Aufrechterhaltung des Gewaltmonopols zu gewährleisten. Dies äußert sich in der Illoyalität der Armee nach einer Niederlage in kriegerischen Auseinandersetzungen, also die Niederlage der regierenden Elite oder im Glauben einiger Rebellen, stärker als die Armee zu sein.

Nach dem Wörterbuch der Soziologie ist Revolution ein schwerwiegender, drastischer und tiefgreifender, zu sozialen und politischen Strukturveränderungen führender Prozess sozialen Wandels, der von einem Kollektiv getragen wird mit dem Ziel, in Wiederspruch zu den als legal definierten Normen die bestehende Gesamtsituation durch eine alternative neue zu ersetzen. Es entsteht hierdurch eine Veränderung der Gesellschaftsstruktur, der Herrschaftsstruktur und eine Neubesetzung der Herrschaftsposition.

2. Zusammenfassung der Quelle

Die Quelle beschreibt die Jugenderinnerungen des Levi Strauss an seinen Vater Emanuel Strauss in Tauberbischofsheim bis zum Jahre 1855.

Der Fürst Franz Wilhelm von Salm-Reifferscheid-Krautheim erhielt in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts, als von Napoleon die Klöster in Deutschland aufgehoben wurden, das Kloster Gerlachsheim, was eine Benediktinerabtei war. Er wurde für die Ämter Grünsfeld und Krautheim als deutscher Fürst eingesetzt.

Am 8.Januar 1805 wurde der Großvater Nathan Samuel Strauss zum Hoffaktor (Hoflieferanten) benannt, wodurch er Naturalien, Waren, lebendes und totes Inventar für die fürstliche Hofhaltung zu liefern hatte. Sein Sohn, der 17-25 jährige Vater von Levi nahm die Aufträge in Gerlachsheim an. Außerdem baute er für Rechnung des Fürsten die Straße von Gerlachsheim bis Distelhausen.

Prinz Anton Viktor, der letzte Deutsch- und Hochmeister und Bruder des letzten deutschen Kaisers Franz II. residierte zu jener Zeit in Mergentheim und kam häufig zu Besuch des Fürsten von Salm nach Gerlachsheim.

Als er eine Partie Billard spielen wollte schickte man fürstliche Diener nach Levis Vater, da dieser die Regeln des Spiels kannte. Es wurde um 2 Gulden gespielt und vorige Einsatz bei jeder neuen Runde verdoppelt bis Emanuel Strauss bei 64 Gulden gewinnt, nachdem er vorher absichtlich verloren hatte. Es entsteht eine Art Freundschaft zwischen dem Vater und Prinz Anton Viktor.

Als eine Jagd in Krautheim veranstaltet wurde, war auch der Vater eingeladen, der bei dem abendlichen Bankett neben Deutschmeister Prinz Anton Viktor saß. Bei der Jagd musste der Prinz und seine Gäste eine Anhöhe hinauf gehen und Hofrat Serger, der Minister des Fürsten, der hinter Emanuel ging spannte dessen Abzugshahn des Gewehres.

Daraufhin sagte er laut über Emanuel, dass er hinter seiner königlichen Hoheit mit gespanntem Gewehrhahn ginge. Der Prinz jedoch glaubte dem Vater, der sagte, dass er das Gewehr so erhalten hatte.

Am Ende der Jagd fuhr die Gesellschaft mit Schlitten von Krautheim nach Mergentheim, wobei Emanuel als Spitzenreiter die 2,5 Stunden dauernde Wegstrecke voranritt. Bei der Ankunft war der Prinz von dieser Leistung so begeistert, dass er Emanuel ein Geschenk machen wollte und dieser erbat die Befreiung von sich und seiner Familie von dem Judenzoll in Deutschherrischem Gebiete. Daraufhin erhielt er eine Urkunde in einer Pergamentrolle.

Napoleon hob 1809 das Deutschmeistertum auf und der Prinz wollte mit Emanuel nach Wien reisen, was Großvater Natan jedoch nicht erlaubte, da Emanuel dem Judentum entfremdet werden könnte.

1848 traf die Nachricht der Februarrevolution in Paris ein und verbreitete sich in Deutschland. Nachmittags am Aschermittwoch 1848 überbrachte Jakob Frank die Kunde, dass in der Nacht vom Fastnachtdienstag die Juden von Unterschüpf, die als Wucherer bekannt waren, vertrieben, beraubt und ihre Häuser demoliert wurden. Es verbreitete sich das Gerücht, dass die Schüpfer Banden in den nächsten Nächten nach Tauberheim ziehen und die Zerstörung an den Juden der Standesherren(Leiningen) fortsetzen würden. Bauern haben dann den Hof Marienhöhe bei Oberburken des Fürsten von Leiningen angezündet und versuchten das Rentamt in Boxberg einzuäschern, konnten aber nur Zehnt- und Gültbücher verbrennen.

In Bischofsheim wurde nun eine Bürgerwehr gegen diese Bauern errichtet, die jedoch nicht dort eintrafen.

Nun wurde das Gerücht verbreitet, dass am Karfreitag alle Juden vertrieben und ihrer Habe beraubt werden sollten, wobei es hieß „die Juden müssten übers rote Meer fort“. In Bischofsheim beschloss man deshalb eine Deputation, bestehend aus dem Schwager von Levi, Abraham Sussman und Lehrer Fuld, an Freiheitshelden Friedrich Hecker in Mannheim zu senden. Dieser solle einen Aufruf an seine Gesinnungsgenossen in Taubergrunde und Odenwald erlassen, damit diese die Juden in Frieden ließen. Außerdem wurde für den Karfreitag ein militärischer Schutz angeboten, der anstatt von der badischen von der bayrischen Regierung gesandt wurde.

Am Gründonnerstag rückten eine Kompanie bayrischer Infanterie und ein Eskadron Chevauxlégers in Bischofsheim ein.

Diese Soldaten fraternisierten jedoch mit dem Pöbel und sangen Karfreitag Nacht das Lied:

„Du musst mir borgen mein lieber Jud, Jud bis übermorgen, und am Donnerstag, mein lieber Jud, Jud, da hab ich Zahltag, mein lieber Jud.“ Als sich die Menge vor dem Haus von Levi aufhielt, rief sein 22 Jahre alter Bruder David mit geladener Flinte aus dem obersten Fenster des Hauses, dass sie auseinander gehen sollten oder er schieße.

Der christliche Sattlermeister Fertig tat dasselbe und erhielt am Karfreitag eine Flasche Wein, Obstkuchen und Geldgeschenk, was alljährlich bis zum Tode Fertigs wiederholt wurde. 1849 wanderte Bruder Jakob mit staatlicher Erlaubnis, wodurch er trotz nicht abgeleisteter Militärpflicht nicht als Refrakteur galt, nach Amerika aus.

Seine Überfahrt dauerte auf dem Dampfboot „Hermann“ 21 Tage, andere Auswanderer auf einem Segelschiff brauchten oft 42-49 Tage.

Levis Mutter war etwas betrübt über diese Tat, sein Vater glaubte jedoch an eine große Zukunft und einen reichen Wirkungskreis.

3. Geschichtlicher Hintergrund

Die erste jüdische Gemeinde in Germanien befand sich um 321 in Köln3.

Für die Städtegründung wurden zur Zeit der Kreuzzüge im 11. Jahrhundert jüdische Kaufleute gebraucht. In dieser Zeit setzten die ersten Judenpogrome ein, bei denen Juden als Hostienschänder, Ritualmörder und Brunnenvergifter beschuldigt wurden. 1184 wurden sie aus Frankreich vertrieben.

Als im 13. Jahrhundert die Pest ausbrach und Juden hierfür beschuldigt wurden, führte die Bevölkerung in Familien mit jüdischen Familien Massenmorde durch. Vor dem 16. Jahrhundert wurden Juden gegen Bezahlung eines Schutzgeldes im Umkreis von Städten angesiedelt. Nach dem 30 jährigen Krieg erlaubte man ihnen in zerstörten Orten zu leben, die sie wieder aufbauten. Polnische und russische Juden wurden aufgrund von Pogromen in östlichen Gebieten imigriert. Seit dem Mittelalter war es Juden untersagt, Land zu besitzen und somit Ackerbau zu betreiben. Außerdem konnten sie kein Handwerk erlernen, da sie nicht in die Zünfte aufgenommen wurden, deshalb blieb ihnen nur der Waren-, Vieh- und Geldhandel. Mit dem Wirken Moses Mendelssohns (1729 -1786) in der Zeit der Aufklärung sollte diese über 1500 Jahre andauernde Leidensgeschichte der jüdischen Religionsgemeinschaft aufgebrochen werden.

In Deutschland wurde die Emanzipation der Juden seit 1781 öffentlich diskutiert. Neben der rechtlichen Gleichstellung musste sich auch die schwerer durchzusetzende soziale Integration und gesellschaftliche Gleichberechtigung durchsetzen.

In dieser Epoche entsteht zugleich eine bürgerlich-industrielle Gesellschaft in Deutschland. Bürgerliche Beamte und Abgeordnete waren Fürsprecher der Judenemanzipation da sie zu den Forderungen nach Menschenrechten, Verfassung und politischer Selbstbestimmung der bürgerlich-liberalen Bewegung gehörte4. In der Gesellschaft waren Juden nur Geduldete und Fremde außerhalb der Sozialordnung, die isoliert in eigenen Gemeindekorporationen lebten. Sie unterstanden als „Schutzjuden“ direkt dem Fürsten und den Judengesetzen.

In Frankfurt am Main gab es ein abgeschlossenes Judengetto. Die Fürsten tolerierten aus wirtschaftlichem und fiskalischem Interesse die Juden, da sie Schutzgeld und Sonderabgaben zahlten und durch ihr Kapital, Konkurrenz und Handelskontrakte die inländische Wirtschaft belebten.

Ihre Bevölkerungszahl wurde durch die Erlaubnis nur eines, in reichen Familien zweier Kinder begrenzt.

Sie durften sich nur an bestimmten Plätzen aufhalten und hatten auf Reisen neben dem Zoll einen Leibzoll zu leisten.

Beruflich waren sie in Deutschland von den handwerklichen Zünften, Landbesitz und Ackerbau ausgeschlossen. Darum beschränkten sich ihre Berufsmöglichkeiten durch weitere Ausnahmebestimmungen auf Trödel-, Hausier-, Kredit- und Geldgeschäfte. Dies bestimmte wesentlich das Bild von ihnen in der Gesellschaft. Christen erhielten in der Agrargesellschaft meist bei Hof Kredit bei einem jüdischen Bankier oder im Dorf bei einem jüdischen Viehhändler. Dadurch erschien ihre Zahl im Vergleich zu der übrigen Bevölkerung höher.

Zur Oberschicht gehörten 2% der Juden, welche von Fürsten als Hofjuden angestellt wurden, um sich um Kredite, Luxuswaren und Heereslieferungen zu kümmern. Sie hatten besondere Privilegien und waren zugleich Fürsprecher für ihre Glaubensgenossen.

Die schmale Mittelschicht bildeten Kaufleute mit eigenem Handelskapital.

Drei Viertel der Juden lebten in der Unterschicht als Kleinsthändler ohne Schutzbrief, Handelsgehilfen ohne Heiratserlaubnis, 10% waren wandernde Betteljuden5. Die Tätigkeiten der Juden die im Handel beschäftigt waren konzentrierten sich erstens auf den Export von landwirtschaftlichen Erzeugnissen der Bauern oder von abgehaltenen Märkten, zweitens auf den Import von Fertigwaren, die die Bauern benötigten und drittens auf Kreditvergabe an Bauern6.

Produkte, die exportiert wurden waren Getreide, Vieh, Pferde, Wein, Tabak , Hopfen, Flax, Wolle, Federn, Wachs, und Holz.

Importiert wurden hauptsächlich Fertigerzeugnisse aber auch Vieh, Pferde und Nahrungsmittel, welche die Bauern nicht selbst erzeugen konnten.

Alles, was sie kauften, bezahlten sie in bar jedoch für Dinge, die sie verkauften nahmen sie ganz oder teilweise Kredit7. Wenn ein Bauer über keine Zahlungsmittel mehr verfügte und bankrott war, gab er gewöhnlich den Juden die Schuld, da sie zu hohe Zinsen verlangen würden. Manchmal zogen sie sogar vor Gericht, damit ihr Darlehen zurückgezahlt wurde.

Seit der europäischen Aufklärungsbewegung Mitte des 18. Jahrhunderts beschäftigten sich jüdische Gelehrte neben talmudischen Studien mit allgemeinen Wissenschaften und Hofjuden näherten sich in Mode und Lebensführung höfischen Kreisen. Erstmals konnten sich Gebildete unabhängig von Stand und Religion z.B. in Gelehrtenzirkeln oder literarischen Salons von Jüdinnen begegnen. Ein wichtiger Vertreter war der Freund Lessings und orthodox lebende Philosoph Moses Mendelssohn (1729-1786). Sein Freund der preußische Staatrat Christian Wilhelm Dohm sah in den Juden daraufhin den potentiellen Bürger und veröffentlichte 1781 sein Werk:“Über die bürgerliche Verbesserung der Juden“, was eine öffentliche Debatte über die Judenemanzipation auslöste. Dohm forderte, die Sondergesetze aufzuheben und die Juden zu Handwerk, Ackerbau und Bürgerrechten hinzuführen. Josef II. Erließ 1782 ein Toleranzpatent, das staatliche Zwangsmaßnahmen und Schulreform einführte und die Juden ab 1788 militärpflichtig machte. In Frankreich führte die Nationalversammlung am 13. November 1791 ein Gesetz zur uneingeschränkten Gleichstellung der Juden ein und es wurde eine integrierende Kraft von der Gesellschaft erwartet. Dies wurde jedoch nach Napoleon 1815 eingeschränkt oder rückgängig gemacht. Am 17.3.1808 führte Napoleon das schändliche Dekret ein, was den Juden eine 10jährige Handelsbeschränkung auferlegte.

Ein seit 1786 in Preußen vorbereitetes Emanzipationsgesetz wurde 1806 nach seiner Niederlage eingeführt und sollte die ständische Gesellschaft abbauen sowie die Teilnahme der Bürger am Staatsleben.

Am 11. März 1812 wurde das „Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem preußischen Staate“ verkündet. Hierdurch wurden Juden zu Einländern und preußischen Staatsbürgern mit Rechten und Pflichten wie Militärdienst. Sie durften jedoch keine Offizierslaufbahn einschlagen.

In Baden bekamen die Juden 1809 Staatsbürgerrechte, die nicht Hausier-, Trödel- oder Leihhandel betrieben. Wer diese Berufe ausübte oder in sie eintrat, erhielt kein Recht auf Niederlassung. In Karlsruhe regelte der Oberrat der Israeliten zentral die Angelegenheiten der Religionsgemeinden. Ab 1862 erhielten Juden in Baden das volle Gemeindebürgerrecht und damit die Freizügigkeit.

In Bayern verlängerte das Judengesetz von 1813 bis 1861 das Schutzjudentum, indem es die Vermehrung der Juden rigoros beschränkte. Jede Familie erhielt eine Matrikelnummer, die auf den ältesten Sohn vererbt werden konnte, während die übrigen Kinder kein Niederlassungsrecht erwarben. Nur durch Einheirat oder Erlernen von Berufen in Handwerk, Ackerbau und Fabrikation konnten diese Matrikelnummern erhalten, was aber durch die zwangsweise Berufslenkung nicht möglich war. Hierdurch sank die Zahl der Juden in Bayern durch Auswanderung ab, während sie in allen anderen deutschen Staaten bis 1861 und danach stieg.

In der Bundesakte, die vom Wiener Kongreß ausgearbeitet war, gestattete der Artikel 16 den Regierungen, Juden alle Rechte abzunehmen, die sie als Bürger Frankreichs oder von Napoleon erworben hatten.

Die preußische Regierung beschränkte das 1812 gewährte Emanzipationsgesetz durch Aufhebung einzelner Rechte wie Privatdozentur, Übernahme des Bürgermeister und Schulzenamtes.

1819 kam es in vielen deutschen Orten wegen Missernten zu antijüdischen Ausschreitungen, vor allem von dem entstehenden Handwerkerproletariat und verschuldeten Bauern, deren Kreditoren Juden waren. Diese Plünderung jüdischer Häuser wird Hep-Hep-Sturm genannt, wogegen einige Regierungen Truppen einsetzten. Zwischen 1815 und 1848 erließen Kurhessen, Hessen-Darmstadt und Württemberg neue Erziehungsgesetze für Juden denen in unerwünschten Berufen keine bürgerlichen Rechte gewährt wurden.

1820 erließ die Württembergische Regierung ein Erziehungsgesetz, dass Hausierern, Trödlern und Pfandleihern das Bürgerrecht vorenthielt. In Stuttgart wurde das Konsortium „Israelitische Oberkirchenbehörde“ gegründet. Durch die Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche wurde die Gleichberechtigung aller Bürger vor dem Staat und die Trennung von Kirche und Staat durchgesetzt.

Es entstand §16 der Grundrechte und viele Staaten übernahmen sie in ihre Verfassung. Hierdurch wurde die Ausübung von staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten von religiösen Bekenntnissen unabhängig. Nur Bayern beharrte auf dem Matrikelgesetz. Dieses Gesetz wurde jedoch erst Zehn Jahre später nach einem wirtschaftlichen Aufschwung um 1860 in die Tat umgesetzt.

Nach dem Krieg Dänemarks gegen den Deutschen Bund formuliert am 27.2. Die Badische Volksversammlung die Märzforderungen: konstitutionelle Verfassung, Aufhebung von feudalen Beschränkungen und Abgaben, der Pressezensur. Volksbewaffnung, Redefreiheit, politische Gleichstellung aller, Amnestie für politische Straftäter.

Vom 12.3. bis 15.3. findet eine Studentenkundgebung in Wien mit nachfolgendem Aufstand und Barrikadenkämpfen statt. Kanzler Metternich flieht, dankt ab und Das Militär wird eingesetzt worauf es Übergriffe auf Fabriken und Läden gibt. Am 18.3. und 19.3. kommt es zu Straßen- und Barrikadenkämpfen in Berlin, als Truppen in eine Demonstration vor dem dortigen königlichen Schloss scharf und gezielt schießen.

In München dankt am 20.3. König Ludwig I. von Bayern, der wegen der Montez- Affäre vom Vorjahr ohnehin unter Beschuss steht, zugunsten seines Sohnes Maximilian II. ab. 12.4. In Konstanz wird die Republik und badische Mobilmachung von Hecker und Struve ausgerufen. Die Deutsche Nationalversammlung wird am 18.5. in der Frankfurter Paulskirche von Heinrich von Gagern eröffnet. Es ist das erste direkt gewählte Parlament der Deutschen und in Berlin wird am 22.5. die Preußische Nationalversammlung eröffnet. Am 6.10. beginnt die Oktoberrevolution in Wien und am 5.12. wird die Preußische Nationalversammlung aufgelöst.

Die in der Frankfurter Paulskirche tagende Nationalversammlung verabschiedet am 21.12. das Gesetz über die Grundrechte des Volkes. 1849 verabschiedete die Nationalversammlung eine liberale Verfassung und wählte den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zum „Kaiser der Deutschen”. Mit der Ablehnung der Verfassung durch die beiden deutschen Großmächte Preußen und Österreich und mehrerer anderer deutscher Staaten und mit der Weigerung Friedrich Wilhelms, die Kaiserkrone anzunehmen, war der Versuch, einen konstitutionellen Nationalstaat zu errichten, und damit die Revolution von 1848, gescheitert.

4. Interpretation

Als Hofrat Serger bei der Jagd den Abzugshahn von Emanuel Strauss spannte war er wahrscheinlich neidisch auf die gute Beziehung zwischen Prinz Anton und Emanuel. Da Serger Minister war und Emanuel nur Hoffaktor, wurde der Minister in seinem hohen Amt im Ansehen bei dem Fürsten noch weiter herabgesetzt, da Emanuel nur Hoffaktor war. Somit empfand es der Minister wahrscheinlich gleichzeitig als Ungerecht, dass Emanuel ein Freund des Prinzen war.

Als die Gesellschaft von Krautheim nach Mergentheim zurückreiste, wollte Emanuel wahrscheinlich deshalb die Position des Vorreiters einnehmen, weil er damit noch einmal seine Treue und Ergebenheit dem Prinzen gegenüber beweisen konnte. Dies wurde dann auch bestätigt, weil Prinz Anton bei der Ankunft über diese Leistung hocherfreut war.

Als der Prinz Emanuel hierfür ein Geschenk machen wollte und dieser die Befreiung vom Judenzoll erbittet, erkennt man daran, dass dieser Zoll ein großes Problem in seiner Familie gewesen sein muss.

Da Juden zu dieser Zeit von Ackerbau und Handwerk ausgeschlossen waren und ihnen nur der Handel mit Waren oder Krediten blieb, war der Judenzoll für alle Juden eine große Last und somit ist es verständlich, dass Emanuel seine Familie davon befreien möchte, anstatt z.B. Geld zu verlangen.

Als der Prinz 1809 nach dem Aufheben des Deutschmeistertums mit Emanuel nach Wien reisen wollte und sein Großvater es nicht erlaubte, wird hiermit deutlich dass die Familie stark an religiösen Verhaltensweisen orientiert sein musste. Der Großvater behauptete, dass Emanuel dem Judentum entfremdet werden würde. Die orthodoxe Lebensweise hatte also eine höhere Priorität als die Außenseiterrolle unter den übrigen Bewohnern, die keine Juden waren. Anstatt ihren alten Glauben abzuwerfen und sich den Verhaltensweisen des Landes anzupassen in dem sie leben, behielten sie also ihre jüdischen Angewohnheiten, was der Beweis für ihr stark religiöses Leben ist. In der Nacht vom Fastnachtdienstag 1848, als die Juden von Unterschüpf beraubt und geplündert wurden, erkennt man die paradoxe Haltung ihnen gegenüber. Einerseits durften sie kein Handwerk oder Ackerbau betreiben aber bei dem noch bleibenden Geldhandel werden sie als Wucherer beschimpft. Die erhöhten Preise für Kredite ergeben sich wahrscheinlich aus der Pflicht der Juden Schutzgelder und Zölle zu zahlen, was deutsche Einwohner natürlich nicht mussten und sie in der Rolle eines Kreditgebers niedrigere Zinsen verlangen könnten.

Die Ausschreitungen gegen Juden in jener Zeit sind auch ein Zeichen für das geringe Bildungsniveau der Bewohner, da die geringe Zahl der Juden, die ohnehin weniger Rechte hatten z.B. durch Heiratsbeschränkung, auch noch hierdurch gering gehalten wurden.

Da die Aufständischen Bauern nach Tauberheim ziehen und die Juden der Lehnherren plündern wollen, waren sie wahrscheinlich neidisch auf deren erhöhten Lebensstandart, da sie bei adligen in einem großen Haus leben durften und sich elegant kleiden konnten. Da Juden nur Handel treiben durften waren Hoffaktoren auf diesem Gebiet anscheinend sehr erfahren und hatten somit auch Chancen, bei reichen, mächtigen Menschen zu arbeiten, was von armen ungebildeten Bauern nicht gerne gesehen wurde. Ein Beispiel für den Neid der Bauern ist die Brandstiftung am Hof Marienhöhe bei Oberburken des Fürsten von Leiningen woran man erkennen kann, dass diese Bauern sehr arm gewesen sein müssen. An dem Versuch, das Rentamt in Boxberg einzuäschern, erkennt man, das die Juden wegen ihrem Kredithandel für reich gehalten wurden, obwohl ihnen aufgrund der Gesetze keine andere Tätigkeit blieb. Die Brandstifter und Schlägerbanden hatten wollten die Juden also für das bestrafen, wozu sie per Gesetz gezwungen wurden.

Als eine Deputation mit der Bitte Schutz für die Juden zu schicken an Friedrich Hecker gesandt wurde und die einmarschierten Soldaten mit dem Pöbel lesternde Lieder über die Juden sangen erkennt man die geringe Zahl der Juden, da sie nicht einmal vom Militär geschützt wurden, was sich für das Volk einsetzen müsste. Die Ausschreitungen gegen Juden hatten also auch ihre Ursache in dem Suchen eines Sündenbockes für den armen ungebildeten Teil der Bevölkerung. Hierfür eigneten sich die Juden sehr gut, da sie sich in ihrer Lebensweise und ihrem Glauben von anderen Leuten unterschieden und dadurch automatisch an den Rand der Gesellschaft gerückt wurden. Als die aufständische Menschenmasse vor Emanuels Haus war und sein Bruder sie mit einer Drohung mit dem Gewehr vertrieb, erkennt man daran, dass die Menschen keine großen Kämpfernaturen waren und sie nur ihre Aggressionen an den Juden abreagieren wollten, denn bei wichtigen, sie von Missständen befreienden Gründen hätten sie sicher das Haus gestürmt.

Die Juden die vorher getötet und geplündert wurden konnten sich also weniger leicht wehren, was auf die Schwäche der Plünderungsbanden schließen lässt, die anscheinend gegen unschuldige, wehrlose Menschen gekämpft haben.

Wie stark die Bedrohungen der Juden waren, erkennt man an dem lebenslangen Dank für Sattler Fertig in Form von Kuchen und Wein.

Außerdem ist die Auswanderung des Bruders Jakob ein Zeichen hierfür, da mit der Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche normalerweise die Rechte der Juden erhöht werden sollte. Wenn es so gewesen währe, würde der Bruder sicher dort bleiben, da auch seine Mutter diese Tat nicht gerne sah und sein Vater von seinem Erfolg überzeugt war.

Er muß außerdem mehr Geld gehabt haben als übrige Imigranten, da er sich immerhin eine Überfahrt in einem Dampfboot anstatt einem Segelschiff leisten konnte.

Schluss

Antisemitische Strömungen gibt es in der Geschichte seit der Entstehung des Christentums. In der hier behandelten Zeit waren die Strömungen nicht gesellschaftsprägend, aber auch nicht unbedeutend. Sie bildeten den Nährboden für den Nationalsozialismus und festigten die Passivität der Gesellschaft gegenüber dem Schicksal ihrer jüdischen Mitbürger.

Zu den Antijüdischen Ausschreitungen hatten vor allem soziale Unsicherheit, Wirtschaftskrisen oder ein nicht gefestigtes politisches System beigetragen. Die zentrale Fragestellung wird nun damit beantwortet, dass die Juden hauptsächlich als Minderheit für die Probleme der Bevölkerung verantwortlich gemacht wurden. Ihr eigenständiges orthodoxes Leben sorgte dafür, dass ihr Charakter den übrigen Menschen anders erschien. Außerdem waren manche Juden durch die damaligen Gesetze zum Geldhandel gezwungen, was die Abneigung der Bevölkerung durch Missgunst verstärkte.

Somit wurden sie durch die Geschichte hindurch ständig zu einem Sündenbock leichtgläubiger Menschen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quellen

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Literatur

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Beyfuß, Victor: Die soziologische Interpretation der europäischen Revolutionen im Werk Eugen Rosenstock-Huessys,.

Erb, Rainer u. Bergmann, Werner: Die Nachtseite der Judenemanzipation. Der

Widerstand gegen die Integration der Juden in Deutschland 1780-1860. Antisemitismus und jüdische Geschichte, Berlin 1989.

Grab, Walter: Der deutsche Weg der Judenemanzipation 1789-1938, München 1991.

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Greive, Hermann: Geschichte des modernen Antisemitismus in Deutschland, Band 53, Darmstadt 1983.

Hahn, Joachim: Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in BadenWürttemberg, Stuttgart 1988, S. 23.

Katz, Jacob: Aus dem Ghetto in die bürgerliche Gesellschaft. Jüdische Emanzipation 1770-1870, Frankfurt am Main 1986.

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[...]


1 Beyfuß, Victor: Die soziologische Interpretation der europäischen Revolutionen im Werk Eugen Rosenstock-Huessys, S. 25.

2 Beyfuß, Victor: S. 30.

3 Hahn, Joachim: Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in BadenWürttemberg, Stuttgart 1988, S. 23.

4 Richardz: Jüdisches Leben I, Erinnerungen des Levi Strauss, S. 20, New York 1976.

5 Ebda, S. 21.

6 Richarz, Monika: Emancipation and Continuity. German Jews in Rural Economy (Revolution and Evolution 1848 in German-Jewish History), Tübingen 1980, S. 95.

7 Ebda, S. 98.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Quelleninterpretation Antisemitismus in der 1848er Revolution
Hochschule
Universität Hamburg
Veranstaltung
Proseminar Geschichte
Note
3
Autor
Jahr
2001
Seiten
14
Katalognummer
V106587
ISBN (eBook)
9783640048663
Dateigröße
411 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
lehrreich
Schlagworte
Quelleninterpretation, Antisemitismus, Revolution, Proseminar, Geschichte
Arbeit zitieren
Alexander Reyer (Autor:in), 2001, Quelleninterpretation Antisemitismus in der 1848er Revolution, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106587

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