Bach, Johann Sebastian


Referat / Aufsatz (Schule), 2002

16 Seiten, Note: 12 Punkte


Leseprobe


1. Die Anfänge: Jugend und frühe Organistenjahre (1685 - 1708)

Der Stammbaum der Familie Bach lässt sich von der männlichen Seite her betrachtet bis in das 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Dieser weist über Generationen hinweg nur Musiker auf. Als eine Art Stammvater gilt Veit (Vitus) Bach, der um 1545 vor den Protestantenverfolgungen aus Ungarn flüchten muss und als Bäcker in Wechmar bei Gotha eine neue Heimat findet. Selbst schon damals erblickt man leicht mal ein Musikinstrument bei Vitus Bach, denn er begnügt sich beim Kornmahlen das als Volksinstrument beliebte „Cithrinchen1 “ zu zupfen. Sein Sohn Johannes, der nach dem Ableben des Vaters das Handwerk übernimmt, wird in der Stadt schon als eine Art Spielmann bezeichnet. Dieser bildet die 2. Generation der Bach Familie. Die Gattin des Johannes Bach bringt einen männlichen Nachfolger zur Welt. Er heißt Christoph Bach und wandert von Wechmar nach Arnstadt aus. Er lebt von 1613- 1661. Jener Christoph Bach bringt mit seiner Frau zusammen drei männliche Vertreter der Familie zur Welt. Dies ergibt die 3. Generation. Der Erstgeborene, Georg Christoph Bach, erblickt 1642 das Licht der Welt. Ihn verschlägt es nach Schweinfurt, wo er 1697 sein Leben beendet.

1645 kommen Zwillinge zur Welt. Johann Christoph Bach, der in Arnstadt bleibt und dort als Hof- und Stadtmusiker fungiert und 1693 verstirbt. Als drittes Kind kommt dann auch 1645 Johann Ambrosius Bach zu Welt. Jener Johann Ambrosius Bach beginnt seinen Beruf gleichfalls in Arnstadt, dann geht er nach Erfurt, da er dort eine Stelle als Ratsmusiker und späterer Hoftrompeter angeboten bekommt. Hiernach geht er als Leiter des Stadtpfeifer- Kollegiums nach Eisenach. Noch in Erfurt heiratet Johann Ambrosius Bach Elisabeth Lämmerhirt, die Tochter eines in der Stadt angesehenen Kürschners. Sie schenkt ihm sechs Söhne und zwei Töchter. Johann Sebastian wird als jüngstes Kind am 21. März 1685 geboren und zwei Tage später, am 23. März 1685, in der Eisenacher Georgenkirche getauft. Selbst sein Pate, Sebastian Nagel aus Gotha, ist ein Musiker.

Vier der einst acht Kinder des Johann Ambrosius Bach überstehen das Kindes- bzw. Jugendalter nicht. Sie bekommen die Namen Johann Rudolf, Johann Balthasar, Johann Jonas und Johanna Juditha Bach. Der älteste überlebende Bruder Johann Sebastians, Johann Christoph, wird uns in Bachs Ohrdrufer Zeit wieder begegnen. Sein ihm am nähesten stehender Bruder Johann Jakob wird Musiker in schwedischen Diensten. Marie Salome heiratet nach Erfurt und wird dort Hausfrau und Mutter für ihre Kinder.

Schon als kleines Kind schaut Bach sich vom Vater ab wie man Geige und Klavier spielt. Er hat ein sehr gutes Gehör und Gedächtnis und kann nachspielen, was er gehört hat, ja, er kann sogar Begleitstimmen dazuspielen.

Bach bleibt in Eisenach und besucht von 1693 bis 1695 die gleiche Lateinschule wie zwei Jahrhunderte zuvor Martin Luther. Er ist immer einer des Besten seiner Klasse.

Anfang Mai 1694 wird der neun Jahre junge Johann Sebastian Bach zu einem Halbwaisen, denn seine Mutter stirbt und wird am 3. Mai 1694 begraben. Kurz darauf, am 20. Februar 1695 stirbt auch sein Vater und Bach wird zu einem Vollwaisen. Nach dem Tod beider Elternteile nimmt sein älterer Bruder Johann Christoph ihn und Johann Jakob in seine Obhut. Da dieser schon seit 1690 eine Organistenstelle im nahegelegenen Ohrdruf bekleidet, ziehen auch Johann Sebastian und Johann Jakob nach Ohrdruf. Letzterer geht aber schon wieder vor Ablauf des Jahres 1695 wieder nach Eisenach, wo er eine Stadtpfeiferlehre beim Amtsnachfolger seines verstorbenen Vaters beginnt.

Der gerade zehn Jahre junge Johann Sebastian bleibt bei seinem größeren Bruder in Ohrdruf und bekleidet eine Currendesängerstelle am Lyceum, was dem heutigen Gymnasium in etwa gleichkommt.

Johann Sebastian galt schon damals als ein ausgesprochen fleißiger und kämpferischer Schüler, der immer viel lernt und zunächst Klassenerster und später immer unter den Besten ist. Die Schule scheint Johann Sebastian aber „nicht so wichtig“ gewesen zu sein, viel mehr und viel engagierter zeigt er sich beim Klavier- und Orgelspielen, dass er bei seinem Bruder Johann Christoph, seinem Lehrmeister, erlernt. Nur das Spielen an der Orgel muss Johann Sebastian noch beigebracht werden. Das Harmonisieren und Spielen am Klavier hat er sich in seiner Kindheit, als Mutter und Vater noch am Leben waren, erstaunlicherweise selbst beigebracht. Sein größerer Bruder entdeckt schon bald das außerordentlich große Talent seines kleinen Bruders, denn Johann Sebastian spielt schon fast so überragend am Cembalo, wie Johann Christoph selbst. Um seine angeeigneten Stücke nicht wieder zu vergessen, schreibt er alle fein säuberlich in sein Notenheft. Hier hinein schreibt er auch Stücke, die der große Bruder und kundige Organist von Ohrdruf selbst einmal niederschrieb, um diese in Gottesdiensten oder einfach nur so zu Hause auf seinem Cembalo zu spielen. Bachs Interesse an der Musik steigt in das Unermessliche. Er ist praktisch besessen von der Musik und dem Gedanken, einmal ein genau so großer und genau so virtuoser Organist zu werden, wie es sein Bruder und Erziehungsberechtigter schon ist. Johann Sebastian, der 1700 gerade einmal fünfzehn Jahre jung ist, aber immer noch seine Knabenstimme in sich hat, muss dadurch, dass seines Bruders Frau schon wieder einmal Nachwuchs erwartet, ausziehen.

Er wird von dem Kantor des Lyceums, an dem Johann Sebastian Currendesänger ist, für eine Freistelle an dem Michaeliskloster in Lüneburg empfohlen. Diese Stelle nimmt Johann Sebastian mit seinem Freund Georg Erdmann zusammen an. Ob er dies nur deswegen tut, weil er keine andere Wahl hat, oder weil ihn diese Stelle auch reizt, ist bis jetzt ungeklärt. Sie machen sich nach Wanderburschenart zu Fußauf den Weg von Ohrdruf nach Lüneburg. Sie übernachten in Heuschobern oder verlassenen Scheunen. Sie singen in Wirtshäusern, um etwas Brot und etwas zu Trinken, gar etwas Geld zu bekommen. Schließlich, nach einer harten, aber wohl auch gut bedachten Reise, kommen die beiden Jungen um die Osterzeit in Lüneburg an. Beide werden auf das Internat, das Michaeliskloster, aufgenommen. Es gibt dort etwa zwölf Stipendien, für Kinder und Jugendliche aus ärmlichen Verhältnissen, die in den Metten- und Currendechören, die in Norddeutschland und auch in Lüneburg Kantorchöre genannt werden, mitwirken und mit ihren guten und hellen Stimmen die Chöre und damit auch die Gottesdienste fördern können. Johann Sebastian, der als der Begabteste von Allen gilt, singt freilich nicht nur in den Nebengottesdiensten, sondern vor Allem auch im „Chorus Symphoniacus“ der die Hauptgottesdienste an Sonn- und Feiertagen ausgestaltete. Doch diese Tätigkeit kann der nun schon bald zum jungen Mann gewordene Johann Sebastian nicht sehr lange ausüben, da er in den Stimmwechsel kommt, der seine Stimme in der Übergangszeit recht krächzend klingen lässt. Da er, um an dieser Schule bleiben zu dürfen, die Gemeinde und die Schule fördern muss, entscheidet sich Johann Sebastian, eine neue Tätigkeit, die ihm viel mehr liegt, auszuüben. Organist. Er wird Organist. Allerdings kommt er nur selten zum Einsatz, da er nur Aushilfsorganist ist und der richtige Organist auf seine Stelle besteht.

Die weiteren Studienmöglichkeiten sind in Lüneburg äußerst günstig. Die Musikbibliothek des Michaelisklosters ist eine der größten in Deutschland überhaupt. Hier kann Johann Sebastian die gesamte Tradition der Kirchenmusik des 16. und 17. Jahrhunderts studieren. Des Weiteren wirken in Lüneburg zwei bedeutende und äußerst fachkundige Organisten: Georg Böhm und Johann Jakob Löwe.

Es ist nicht auszuschließen und gut möglich, dass Bach damals sich bei Einem von Beiden um Orgelunterricht bemüht, denn Johann Sebastian wird in seiner Lüneburger Zeit zu einem hervorragendem Organisten. Getrieben von dem Drang, sein Musikwissen zu vervollständigen, reist Bach, wenn man Fußmärsche als Reisen bezeichnen kann, in dieser Zeit auch mehrmals in andere Städte, um die verschiedenen Arten der europäischen Musik zu studieren. Beispielsweise reist er nach Hamburg, um dort den damals sehr berühmten Organisten an der Catharinenkirche Johann Adam Reinken zu hören und seine Art, die Orgelmusik Norddeutschlands zu interpretieren, zu verstehen. Auch in Hamburg spielt einst die Capelle des Herzogs von Zelle, die zum größten Teil aus Franzosen besteht. Hierdurch gelingt es Johann Sebastian auch in den Genuss der französischen Musik zu kommen. Das Studieren der italienischen Musik kann Bach von dort aus noch nicht durchführen. Dies wird er ihn in seiner Weimarer Zeit aber auch noch prägen.

Über Johann Sebastians Schulbildung kann man Genaueres sagen: Als Bach in die Prima aufgenommen wird, stehen dort folgende Fächer auf dem Lehrplan: Latein (Grammatik und Lektüren), Griechisch (Übersetzung des Neuen Testaments), Theologie (nach Leonard Hutters streng orthodoxem „Compendium Locorum Theologicorum“), Logik (nach Andreas Reyhers „Systema Logicum“), Rhetorik (nach einem Kompendium Heinrich Tolles), und zudem Einführungen in die Welt der Philosophie und die Kunst des Versedichtens.

Gegen Ostern des Jahres 1702 beendet der siebzehnjährige Johann Sebastian die Michaelisschule mit der Bestätigung der Universitätsreife. Noch in diesem Jahr, aber eher gegen Ende, bewirbt sich Bach vergeblich um eine Organistenstelle an der St. Jakobi Kirche zu Sangershausen. Er findet jedoch dann doch noch eine Stelle. Er ist in der Zeit, von März bis September, Hofmusiker des Herzogs von Sachsen- Weimar in Weimar. Gleichzeitig prüft und bewertet er neue Orgeln. Beispielsweise das Orgelwerk der Neuen Kirche zu Arnstadt. Die Bevölkerung Arnstadts ist von Bachs Können so begeistert, dass sie ihn mit seinem Einverständnis kurzer Hand als Organisten der Neuen Kirche einstellt. Dies geschieht am 9. August 1703. Bis Ende August betreibt Bach zwei Stellen: Die als Hofmusiker in Weimar und die als Organist in Arnstadt. Erst Anfang September ist er „nur noch“ als Organist in Arnstadt beschäftigt. Die Erfahrung aus dem geregelten und restlos ausgefüllten Schulleben in die Freiheit entlassen worden zu sein, kostet der einundzwanzigjährige Johann Sebastian zu intensivem Selbststudium aus, denn anders ist die rasche Entwicklung, die er als Komponist durchmacht, kaum zu erklären.

Ende des Jahres 1706 nimmt sich Bach für vier Wochen Urlaub um nach Lübeck zu fahren und den dort an der Marienkirche wirkenden berühmten Organisten Diedrich Buxtehude zu behorchen. Er bleibt aber vier Monate statt der von der Gemeinde erlaubten vier Wochen. Aus diesem Grund wird er vor den Gemeinderat zitiert. Dieser wirft ihm außerdem vor, dass er mit seinem virtuosen Orgelspiel die Gemeinde verwirre. Auch aus diesem Grunde bemüht Bach sich um eine Stelle als Organist in Mühlhausen. Zu Ostern 1707 spielt Bach sein Probespiel in der Kirche „Divi Blasii“ zu Mühlhausen in Thüringen. Am 14. Juni trägt Bach seine Forderungen vor. Sofort am darauffolgenden Tag, dem 15. Juni 1707, wird er zum Organisten der „Divi Blasii“ Kirche bestallt. Der Wechsel von Arnstadt in das nordwestlich von Arnstadt gelegene Mühlhausen als Nachfolger des vor allem als Liederkomponist namhaften Johann Georg Ahle muss man als eine Art Aufstieg sehen.

Am 17. Oktober 1707 läuten in Dornheim die Kirchenglocken. Johann Sebastian heiratet seine Cousine zweiten Grades, Maria Barbara Bach, Tochter des verstorbenen Johann Michael Bach, der zuletzt als Organist und Stadtschreiber in Gehren bei Arnstadt beschäftigt ist.

Aber auch Mühlhausen ist für Johann Sebastian Bach nur eine kurze Zwischenstelle. Circa ein Jahr, besser genau am 25. Juni 1708, nachdem er die Stelle des Organisten bekommen hat, schreibt er auch schon seine Entlassungsbitte in schriftlicher Form an die Kirchenvorsteher. In jener Entlassungsbitte schreibt er, dass er diese Stelle nicht weiter bekleiden kann, da die Verhältnisse so widrig seien, dass er seinen „Endzweck“ nicht hätte erreichen können. Mit „Endzweck“ ist wohl seine innerliche Befriedigung gemeint, die er in dieser Gemeinde, mit dieser Orgel nicht bekommt. Ein zweiter Grund scheint auch eine plausible Begründung dafür zu sein, wieso Bach Mühlhausen so schnell wieder verlässt. Ihn reizt die Stelle des Organisten und Kammermusikers der Herzöge Wilhelm Ernst und Ernst August zu Weimar. Folglich gibt es nur noch eine Lösung: Die Quittierung seiner Arbeit in Mühlhausen.

Bach ist damals darauf aus, beide Orgelmusikstile, nämlich die von Norddeutschland und Süddeutschland zu verbinden. Er möchte nicht, dass ein Stil nur in Süddeutschland gespielt wird und ein Stil nur in Norddeutschland. Eine Einheit soll her. Bei der Zusammenführung beider Musikarten benutzt er augenscheinlich den „Stylus Phantasticus“, der besonders ausschweifend, kontrastreich und affektgeladen beide Stile vereint.

2. Hoforganist und Konzertmeister: Bach in Weimar (1708- 1717)

Im Juli 1708 ist es soweit. Bach wird nach einem formellen Probespiel zum Organisten und Kammermusiker in der herzöglichen Residenzstadt Weimar. Seine neue Wirkungsstätte ist aber nicht nur die grundlegend erneuerte Orgel auf der Orgelempore der „Schlosskirche“, sondern als Kammermusiker muss er auch bei der weltlichen Ensemblemusik mitwirken: Vermutlich als Cembalist oder gelegentlich auch als Geiger oder Bratscher. Bach ist ein außergewöhnliches Instrumentalgenie und spielte eine ganze Palette voll von Instrumenten.

Am 29. Dezember wird Johann Sebastian Vater, denn sein erstes Kind, ein Mädchen, kommt zur Welt. Sie heißt ab sofort Catharina Dorothea Bach.

Bachs Weimarer Alltag sieht in etwa so aus: Er bemüht sich stetig, Freunde unter den Bürgern Weimars zu finden. Denn Freunde und Beziehungen machen das Leben doch deutlich einfacher. Er nimmt Orgelprüfungen ab, bildet Schüler aus, prüft und bewertet andere Orgeln und reist zu Musikaufführungen an den Weißenfelser Hof.

Bis 1710 läuft sein Leben und sein Wirken am Weimarer Hof in normalen Fugen ohne besondere Ereignisse. Erst 1710 führt er als Hoforganist das weiter, was er spätestens in Arnstadt begonnen hat - seine Kompositionstätigkeit: Er schreibt Orgelwerke. Jetzt wird erstmals der Hang zur Systematik deutlich, der den späteren Bach kennzeichnet: „Das Denken und Schaffen in Reihen und Zyklen2 “. In diesem Jahr, 1710, beginnt er, so weißt es die neueste Forschung aus, mit der schriftlichen Niederlegung von Orgelchorälen. Das Titelblatt dieses Werkes entsteht aber erst in Bachs späterer Zeit in Köthen.

Titelblatt:

Orgel- Büchlein

Worinne einem anfahenden Organisten Anleitung gegeben wird,

auff allerhand Arth einen Choral durchzuführen,

anbey auch sich im Pedal studio zu habilitiren,

indem in solchen darinne befindlichen Choralen

das Pedal gantz obligat tractiret wird.

Dem Höchsten Gott allein zu ehren,

Dem Nechsten, draus sich zu belehren.

Autore Joanne Sebast: Bach

p. t. Capellae Magistri S. P. R. Anhaltini- Cotheniensis

Die leeren Seiten des Bandes beschreibt Bach mit Textanfängen von sagenhaften 164 Chorälen in der Anordnung des Kirchenjahres und des Gesangbuches. Doch nur ein gutes Viertel, genauer 46, der Titel führt er im Laufe der Jahre aus, einige der letzten wohl noch erst in seiner Leipziger Zeit, mit der ich mich später noch befassen werde. Dies ist ein prägender Charakterzug Bachs: Große Unternehmungen anfangen und dann bei ihrer Fertigstellung zu ermüden. Eine berühmte Persönlichkeit lobt Bach mit kaum übertriebenem Enthusiasmus: Albert Schweitzer bezeichnet das „Orgel- Büchlein“ als „eines der größten Ereignisse in der Musik überhaupt. Kein Komponist vor ihm hat wohl so vielschichtig gearbeitet.

Am 22. November 1710 wird sein zweites Kind, diesmal ein Sohn geboren. Er erhält den Namen Wilhelm Friedemann Bach3.

Das aus der frühen Weimarer Zeit vermutlich früheste Stück ist ein meisterliches Genrestück: Die „Jagdkantate“. Bach komponiert diese 1712 und verwendet sie später noch einmal, wenn auch mit deutlichen Veränderungen, als Geburtstagsgratulation für den Herzog Christian von Sachsen- Weißenfels.

Ende 1713 bewirbt sich Johann Sebastian zwar erfolgreich um die Organistenstelle der Liebfrauenkirche zu Halle, lehnt sie jedoch wegen zu niedriger Besoldung doch ab. Damit Bach nicht vielleicht eines Tages eine auswärtige Stelle annimmt, stellen die Weimarer Herzöge ihm die Konzertmeisterposition zur Verfügung. Diese dient als eine Art kurzweilige „Versicherung“, dass Bach ihnen erhalten bleibt. Ab März des Jahres 1714 bekleidet er dieses Amt, welches mit einer Gehaltserhöhung aber auch mit mehr Verpflichtungen verbunden ist. Er verpflichtet sich beispielsweise, allmonatlich eine Kirchenkantate zu komponieren, diese mit der Kapelle einzustudieren und aufzuführen. Diese Tätigkeit liegt Bach sehr, denn er macht sich mit solchem Eifer ans Werk, als hätte er dies schon lange gewollt, nur den Herzögen als Bitte nie vorgetragen. Für die Texte sorgt im wesentlichen der Weimarer Oberkonsistorialsekretär und Hofdichter Salomon Franck. Dieser hat als Schöpfer von Kirchenliedern und Kantatendichtungen einen gewissen Ruf. Bach, der „nur“ alle vier Wochen eine Kantate komponieren und vortragen muss, bemüht sich, mit den von ihm komponierten Kantaten einen vollständigen Kantatenjahrgang zu erstellen. Zumindest anfänglich arbeitet er sehr konsequent.

Im März dieses Jahres wird sein drittes Kind, Carl Philipp Emanuel Bach4, geboren, der in seinem späteren Leben auch als Musiker und Komponist seine Erfolge haben wird.

Circa ein Jahr darauf, am 11. Mai 1715, wird der Sohn Gottfried Bernhard als viertes Kind der Familie geboren.

3. Exkurs: Bachs Schreibart

Bachs wesentliche Grundidee lautet „Alles- in- Einem und Alles- aus- Einem“. Ersteres zeigt sich in seiner Neigung, unterschiedliche Gattungen in einem Werk zu vereinen. Letzteres zeigt sich in seinem Drang, möglichst viel musikalische Substanz aus möglichst wenig Material zu gewinnen. Innerhalb der Grundidee sind vier Prinzipien enthalten, denen Bach nachgeht: „Das konzertierende Prinzip, das Prinzip des obligaten Satzes, das redende Prinzip und das Prinzip der Sinnbildlichkeit.“ Alle vier Prinzipien sind zwar charakteristisch für die damalige Musiktheorie und -praxis, aber in ihrer Eindringlichkeit der Präsentation allein bei Johann Sebastian ausgeprägt. Er verwendet mehrere Stimmen, die sich einander in nichts nachstehen. Er bringt sie alle in den Vordergrund und lässt jede Stimme zu einer Hauptstimme, also der Melodie, werden. Zwar begleitet jede Stimme eine andere, aber trotzdem kann es auch anders aufgefasst werden, dass jede Stimme monoton und nur für sich selbst läuft.

Wirft man einen Blick auf Bachs gesamtes Werk und Schaffen, speziell auf das Schaffen der Weimarer Zeit, so merkt man deutlich, dass es ihm um etwas ganz anderes geht als nur darum, das Konzert als Gebrauchsform kennen zulernen. Ihn fasziniert die Form als solche, das heißt die Frage, wie er sich das Prinzip der Konzertierens als kompositorisches Gestaltungsprinzip aneignen könne.

Eine wichtige Ansicht Bachs ist auch diese: „Der Mensch wägt seine Möglichkeiten und gestaltet sie, zwar in langwierigen Prozessen, aber nach Maßund Bild5 “. Bach geht ungewollt schon damals auf die Vorstellung ein, die zwei Generationen später den Sonatensatz für fast ein Jahrhundert zum Mittelpunkt des kompositorischen Denkens der „großen“ deutschen Komponisten werden lässt. Kurz gesagt: Bach behandelt schon damals die gravierenden Dinge, die mehrere berühmte Komponisten erst zwei Generationen später behandeln, dann erst entdecken.

In seinem gesamten Leben bleibt Bach unablässig auf der Suche nach neuen und interessanten Gestaltungsmöglichkeiten. Er möchte immer mehr verschiedene Möglichkeiten darlegen und mit ihnen arbeiten, sie verarbeiten und zeigen, wie viel Anstrengung es den menschlichen Geist kostet, eine im letzten und höchsten stimmige Musik zu erstellen und sie darzustellen.

In der Art, wie er die Musik und vor allem seine Musik spielt und niederschreibt, lässt er diese reden. Musik soll eine Art „Klangrede“ sein, durch die ein Text möglichst natürlich und sinnfällig vertont werden kann. Gerade die Weimarer Zeit ist eine Epoche in Bachs Leben, in der er die kantable und gefühlshafte Tonsprache sprechen lässt. Diese sprechende Musik wird in Fachkreisen und unter Musikern als „Musica Poetica“ bezeichnet.

4. Hofkapellmeister in Köthen (1717- 1723)

Am 5. August 1717 wird Bach zum Hofkapellmeister des Fürsten Leopold von Anhalt- Köthen nach Köthen berufen. Mit dem Beruf des Hofkapellmeisters ist auch die Leitung des Direktorats der Kammermusik verbunden. Er hat also die Leitung über die gesamte Hofmusik. Am 5. August wird er zwar eingestellt, aber die offizielle Amtsübernahme erfolgt erst im Dezember jenes Jahres, da er vom 6. November an in Weimar am Weimarer Hof wegen seines Entlassungsgesuches inhaftiert ist. Am 2. Dezember wird er dann durch die Gnade des Hofherren gnädig entlassen und kann den Dienst am Köthener Hof uneingeschränkt beginnen.

Wenngleich Bachs Leben auch in Köthen nicht reibungsfrei ist, darf man es trotzdem als das entspannteste seines Lebens bezeichnen, die nachfolgenden Jahre in Leipzig eingeschlossen. Der damals für einen Fürsten noch recht junge Fürst Leopold von AnhaltKöthen schätzt den Menschen und Künstler Bach sehr. Er unterstützt und fördert Bachs Musik und die gesamte Arbeit, die er am Hofe verrichtet. Selbst als Pate stellt sich dieser problemlos zur Verfügung. Er übernimmt sofort das Patenamt bei Bachs früh verstorbenem Sohn Leopold August im November des Jahres 1718. Auch bei Bachs Abgang im Jahre 1723 kommt es nicht zu Unstimmigkeiten.

Dass Bach in Köthen nicht weniger als der zweithöchste Hofbeamte, dem Hofmarschall Gottlob vom Nositz, verdient, mag wohl auch daran liegen, dass der junge Fürst viel für seine Musik und ihn als Person übrig hat. Er bekommt als Jahresgehalt 400 Taler. Diese Menge ist für damalige Verhältnisse hoch. Vergleichsweise in Weimar verdiente er 250 Taler nebst kleinen Sonderzuwendungen. Auch die Kapelle ist in Köthen wesentlich größer, und es lässt sich besser, erstaunlich besser mit ihr arbeiten.

Circa in dem Jahr 1719 kommt es am fürstlichen Hofe zu Köthen zu ersten Schwierigkeiten, denn der Hof zu Köthen ist calvinistischer Art, das heißt, dass er reformierter und nicht lutherischer Konfession ist. Dies wusste Bach sicher vor seiner Amtsübernahme, aber hat es nicht recht in Betracht gezogen, dass ihm die nennenswerte kirchenmusikalische Tätigkeit so fehlen würde. Dadurch, dass er die kirchliche Musik an dem Hof des Fürsten nicht spielen kann, ist seine Virtuosenlaufbahn unterbrochen, sogar, was sich später herausstellen wird, beendet.

Noch ein Konflikt steigert sich am Köthener Hof: Die Mutter des Fürsten, die ehemals regierende Herzögin ist lutherischen Bekenntnisses. Daher gibt es in der Stadt eine kleine, aber sehr aktive Gemeinde, zu der auch Johann Sebastian damals zählt. Trotz der Toleranz des Fürsten kommt es zu kleineren Auseinandersetzungen in der Zeit, in der Bach bei ihm beschäftigt ist. Der Fürst fühlt sich durch den wachsenden Druck, den die wachsende Gemeinde der Lutheraner auf ihn ausübt, an die Wand gedrängt. Er beginnt zu kämpfen und zu sparen. Auch am Musikbudget.

Während dieser Zeit stirbt Johann Sebastians Ehefrau Maria Barbara Bach. Die Todesursache ist nicht einhundertprozentig bekannt, aber man geht von einem hitzigen Fieber aus, woran man damals noch häufiger gestorben ist. Sie wird am 7. Juli 1720 zu Grabe getragen.

Etwa ein Jahr und sechs Monate später heiratet Bach noch einmal. Am 3. Dezember führt er die damals zwanzigjährige Anna Magdalena Wilcke, Kammersängerin und Tochter des Weißenfelsischen Hoftrompeters Johann Casper Wilcke, zum Altar. Die Trauung findet in der reformierten Schloss- und nicht in der lutherischen Stadtkirche statt. Ein neuer Konflikt ist entstanden. Bach selbst will nicht in der Schlosskirche der Calvinisten Hochzeit abhalten, aber er wird praktisch von seinem Arbeitgeber, Fürst Leopold, dazu genötigt. Die durch die Hochzeit anfallende Dispenszahlung an die lutherische Gemeinde in der beträchtlichen Höhe von 10 Talern will Bach also nicht zahlen. Er sagt, dass die Trauung in des Fürsten Haus auf fürstlichen Befehl dort und nicht wo anders abgehalten werden konnte. Mit solchen Konflikten muss Bach in Köthen leben.

Trotzdem komponiert Bach in Köthen viele berühmte Werke, zwar nicht für die geliebte Orgel sondern für das Klavier. So entsteht unter anderem das „Wohltemperierte Klavier“, eine Art professionelle Klavierschule, die mit einer unglaublichen Perfektion auf so hohem Niveau ausgearbeitet wird, dass nur wenige Personen dieser Zeit, das hätten Spielen können.

Bachs Leben läuft in Köthen so dahin. 1722 steht Bach Pate unter anderem bei der Tochter des Gambisten Abel, der in seiner Kapelle spielt, geht einige Male zum Abendmahl, bekommt eine Erbschaft in Höhe von 224 Talern und reist einmal zur Orgelprobe nach Leipzig. Ob Bach schon damals in Leipzig seine neue Arbeitsstelle betrachtet und sich bemüht, bei dem dortigen Herzog einen guten Eindruck zu hinterlassen ist wohl wahrscheinlich, jedoch nicht hundertprozentig zu belegen.

Jedenfalls ist es sicher und auch in schriftlicher Form belegt, dass Bach den Streitigkeiten zwischen dem Fürsten und seiner Mutter bald entgeht, denn er bewirbt sich im Dezember des Jahres 1722 um das Thomaskantorat zu Leipzig. Nach Anweisung des Rats der Stadt Leipzig fährt Johann Sebastian am 7. Februar 1723 nach Leipzig, um dort sein Probespiel abzuliefern.

5. Der Thomaskantor: Die frühe Leipziger Zeit (1723- 1729)

Viele durchschnittliche Bewerber sondert der Rat schon vor der Wahl aus. Schließlich sind es noch vier Bewerber, die in ihrer Arbeit als hervorragend oder gar unübertroffen gelten: Georg Philipp Telemann, Johann Friedrich Fasch, Christoph Graupner und Johann Sebastian Bach. Bei der ersten Wahl fällt der größte Teil der Stimmen auf Georg Philipp Telemann. Dieser wirkte schon einmal mit recht großem Erfolg in dieser Stadt. Doch Telemann muss der Stadt noch vor Antreten der Stelle wieder den Rücken kehren. Er bekommt in Hamburg, wo er als Kantor des Johanneums beschäftigt ist, eine recht angemessene Gehaltserhöhung, die ihn dazu veranlasst, die Stelle in Leipzig doch nicht anzunehmen. Die beiden anderen Bewerber können nicht zum Probespiel erscheinen, da sie von ihren jeweiligen Höfen in Zerbst beziehungsweise Darmstadt nicht freigegeben werden. So ist der Weg frei für Johann Sebastian. Nach nun einstimmigem Beschluss des Rats der Stadt Leipzig am 22. April ist es am 5. Mai 1723 soweit: Johann Sebastian Bach wird Nachfolger des verstorbenen, kränklich und etwas introvertiert wirkenden, Johann Kuhnau6 und unterzeichnet den Anstellungsvertrag, der ihm die Stelle als Thomaskantor sichert.

Am 22. Mai siedelt er von Köthen nach Leipzig über. Wo genau er in jeder Stadt wohnt ist nicht bekannt. Es gibt lediglich Vermutungen.

Acht Tage, nachdem er übersiedelte, spielt er in der Thomaskirche seine Antrittsmusik, die mit überschwänglichem Applaus gefeiert wird.

Das Leipzig der ersten Jahrhunderthälfte befindet sich im Umbruch. Es wird die Tradition gepflegt, aber dem Fortschritt will man auch nicht im Wege stehen. Somit ist es wohl auch eindeutig, wieso man das neue, weltoffene Leipzig in der Zeit auch als „Klein- Paris“ oder „Pleiß- Athen“ bezeichnete.

Als Organist und recht gelehrter Mann wird Bach durch den Stadtrat Leipzigs dazu veranlasst, Unterricht oder angemessene Vertretung in den unteren Klassen an der Thomasschule zu geben.

Leipzig ist in dieser Zeit eine sehr hoch angesehene Stadt. Wer dort als Organist und Kammermusiker beschäftigt ist, oder gar die Leitung übernimmt, kann schon sagen, dass er zu einem der besten Musiker des Landes zählt. Bach reizt seine Stelle auch enorm, denn er wird dadurch auch als Repräsentant seiner Kirche und der Musik Leipzigs angesehen. Außerdem ist der „Director Musices“ eines der angesehensten musikalischen Ämter, die Deutschland in dieser Zeit hergibt. In Leipzig kann er sich ganz auf sich selbst konzentrieren. Er hat die Möglichkeit, all seine Erfahrungen als Organist und Kapellmeister mit in seine Musik hereinzubringen.

Zunächst, am Anfang seiner Dienstzeit in Leipzig gilt sein Schaffen vor allem der gottesdienstlichen Musik. Später geht sein Denken auch in die weltliche und literarische Musikrichtung.

Im Juni 1723 werden Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel Bach in die Thomasschule aufgenommen, wo sie einen etwas längeren, aber durchaus sehr lehrreichen Weg gehen. Schon Ende des Jahres meldet der Vater Bach seinen ältesten Sohn, den gerade erst dreizehnjährigen Wilhelm Friedemann, bei der Universität an. Diese wird ihn einige Jahre später, 1729, auch tatsächlich aufnehmen.

Am 26. Februar 1724 wird Sohn Gottfried Heinrich als fünftes Kind der Familie Bach in Leipzig geboren. Kurz darauf führt Johann Sebastian Bach am 7. April 1724 in der Leipziger Nikolaikirche eines seiner größten Werke überhaupt auf: Die Johannespassion. Nach langem Anstrengen, das Werk fertig zustellen, hat sich seine Mühe bezahlt gemacht. Bach wird nun von einer Großzahl der Menschen in Leipzig als eine Autorität angesehen. Schüler, die er in der Kunst eines seiner ihm bekannten Instrumente, der Bratsche, der Violine, des Flügels, eines sonstigen Geigeninstrumentes oder gar der Orgel lehrt, gehen ein und aus im Hause Bach, Musiker bitten um Zeugnisse, Stadträte möchten ihn als Orgelgutachter engagieren. Hin und wieder gelangweilt verrichtet Bach auch kleinere Aufgaben, wie zum Beispiel: Das Prüfen neuer Schüler, das Einstellen neuer Musiker et cetera.

Zwischen 1723 und 1725 wird der Beruf Bachs für ihn zu einem recht stressigen Beruf, denn er wird von seiner direkt vorgesetzten Behörde dazu veranlasst, Woche für Woche eine Kantate zu komponieren und aufzuführen. Die bedeutet Arbeit, viel Arbeit. Aber Bach, als listiger Mensch, greift hier zur Vereinfachung seines Berufs einerseits auf ältere Kantaten zurück, die er in seiner Köthener und Weimarer Zeit komponierte und aufführte. Andererseits greift er sogar auf Stücke, die sein Meininger Vetter Johann Ludwig komponierte, ungehindert zurück. Er kopiert sie und schreibt sie meist noch etwas in seinen Stil um. Insgesamt 200 Kantaten kennen wir heute, die sich einwandfrei auf Bach zurückleiten lassen, die er in dieser Zeit bearbeitet oder neu schreibt. Etwa 300 müssen es einst gewesen sein.

Am 3. April 1726 wird ihm die Tochter Elisabeth Juliana Friederica geboren, welche 2 Tage darauf, am 5.April in der Thomaskirche getauft wird.

Circa ein Jahr darauf kommt es zum zweiten richtigen Höhepunkt Bachs Leipziger Zeit. Die Aufführung der zweiten Passion, der Matthäuspassion, steht ins Haus. Wahrscheinlich ist es am 11. April des Jahres 1727 soweit, dass der zweiundvierzigjährige Johann Sebastian Bach eines seiner besten und heute bekanntesten Werke diesmal in der Thomaskirche aufführt. In dieser Zeit scheint Bach in kompositorisch höchster Blüte. Was er danach komponiert, ist zwar auch hohe Kunst, kommt aber an die beiden Passionen, die Johannes- und die Matthäuspassion, nicht heran. „Jene großräumige Verbindung von Leidenschaft und Sammlung, von Dramatik und Vergeistigung, welche die beiden Passionen auszeichnet, bleibt einmalig7 “. Beide seiner Werke werden jeweils am Karfreitag in einem Predigtgottesdienst aufgeführt. Doch ein richtiger Gottesdienst ist dies nicht mehr, eher eine Art geistliches Konzert.

Den Text der Matthäuspassion und viele Texte für spätere Huldigungsstücke an bedeutende Persönlichkeiten dichtet der damals als Lied- und Textdichter bekannte Picander. Picander ist der Künstlername des gewissen Christian Friedrich Henrici.

Doch bald kommt es hier in Leipzig zu ersten kleineren Streitereien zwischen dem Thomaskantor Bach und dem Stadtrat. Beispielsweise wird er 1728 vor das städtische Konsistorium zitiert, um sich dort sagen zu lassen, dass der hiesige Pfarrer Gottlieb Gaudlitz das Recht habe, Lieder für die Gottesdienste selbst auszusuchen. Bach nahm sich das Recht seit je her. Immer suchte er die Lieder passend alleine aus. Auf einmal hat er nicht mehr das Recht, dies zu tun. Dies verbittert ihn.

Etwa zwei Monate nach jener Zitierung erblickt am 8. Oktober 1728 Tochter Regina Johanna Bach das Licht der Welt. Wieder, wie auch bei Elisabeth Juliana Friederica, wird diese zwei Tage darauf in der Thomaskirche getauft.

Bach, der immer sehr bemüht ist, mit großen und bedeutenden Persönlichkeiten auf einer freundschaftlichen Basis zu stehen, „kämpft“ um jedes Ehrenamt. Eines erlischt formal nun aber 1728 durch den Tod des Fürsten Leopold von Anhalt- Köthen. Das Ehrenamt als Köthenischer Kapellmeister bekleidete er, seit seinem Abgang aus Köthen. Wie schon vorher gesagt, herrschte zwischen dem Fürsten Leopold und Johann Sebastian Bach eine freundschaftliche Beziehung. Aus diesem Grunde verlieh der Fürst Bach diesen Titel, den Bach dankend annahm.

6. Der „Hof- Compositeur“: Die mittlere Leipziger Zeit (1729- 1739)

Im Frühjahr des Jahres 1729 bekommt Johan Sebastian Bach die Leitung, des „Collegium Musicum“ in die Hände gelegt. Er ist nun der Nachfolger seines Freundes Georg Balthasar Schott, der bis dahin als Organist in der Neukirche beschäftigt war. Seine Tätigkeit viele, ja ganze Kantatenjahrgänge zu schreiben, ist nun beendet, und er konzentriert sich auf andere Schaffensgebiete, wie zum Beispiel das Schreiben und Bearbeiten weltlicher Stücke.

Bach erhält nach längerem Bitten und nach Aufführung einiger Geburtstagskonzerte zu Ehren des Herren des Weißenfelser Hofs den Ehrentitel des Weißenfelsischen Kapellmeisters. Beziehungen spielen für Bach eine große Rolle, denn diese verschaffem ihm einerseits größeren Ruhm und andererseits dienen sie ihm als eine Art Rückversicherung, dort, wo er einen Ehrentitel besitzt, jederzeit wieder anfangen zu können, wenn die Streitigkeiten in Leipzig mit seinen Vorgesetzten weiter andauern oder sich gar noch deutlich verschlimmern.

Am 5. März 1729 schreibt sich Wilhelm Friedemann Bach an der Leipziger Universität ein, nachdem der Vater ihm schon seit 1723 einen Platz an einer der ehrenwertesten Universitäten des damaligen Deutschlands freigehalten hat.

Als dritte Passion wird 1730 die Lukaspassion als Gemeinschaftsarbeit der Familie Bach unter Verwendung älterer Kompositionen Johann Sebastians von Vater Bach selbst aufgeführt.

Im Sommer dieses Jahres kommen neue Streitigkeiten auf. Diesmal wirft ihm der Stadtrat Nachlässigkeiten bei der Ausübung des Amts des Organisten vor. Bach, der nicht dieser Meinung ist, lässt diese Beschuldigung über sich ergehen, kümmert sich aber weiter nicht sonderlich darum. Er betreibt sein Amt so weiter, wie er es immer tat und lässt sich nicht weiter vom Stadtrat ins Handwerk reden.

Am 28. Oktober dieses Jahres verfasst der fünfundvierzigjährige Bach einen Brief an seinen alten Freund Georg Erdmann, der mit ihm damals in das Michaelis- Internat in Lüneburg ging. In diesem Brief beklagt er sich über die große Unzufriedenheit, die ihm die Organistenstelle in Leipzig beschert. Er schreibt sich seine Sorgen von der Seele herunter. Ob die im Brief erwähnte Unzufriedenheit wirklich so drastisch bei Bach wirkt, ist sehr fraglich, da Bach sein gesamtes Leben noch in Leipzig bleibt und dort auch später seinen Lebensabend erlebt.

Anfang November des Jahres 1731 gibt Johann Sebastian den ersten Teil der „Klavierübung“ als eine Art Klavierschule heraus. Insgesamt dauert es fünf Jahre, ehe er alle sechs Teile des „Opus I“ fertig erstellt hat, denn er fängt schon im November des Jahres 1726 mit dem ersten Teil an und erarbeitet sich neben seinem eigentlichen Beruf her, im Verlaufe der Jahre seine sechs Partiten.

Im selben Jahr bringt er neben dem „Opus I“ auch noch seine vierte Passion heraus: Die als verschollen geltende Passion nach Markus.

Zwei Jahre darauf steht bei der Familie Bach der Kindersegen schon wieder einmal ins Haus. Der Sohn Johann Christoph Friedrich Bach8 wird am 21. Juni 1732 als viertes Kind von Johann Sebastian und seiner Frau Anna Magdalena geboren. Dieser wird in seinem späteren Leben und auch in anderen späteren Texten als der „Bückeburger Bach“ bezeichnet, da es ihn nach Bückeburg zieht, wo er arbeitet und eine Familie bildet.

Die nächsten zwei Jahre passiert für die Person Bach recht wenig. Johann Sebastian spielt seine Gottesdienste, seine Kinder gehen, soweit das Alter es zulässt, in die Schule, Frau Anna Magdalena musiziert etwas und erfüllt die üblichen hausfraulichen Pflichten.

Am 23. Juni 1733 verlässt der älteste Sohn Wilhelm Friedemann das elterliche Haus gen Dresden. Dort wird er einstimmig zum Organisten der Sophienkirche bestallt. Ein Jahr später geht auch der zweitälteste Sohn, Carl Philipp Emanuel, aus dem Haus. Ihn zieht es nach Frankfurt, um dort seinen Studienvorgang weiterzuführen, den er ein Jahr zuvor in Leipzig begann. Gegen Ende des Jahres 1734 und Anfang des Jahres 1735 kommt es wieder zu einem richtig großem Ereignis in Bachs Leben: Das sechsteilige Weihnachtsoratorium wird aufgeführt. Nach langer Arbeit lohnt es sich nun wieder einmal für den Organisten und Leiter des „Collegium Musicum“. Mit dieser Aufführung steigt sein Ansehen bei den Bürgern und den bedeutenden Persönlichkeiten erheblich, was ihm und der ganzen Familie Bach durchaus gelegen ist. Durch das hohe Ansehen und die diversen Ehrentitel ist der Leipziger Stadtrat gezwungen, eine Gehaltserhöhung zu erteilen, damit Bach nicht das Weite sucht und aus Leipzig gen Köthen oder Weimar verschwindet. Das damalige Jahresgehalt beläuft sich auf ungefähr 660 Taler. Für die Zeit ein sehr gut und sehr hoch bezahlter Beruf.

Am 5. September 1735 wird Bachs neuntes Kind geboren. Es erhält den Namen Johann Christian9 und wird später als der „Londoner Bach“ bekannt, da es ihn nach London verschlägt, wo er seine Blütezeit erlebt.

Im Verlauf des Jahres 1735 erscheint auch der zweite Teil der „Klavierübung“. Hierbei geht es Bach wohl nicht hauptsächlich um den Publikumserfolg, vielmehr um einen Einblick in so ziemlich alle Bereiche der Musik. Somit ist das „Opus II“ ab sofort in Leipzig zu erhalten.

Die im Juli des Jahres 1733 übergebenen Werke „Kyrie“ und „Gloria“ werden im Jahre 1735 in Dresden aufgeführt, doch bringen sie nicht den ersehnten Erfolg: Das Ehrenamt des Hofkomponisten zum Dresdener Hof. So schreibt er verstärkt Huldigungsmusiken und sendet sie an den Kurfürsten des Dresdener Hofs. 1736 legt er einen Brief bei, in dem er ausdrücklich um das Ehrenamt bittet. Dieser Brief hat nun endlich Erfolg. Am 19. November 1736 erhält Bach den lang ersehnten Ehrentitel des „Compositeur bey Dero HofCapelle“. Daraufhin gibt er, sozusagen als Danksagung, ein sagenhaftes Konzert in Dresden, wo der Landsitz und Regierungsplatz der Kurfürsten ist.

Im Juli dieses Jahres beginnt auch der langwierige sogenannte Präfektenstreit, in dem es um die Frage geht, ob der Rektor einen disziplinlosen durch einen unmusikalischen Präfekten gegen den Willen des Kantors ersetzen dürfe. Diese Streitigkeiten ziehen sich über Monate, gar über ein oder zwei Jahre hin. Wie und ob der Streit ausgegangen ist, ist nach den bisher recht ergiebigen Quellen nicht ersichtlich.

Gegen Ende dieses Jahres fängt der einundfünfzigjährige Johann Sebastian Bach an, sein Geld in die Buchdruckerei zu stecken. Dieses Handwerk ist damals noch sehr umständlich und teuer, daher können es sich nicht viele leisten, einer solchen Tätigkeit nachzugehen. Bach druckt unter anderem seine eigenen Werke, um sie so auch auf dem Mark zu verkaufen. Außerdem druckt er Bücher für die städtische Universität. Selbst für andere Komponisten, Dichter oder Texteschreiber druckt er ihre Werke ab. Dies ist für ihn ein netter Nebenverdienst, den er zwar gerne nimmt, aber nicht unbedingt benötigt. Er macht es vielmehr um seine Werke, und Werke anderer Komponisten der Öffentlichkeit darzulegen.

Im Frühjahr des Jahres 1737 tritt Johann Sebastian Bach ungeahnt und ganz plötzlich von der Leitung des „Collegium Musicum“ zurück. Alle Überredungskunst seiner Vorgesetzten hilft nichts. Bach hat diesen Entschluss gefasst und bleibt auch bei seiner Entscheidung. Ein Grund für die Niederlegung seines Amtes wird wohl der Präfektenstreit gewesen sein, in dem es darum geht, ob der Rektor einen disziplinlosen durch einen unmusikalischen Präfekten gegen den Willen des Kantors ersetzen dürfe.

Bach zeigt sich nun etwas „eingeschnappt“ und möchte vielleicht sehen, wie man ohne ihn zurecht kommt. Die vorläufige Leitung übernimmt Bachs Stellvertreter Carl Gotthelf Gerlach.

Ein Jahr später, 1738, wird der Sohn Carl Philipp Emanuel Bach zum Stolz der Familie Cembalist des Kronprinzen und zukünftigen Königs Friedrich II. vom Preußen. Vater Bach müssen die Tränen in den Augen gestanden haben, als er von diesem Ereignis erfährt, denn der Sohn tritt langsam aber sicher in die Fußstapfen seines Vaters und bemüht sich früh um angemessene Stellen.

7. Der Universalist: Die späte Leipziger Zeit (1739- 1750)

Im Mai des Jahres 1739 steht bei der Familie Bach ein trauriges Ereignis ins Haus. Der Sohn Johann Gottfried Bernhard stirbt im Alter von vierundzwanzig Jahren. Johann Sebastian trifft dieses Ereignis nicht so stark, denn er sah seinen Sohn Johann Gottfried Bernhard immer als einen Versager und missratenen Sohn an.

Etwas später, noch in diesem Jahr, etwa im Oktober, übernimmt Bach wieder die Leitung des „Collegium Musicum“, die ihm Carl Gotthelf Gerlach ohne Widerstand zurückgibt. Nach zweijähriger Pause hat Johann Sebastian wohl eingesehen, dass ihm nun die Vorgesetzten und der Stadtrat nicht mehr nachweinen und er somit auch das Amt wieder aufnehmen kann.

Fast auf den Tag genau erscheint sein dritter Teil der „Klavierübung“ ,der hauptsächlich aus Katechismuschorälen besteht. Es wird auch als „Opus III“ bezeichnet.

Am 19. Februar 1742 wird Johann Sebastian mit einem weiteren Kind beschenkt, denn seine Frau gebärt die Tochter Regina Susanna, die drei Tage später getauft wird.

Zwei Jahre später erscheint der vierte Band. In diesem Teil behandelt er ausgiebig das Bassfundament einer einzigen Arie, in der er aber bis an die dreißig Variationen jenes Bassfundaments komponiert hat. Wie schon bei den früheren „Klavierübungen“ wird das Werk als „Opus IV“ bezeichnet. In diesem Jahr noch, fängt Bach mit der Komposition des fünften Teils an. Er soll später als Kunst der Fuge als „Kunst der Fuge“ den Markt erobern. Zwölf Sätze schafft Bach in der Erstfassung in einer Partitur niederzuschreiben.

Insgesamt ist die späte Leipziger Zeit des Johann Sebastian Bach eine eher ruhigere Zeit, da dieser auch schon leicht altersschwach wird und dadurch da Regiment nicht mehr so straff hält, wie er es in beispielsweise der Weimarer Zeit (1708- 1717) hielt.

Etwa vier Jahre später, am 16. April 1746, bekommt das Haus Bach einen zweiten sehr erfolgreichen Organisten. Denn der Sohn Wilhelm Friedemann wird zum Organisten der Frauenkirche zu Halle bestallt. Diese Stelle reizte damals schon Vater Bach sehr. Er bewarb sich einst dort, trat dann aber doch von der Bewerbung zurück.

Im selben Jahr fügt Johann Sebastian zu dem bereits vorhandenen Korpus der „Kunst der Fuge“ weitere zwei Sätze hinzu. Außerdem bringt er um die Jahreswende den zweiten Teil des „Wohltemperierten Klaviers“ heraus, in dem es um Präludien und Fugen für Tasteninstrumente geht.

Am 7. und 8. Mai des darauffolgenden Jahres, 1747, besucht Johann Sebastian Bach Friedrich II. am Hofe in Potsdam, um ihn nach verlorenem Krieg10 ein Werk vorzuspielen, das später den Namen „Das Musikalische Opfer“ tragen wird. Diese Reise und dieses Werk wird den Kurfürsten gewidmet, denn Bach spekuliert immer noch mit einem sächsischen Ehrentitel, den er hier ganz nah vor Augen sah. Jenen Titel wird Bach aber nie mehr bekommen, da der Kurfürst nicht sehr freigiebig eingestellt ist, nachdem ihn seine Gegner im Krieg besiegt hatten.

In der ersten Jahreshälfte des Jahres 1748 greift Bach noch einmal das Werk der Kunst der Fuge auf. Wahrscheinlich will er es nun druckreif machen, aber als er sein Werk ein letztes Mal durchsieht, überfällt ihn der Wunsch nach einem noch vollkommeneren Gesamtwerk. Er zieht es aus dem Druck zurück und fängt an, es ganz neu zu erarbeiten. Er nimmt zwar die Grundzüge der einzelnen Stücke weiterhin auf, aber will diese drastisch verändern. Dies weist eine so starke und große Komplikation in der Fertigstellung auf, dass Bach es erst einmal wieder beiseite legt, nicht ahnend, dass er es nie fertig stellen wird.

Wieder ein Jahr darauf, 1749, spielt sich in Leipzig ein Schauspiel ab, das Bach nur mit stummer Rolle verfolgt. Es ist die Vorauswahl seines Nachfolgers. Der Stadtrat ahnte wohl schon, dass der nun wirklich stark alternde Johann Sebastian Bach nicht mehr lange unter ihnen verweilen wird. Am 8. Juni 1749 legt Gottlob Harrer, Leiter der Privatkapelle des kursächsischen Premierministers Heinrich Graf von Brühl, in Leipzig seine Kantoratsprobe ab, die ihn nach Abstimmung des Stadtrats zum neuen Organisten der Thomaskirche nach Ableben des jetzigen Organisten macht.

Noch in diesem Jahr erkrankt Johann Sebastian Bach am grauen Star, einer Augenkrankheit, die ohne Behandlung zur sicheren Erblindung führt. Aus diesem Grunde unterzieht sich Bach im März und April des darauffolgenden Jahres zweier Augenoperationen, die der „Okulist“ oder Starstecher John Taylor an ihn durchführt. Jene beiden Operationen haben aber nicht den erwarteten Erfolg. Die Folgen des schon zu weit fortgeschrittenen grauen Stars lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Kurz vor seinem Tode, am 28. Juli 1750, erblindet Johann Sebastian Bach. An jenem 28. Juli erleidet Johann Sebastian einen Schlaganfall mit anschließender Lungenentzündung. Auf diesen folgt ein hitziges Fieber, an welchem er Abend gegen 21.15 Uhr im sechsundsechzigsten Lebensjahr stirbt.

Am 30. Juli wird er auf dem Johannisfriedhof in gebührender Ehre durch die bedeutenden Persönlichkeiten der Stadt zu Grabe getragen. Frau Anna Magdalena beantragt gegen die Verpflichtung, nicht wieder zu heiraten. Hier sieht man, wie sehr sie ihren Gatten liebte und auch immer noch nach seinem Ableben liebt. Die Hinterlassenschaft Bachs ist mit etwa 1000 Talern keinesfalls sehr hoch, aber ausreichend, um als sparsame Witwe mit Kindern zu überleben.

8. Eigene Meinung

Bachs Leben war meiner Meinung nach sehr erfüllt. Er bekam fast immer genau das, was er haben wollte. Jede Bewerbung wurde positiv entschieden. Insgesamt war Bach eine Persönlichkeit, die wusste, was sie wollte. Er hatte eine gerade Linie, die er auch stur verfolgte. Streitigkeiten konnte er so allerdings nicht entgehen. Er hatte eine wunderbare Familie, die ihn liebte und ehrte. Er hatte erfolgreiche Söhne, die die Familie Bach in die Zukunft hinein weiter repräsentierten. Er war nicht arm und konnte sich so ein „sorgenloses“ Leben finanzieren, was in der damaligen Zeit keineswegs normal war.

Im Großen und Ganzen hatte er ein erfolgreiches, erfülltes, erlebnisreiches, abwechslungsreiches Leben.

Da ich selber Klavier und Orgel als Instrument spiele, war die Entscheidung für mich, ein Referat über Bach zu halten, nicht schwer zu fällen. Bach, der abwechslungsreich, aber auch traditionell komponierte hat etwas magisches für mich. Wenn ich am Klavier sitze, dann zieht es mich sozusagen in einen Bann, der mich weiter und weiter spielen lässt. Man kann bei Johann Sebastians Musik für sich selbst Variationen, beispielsweise bei der Artikulation erstellen. Man kann seine gesamten Gefühle in die Musik und die Tasten werfen und nach Gefühlsschwankungen die Betonung wechseln. Das Faszinierende ist auch, dass man sich in jeder Lebenssituation auf Bachs Musik stützen kann und sich so den zum Beispiel angestauten Frust von der Seele spielen kann. Es gibt bei ihm immer eine Möglichkeit seine Gefühle zu integrieren.

Man könnte meinen, dass ein anderer großer Komponist jener Zeit, Georg Friedrich Händel, der im gleichen Jahr wie er geboren ist, berühmter und wichtiger sei, Händel zog es immerhin nach Hamburg, Bach dagegen blieb immer im thüringisch- sächsischen Raum und wirkte nur dort. Aber für mich ist Bach der größte Komponist aller Zeiten. Ich sehe das so wie Robert Schumann: „ Die Quellen werden im großen Umlauf der Zeit immer näher an einander gerückt. Beethoven brauchte beispielsweise nicht alles zu studieren, was Mozart-, Händel nicht, was Palestrina-, weil sie schon die Vorgänger in sich aufgenommen hatten. Nur aus Einem wäre von Allem immer von Neuem zu schöpfen. - aus J. Seb. Bach!11

9. Zeugnisse

12 Hier einige Zeugnisse:

Friedrich Rochlitz über eine Begegnung Wolfgang Amadeus Mozarts mit der Musik Bachs. (1798)

Auf Veranstaltungen des damaligen Kantors an der Thomasschule in Leipzig, des verstorbenen Doles, überraschte Mozarten das Chor mit der Aufführung der zweychörigen Motette: Singet dem Herrn ein neues Lied - von dem Altvater deutscher Musik, von Sebastian Bach. Mozart kannte diesen Albrecht Dürer der deutschen Musik mehr vom Hörensagen, als aus seinen selten gewordenen Werken. Kaum hatte das Chor einige Takte gesungen, so stutzte Mozart - noch einige Takte, da rief er: Was ist das? - und nun schien seine ganze Seele in seinen Ohren zu seyn. Als der Gesang geendigt war, rief er voll Freude: Das ist doch einmal etwas, woraus sich was lernen lässt! - Man erzählte ihm, das diese Schule, an der Sebastian Bach Kantor gewesen war, die vollständige Sammlung seiner Motetten besitze und als eine Art Reliquien aufbewahre. Das ist recht, das ist brav - rief er: zeigen Sie her! - Man hatte aber keine Partitur dieser Gesänge; er ließsich also die ausgeschriebenen Stimmen geben - und nun war es für den stillen Beobachter eine Freude zu sehen, wie eifrig sich Mozart setzte, die Stimmen um sich herum, in beide Hände, auf die Kniee, auf die nächsten Stühle vertheilte, und, alles andere vergessend, nicht eher aufstand, bis er alles, was von Sebastian Bach da war, durchgesehen hatte. Er erbat sich eine Kopie, hielt diese sehr hoch, und - wenn ich nicht sehr irre, kann dem Kenner der Bachschen Kompositionen und des Mozartschen Requiem (von diesem in der Folge mehr) besonders etwa der großen Fuge Christe eleison - das Studium, die Werthschätzung, und die volle Auffassung des Geistes jenes alten Kontrapunktisten bey Mozarts zu allem fähigen Geiste, nicht entgehen13

Johann Wolfgang von Goethe (1827)

Wohl erinnerte ich mich bey dieser Gelegenheit an den guten Organisten von Berka; denn dort war mir zuerst, bey vollkommener Gemüthsruhe und ohne äußere Zerstreuung, ein Begriff von eurem Großmeister [Bach] geworden. Ich sprach mir’s aus: als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte, wie sich’s etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung, möchte zugetragen haben, so bewegte sich’s auch in meinem Innern und es war mir als wenn ich weder Ohren, am wenigsten Augen, und weiter keine übrigen Sinne besäße noch brauchte.14

Ernst Bloch (1918)

Es ist bei Mozart das weltliche, bei Bach das geistliche Ich, das gegenständlich wird. Wie Mozart auf eine bewegte Art, leicht, frei, beschwingt gelöst und glänzend die Gefühle klingend macht, so zeigt Bach auf eine gemessene Art, schwer, eindringlich, gebunden, hart rhythmisierend, glanzlos tief das Ich und sein emotionales Inventar.15

Insgesamt 7922 Wörter

[...]


1 Im 17. Jahrhundert eine Diskantcister

2 Zitat: Martin Geck, Johann Sebastian Bach - Monographie, Seite 44, 1. Absatz, Zeile 1 + 2

3 geboren: 1710, gestorben: 1784

4 geboren: 1714, gestorben: 1788

5 Zitat: Martin Geck, Johann Sebastian Bach - Monographie, Seite 53, 2. Absatz, Zeile 10 + 11 7

6 geboren: 1660, gestorben: 1722

7 Zitat: Martin Geck, Johann Sebastian Bach - Monographie, Seite 115, 2. Absatz, Zeile 14 -17 10

8 geboren: 1732, gestorben: 1795

9 geboren: 1735, gestorben: 1782

10 Zweiter Schlesischer Krieg (1744/1745)

11 Zitat: Martin Geck, Johann Sebastian Bach - Monographie, Seite 185

12 Zitate: Martin Geck, Johann Sebastian Bach - Monographie, Seite 184 15

13 Nach: Bach- Dokumente, Bd. 3, S. 558 f.

14 Nach: Weimarer Ausgabe, Bd. IV, 42/ 376

15 Nach: Geist der Utopie. Frankfurt a. M. 1964, S. 75

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Bach, Johann Sebastian
Note
12 Punkte
Autor
Jahr
2002
Seiten
16
Katalognummer
V106618
ISBN (eBook)
9783640048977
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bach, Johann, Sebastian
Arbeit zitieren
Matthias Behnsen (Autor:in), 2002, Bach, Johann Sebastian, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106618

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