Inhalt
1 Einleitung
2 Zur Geschichte der Hochbegabtenförderung
- Allgemein
- in Deutschland
3 Zur Definition von Hochbegabung
4 Gesellschafts- und bildungspolitische Aspekte
- Prinzipien
- Akzelerationsprinzip
- Enrichmentprinzip
- Groupings-prinzip
- Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind e.V
- Die Jugenddorf - Christophorus Schule in Braunschweig
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
1.Einleitung
Diese Arbeit beschäftigt sich mit grundsätzlichen Ansichten der Hochbegabtenförderung. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Darstellung der gesellschaftlichen und bildungspolitischen Probleme, die vor allem seit den 1980iger Jahren in der Fachliteratur, in Hochbegabtenvereinen und auf Tagungen in der Bundesrepublik Deutschland vertreten und diskutiert werden. Als mit der Recherche begonnen wurde, fiel auf, dass sich viele Autoren auf Erfahrungen und Forschungsberichten des angloamerikanischen Raums beziehen. Durch die intensive Arbeit mit Aufsätzen der vergangenen 10 Jahre konnte festgestellt werden, dass die Thematik der Hochbegabtenförderung im deutschem Schulsystem angesprochen wird. Jedoch wird sie eher auf Forschungsebene vorangetrieben, als nach wirklichen integrativen und individuellen Bedürfnissen des Schülers zu fragen. Noch allzu oft ist der Begriff der Hochbegabtenförderung in Deutschland mit soviel Negativen belastet, wie es im Hauptteil der Arbeit dargelegt werden wird. Bei Überlegungen zur Frage der Förderung besonderer Begabungen muss deutlich werden, dass dies kein endloses Unterfangen offenbart, dass es hier nicht um ein überflüssiges, absonderliches pädagogisch- psychologisches Randthema geht.
Es geht letztlich auch um Klärungen von Persönlichkeitsrechten ,sowie um Zukunftsfragen einer sich weiterentwickelnden Gesellschaft im globalen Rahmen. Dabei wird eine Kernfrage pädagogischen Selbstverständnisses und die Aufgabe von Schule sowie die Frage nach dem Menschenbild berührt.
Hinter der Forderung nach Förderung von Begabungen als einem demokratischen Anspruch stehen bestimmte Vorstellungen vom Bild des Menschen und seiner Entwicklung; sie ist eng mit pädagogischen Zielsetzungen verbunden und stellt in der Umsetzung beträchtliche pädagogische Herausforderungen dar. Eine solche Sichtweise ist mit einem bestimmten Bild vom Lehrer und seiner Rolle verknüpft.
Schon in den 80er Jahren hat es auf Bundesebene eine Reihe von Initiativen gegeben, von Forschungsförderung über die Einrichtung von Wettbewerben und Schülerakademien bis zu einem breiten Programm der Begabungsförderung in der beruflichen Bildung. Auf Länderebene finden sehr unterschiedliche Offenheiten, Bestrebungen und Maßnahmen, wie z.B. die Plus-Kurse in Bayern, die zusätzlichen Arbeitsgemeinschaften in Baden-Württemberg, die D-Zug-Klassen in Rheinland-Pfalz, das Sofortprogramm in Sachsen-Anhalt, Spezialschulen und - klassen in Thüringen, explizite Formulierungen im Brandenburgischen Landesgesetz, statt. Wenn heute offen und sachlich über diese Fragen diskutiert werden kann, so ist dies wesentlich der Informations- und Aufklärungsarbeit der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind (mit Unterstützung des Bundes) und anderer Initiativen wie dem Arbeitskreis Begabungsforschung und Begabungsförderung (ABB) zu verdanken.
Eine letzte Vorbemerkung: Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird bei Personen die traditionelle männliche Form verwendet, die jedoch stets beide Geschlechter in gleicher Weise meint.
2. Zur Geschichte der Hochbegabtenförderung
Allgemein
Moderne Hochbegabungsforschung ist ca. 100 Jahre alt. Für die Entstehung dieser Forschung kann man nicht das Wirken eines einzelnen Forschers oder Umwälzungen in einer bestimmten Disziplin verantwortlich machen, sondern es sind eine Vielzahl von - einander teilweise völlig entgegengesetzten - Vorgehensweisen, die Impulse und Anregungen gaben. Die Ursprungsjahre der Hochbegabungsforschung sieht man zwischen 1880 und 1905, wo die ersten systematischen Intelligenzprüfungen von Binet1 entwickelt wurden. Weitere wichtige Namen sind die von Stern2und Terman3.
Stern war einer der ersten, der die Meinung vertrat, dass Hochbegabung nicht einseitige und erblich hohe festgelegte Intelligenz bedeute, die in ausgezeichneten Leistung zum Ausdruck komme, sondern zusätzliche Faktoren ( „die Stärke des Interesses und die Tüchtigkeit der Willenssphäre„ ) mit hinzutreten müsse. Außerdem war er der Meinung, dass Talente sich nicht von selbst realisieren und hat deswegen auf die Notwendigkeit von Begabtenförderung hingewiesen.
Terman begann schon ab 1910 sich mit der Hochbegabungsfrage zu beschäftigen.
Erst propagierte Terman eine Einfaktorentheorie der Hochbegabung, nach der hohe Intelligenz ausschlaggebend für Leistungsfähigkeit sei. Später relativierte er diese Theorie in dem Sinne, dass auch soziale Faktoren ebenso wie Persönlichkeitsmerkmale im entscheidenden Maße zur Realisierung von Begabung beitragen.
Hochbegabtenförderung in Deutschland
B. Feger hat bei ihren Recherchen zur Geschichte festgestellt, dass in der deutschen Literatur zur Hochbegabtenförderung „praktisch nur die Entwicklungen in anderen Ländern, vor allem in den USA, dargestellt werden“.4 Die ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhundert gab es sowohl theoretische Überlegungen als auch verschiedene Projekte im Zusammenhang mit dem Finden und Fördern von Kindern mit hoher Begabung, z.B. im Jahre 1900 das „Mannheimer Schulsystem“ von Sickinger5. Ein Versuch Kinder gemäß ihrer Begabung zu behandeln. Es fand eine Differenzierung nach Schwachbefähigten, Normal- und Gutbegabten statt. Im Jahre 1925 wurde die Studienstiftung des deutschen Volkes gegründet. Es waren auch verschiedene jugendkundliche Institute in mehreren Städten gegründet worden, wo man Verfahren zur Auswahl der Hochbegabten erprobte und darstellte.
In den 1930iger bis 1940iger Jahren blieb wegen der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, die Hochbegabtenforschung und Hochbegabtenförderung aus, da viele bedeutende Wissenschaftler emigrieren mussten.
Zu Beginn der 1950iger Jahre lebte die Forschung wie auch die Förderung wieder auf. Es erfolgt die Neugründung der Studienstiftung, die Gründung des Institutes für Talentstudien, des Institutes für Test- und Begabungsforschung, verschiedene neue Projekte entstehen, Forschungen werden vorrangetrieben usw. Eine bedeutende Studie unserer Zeit ist die Münchener Hochbegabungsstudie (Planung und Durchführung in Jahren 1984-1988). Ausgegangen wurde von einer großen überregionalen Stichprobe mit sechs Alterskohorten zwischen 6 und 18 Jahren. Es wurden Daten von (hoch-) begabten Schülern aus Baden-Württemberg, Bayern und Berlin zu drei Messzeitpunkten in den Jahren 1986-1988 erhoben.
3. Zur Definition von Hochbegabung
Schaut man heute in ein gängiges Wörterbuch der Psychologie, muss festgestellt werden, dass es keine Definition zu dem Begriff Hochbegabung gibt oder die Erklärung auf einen nur partiellen Teil der Hochbegabungsbeschreibung eingeht. Daher wird auch in dieser Arbeit keine allumfassende Definition des Begriffs erfolgen können.
Hochbegabung, genauso wie Intelligenz, Kreativität usw., ist ein hypothetisches Konstruktbegriff. Deswegen hängen die Definitionen von der jeweiligen theoretischen Bezugsbasis ab. In einem relativ weiten Begriffsverständnis lässt sich Begabung als das Insgesamt personaler (kognitiver, motivationaler) und soziokultureller Lern- und Leistungsvoraussetzungen definieren, wobei die Begabungsentwicklung als Interaktion (person-)interner Anlagefaktoren und externer Sozialisationsfaktoren zu verstehen ist ( vgl. K. A. Heller,1992)6. Intelligenz wird als Fähigkeit betont, sich an neue, bislang unbekannte Aufgaben- und Problemsituationen bzw. Umweltbedingungen anzupassen. Das soll unter ökonomischen Ansatz von Mitteln geschehen. Bei der Hochbegabung spricht man von einem IQ über 130, das sind 5-10% der Allgemeinbevölkerung.
4. Gesellschafts- und bildungspolitische Aspekte
Beim Recherchieren für diese Arbeit traf man in mehreren Standardwerken zur Thematik der Hochbegabtenförderung und Forschung auf verschiedene Kernaussagen: Zuerst werden die Argumente gegen die Beschäftigung mit Hochbegabten und anschließend die Gründe, die eine Auseinandersetzung mit der Förderung und Forschung der Hochbegabten befürworten, angeführt.
So stellte H. Bartenwerfer 19817in einem Aufsatz fest, dass gängige Meinungen sich wie folgt artikulieren: „...Besondere Förderung von Hochbegabten könnte entbehrlich sein, da Hochbegabte gegenüber anderen ohnehin im Vorteil wären“ und sie könnten sich „ selbst die Voraussetzungen für die Erbringung von Hochleistungen“ schaffen. Dazu bemerkt er selbst, dass diese „ Position recht bequem sei“, doch verstöße „ der Gedanke gegen die anerkannte pädagogische Maxime, jeden jungen Menschen zur vollen Entfaltung seiner geistigen Möglichkeiten zu bringen“. Weiterhin führt er an, das dies „ sozialschädlich“ sei, weil dies „ gegen die Erschließung wichtiger Ressourcen für die Allgemeinheit wirkt“. Dennoch relativiert er seine Äußerungen und nennt den Gedanken, „ Hochbegabte setzen sich ohnehin durch, eine Halbwahrheit“. Da Hochbegabte oftmals wirklich fähig sind, selbständig „ Entwicklungsreize und Anregungen“ zu suchen und zu finden. Aber gerade diese Position zur Hochbegabtenförderung beinhaltet die größte Gefahr, da anhaltende Erziehungsmängel oder gar Entmutigungen stets ihre niederdrückenden Folgen auf den Lern- und Sozialisationsbereich haben. So macht ein Grundschüler bei ausbleibenden Reizen und Anregungen die Erfahrung, dass alles im Leben ohne Anstrengung erhältlich sei. Da diese Kinder schneller den dargebotenen Unterrichtsstoff erfassen und verarbeiten, fehlen ihnen oft Fertigkeiten bei Lernstrategien. Dieses Fehlen von Lernstrategien führt in den weiterführenden Schulen, besonders in Sprachfächern ,zum Schulversagen.Neben diesen fehlenden Lernstrategien werden Hochbegabte meist einen Konformitätsdruck unterworfen, so dass sie kaum vom Lehrer und der Klassengemeinschaften wahrgenommen werden, da sie nicht anders seien wollen, als ihre Altersgenossen.
Weitere Einwände gegen die Beschäftigung mit der Hochbegabung sind zum einen das Kostenargument. Zum anderen besteht die Gefahr einer Chancenminderung für nicht hochbegabte Kinder, denen durch die Hochbegabtenförderung Lerngelegenheiten entzogen würden. Zum dritten unterstütze man mit der Hochbegabtenförderung falsches Elitebewusstsein und erziehe Hochbegabte zu arroganten Außenseitern, weil die Diskrepanz zwischen „unreifen„ Gefühlen und „reifer„ Intelligenz sich vergrößern würde.Dies könne zu einer ungünstigen Persönlichkeitsentwicklung führen, die das Außenseitertum verstärkt.Zudem beständen bewährte außerschulische Angebote: Bibliotheken, Museen, Sportvereine usw.
Argumente für eine Beschäftigung mit der Hochbegabung sind u.a., dass sich Hochbegabung nicht immer von selber durchsetze (hochbegabte Schulversager seien gar nicht so selten). Die Förderung ist ein Grundrecht jedes einzelnen auf optimale Entwicklungschancen. Die Nichtförderung kann wegen Diskrepanz zwischen dem Ist- und Soll (oder Kann) - Zustand gravierende Folgen haben: z.B. Disharmonie mit sich und sozialer Umgebung, Verhaltens- und Kontaktstörungen, schulischer Leistungsabfall, Erhöhung des psychiatrischen Risikos (z.B. Anorexia nervosa8).
Prinzipien zur Förderung
Hier sei auf drei Förderprinzipien verwiesen. Dies sind die gängigsten Verfahren. Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche Ansätze und Modelle.
Akzelerationsprinzip
Das Akzelerationsprinzip setzt an den individuellen Stärken an und ist eine der effektivsten Förderungsstrategien. Danach absolvieren Schüler das obligatorische Curriculum in den Fächern, wo sie besonders begabt sind, beschleunigt (akzeleriert), also in einer wesentlich kürzeren Zeit als die Alterskameraden. Organisatorische Formen hierfür sind sog. Steilkurse, D-Zugklassen ( hier wird das hohe Tempo von Gleichbefähigten nicht durch langsamere Schüler beeinträchtigt ), schulische Arbeitsgemeinschaften, das Überspringen einer oder mehrerer Klassenstufe(n), vorzeitige Einschulung, vorgezogene Abitur- oder Hochschulprüfungen.
Enrichmentprinzip
Das Enrichmentprinzip zielt auf breitere Persönlichkeits- und Entwicklungs- förderung. Durch Anreicherung9(enrichment) des Themenangebotes bewirkt man Herausforderung hochbegabter Jugendlichen. Das Hauptaugenmerk kann dabei nicht nur den individuellen Stärken gelten, sondern auch auf weniger hoch ausgeprägte Fähigkeitsbereiche gerichtet sein (Kompensationsprinzip). Das erreicht man z.b. durch anspruchsvolle Aufgaben ( oft mit seltener Thematik ), Sonderklassen mit speziellem Lehrplan. Ebenso bietet das Kurswahlsystem der gymnasialen Oberstufe zahlreiche Möglichkeiten.
Groupings-prinzip
Das Groupings-prinzip bietet begabten Schülern die Möglichkeit, zusammen mit gleichaltrigen Hochbegabten zu lernen, was für die Persönlichkeits- und soziale Entwicklung eine wichtige Grunderfahrung darstellt (z.B. zur Bildung eines realistischen Selbstkonzeptes).Beispiele dafür wären Sondertagsklassen (wo hochbegabte Schüler mind. einen ganzen Schultag pro Woche zu einer Lerngruppe zusammengefasst werden), pull-out-groups (für bestimmte Aktivitäten werden Hochbegabte aus dem normalen Unterricht herausgenommen), cluster grouping (Gruppenbildung innerhalb regulärer Schulklassen), adjunct programs (kleine Interessengruppen außerhalb der Schulzeit ).
In der Praxis kombiniert man häufig diese Formen. Zusätzliche Maßnahmen wären unter anderem Einsatz von Berater, die in erster Linie dem Lehrpersonal zur Verfügung stehen (Helfen in Fragen des Lehrplans, Unterrichtsgestaltung usw.). Hochbegabtenlehrer, die als Springer eingesetzt werden (unterrichten regelmäßig in bestimmten Schulen, wobei hochbegabte Kinder vorübergehend ihre reguläre Klasse verlassen). Günstigere organisatorische Rahmenbedingungen für eine differenzierende Förderung von Begabungen könnten sich durch stärkere Autonomie der einzelnen Schulen bezüglich Stundentafeln, Fächerschwerpunkten und Verteilung, Entwicklung von Schulprofilen, Flexibilisierung von Arbeits- und Unterrichtszeiten, mehr vollen Halbtags- und Ganztagsschulen, Durchlässigkeit von Klassenjahrgängen usw. ergeben. Insgesamt gesehen wäre eine größere Flexibilisierung, Diversifizierung, Dynamisierung sowohl in institutionell- organisatorischer als auch in curricular-inhaltlicher und in didaktisch- methodischer Hinsicht wünschenswert. Das impliziert auch eine notwendige Offenheit der Schulbehörden gegenüber vielfältigen Schul-Versuchen. Die potentielle Variationsbreite offener Lernsituationen bietet zum einem Anknüpfungspunkte für ganz unterschiedliche Begabungen und damit zum zweiten Herausforderungen im Sinne eines begabungs-förder-diagnostischen Konzepts. So wird häufig überhaupt erst erkennbar, "über welche spezifischen Kenntnisse, Begabungen, Interessen einzelne Schüler in der Tat verfügen; im Unterricht bleiben diese häufig unentdeckt, weil entsprechende Artikulations- und Identifikationsmöglichkeiten fehlen"10(Schirp 1995, S. 91)
Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind e.V.
Die Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind (DGhK) ist ein bundesweit tätiger gemeinnütziger Verein, in dem sich betroffene Eltern, Pädagogen, Psychologen sowie andere Interessierte ehrenamtlich für die Förderung hochbegabter Kinder einsetzen. Die DGhK wurde 1978 von einer Reihe von Wissenschaftlern und betroffenen Lehrern gegründet. Seitdem ist die Mitgliederanzahl vor allem durch Beitritt betroffener Eltern mit ihren Kindern stetig gestiegen. Mittlerweile gehören bundesweit ca. 6.000 Mitglieder und ca. 10.000 Kinder aus allen sozialen Schichten unserer Gesellschaft an. Zweck des Vereines ist die Förderung hochbegabter Kinder und Jugendlicher.
Die Bildungspolitischen Forderungen der DGhK wurden von Mitgliedern und wissenschaftlichen Beirat gemeinsam erarbeitet und im sog. „Frankfurter Papier“11niedergelegt. Dieses „ Papier“12wurde in „ Übereinstimmung mit den Wahlprogrammen der Parteien“ zur Verbesserung der „ gesamt unbefriedigenden schulischen Situation hochbegabter Kinder“ verabschiedet.
Die Jugenddorf-Christophorus Schule - ein besonderer Fall
Als ein Beispiel für die Selektivförderung von Hochbegabten soll hier die Jugenddorf-Christophorus Schule in Braunschweig, eine staatlich anerkannte Ganztagsschule in privater Trägerschaft mit angeschlossenem Internat, vorgestellt werden. Die Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig ist eine von über 100 pädagogischen Einrichtungen des Christlichen Jugenddorfwerkes Deutschlands (CJD), dem größten freien Bildungs- und Ausbildungswerk der Bundesrepublik Deutschland.
Wie schon bei Bartenwerfer angeführt haben Hochbegabte zwei Hauptprobleme.
Zum einem die Umsetzung von Begabung in Leistung und zum anderem die Probleme im Sozialverhalten.
Diese Schule hat es sich zur Aufgabe gemacht, die beiden Hauptprobleme anzugehen. Zur Verdeutlichung wird aus den „Pädagogischen Grundvorstellungen“13zitiert. In diesem Fördermodell soll ausgehend von der hohen kognitiven Leistungsfähigkeit, die grundsätzlich als positiver Wert und als Stärke akzeptiert und anerkannt wird, mit dem Schüler auf allen Gebieten seiner Persönlichkeit gearbeitet werden. Durch diese Anerkennung eines bisher oft verleugneten oder belastenden Teils seiner Persönlichkeit, seiner besonderen intellektuellen Begabung, erfährt der Schüler eine Wertschätzung, die sich stabilisierend auf sein Selbstkonzept auswirkt. Es ist eine wichtige Aufgabe des Fördermodells, spitzenbegabten Schülern Selbstvertrauen und Einstellungen zu vermitteln, die sie befähig , mit ihrer Umwelt zu interagieren und allgemein verständliche Strategien im Umgang mit den Mitmenschen zu entwickeln. Durch den Aufbau der Persönlichkeit und die Steigerung der Selbstakzeptanz wird der Schüler befähigt, aktiv am sozialen Geschehen teilzunehmen. Darüber hinaus kann er hineinwachsen in eine ihm angemessene Rolle im gesellschaftlichen Leben wie in der Arbeitswelt. Er kann lernen, berechtigte Forderungen einzelner sozialer Gruppen oder der Gesellschaft im ganzen zu akzeptieren und ihnen zu entsprechen. Somit kommt - wie immer in der pädagogischen Arbeit - die Förderung des einzelnen ihren Auswirkungen nach der Gesamtheit zugute.
5.Fazit
Es geht sicher nicht darum, dass Schule in bezug auf die Förderung besonderer Begabungen nun total umzukrempeln ist und möglichst gleich umfassende Modelle umgesetzt werden sollen. Es kommt vielmehr darauf an, praktisch zu beginnen; von kleinen individuellen Maßnahmen, die natürlich auch schon zusätzliches pädagogisches Denken und Bemühen erfordern, zu größeren schulisch getragenen Maßnahmen. An die Förderung hochbegabter Kinder wäre da gar nicht zu denken, es sei denn, die Schule würde mit zusätzlichen Lehrerstunden ausgestattet. Dieser Standpunkt ist verstehbar und wohl auch zum Teil wahr und richtig. Es scheint allerdings, dass es häufig am konkreten „Fördernwollen“( Bartenwerfer)14mangelt; denn das ist die erste Voraussetzung für eine Förderung besonderer Begabungen. Der weiteren Bedarf es neben pädagogischer Handlungskompetenz und methodisch-didaktischer Phantasie vor allem der Flexibilität und Offenheit, nicht nur auf Seiten von Lehrern und Schulleitung sondern auch in Schulaufsichtsbehörden und Ministerium.
Von daher ist auf eine veränderte Schule hinzuarbeiten, die für eine sehr viel stärkere begabungsentwickelnde und begabungsgerechte Förderung aller Schüler steht, um alle Begabungen auszubilden. "Im Sinne einer Forderung nach Chancengleichheit kann aber eine größere Offenheit und Breite der Bildungsangebote die Chancen für Hochbegabte vor allem aus sozial und kulturell weniger adaptierten bzw. sozi-ökonomisch benachteiligten Minderheiten und Schichten verbessern"15(Urban 1993b, S. 50).
6.Literaturverzeichnis
Bartenwerfer, H.: Hochbegabte- eine vergessene Minderheit, Grundfragen und Erkennungsprobleme. In Mitteilungen und Nachrichten des DIPF 102/103. 1981. S.47-58
Geuss, H.; Urban, K.K.: Hochbegabung. In: Wieczerkowski, W.; zur Oeveset,
H. (Hrsg.): Lehrbuch der Entwicklungspsychologie, Bd. 3. Düsseldorf: Schwann. 1982. S. 85-110.
Giese, E.: Neuorientierung in der Bildungspolitik. Ein Gebot der Chancengleichheit. Labyrinth 8(17). 1985. S. 7-10.
Heinbokel, A.: Überspringen von Klassen. Münster: Lit., 1996.
Heller, K.A.: Hochbegabung im Kindes- und Jugendalter.Hogrefe. 1992.
Heitzer, M.: Hochbegabte in unserem Bildungssystem. Hrsg. Internationaler Arbeitskreis Sonnenberg. Braunschweig. 1984.
Im Labyrinth. Hochbegabte Kinder in Schule und Gesellschaft.Hrsg. Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind e.V. Münster, 2001.
Schirp, H.: "Öffnung von Schule" - ein Beitrag zur differentiellen Begabungsförderung. In: Urban, K.K. (Hrsg.): Begabungen entwickeln, erkennen und fördern. Hannover: Universität, FB Erziehungswissenschaften I. (= Theorie und Praxis. Bd 43).1995.S. 90-94.
Sprengel, H.-J.: Das neue Brandenburgische Schulgesetz und die Begabtenförderung. Schulverwaltung MO 4/97. 1997. S. 114-115.
Urban, K.K.: Offenheit - eine "Zauberformel" für die angemessene Förderung von Begabungen?! In: Oswald, F.; Klement, K. (Hrsg.): Begabungen - Herausforderung für Bildung und Gesellschaft. Wien: Jugend & Volk.1993b. S. 43-52.
Weinert, F.E.& Wagner,H.: Die Förderung Hochbegabter in der Bundesrepublik Deutschland: Probleme, Perspektiven. Bad Honnef. 1987.
[...]
1Alfred Binet , Psychologieprofessor, entwickelte im Auftrag des französischen Erziehungsministerium 1905 den ersten IQ-Test, um mögliche Lernbehinderungen bei Kindern objektiv zu erkennen
2Psychologe und Philosoph (1871-1938) der sich mit der Psychologie der frühen Kindheit bis zum 6.Lebensjahr beschäftigte.
3 Lewis Madison Terman ( 1877-1906) gilt als einer der bedeutendsten Intelligenzforscher des 20. Jahrhundert. Er gehörte zu den ersten amerikanischen Psychologen, die das von Binet entwickelte Instrumentarium der Intelligenztests aufgegriffen und für die amerikanische Praxis weiterentwickelte.
4Feger,B.: Hochbegabtenforschung und Hochbegabtenförderung in Deutschland: Ein Überblick über 100 Jahre. In W. Wieczerkowski. Hochbegabung, Gesellschaft, Schule. Ausgewählte Beiträge aus der 6. Weltkonferenz über Hochbegabte und Talentierte. Bad Honnef, 1986, S.67-81.
5Am 4. Januar 1901 genehmigte der Mannheimerstadtrat dieses „System“. Der geistige Vater war der Schulreformator Joseph Anton Sickinger( 1858-1930).
6Heller, K.A.: Hochbegabung im Kindes- und Jugendalter. Hogrefe, 1992
7Bartenwerfer, H.: Hochbegabte- eine vergessene Minderheit, Grundfragen und Erkennungsprobleme. In Mitteilungen und Nachrichten des DIPF 102/103. 1981. S.47-58
8Anorexia nervosa ist die medizinische Diagnose für organisch nicht begründbare, also „ nervöse“ Abmagerung
9 wörtlich müsste es Einreicherung heißen, aber wegen dem besserem Verständnis wird hier Anreicherung verwendet
10Schirp, H.: "Öffnung von Schule" - ein Beitrag zur differentiellen Begabungsförderung. In: Urban, K.K. (Hrsg.): Begabungen entwickeln, erkennen und fördern. Hannover: Universität, FB Erziehungswissenschaften I. (= Theorie und Praxis. Bd 43), 1995, S. 90-94
11 Im Labyrinth. Hochbegabte Kinder in Schule und Gesellschaft.Hrsg. Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind e.V. Münster, 2001.
12Gemeinsame Resolution des wissenschaftlichen Beirats und des Vorstandes der DGhK vom 4.3.1995 in Franfurter Main
13Pädagogische Grundvorstellungen der Jugenddorf-Christophorusschule Braunschweig. Braunschweig, 1981( Konzept).
14Bartenwerfer, H.: Hochbegbate- eine vergessene Minderheit, Grundfragen und Erkennungsprobleme. In Mitteilungen und Nachrichten des DIPF 102/103. 1981. S.47-58
15Urban, K.K.: Offenheit - eine "Zauberformel" für die angemessene Förderung von Begabungen?! In: Oswald, F.; Klement, K. (Hrsg.): Begabungen - Herausforderung für Bildung und Gesellschaft. Wien: Jugend & Volk, 1993b, S. 43-52
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- Anita Gerlach (Autor:in), 2002, Gesellschaftliche und bildungspolitische Aspekte der Hochbegabtenförderung im deutschen Bildungssystem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106657