Ende der Erwerbsarbeitsgesellschaft - Beginn der Tätigkeitsgesellschaft?

Eine Analyse des globalen Problems Arbeitslosigkeit und seiner individuellen Auswirkungen, sowie des Erwerbsarbeitssystems und seiner Transformationsmöglichkeiten in eine gerechtere (Arbeits-) Gesellschaft


Masterarbeit, 2005

119 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Wer hat Arbeit und wer ist arbeitslos? – eine Klärung der Begrifflichkeiten

3. Das Ende der Erwerbsarbeit? - eine Analyse des globalen Problems der Erwerbsarbeitslosigkeit
3.1 Globalisierung und Weltgesellschaft – eine Begriffsklärung
3.1.1 Globalisierung
3.1.2 Weltgesellschaft
3.2 Erwerbsarbeitslosigkeit in Deutschland und der Welt

4. Individuelle und gesellschaftliche Auswirkungen von Erwerbsarbeitslosigkeit
4.1 Die biopsychosoziale Theorie sozialer Probleme
4.2 Frustration von Bedürfnissen durch Erwerbsarbeitslosigkeit
4.3 Soziale Probleme durch Erwerbsarbeitslosigkeit

5. Entstehung der Erwerbsarbeitsgesellschaft und Gründe für die aktuelle Misere

6. Markt versus soziale und ökologische Verantwortung
6.1 Neoliberale und neoklassische Ökonomie
6.2 Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Innovation und Wirtschaftswachstum
6.3 Das sozialpolitische Verursacherprinzip

7. Der Exodus aus der Erwerbsarbeitsgesellschaft
7.1 Neue Arbeit, Neue Kultur
7.2 Das Haus der Eigenarbeit
7.3 Die Tätigkeitsgesellschaft
7.4 Gemeinwesenökonomie
7.5 Wie wir arbeiten werden
7.6 Die Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung
7.7 Wege in eine neue Vollbeschäftigung
7.8 Zwischenergebnis

8. Exkurs: Das Recht auf Arbeit
8.1 Das Recht auf Arbeit im deutschen Recht
8.2 Das Recht auf Arbeit und sein Zweck für diese Masterthesis

9. Soziale Arbeit und die neue Arbeitsgesellschaft

10. Der Stellenwert des Themas Erwerbsarbeitslosigkeit in der Ausbildung von Sozialarbeitern/innen – Interviews mit Lehrenden
10.1 Auswahl der Experten, Entwicklung eines Leitfadens für ein Experteninterview, Durchführung und Auswertung
10.2 Zusammenfassung der Interviews
10.3 Ergebnisse der Interviews und Schlussfolgerungen

11. Fazit

12. Anhang

13. Literatur und Quellenverzeichnis/ Erklärung zur Masterthesis

1. Einleitung

Erwerbsarbeitslosigkeit ist ein Problem unserer Zeit, das globale Dimensionen hat. Vielfältig sind die individuellen und gesellschaftlichen Probleme, die durch Erwerbsarbeitslosigkeit, besonders in den Industrienationen, verursacht werden. Denn hier ist es gelungen die Erwerbsarbeit binnen zwei Jahrhunderten ins Zentrum der Gesellschaft zu rücken. Jetzt, da die Erwerbsarbeit in der Krise steckt, befindet sich auch unsere Gesellschaft in der Krise.

Doch was machen wir, wenn sich die Situation in Bezug auf Erwerbsarbeitsplätze nicht mehr wesentlich zum Besseren verändert, wenn unser heutiges Wirtschaftssystem eine auch nur annähernde Vollbeschäftigung zum Funktionieren nicht braucht und aufgrund der Kosten, die eine Arbeitskraft verursacht, auch nicht anstrebt? Gibt es einen Weg, abseits von mehr Wirtschaftswachstum1, um Menschen, die momentan durch Erwerbsarbeitslosigkeit aus der Gesellschaft ausgeschlossen sind, wieder zu integrieren? Könnten diese Menschen nicht auch durch eine sinnstiftende, soziale, kulturelle oder individuell nützliche Arbeit integriert werden? Das viel beschworene „Ende der Arbeit“ könnte eine Chance für eine andere Arbeitsgesellschaft sein, die all diese Elemente umfasst, doch dafür ist ein Bruch mit dem bisherigen System von Nöten. Oder wie es André Gorz etwas pathetisch ausdrückt: „Wir müssen den Mut aufbringen, den Exodus aus der Arbeitsgesellschaft zu wagen. Sie besteht nicht mehr und kehrt nicht wieder zurück. Wir müssen sie begraben, statt ihr nachzutrauern, damit aus ihren Trümmern eine andere Gesellschaft entstehen kann.“ (André Gorz, Arbeit zwischen Misere und Utopie, S.9).

Die vorliegende Masterthesis will sich dem Thema Erwerbsarbeitslosigkeit und den daraus entstehenden sozialen Problemen aus dem Blickwinkel der Sozialen Arbeit nähern. Soziale Arbeit ist in vielfältiger Weise mit den von Erwerbsarbeitslosigkeit betroffenen Menschen in Kontakt und Erwerbsarbeitslosigkeit als gesellschaftliches Problem somit zugleich ein Problem der Sozialen Arbeit. In diesem Zusammenhang bewegt sich Soziale Arbeit im Spannungsfeld zwischen dem betroffenen Individuum und den verursachenden Entscheidungsprozessen, die sich auf lokaler, nationaler oder globaler Ebene abspielen.

Wenn Soziale Arbeit sich nicht nur mit der Linderung der Symptome zufrieden geben will, sondern parteilich für die (Menschen-) Rechte der bei ihr Hilfe suchenden Menschen eintreten möchte, muss Erwerbsarbeitslosigkeit daher eines ihrer Querschnittsthemen sein. Eine der Grundannahmen dieser Arbeit ist, dass Soziale Arbeit genau diese Aufgabe hat und sich in diesem Rahmen am Tripple-Mandat nach Staub-Bernasconi orientieren sollte. Neben dem Mandat für die Hilfesuchenden und dem Auftraggeber bzw. Arbeitgeber gibt es also noch ein Mandat für die eigene Profession, für die Sozialen Arbeit. Ihre advokatorische Funktion kann die Soziale Arbeit nur wahrnehmen, wenn sie um die Zusammenhänge, die zu sozialen Problemen führen, weiß und alternative Wege vorschlagen kann. Hierzu soll diese Arbeit einen kleinen Beitrag leisten.

Thematisch gibt es vier Schwerpunkte, die in 10 Kapiteln behandelt werden. Zuerst einmal soll die Entwicklung der Erwerbsarbeitslosigkeit mit Schwerpunkt auf die Industrienationen und hier im besonderen Deutschlands nachgezeichnet bzw. die Dimension des Problems verdeutlicht werden. Dabei werden Verknüpfungen zwischen globaler Wirtschaft und regionalen Entwicklungen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt aufgezeigt und die Phänomene Globalisierung und Weltgesellschaft beleuchtet. Die daraus entstehenden individuellen und sozialen Probleme werden unter Einbeziehung der biopsychosozialen Theorie von Werner Obrecht in Kapitel 4 behandelt. Durch diesen bedürfnistheoretischen Ansatz soll klar werden, wieso Erwerbsarbeitslosigkeit ein Problem für die Menschen ist und wie daraus gesellschaftliche Probleme entstehen können.

Es folgt ein Abriss über die Entstehung der Erwerbsarbeitsgesellschaft und ihre aktuelle Misere. Hier zeigt sich, wie kulturelle Determinanten unsere Bedürfnisse bestimmen und somit mitbedacht werden müssen, wenn eine Veränderung der Gesellschaft gelingen soll.

Im Anschluss werden Lösungsansätze, die auf eine Umgestaltung unserer heutigen (Arbeits-) Gesellschaft zielen, vorgestellt und kritisch geprüft. Bewusst soll hier kein vollständig neues Konzept erarbeitet werden, sondern unter den vielfältigen Modellen, die bereits vorhanden sind, nach den richtigen Ansätzen gesucht werden. Ideen für eine andere Arbeitsgesellschaft, die zur jetzigen Erwerbsarbeitsgesellschaft eine Verbesserung darstellen würden, gibt es bereits viele, nur fehlt ihnen bisher die breite Unterstützung. Den Konflikt hat Gorz in Kurzform wie folgt dargestellt: „…entweder erobern die lebendigen Aktivitäten die Macht über den gesellschaftlichen Produktionsapparat und –prozeß zurück, oder sie lassen sich von jenen immer umfassender unterwerfen.“ (Gorz, André, Arbeit zwischen Misere und Utopie, S. 104). Dabei geht es vor allen Dingen auch darum über die eigene Zeit frei verfügen zu können, „…es geht um die Möglichkeit, die persönliche Autonomie in einer Weise und einem Ausmaß zu entfalten, die sich nicht länger nach den Bedürfnissen [bzw. Interessen2 ] der Unternehmen richtet.“ (ebd. S. 104)

In diesem Zusammenhang werden die Idee der Neuen Arbeit von Frithjof Bergmann, der Tätigkeitsgesellschaft von Gerd Mutz, der Gemeinwesenökonomie von Susanne Elsen und der Bericht an den „Club of Rome“ von 1998 sowie das Modell der Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung vorgestellt. Des Weiteren werden die Ideen von Günther Schmid thematisiert, der sich mit den heutigen Sicherungs- und Fördersystemen beschäftigt und Veränderungsmöglichkeiten ausgelotet hat. Zuvor soll jedoch die Sozialverträglichkeit der Wirtschaft und ihre Haftbarmachung für die aktuellen Probleme diskutiert werden, um so einen übergeordneten sozialpolitischen Rahmen zu erhalten. So werden in Kapitel 6 zuerst die neoliberalen und neoklassischen Wirtschaftstheorien skizziert und ihnen dann die Idee der Sozialverträglichkeit und des sozialpolitischen Verursacherprinzips entgegengehalten.

Den dritten Schwerpunkt bildet ein Exkurs zum Recht auf Arbeit in internationalen Verträgen und seine Umsetzungsmöglichkeiten in Deutschland. Dabei muss auch der Sinn des Rechtes auf Arbeit in einer „neuen“ Arbeitsgesellschaft hinterfragt bzw. seine Ausgestaltung diskutiert werden.

Den Schluss und damit den vierten Schwerpunkt bildet die Frage, welche Konsequenzen sich für die Soziale Arbeit ergeben und wie sie zur Verbesserung unserer heutigen Arbeitsgesellschaft beitragen kann. Hier ist mit Sicherheit besonders der Bereich der Gemeinwesenarbeit interessant, denn sie könnte lokale Projekte initiieren und unterstützen. Um herauszufinden inwieweit das Thema „Erwerbsarbeitslosigkeit“ in der Ausbildung von Sozialarbeitenden bereits auf der Agenda steht, wurden an fünf Fachhochschulen Experteninterviews durchgeführt. Hier lag der Schwerpunkt auf Berlin und Brandenburg, so dass Lehrende der Alice-Salomon-Fachhochschule Berlin (ASFH), der Evangelischen Fachhochschule Berlin (EFB), der Katholischen Hochschule für Sozialwesen (KHS) und der Fachhochschule Potsdam (FHP) interviewt wurden. Da an der Fachhochschule München (FHM) mit dem Masterstudiengang „Gemeinwesenentwicklung, Quartiermanagement und Lokale Ökonomie“ bereits ein Studiengang besteht, der die Themen lokale Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik, Gemeinwesenökonomie abdeckt, wurde die FHM als fünfte Fachhochschule miteinbezogen. Sie dient somit dem Vergleich zu den Fachhochschulen aus Berlin und Potsdam.

Beginnen wir die Masterthesis nun aber nicht direkt mit dem ersten Schwerpunkt, sondern einer Begriffsdefinition. Eine klare Definition der Begriffe ist für eine genaue Darstellung der Materie nötig und so ist die folgende nur die erste einer Reihe von Begriffsdefinitionen. Erläutert wird, zuerst, warum in dieser Arbeit von Erwerbsarbeitslosigkeit und nicht etwa von Arbeitslosigkeit oder Erwerbslosigkeit gesprochen wird.

2. Wer hat Arbeit und wer ist arbeitslos – eine Klärung der Begrifflichkeiten

In vielen Zeitungen, Texten und Büchern werden immer wieder die Bezeichnungen „arbeitslos“ und „Arbeitslosigkeit“ verwendet, obwohl sie missverständlich sind. Daher muss der Definition des an Stelle dessen in dieser Arbeit verwendeten Begriffes „Erwerbsarbeitslosigkeit“ kurz Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Der Begriff Erwerbsarbeitslosigkeit ist bei weitem der präziseste, wenngleich er auch etwas ungelenk wirkt. Doch im Sinne einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dieser Thematik müssen präzise Begriffe benutzt werden. Die ebenfalls weit verbreitete Bezeichnung „erwerbslos“ würde z.B. nicht auf eine Person mit beträchtlichem Kapitalvermögen, die einzig von Erträgen und Zinsen lebt, passen. Eine gute, wenn auch nicht perfekte Definition haben Paul und Moser geliefert, obwohl sie den Begriff „arbeitslos“ verwenden. Nach ihnen ist derjenige arbeitslos bzw. erwerbsarbeitslos, wer nicht nur erwerbslos ist, sondern auch die Bereitschaft und Fähigkeit besitzt eine bezahlte Arbeit anzunehmen bzw. auszuführen.3 Dieser Definition schließe ich mich vorerst weitestgehend an, auch wenn man einige Ergänzungen machen muss. Erwerbsarbeitslos ist z.B. auch, wer zwar nicht bereit ist zu arbeiten, aber nicht aus eigenen Mitteln den Lebensunterhalt bestreiten kann. Zusätzlich muss man noch die Menschen einschließen, die sich in öffentlichen Trainingsmaßnahmen oder ähnlichen Kursen befinden oder nur nicht auf den Arbeitsmarkt drängen, weil sie denken, sie hätten keine Chance einen Arbeitsplatz zu bekommen. Unabhängig davon sind Definitionen, die z.B. die Agentur für Arbeit oder die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) geschaffen haben, um ihre Statistiken zu erstellen.4

Eines ist bei der Diskussion um Begrifflichkeiten gewiss, sie ist eng an das heutige Verständnis des Begriffes Arbeit als Erwerbsarbeit bzw. Lohnarbeit gekoppelt. Diese Kopplung wird mit dem Bergriff Erwerbsarbeitslosigkeit aufgehoben. Dass das Wort Arbeit synonym für Erwerbsarbeit verwendet wird ist eine recht moderne Entwicklung die eigentlich erst mit der Industrialisierung entstanden ist. Wer hat also im Umkehrschluss in diesem Sinne Arbeit? Etwa derjenige, auf den die zuvor ausgeführte Definition nicht zutrifft? Man könnte dies bejahen, schaut man jedoch in ein Lexikon, so kann man folgende Definition finden: Arbeit, [althochdeutsch ar(a)beit „Mühe“, „Plage“] – bewusstes, zielgerichtetes Handeln des Menschen zum Zweck der Existenzsicherung wie der Befriedigung von Einzelbedürfnissen; zugleich wesentliches Moment der Daseinserfüllung.“ (Brockhaus, 2003). Hier zeigt sich schon, dass der Begriff Arbeit weiter gefasst werden muss. Arbeitet ein Mensch, der etwas für den eigenen Bedarf herstellt, etwa nicht und wie bezeichnen wir diese Tätigkeit, wenn sie nicht aus einer Notwendigkeit heraus geschieht, sondern zur Ablenkung oder Entspannung. Es gibt also neben der Erwerbsarbeit verschiedene andere Formen der Arbeit oder des Tätigseins. Mit diesen anderen Formen werden wir uns im weiteren Verlauf der Arbeit intensiver befassen.

3. Das Ende der Erwerbsarbeit? - eine Analyse des globalen Problems der Erwerbsarbeitslosigkeit

Das Ende der Arbeit wurde vielfach beschworen, doch wie schon das vorangegangene Kapitel zeigt, kann man nicht von einem Ende der Arbeit sprechen, sondern allenfalls von einem Ende der Erwerbsarbeit. Erwerbsarbeit ist in der gegenwärtigen Verfasstheit unserer Gesellschaft eine wichtige Ressource. Denn der persönliche Status innerhalb der Gesellschaft ist in einem nicht zu unterschätzenden Maße von der Verteilung der Ressourcen Bildung, berufliche Stellung und Einkommen abhängig.5 In unserer Gesellschaft ist selbstverständlich alles zum Leben Notwendige mit Geld zu bezahlen und nicht z.B. zu tauschen. Obwohl mehr Geld auf der Welt durch Finanztransaktionen auf den Devisenmärkten verdient wird als durch Warenhandel oder Dienstleistungen, können viele Menschen einzig durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft Geld erwerben und bezahlte Arbeit gilt auch immer noch als Dreh- und Angelpunkt unserer Gesellschaft, ja unserer Existenz.6 Die Verteilung von Erwerbsarbeit bzw. die Kontrolle der Ressource Erwerbsarbeit ist also ein großer Machtfaktor. Im Umkehrschluss ist Erwerbsarbeitslosigkeit eine der größten Bedrohungen unserer Zeit. Im Folgenden sollen Ursachen für die weltweite Erwerbsarbeitslosigkeit verdeutlicht und aufgedeckt werden. Dabei werde ich mich zuerst den Begriffen Globalisierung und Weltgesellschaft zuwenden, um die sonst so weit verbreitete Konfusion über deren Inhalte zumindest mindern zu können.

3.1 Globalisierung und Weltgesellschaft – eine Begriffsklärung

Wenn man nach Definitionen der verschiedenen, heute im Mittelpunkt vieler Diskussionen stehenden Begriffe fragt, wird man oftmals keine genauen Antworten erhalten. Gerade der Begriff Globalisierung ist mit diffusen Ängsten und Befürchtungen, aber selten mit klaren Inhalten besetzt. Auch der Begriff Weltgesellschaft ist nicht eindeutig definiert, sondern wird von den unterschiedlichen Soziologen in verschiedener Weise verwendet. Eine halbwegs klare Vorstellung der verwendeten Begriffe ist jedoch Voraussetzung, um ein Verständnis für das Problem Erwerbsarbeitslosigkeit zu entwickeln. In diesem Abschnitt soll versucht werden diese herzustellen.

3.1.1 Globalisierung

„Ich würde Globalisierung als Freiheit für meine Gruppe von Unternehmen definieren, zu investieren, wo und wann sie will, zu produzieren, was sie will, zu kaufen und zu verkaufen, wo sie will, und die möglichst geringsten Restriktionen zu unterstützen, die aus Arbeitsgesetzen und sozialen Übereinkünften resultieren.“ (Percy N. Barnevik, Verwaltungspräsident ABB, Tages-Anzeiger, 15.01.2002, Quelle: Staub-Bernasconi, Silvia, Konzepte der Weltgesellschaft)

Für die Vereinten Nationen (VN) ist die Globalisierung multidimensional und besteht aus zahlreichen komplexen und zusammenhängenden Prozessen. Diese haben eine eigene Dynamik und verschiedenste, teilweise unvorhersehbare Effekte. Oft wird gesagt, dass es auch in der Vergangenheit schon Globalisierung gab. So gibt es Ansätze, die sagen, die Globalisierung hätte bereits vor 500 Jahren begonnen, sie sei die Geschichte des sich von Europa aus weltweit ausbreitenden Kapitalismus, der auf die Öffnung aller Märkte drängen würde.7 Doch für die VN gibt es entscheidende Merkmale, die nur auf die heutige Globalisierung, die ungefähr Mitte der 80er Jahre begonnen hat, zutreffen. Da wären nach Ansicht der VN die Liberalisierung des Handels, wechselnde Muster von finanziellen Strömen (Liberalisierung der Kapitalmärkte), ständig wachsende Handelsunternehmen mit enormer Macht, große Fortschritte bei den Informations- und Kommunikationstechnologien und wechselnde Flüchtlings- und Bevölkerungsströme zu nennen. Während einige Prozesse, wie die Liberalisierung des Handels, von internationalen Regelungen eingerahmt sind, geschehen andere Phänomene außerhalb von internationalen Regelungen und Politik. Eines, was alle diese Entwicklungen gemeinsam haben, ist, dass sie in unterschiedlichem Maße Auswirkungen auf die Ausübung von Menschenrechten haben.8 Obwohl Flüchtlings- und Bevölkerungsströme genannt werden, kann man eigentlich davon ausgehen, dass diese heute z. T. geringer sind als in früheren Zeiten, z.B. in der Zeit des 19. bis Mitte 20. Jahrhunderts9. Die internationale Mobilität von Arbeitskräften ist in der heutigen Zeit eher gering.10

Von Seiten der Industrie wird Globalisierung zum Teil einfach als eine Strategie verstanden, global tätig bzw. präsent und bekannt zu sein. Es wird versucht Produkte zu kreieren, die weltweit absetzbar sind, oder Werbespots zu entwickeln, die sich weltweit einsetzen lassen. Globalisierung muss aber vor allen Dingen als Prozess der Integration nationaler Märkte in den globalen Markt verstanden werden. Aus Perspektive der Wirtschaft ist auch die internationale Arbeitsteilung ein wichtiger Aspekt. Neben den bereits von der VN erwähnten Begleiterscheinungen sind sicherlich noch die stark gestiegenen Direktinvestitionen zu erwähnen. Dieser Prozess wird ganz harmlos mit den Worten "Die Produktion geht zum Markt" erklärt, bedeutet aber eigentlich, dass Unternehmen dort hingehen, wo die Bedingungen am günstigsten für sie sind. In diesem Zusammenhang dürften häufig geringe Steuern und wenige bis gar keine arbeitsrechtlichen Reglementierungen als die günstigen Bedingungen angesehen werden (siehe Zitat von Barnevik auf S. 6). Im Jahre 2002 gab es ca. 39.000 multinationale Unternehmen mit rund 270.000 Auslandstöchtern.11 Aber auch Rationalisierungsprozesse in der Produktion und Unternehmensfusionen sind Ziel der Direktinvestitionen.12 Daraus resultierende ungünstige Entwicklungen auf nationalen Arbeitsmärkten führt man jedoch häufig allein auf Defizite bei der Deregulierung des Arbeitsmarktes zurück.13

Eine wichtige Voraussetzung für die beschriebenen Entwicklungen stellten die weltweiten Umbrüche Ende der 80er Jahre dar - hier sind der Zusammenbruch der Sowjetunion und der Fall der Berliner Mauer hervorzuheben - ebneten sie doch den Weg für die weitere Ausbreitung der neoliberalen Wirtschaftsordnung. Im Jahr des Mauerfalls verfasste der Ökonom John Williamson auch den Washington Consensus. Er beinhaltet viele der heute in Politik und Wirtschaft gängigen Forderungen bzw. Überzeugungen wie Privatisierung von Staatsbetrieben und Begrenzung der Staatsausgaben (keine oder geringe Defizite) auf der einen und Liberalisierung des Handels und der Finanzmärkte, ungehinderte Konkurrenz auf der anderen Seite und sieht dieses Vorgehen als Quell für weltweiten Wohlstand und Demokratie an.14 Er kann als das Credo des Neoliberalismus angesehen werden. In diesem Zusammenhang müssen noch drei Organisationen erwähnt werden, die international um die Umsetzung dieser Ideen bemüht sind. 1944 wurden in Bretton Woods die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) gegründet. Es sollte einerseits eine Bank zur Finanzierung des Wiederaufbaus nach dem Weltkrieg und andererseits ein Instrument zur Stabilisierung der Internationalen Devisenmärkte geschaffen werden. 1995 kam noch die Welthandelsorganisation (WHO), die das Zoll- und Handelsabkommen GATT ablöste, als dritte Kraft hinzu. Alle drei Institutionen wurden besonders in den 90er Jahren aber auch noch heute maßgeblich von den Industrienationen und deren neoliberaler Wirtschaftspolitik bestimmt. Sie verlangen von Ländern, die finanzielle Hilfen haben wollen, Reformmaßnahmen im Sinne des Washington Consensus. Dies vollzieht sich häufig außerhalb eines demokratischen Rahmens und besonders in der WHO arbeiten die reichen Industriestaaten oft mit Druck (androhen, Handelsvergünstigungen auszusetzen) und Überredung (technische Hilfen zusagen) oder schließen die Entwicklungsländer gleich aus und besprechen inoffiziell in „Green Room“– Gesprächen ihr Vorgehen. Die VN wurden im Rahmen dieser Entwicklung ihrer Einflussmöglichkeiten auf Wirtschafts- und Sozialfragen beraubt. Die radikale Öffnung aller Märkte wird so möglich.15 „Die marktfreundliche Ökonomie musste einen Preis dafür zahlen, dass sie zugunsten des Nutzens die Aufmerksamkeit von Freiheit abgezogen hat: die Vernachlässigung des zentralen Werts der Freiheit selbst.“ (Sen, Armatya, Ökonomie für den Menschen, S. 41)

Auch die Förderung von Großprojekten wie Staudämmen oder Pipelines durch die Weltbank und die damit einhergehenden verheerenden Umweltschäden und Nachteile für die dort lebende Bevölkerung stehen häufig in der Kritik. Eine Vorreiterrolle spielen dabei globalisierungskritische Organisationen wie Attac16 aber auch Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace.

In der jüngeren Vergangenheit waren jedoch auch andere Töne von WHO, IWF und Weltbank zu hören. Horst Köhler erklärte am 26. Februar 2001 als damaliger Direktor des IWF z.B. in einem Vortrag: "Wir - arme Länder, Geberländer, internationale Organisationen und die Zivilgesellschaft - müssen uns ständig die Frage stellen: Wie wirkt sich unser Tun auf die Armen aus? Wenn wir die Antwort nicht mögen, sollten wir ändern, was wir tun." (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung17 ) Leider haben solche Bekundungen bisher nur bedingt zu einer anderen Politik der drei Organisationen geführt und somit bleibt die Kritik globalisierungskritischer Kräfte an ihnen bestehen.18

3.1.2 Weltgesellschaft

Die Organisation unserer Gesellschaft in Nationalstaaten und multinationale Konzerne ist eines der wichtigsten Merkmale der Weltgesellschaft.19 Sie bilden nach dem Ansatz von Obrecht, der sich auf Peter Heintz bezieht, zwei wichtige Segmente der Weltgesellschaft. Dabei geht die Idee der Weltgesellschaft über den Ansatz der Globalisierung hinaus. Wenn man Theresa Wobbe folgt, so ist das Konzept einer Weltgesellschaft als Erklärungsansatz sui generis zu verstehen. Er geht über wirtschafts- und politikwissenschaftliche Ansätze hinaus und bietet die Möglichkeit „… den Wandel der Grenzen und Horizonte der gegenwärtigen Gesellschaft zu analysieren und … eine soziologische Kompetenz für die Untersuchung globaler Prozesse zu beanspruchen“ (Wobbe, Theresa, Weltgesellschaft S. 8). Sie stellt in ihrem Buch „Weltgesellschaft“ drei theoretische Ansätze einer Weltgesellschaft dar, die ich hier kurz skizzieren möchte.

Für Heintz ist die Weltgesellschaft erst einmal nicht mit anderen Gesellschaften vergleichbar, da sie weder eine einheitliche Kultur hat, noch einen übergeordneten Staat besitzt. Dass sie für viele Individuen deshalb nicht wahrnehmbar ist, spricht nicht gegen die Idee einer Weltgesellschaft, sondern ist eines ihrer Merkmale. Er hat dabei eine systemische Sichtweise.20 Ein weiteres wichtiges Erkennungszeichen sah er außerdem in der funktionalen Differenzierung - d.h. Arbeitsteilung, Spezialisierung, kleine Teilsysteme, wie wir sie für die moderne Gesellschaft kennen - und der ungleichen Verteilung von begehrten Ressourcen. Besonders interessierte Heintz die Verknüpfung zwischen funktionaler Differenzierung und ungleicher Verteilung und so entwickelte Heintz ein internationales Schichtungssystem, das auf den Status der nationalen Entwicklung abzielte. Hierauf bezieht sich auch Obrecht, wenn er von Schichtungen, also Entwicklungs-, Schwellenländer und entwickelte Länder innerhalb der Weltgesellschaft spricht. Die Länder, die nicht zu den entwickelten gehören, streben diesen höheren Zustand an. Das Streben nach Entwicklung ist weltweit institutionalisiert und jedes Land strebt nach Entwicklung.21 Entstanden ist dieses Schichtungssystem dadurch, dass sich die Entwicklungsländer selbst als „unterentwickelt“ definiert haben. Es geht also um das Aufholen von technischem und wirtschaftlichem Rückstand und das Erlangen der dazu notwendigen Mittel, um so einen höheren Lebensstandard zu erreichen.22 Die Weltgesellschaft ist bei Heintz ein emergentes Phänomen, sie ist das allem übergeordnete System und ist somit nicht mehr Teil eines weiteren Systems.23 Er glaubte, dass sich, um mit der Komplexität der Weltgesellschaft besser umgehen zu können, spezielle Codes (für soziologische Erklärungsmodelle) entwickeln könnten, was in mit den Ideen von Meyer einte.

Meyer ging es zu Beginn darum eine soziologische Theorie zu schaffen, um weltgesellschaftliche Phänomene zu beschreiben.24 Er untersuchte den Neo- Institutionalismus auf Weltebene und ging der Frage nach, warum es weltweit Staatsformen mit z.B. Verfassungen, Bürgerrechten und Sozialversicherungen gibt, die ähnliche Standards haben und deren Ursprünge in vergleichbaren Zeitabschnitten liegen. Er ging dabei von Angleichungsprozessen aus, die er Isomorphien nennt. Ähnliche Standards entstehen nach Meyer durch Ideen, kulturelle Vorstellungen und Legitimationsprozesse im fachlichen Feld, aber auch weil sie notwendig für die internationale Legitimation sind. Somit ist Institutionalisierung im Weltmaßstab betrachtet nicht ein endogener Prozess, sondern durch weltweit, normative bzw. zur Imitation anregende Strukturen bedingt und von internationalen Netzwerken/ Gruppen aus verschiedenen Bereichen (z.B. Wissenschaft, Politik, NROs) getragen.25 Als ein Beispiel kann man das Qualitätsmanagement heranführen. Ausgehend von der Wirtschaft hat sich die Idee des Qualitätsmanagements bis in die Soziale Arbeit ausgebreitet. Heute gibt es schon Bereiche, z.B. bei der Vergabe von sozialpolitischen Maßnahmen, in denen man nur Fördergelder bekommt, wenn man nachweisen kann, dass man Qualitätsmanagement betreibt. Aber auch die neoliberalen Ideen vom schlanken Staat und Beseitigung aller Handelsschranken haben sich zu einem weltweiten Konzept entwickelt und mit ihnen die Ökonomisierung, die Kosten- Nutzen- Rechnung bis in alle Bereiche unseres Lebens.

Luhmann sieht Gesellschaft hingegen als System der Kommunikation. Da jede Kommunikation zu weiterer Kommunikation führt und somit weltweite Interaktion von sozialer Relevanz hervorrufen kann, gibt es auch eine Weltgesellschaft.26 Kommunikation ist die Grundeinheit von Gesellschaft und im Umkehrschluss Gesellschaft der Kommunikationszusammenhang höchster Ordnung. Die Weltgesellschaft ist dabei die einzige überhaupt noch bestehende Gesellschaft, denn Gesellschaft ist das Sozialsystem höchster Ordnung. Es handelt sich also bei Gesellschaft in dieser Definition nicht um einen „Kulturbegriff“ oder Staat. Inhomogenität ist ebenfalls kein Argument gegen die Weltgesellschaft, da viele Systeme (z.B. Staaten) keine homogenen Verhältnisse haben.27 Die moderne Gesellschaft ist dabei funktional differenziert in Subsysteme wie Ökonomie, Recht, Wissenschaft, Religion und Politik. In Subsystemen werden verschiedene (Kommunikations-) Codes verwendet.28 Für Luhmann ist die Welt Kommunikation. Das Bewusstsein des Einzelnen interessiert ihn nicht, da es zwar Relevanz besitzt, für die Kommunikation aber nicht erfahrbar ist. Die Ideen Luhmanns zur Weltgesellschaft sind Teil seiner Systemtheorie und durch den Wunsch alles Soziale, ja eben die ganze Welt, beschreiben zu können entstanden, doch dabei schließt er das Individuum mit der zuvor genannten Begründung aus.

Die verschiedenen Ansätze sind von ihrer Ausrichtung her sehr unterschiedlich und hier sicherlich in einer Form dargestellt, die ihnen nicht gerecht werden kann. Ich hoffe jedoch verdeutlicht zu haben, dass die Idee einer Weltgesellschaft alte überkommene nationalstaatliche Denkmuster, in denen immer noch viele Menschen verhaftet sind, sprengt. Sie bietet die Möglichkeit durch die Einbeziehung einer alles umspannenden Ebene Prozesse und Strukturen zu beschreiben, die über den Rahmen der Nationalstaaten hinausgehen und diese z. T. sogar stark beeinflussen. Die Bestandteile bzw. Teilsysteme der Weltgesellschaft sind Nationalstaaten, Organisationen und Individuen. Weltgesellschaft ist jedoch keine globale „Herrschafts- oder Schichtungsstruktur“, sondern muss „als Produkt der Wahrnehmung, Interpretation, Ziele und Interessen, sowie Aktivitäten und Interaktionen von Individuen und kollektiven Akteuren (NGOs, Parteien, Länder, etc.) beschrieben und erklärt werden“ (Staub-Bernasconi, Silvia, Konzepte der Weltgesellschaft, 2003). Die Vorstellung von einer Weltgesellschaft ermöglicht nicht nur die Beschreibung und Erklärung von Prozessen, die über nationalstaatliche Grenzen hinausgehen, sondern auch solcher, die nicht durch das Wort Globalisierung beschrieben werden können. Denn Globalisierung ist eher ein fortschreitender Prozess und Weltgesellschaft ein emergentes Phänomen, das unterschiedlich beschrieben werden kann. Die Beschäftigung mit der Weltgesellschaft zeigt, dass die Ursachen für soziale Probleme, entgegen der immer noch weit verbreiteten Annahme, vielfach nicht in dem sozialen System finden lassen, in dem das Problem auftaucht. Somit ist dieses Thema von unmittelbarer Bedeutung für die Soziale Arbeit.

3.2 Erwerbsarbeitslosigkeit in Deutschland und der Welt

Eine Entwicklung über einen langen Zeitraum für Deutschland darzustellen ist sicherlich schwierig. Der Wiederaufbau nach dem Krieg und die deutsche Teilung bis 1990 machen eine derartige Analyse problematisch. Wenn man jedoch die Erwerbsarbeitslosenquote für Westdeutschland Mitte der 70er Jahre, nachdem die Ölkrise erstmals die möglichen negativen Auswirkungen der global bestehenden Abhängigkeiten zeigte, anschaut, so zeigt sich, dass diese 1974 mit 2,6% noch gering war. Bis 1981 und in einem weiteren Schritt bis 2003 sollte sie sich mit 5,5% und 11,6% jeweils mehr als verdoppeln.29 Allein in den letzen vier Jahren, d.h. seit Dezember 2000, stieg die Zahl der Erwerbsarbeitslosen noch einmal um 654.648 auf über 4.464.230 Erwerbsarbeitslose im Dezember 2004.30 Die Zahl der Langzeitarbeitslosen entwickelte sich dabei besonders dramatisch. Waren 1992 10% der Erwerbsarbeitslosen 2 Jahre und länger erwerbsarbeitslos, so sind es 2003 17,7% gewesen. Diese Menschen sind faktisch von der Arbeitswelt ausgeschlossen. Nachdem die Erwerbsarbeitslosenstatistik im Zuge der Einführung des Arbeitslosengeldes II bzw. der so genannten Hartz IV- Reform dahingehend verändert wurde, dass Personen die zuvor den Sozialämtern zugeordnet und somit von der Statistik nicht erfasst wurden, mitgezählt werden, stiegen die Erwerbsarbeitslosenzahlen zu Beginn des Jahres 2005 noch einmal drastisch an. Insgesamt waren im Februar 5.216.000 Menschen als erwerbserwerbsarbeitslos registriert und die Erwerbsarbeitslosenquote lag bei 12,6 Prozent.31

Somit muss festgehalten werden, dass in den letzten 30 Jahren die Erwerbsarbeitslosigkeit in Deutschland stetig gestiegen ist. Diese Entwicklung lässt sich auch für andere Industrieländer beobachten, insgesamt hat sie sich, laut den Zahlen der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), in der Zeit zwischen 1960 und 2000 verdreifacht, in Deutschland ist sie in diesem Zeitraum um ein 16faches gestiegen.32

Man kann den deutschen Erwerbsarbeitsmarkt, wie diese Zahlen und die vorangegangenen Kapitel zeigen, also nicht isoliert betrachten. Längst muss das Thema unter einer globalen Perspektive angeschaut werden. Allein in der Zeit zwischen 1998 und 2000 hatte die deutsche Wirtschaft zudem auch 2,4 Millionen Erwerbsarbeitsplätze im Ausland geschaffen.33

Regelmäßig veröffentlicht die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) “World Employment Reports”. In ihrem Bericht aus dem Jahre 2001 stellte sie fest, dass die globale Erwerbsarbeitsmarktsituation instabil bleibt. Trotz eines Erholungstrends der ökonomischen Situation blieb die Erwerbsarbeitslosigkeit auf einem hohen Level und stieg vom Jahr 1998 zum Jahr 2000 um 20 Millionen auf insgesamt 160 Millionen. Einen Teil der Entwicklung führte man auf die Asien-Krise zurück, einen anderen auf Reformprozesse, die zu mehr marktorientierter Entwicklung, Störungen und zeitweiliger Unsicherheit führten. Die Erwerbsarbeitslosigkeit sank zu dieser Zeit in den Vereinigten Staaten und stieg in Lateinamerika und China. In Mittel- und Osteuropa, sowie in Afrika blieb sie hoch. Weit verbreitet waren in vielen Regionen der Welt schlechte Bezahlung, Überarbeitung und unsichere und ungesunde Arbeitsbedingungen. Über 1.2 Milliarden Menschen lebten in den Entwicklungsländern in Armut und waren fast vollständig von dem abhängig, was die 500 Millionen so genannter “working poor” unter ihnen verdienten. Zusätzlich sah man bis zum Jahr 2010 einen Bedarf an 500 Millionen weiteren Erwerbsarbeitsplätzen. Nichtsdestotrotz glaubte man, aufgrund der wirtschaftlichen Trends in den USA und Anzeichen der Erholung in Europa und anderen Regionen der Welt, Anzeichen für eine positive Entwicklung erkennen zu können.34

Bis ins Jahr 2002 war die Zahl der Erwerbsarbeitslosen allerdings erneut um 20 Millionen auf 180 Millionen gestiegen und der Bericht aus dem Jahr 2003 erwartete daher in der nahen Zukunft keine Trendwende auf dem weltweiten Erwerbsarbeitsmarkt. Vor allen Dingen Frauen und Jugendliche seien von den aktuellen Entwicklungen betroffen gewesen.35 Im Schnitt ist die Jugendarbeitslosigkeit (15 – 24 Jahre) weltweit dreimal so hoch wie die der Erwachsenen.36 Parallel dazu stieg die Schwarzarbeit an, besonders in Ländern ohne gut funktionierende Arbeitslosenversicherungssysteme. Durch die oftmals geringe Qualität der Jobs, also schlechte Bezahlung, im Bereich der Schwarzarbeit stieg die Zahl der arbeitenden Armen. Dies führte weiterhin zu Rückschlägen bei der Beseitigung der Armut und eine Fortsetzung dieses Trends würde das Ziel der VN, die Zahl der absolut Armen bis 2015 zu halbieren, gefährden.37 Anders als in der Vergangenheit sei der Schwarzarbeitsmarkt auch nicht mehr in der Lage alle freigesetzten Arbeitskräfte aufzunehmen.38 Vornehmlich die Krise in der Informationstechnologie (IT)- und Kommunikationsbranche haben die Erwerbsarbeitslosenzahlen steigen lassen, aber auch der 11. September blieb nicht ohne Folgen. Die Zahl der in der Tourismusbranche nach den Anschlägen auf World Trade Center und Pentagon abgebauten Erwerbsarbeitsplätze liegt nach Schätzungen bei 10,5 Millionen. Auch in diesem Bericht wurde von 400 Millionen zusätzlich benötigten Erwerbsarbeitsplätzen für die nächsten 8 Jahre ausgegangen. Will man bei der Lösung der Probleme Erwerbsarbeitslosigkeit, working poor und Armut zu entscheidenden Verbesserungen kommen, so würden eine Milliarde Jobs benötigt. Ein Blick nach China kann in diesem Zusammenhang nicht schaden, denn ein Viertel aller Arbeitskräfte stellt schon heute die Volksrepublik. Im Jahre 2010 wird 56,8% der weltweiten, menschlichen Arbeitskraft aus Asien und dem Pazifikraum kommen, während die Industrienationen gerade einmal 13,6% stellen werden.39 In dieser Region ist der Bedarf an Erwerbsarbeitsplätzen riesengroß, allein in China suchten im Jahr 2003 250 Millionen Menschen eine Erwerbsarbeit und die Entwicklungen in Asien werden die Zukunft der ganzen Welt beeinflussen.40

Der aktuelle World Employment Report von 2004 spricht von 185,9 Millionen Erwerbsarbeitslosen im Jahr 2003. Die Rate der von Erwerbsarbeitslosigkeit Betroffenen hat sich somit kaum verändert, sie fiel weltweit von 6,3% in 2002 auf 6,2% in 2003. Das die Erwerbsarbeitslosenrate gesunken ist, obwohl die Zahl der Erwerbsarbeitslosen gestiegen ist liegt daran, dass die Zahl der Erwerbsarbeitskräfte weltweit gestiegen ist. Es wurden also neue Erwerbsarbeitsplätze geschaffen, gleichzeitig entsprach die Zahl der neu geschaffenen Erwerbsarbeitsplätze ungefähr dem Wachstum der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter. Viel entscheidender ist jedoch die erneut gestiegene Zahl der „working poor“. Mittlerweile gibt es 550 Millionen Menschen, die für weniger als einen US Dollar am Tag arbeiten. Diese Menschen repräsentieren 20 Prozent der Erwerbstätigen auf der Welt und sie arbeiten oft unter erbärmlichen Bedingungen und ohne die Möglichkeit gewerkschaftliche Vertretung oder arbeitsrechtlichen Schutz in Anspruch zu nehmen. Sie haben keine Chance sich selbst aus ihrer Armut zu befreien, da ihre Arbeit eine zu niedrige Produktivität hat. Daher zeigt der Bericht der IAO, dass es nicht allein darum geht Erwerbsarbeitsplätze zu schaffen, sondern produktive Erwerbsarbeitsplätze mit guten Arbeitsbedingungen.41 Nimmt man alle Menschen, die erwerbsarbeitslos sind hinzu, so ist mehr als ein Viertel der erwerbsfähigen Menschen weltweit erwerbsarbeitslos oder verdient weniger als zum Unterhalt ihrer Familie benötigt würde.42

Eine ebenfalls weltweite Perspektive schlägt Ghose ein, der für die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) ein Buch über Arbeitsplätze und Einkommen in einer globalisierenden Welt geschrieben hat. Er beschäftigt sich mit den Einflüssen der Globalisierung auf Arbeitsplätze und Gehälter und legt den Fokus hauptsächlich auf industrialisierte Staaten und Entwicklungsländer. Dabei betrachtet er den weltweiten Handel und kommt zu dem Schluss, dass hier nicht Wachstum ein entscheidendes Kennzeichen der Veränderung gewesen sei, sondern die grundsätzliche Reorganisation im Bereich der Produktion. Dadurch wurden einige Entwicklungsländer zu den größten Produzenten weltweit. Andere Entwicklungsländer waren von dieser Entwicklung wiederum vollkommen ausgeschlossen.43 Bei den Untersuchungen werden anhand der empirischen Daten, die aus 84 Ländern stammen und somit einen Ausschnitt der weltweiten Entwicklungen zeigen, zwei Trends deutlich. Erstens, die Erwerbsarbeitsplätze im Bereich der Produktion sind sowohl aus den Industrienationen als auch aus den Schwellenländern abgewandert in die Entwicklungsländer. Zweitens, die Erwerbsarbeitsplätze im produzierenden Gewerbe sanken im Zeitraum zwischen 1980 und 1997 um 0,1 Prozent jährlich.44 Die Globalisierung hat also auf jeden Fall Auswirkungen auf die Erwerbsarbeitsplätze im produzierenden Gewerbe, sowohl in den Industrienationen als auch in den Entwicklungsländern. Eine der Befürchtungen in diesem Zusammenhang ist, das Erwerbsarbeit für gering Qualifizierte aus den industrialisierten Ländern verschwindet und zur selben Zeit die Einkommensunterschiede zwischen gering- und hochqualifizierten Jobs steigen. Sind die Jobs dann erst einmal in Entwicklungsländer exportiert, so sind sie, was Bezahlung, Arbeitsbedingungen und arbeitsrechtlichen Schutz angeht, von geringerer Qualität. Zumindest der erste Teil lässt sich laut Ghose bestätigen. So sind die Einkommensunterschiede innerhalb der Länder gestiegen, die weltweite Einkommensungleichheit ist allerdings gesunken. Da der Trend, dass innerhalb einzelner Staaten die Schere zwischen Reichen und Armen immer weiter auseinander geht, schon länger anhält, ist diese Entwicklung nur bedingt der Globalisierung zuzuschreiben.45 Wobei man festhalten muss, dass hier für die Globalisierung ein Zeitraum wie der der VN veranschlagt wird, also ausgehend von Mitte der 80er Jahre. Die negativen Entwicklungen für gering qualifizierte Erwerbsarbeiten in den industrialisierten Ländern sind hingegen unbestreitbar. Neben dem Verlagern von Produktionsstätten in diesem Bereich seien aber auch andere Faktoren zu berücksichtigen. So sind nach Ghose schon länger Deindustrialisierungstendenzen in den hoch entwickelten Staaten zu beobachten und die Welle des Outsourcing war eher eine Folge des Handels und Wettbewerbs zwischen den Industrienationen als der Globalisierung. In einigen Ländern hätten zudem Schutzmaßnahmen für einige traditionelle Industriebereiche Innovation verhindert. Generell könne man aber sagen, dass die hochmodernen Technologien den gering qualifizierten Jobs den Garaus gemacht hätten und nicht das Abwandern in die Entwicklungsländer.46 Die Erwerbsarbeitsplätze, die jedoch dabei in den Entwicklungsländern entstanden sind, sind auch nicht unbedingt von schlechter Qualität und stürzen die Leute in Armut. Es sei zwar wahr, dass die Arbeiter oft unter schlechten Bedingungen und niedrigen Löhnen arbeiten, doch die Bedingungen und der Lohn seien vielfach besser als bei den zuvor vorhandenen Jobs. Er findet auch keine empirischen Beweise, dass Länder mit niedrigen Arbeitsstandards erfolgreicher exportieren oder mehr Direktinvestitionen anzögen. Probleme bestehen nur in den Ländern, die von durch lang anhaltende mikroökonomisch unausgeglichene Verhältnisse ausgelöster Stagnation betroffen sind. So sieht er die in einigen lateinamerikanischen Ländern, z.B. in Brasilien und Mexiko, vorgenommen Liberalisierungsprogramme als fehlgeschlagen an, da sie die mikroökonomischen Bedingungen vor Ort nicht beachteten. Liberalisierung kann also nicht ein Ziel an sich sein, sondern muss danach beurteilt werden, ob sie Vorteile bringt oder nicht.

Eine weitere negative Folge, die er der Globalisierung geschuldet sieht, ist der so genannte „brain drain“, also das Abwandern hoch qualifizierter Fachkräfte aus den Entwicklungsländern. Diese Entwicklung verhindert bzw. verlangsamt ein Aufschließen der Entwicklungsländer an die Industrienationen und könnte im schlimmsten Falle die Abstände sogar noch vergrößern. Auf der anderen Seite haben die meisten Industrienationen ihre Einwanderungsgesetze verschärft, was zu neuen Problemen führt, da schlecht qualifizierte Arbeitskräfte illegal einwandern. Tatsächlich lässt sich zeigen, dass im Laufe der Globalisierung die Mobilität von Hochqualifizierten gestiegen und die von Geringqualifizierten gesunken ist.47

Große Aufmerksamkeit sollte außerdem dem so genannten „crunching“- Effekt gezollt werden, also dem gleichzeitigen Entstehen und Verschwinden von Jobs. Durch diese Entwicklungen scheinen wiederum hauptsächlich Geringqualifizierte betroffen zu sein, d.h. in diesem Bereich fallen Erwerbsarbeitsplätze weg und in anderen entstehen neue, die nicht durch denselben Personenkreis besetzt werden können. Diese Entwicklungen führten auch in Entwicklungsländern zu Problemen. Besonders die Industrienationen hätten hier aber in ihrer Arbeitsmarktpolitik versagt, da es ihnen nicht gelungen sei, für die im produzierenden Gewerbe wegfallenden Jobs genug equivalente Möglichkeiten im Servicesektor zu schaffen.48

Das größte Problem sieht er jedoch in den Bereichen, in denen traditionell Handel zwischen Entwicklungsländern und Industrienationen betrieben wird, wie Tabak, Kaffee und Kakao oder Früchten und die in diesem Bereich stattfindenden Preiskämpfe bzw. im Ausschluss einiger Länder aus dem weltweiten Handel. Zwar seien nicht alle Länder, die vom globalen Handel ausgeschlossen sind, arm, aber beinahe alle Nationen, die von den Vereinten Nationen (VN) zu den ärmsten gezählt werden, sind nicht am weltweiten Markt beteiligt.49

Interessant an den Ausführungen von Ghose ist, dass die Schere zwischen Arm und Reich in allen Ländern aufgeht. Dies ist sicherlich eine der entscheidenden Informationen, denn die weltweite Einkommensungleichheit mag dadurch im Durchschnitt sinken und trotzdem gibt es weltweit mehr Ungleichheit zwischen Armen und Reichen. Inwieweit empirische Belege dafür notwendig sind, dass bei der Auswahl der Produktionsstandorte niedrige Arbeitsstandards ein Kriterium sind, ist fraglich. Denn zum einen ist die Zahl der „working poor“ enorm und zum anderen gab es Naomi Klein zufolge im Jahr 2000 ca. 1000 Exportproduktionszonen in 70 Ländern mit ungefähr 27 Millionen Beschäftigten. In diesen Zonen, wie sie von Klein beschrieben werden, existiert nicht nur ein steuerfreier Wirtschaftsraum, auch Städte- oder Provinzregierungen haben keinen Einfluss und die nationalen Arbeitsvorschriften und –gesetze, sind häufig außer Kraft gesetzt.50 Man kann hier also knapp von einem kleinen Phänomen sprechen und auch wenn die Einkommensgerechtigkeit statistisch gesehen weltweit gestiegen ist so sind doch die individuellen Lebensbedingungen für viele Menschen in den Entwicklungsländern nicht zwingend besser geworden.

Eines der Ergebnisse der Untersuchungen von Ghose überrascht sicherlich die wenigsten, da schon lange ein Abwandern der Erwerbsarbeitsplätze von den industrialisierten Staaten in Entwicklungsländer im produzierenden Gewerbe zu beobachten war. Ghose sagt jedoch, dass diese Entwicklung nur zu einem kleinen Teil am Rückgang der geringqualifizierten Erwerbsarbeitsplätze in den Industrienationen Schuld hatte.

Schon lange werden Theorien diskutiert, die behaupten, dass die modernen computergesteuerten Produktionsmethoden und der Vormarsch des Computers in alle Lebensbereiche in der Zukunft zu einem weiteren Rückgang an Erwerbsarbeitsplätzen führen werden. Beobachtet man Entwicklungen in den Industrienationen, so kann man sich dieses Eindrucks auch objektiv nicht erwehren.

Rifkin hat auf sehr populistische Weise eine solche Theorie bereits 1995 vorgetragen. Einfache Hilfs- und Routinetätigkeiten werden laut Rifkin zukünftig automatisiert und 75% aller Arbeitskräfte sind mit solchen Tätigkeiten befasst.51 Am Beispiel von Mercedes-Benz zeigt er, wohin uns der Weg führt. 1994 baute Mercedes-Benz europaweit 10.000 Erwerbsarbeitsplätze ab bei einer Produktivitätssteigerung von 21% und einer Umsatzsteigerung von 9%.52 Dies ist nur ein Beispiel und es würden sich ohne Mühe weitere hinzufügen lassen. Denn die Entwicklung ist auch zehn Jahre nach Rifkins Buch im vollen Gange, in der jüngsten Vergangenheit und der näheren Zukunft haben bzw. wollen deutsche Unternehmen wie Siemens, Daimler-Chrysler, MAN, Schering, BASF, Postbank, Deutsche Telekom und RWE trotz Gewinnen Erwerbsarbeitsplätze abbauen.53 Gewinnsteigerung durch Fusion und Arbeitsplatzabbau heißt die alles beherrschende Maxime. So entstehen immer größere Konzerne, die nach der Fusion insgesamt weniger Mitarbeiter beschäftigen. Der Dienstleistungsbereich wird die freiwerdende Menge an Arbeitskräften nicht aufnehmen können, ist er doch selbst von Rationalisierung und Automatisierung betroffen. Folgt man Rifkin weiter, so steht uns eine düstere Zukunft bevor, die durch eine Mischung aus schwindender Kaufkraft und Überproduktion in die nächste Weltwirtschaftskrise führen wird. Soziale Spannungen zwischen der neuen Oberschicht der Symbolanalytiker54 und dem riesigen Heer von Unterprivilegierten sind unvermeidbar.

Rifkin weißt auf 2000 rechtsradikale Zwischenfälle mit insgesamt 17 Todesopfern im Jahre 1992 in der Bundesrepublik Deutschland hin und prophezeit uns, dass die Kriminalität mit der Erwerbsarbeitslosigkeit proportional steigen wird.55 Es ist die Frage, ob man Rifkins düsteren Zukunftsvisionen folgen mag. Zumindest Rechtsradikalismus einfach in einen direkten Zusammenhang mit Erwerbsarbeitslosigkeit zu stellen ist unsauber. Zudem ist er in der Vergangenheit schon öfters für seine unzureichende Recherche getadelt worden. Denn zu der Zeit als Rifkin das Ende der Arbeit prophezeite, hatte die Zahl der entlohnten Jobs weltweit einen Höchststand erreicht.56 Dieser Trend ist zwar umgekehrt und die Zahl der Erwerbsarbeitslosen steigt seit 1998, doch dies muss uns nicht zwingend in die von Rifikin prognostizierte Arbeitswelt führen. Trotzdem, es gibt auch andere Stimmen die auf die Rationalisierungsmöglichkeiten durch den Einsatz moderner Technologien aufmerksam machen. Thome ging 1997 z.B. davon aus, dass sich im schlechtesten Fall von 15 Millionen Erwerbsarbeitsplätzen im Dienstleistungsbereich 6 Millionen durch den Einsatz moderner Technologien einsparen ließen.57 Manche erwarteten in den 80er Jahren für die Zukunft ein Verhältnis von 40–zu-60 von Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen in den Industrienationen. Derartige Szenarien sind heute in Ländern wie Deutschland (41 zu 59) schon beinahe Realität und längst gibt es Prognosen, die uns eine 20–zu–80 – Gesellschaft vorhersagen, weil mehr Arbeitskraft für eine funktionierende Weltwirtschaft nicht gebraucht wird.58 Robert Castel spricht in diesem Zusammenhang von den „Überzähligen“, für deren Fähigkeiten schlicht keine Nachfrage am Markt besteht, sie sind überflüssig.59

Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus dem Jahr 2000 beschäftigten sich mit den positiven Entwicklungen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt und der Behauptung, es würde in wenigen Jahren vielleicht wieder Vollbeschäftigung, ja gar Arbeitskräftemangel geben. Bei dieser Prognose führt man die Bevölkerungsentwicklung an, die zu einem rapiden Rückgang des Arbeitskräftepotentials ab 2010 führen wird und setzte zusätzlich eine positive wirtschaftliche Entwicklung voraus, die wir in den letzten fünf Jahren nicht hatten. Die Studie des IAB verweist aber darauf, dass eine quantitative Projektion des Arbeitskräftebedarfs eigentlich nicht möglich ist.60 Hier schließt sich gewissermaßen der Kreis wieder, denn selbst wenn sich für Deutschland das Problem der Erwerbsarbeitslosigkeit längerfristig demographisch lösen sollte, so würde man dabei die Entwicklung der Weltbevölkerung außer Acht lassen. Dies wäre fatal, denn wie wir gesehen haben, nimmt nur in einigen Industriestaaten die Bevölkerung im erwerbsarbeitsfähigen Alter ab, weltweit gesehen steigt die Zahl der Erwerbsarbeitssuchenden. Zudem würde eine solche Entwicklung noch nicht das so genannte „Missmatch“ beheben, also das die zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte sich nicht für die bestehenden Arbeitsmöglichkeiten interessieren oder für diese nicht qualifiziert sind.

Selbst wenn genaue Prognosen schwierig sind, so kann man davon ausgehen, dass zumindest für die Geringqualifizierten die Zukunft in Deutschland aber auch in anderen Industrienationen schlecht aussieht, wenn die heutige Wirtschaftspolitik weiterverfolgt wird. Ein weiteres Problemfeld sind, wie zu Beginn des Kapitels bereits erwähnt, die Langzeitarbeitslosen. Im Europa der 19 lag ihr Anteil unter Erwerbsarbeitslosen 2003 bei 45,3%61. Langzeitarbeitslosigkeit bedeutet für die Betroffenen gesellschaftliche Exklusion und ein Leben am Existenzminimum, sie ist wie es Günther Schmid formuliert „eine Lebenskatastrophe mit nachhaltig frustrierenden Wirkungen“ (Schmid, Günther, Wege in eine neue Vollbeschäftigung, S. 29).

Aus heutiger Sicht muss also davon ausgegangen werden, dass sich der Erwerbsarbeitsmarkt, wie wir ihn heute kennen, nicht wieder erholen und somit auch die Erwerbsarbeitslosenquoten nicht signifikant sinken werden.

4. Individuelle und gesellschaftliche Auswirkungen von Erwerbsarbeitslosigkeit

Das Ausmaß des Problems Erwerbsarbeitslosigkeit wurde ausführlich beschrieben, doch wie verhält es sich mit den daraus entstehenden individuellen und sozialen Problemen? Unter zur Hilfenahme der biopsychosozialen Theorie von Werner Obrecht wird diese Frage nun behandelt. Durch diesen bedürfnistheoretischen Ansatz soll klar werden, was Erwerbsarbeitslosigkeit zu einem Problem für die Menschen macht und wie daraus gesellschaftliche Probleme entstehen können. Der Ansatz von Werner Obrecht macht dabei eine Trennung von sozialen Problemen, deren Ursachen und Folgen und somit eine schärfere Analyse möglich. Es geht also auch um die Frage, inwieweit sich eine Verbindung von Krankheit oder Kriminalität zur Erwerbsarbeitslosigkeit herstellen lässt.

4.1 Die biopsychosoziale Theorie sozialer Probleme

Werner Obrecht verfolgt zwei große Ziele mit seiner biopsychosozialen Theorie. Zum einen geht es ihm darum, wer die Definitionsmacht hat, was ein soziales Problem ist, zum anderen um die Einbeziehung des ganzen Biosystems –also des ganzen Menschen– in die Betrachtung und Lösung sozialer Probleme. Nicht Staat, Markt oder irgendein Dritter sollen bestimmen, wann und wo ein soziales Problem vorliegt, sondern Soziale Arbeit soll aufgrund ihres professionellen Wissens ein eigenständiges Verständnis und eine eigene Definitionsmacht für soziale Probleme und adäquate Lösungsansätze haben. Seine biopsychosoziale Theorie sozialer Probleme bietet eine Möglichkeit dazu.62

Eine zentrale Rolle bei Obrecht spielen die menschlichen Bedürfnisse, wobei er biologische, biopsychologische und biopsychosoziale Bedürfnisse unterscheidet:

- biologische Bedürfnisse, die den Organismus bzw. Stoffwechsel betreffen:

1. nach physikalischer Integrität, d.h. Vermeidung von das Wohlbefinden reduzierenden, schmerzhaften Einwirkungen von Außen
2. nach für den Erhalt des Körpers notwendigen Austauschstoffen (Stoffwechsel, Flüssigkeitshaushalt, Atmung)
3. nach Regenerierung
4. nach sexueller Aktivität/ Fortpflanzung

- biopsychologische Bedürfnisse, die das Gehirn hat, um optimal arbeiten zu können:

5. sensorischer Stimulation der Sinne durch Reize (visuell, taktil, olfaktorisch, gustatorisch)
6. nach ästhetischem Erleben (Landschaften, Gesichter, schöne Körper)
7. nach Abwechslung/ Stimulation
8. nach assimilierbaren, sinnvollen für Handlungen und Orientierung relevanten Informationen (nach Orientierung, Gewissheit, Sicherheit, Überzeugung in subjektiv relevanten Fragen)
9. nach subjektivem „Sinn“ (für den Einzelnen relevante Zielen und Hoffnungen auf Erfüllung)
10 nach Kontrolle und Kompetenz (effektive Fertigkeiten, Regeln und Normen, die die Bewältigung von Situationen und somit das Erreichen von subjektiv relevanten Zielen ermöglichen)

- biopsychosoziale Bedürfnisse, die sich aus der Notwenigkeit in sozialen System zu leben ergeben:

11. nach emotionaler Zuwendung
12. nach spontaner Hilfe (Bedürfnis zu helfen)
13. nach sozialer und kultureller Zugehörigkeit
14. nach Unverwechselbarkeit, nach einer einzigartigen (biopsychosozialen) Identität
15. nach Unabhängigkeit (Autonomiebedürfnis)
16. nach sozialer Anerkennung für Leistungen, Funktionen oder Rang (Anerkennungsbedürfnis)
17. nach (Austausch-) Gerechtigkeit (Gerechtigkeitsbedürfnis)63

Wird eines dieser Bedürfnisse nicht befriedigt, kommt es zu Bedürfnisspannungen. Diese können unbewusst sein, wie z.B. bei den biologischen Bedürfnissen; aber auch bewusste durch kulturelle, lokale durch die Sozialisation hervorgerufene Bedürfnisse können eine Rolle spielen.

Dabei hat Obrecht eine systemische Sichtweise und geht davon aus, dass der Mensch sich in sozialen Systemen organisiert, da er sonst nicht überlebensfähig ist. Soziale Systeme sind eigenständig existierende Dinge wie Familien, Netzwerke (Freundschaften, Nachbarschaft, innerhalb einer Profession), Gruppen, Organisationen, Nationen. Ihre Komponenten sind neben den sozialisierten, biopsychischen Systemen (Menschen/ Individuen) alle Werkzeuge, Gebäude, Haustiere, etc., also physischen Artefakte, aber auch Texte (symbolische Artefakte). Zusammengehalten werden diese Systeme von internen Kopplungen (Endostruktur) stofflicher, energetischer, informationeller und emotionaler Art. Dabei hält das System nur, wenn die internen Kopplungen stärker sind als die externen (Exostruktur). Der Wunsch, die eigenen biologischen, psychischen und sozialen Bedürfnisse zu befriedigen, bildet den Antrieb für die Aktionen der einzelnen Individuen.

4.2 Frustration von Bedürfnissen durch Erwerbsarbeitslosigkeit

Bei einer Untersuchung verschiedener Studien zum Thema Arbeitslosigkeit ließ sich feststellen, dass es durch Erwerbsarbeitslosigkeit zu einer direkten Frustration von zumindest 10 der 17 Bedürfnisse kommt. Ausgehend vom Klassiker der sozialpsychologischen Arbeitslosenforschung, der „Marienthal“- Studie, wurden insgesamt 8 verschiedene Studien unter dem Blickwinkel des biopsychosozialen Ansatzes von Obrecht betrachtet werden. Die Studien beschäftigen sich dabei sowohl mit materiellen als auch mit psychischen Auswirkungen. Die Auswahl erfolgte dabei aufgrund der Fülle von Studien nach verschiedenen Kriterien. Zum einen war der Zeitpunkt der Veröffentlichung relevant, weil es wichtig war einen möglichst großen Zeitraum abzudecken. So wurde mit den Arbeitslosen von Marienthal eine Studie gewählt, die erstmalig 1933 veröffentlicht wurde und damit zu den ersten dieser Art zählt. Drei weitere Studien wurden Ende der 80er bzw. Anfang der 90er Jahre veröffentlicht. Alle weiteren Studien sind in den vergangenen vier Jahren erschienen und damit äußerst aktuell. Eine weitere Publikation, die verwendet wurde, bietet einen Überblick zu Studien im deutschsprachigen Raum von „Marienthal“ bis heute. Ein weiteres Kriterium waren die Untersuchungsmethoden. Hier wurde versucht möglichst unterschiedliche Methoden zu präsentieren, denn nur durch das Verwenden von qualitativen wie quantitativen Methoden kommt man zu relativ gesicherten Ergebnissen. Und schließlich waren noch die Herkunftsländer entscheidend für die Auswahl. Hier lag der Schwerpunkt eindeutig im deutschsprachigen Raum, jedoch wurden auch ein Ländervergleich und eine Studie, die Ergebnisse aus verschiedenen Erdteilen zusammenträgt, mit einbezogen. Durch diese Auswahlkriterien (verschiedene Zeitpunkte, Methoden und Länder) wurde versucht ein einigermaßen repräsentatives Ergebnis auf die Frage, ob und welche Bedürfnisse durch Arbeitslosigkeit frustriert werden, zu erhalten.

Streng wissenschaftlich betrachtet gelten Ergebnisse von Studien immer nur für die untersuchte Gruppe und den Zeitpunkt der Untersuchung. Auch lassen sich einige Untersuchungsmethoden sicherlich kritisch betrachten. Trotz alledem - die Übereinstimmungen, die sich gezeigt haben, waren frappierend und Ergebnisse ließen sich somit in gewisser Weise verallgemeinern. Unterschiede in der Frustration von Bedürfnissen und Wahrnehmung von Problemen beginnen dort, wo kulturelle Unterschiede vorhanden sind. So wird in einer Gesellschaft, in der bezahlte Arbeit keinen hohen Stellenwert besitzt, der Verlust dieser nicht zu besonderen Bedürfnisspannungen und sozialen Problemen führen. Auch andere kulturelle oder zeitgeschichtliche Rahmenbedingungen beeinflussen die Wahrnehmung. Mit dem hohen Stellenwert, den Arbeit in allen industrialisierten Ländern hat, werden jedoch in jedem dieser Länder - wenn auch vielleicht in unterschiedlichem Maße - Bedürfnisse frustriert. Diesen Rückschluss bestätigt auch die Studie von Paul und Moser, die feststellten, dass Arbeitslosigkeit Ursache von negativem psychischem Befinden in unterschiedlichsten Ländern ist.64

Klar ließ sich, wie gesagt, eine Frustration von mindestens 10 der 17 Bedürfnisse zeigen. Andere Bedürfnisse sind sicherlich zumindest indirekt betroffen. Hier ist entscheidend, wie bedeutend das System Berufswelt für ein Individuum ist, was u.a. damit zusammenhängen kann, in wie vielen anderen Systemen es noch Mitglied ist. So kann sicherlich auch das Bedürfnis nach spontaner Hilfe frustriert sein, bietet doch Teamarbeit im Beruf eine Möglichkeit dazu.65 Das Bedürfnis nach ästhetischem Erleben kann sicherlich in vielen Bereichen des Lebens gestillt werden, doch auch hier können Bedürfnisspannungen auftreten, wenn die Befriedigung hauptsächlich in der Arbeitswelt erfolgte. Dies ließe sich sicherlich auch noch auf das Bedürfnis nach sensorischer Stimulation ausweiten, so dass ich diese beiden nur bedingt dazuzählen möchte. Mit fünf Nennungen ist das Anerkennungsbedürfnis das am häufigsten frustrierte. Je drei Nennungen haben die Bedürfnisse nach subjektivem „Sinn“, Kontrolle und Kompetenz und sozialer und kultureller Zugehörigkeit. Das Gerechtigkeitsbedürfnis wird hingegen nur zweimal genannt, genauso wie das Autonomiebedürfnis. Ein weiterer Faktor ist, dass im Zusammenhang mit sozialen Ereignissen Bedürfnisse als Folge dieser frustriert werden. So könnte z.B. folgende Kette entstehen: Entlassung Þ Erwerbslosigkeit Þ psychische Probleme Þ biologische Probleme. Diese Kette könnte aber auch mit einer Krankheit beginnen und Entlassung und Erwerbslosigkeit würden an ihrem Ende stehen.66 An dieser Stelle kommen auch die biologischen Bedürfnisse, die ich bisher bewusst außen vor gelassen habe, ins Spiel. In Marienthal wurde in Folge der Arbeitslosigkeit das Bedürfnis nach für den Erhalt des Körpers notwendigen Austauschstoffen (Nahrung) beeinträchtigt. Wie auch bei psychischen Krankheiten kann daraus resultieren, dass das Bedürfnis nach Regenerierung frustriert wird. Normalerweise sind aber heutzutage in vielen Industrienationen soziale Sicherungssysteme vorhanden, die zumindest den Erwerb ausreichender Nahrungsmengen sicherstellen. Dies war in Österreich von 1933 und ist in Entwicklungsländern unserer Zeit anders. Auch neuere Studien belegen, dass zwischen Arbeitslosigkeit und Armut in jenen Ländern kein direkter Zusammenhang besteht, die ein gutes Wohlfahrtssystem haben. Stattdessen wird, wie wir gesehen haben, die Gruppe der working poor - also Menschen, die so wenig verdienen, dass sie trotz Arbeit in Armut leben, - zu einem immer größeren Problem.67 Dies bedeutet jedoch nicht, dass durch Arbeitslosigkeit keine biologischen Bedürfnisse frustriert werden, sie lassen sich nur mit den hier hauptsächlich verwendeten qualitativen Methoden schwer erfassen und werden uns im folgenden Kapitel daher noch einmal beschäftigen.

Ein anderes Phänomen, das an dieser Stelle nicht ausführlich untersucht werden soll ist, das Arbeit für Teile der Bevölkerung nur noch bedingt den Lebensmittelpunkt darstellt. Dies gilt sowohl für Menschen, die lange Zeit unfreiwillig arbeitslos sind, als auch für solche die bewusst arbeitslos sein wollen.68 Tätigkeiten außerhalb der Erwerbsarbeit sind für einige dieser Menschen Quell der Bedürfnisbefriedigung geworden. Dieses Thema wird uns noch bei der Suche nach Alternativen zu unserer Erwerbsarbeitsgesellschaft beschäftigen.

Doch für die meisten Individuen ist Erwerbsarbeit noch immer „lebenswichtig“, um Bedürfnisse zu befriedigen, ihren Status zu verbessern. Es lässt sich auf jeden festhalten - Arbeitslosigkeit führt weltweit zu einer Frustration von Bedürfnissen, die Auswirkungen sind jedoch kulturell bedingt und auch vom Entwicklungsstand der Länder abhängig.69 Die in vielen Ländern auf hohem Niveau stagnierenden Arbeitslosenzahlen sind damit Ursache für soziale Probleme weltweit.70

4.3 Soziale Probleme durch Erwerbsarbeitslosigkeit

Nicht was von vielen als Problem betrachtet wird, ist laut Obrecht ein soziales Problem, sondern Spannungszustände in Organismen, die durch die Interaktionsstruktur oder Positionsstruktur innerhalb eines sozialen Systems hervorgerufen werden. Dabei ist nicht relevant, wie das Individuum oder Dritte diese Spannung deuten. Autonomie, Migration, Rang, Isolation, erzwungene Interaktion, knappe Ressourcen wie eben Erwerbsarbeit - all dies kann Probleme sozialer Natur bewirken und die Liste ließe sich noch weiterführen.

Treten soziale Probleme vermehrt in einer bestimmten Region auf, so verändert sich die soziale Struktur derart, dass sie zu einer weiteren Verstärkung dieser Probleme führt. Eine durch derartige Umstände verursachte Frustration von Bedürfnissen könnte z.B. dazu führen, dass sich Einzelne, die zur Befriedigung benötigten Ressourcen durch Gewalt oder auf einem anderen, ebenfalls nicht legitimen, Wege aneignen.71 Somit können soziale Probleme durchaus interdependent sein und sich bedingen.

Die bereits erwähnten gesundheitlichen Folgen hat auch Günther Schmid untersucht, er verweist darauf, dass Erwerbsarbeitslose im Durchschnitt eine schlechtere Gesundheit haben als Menschen mit einer Erwerbsarbeit. Dabei ist sowohl die Anfälligkeit für Krankheiten als auch die Sterblichkeit um 20 bis 30 Prozent höher. Es lässt sich zudem noch einmal ein Unterschied zwischen den Empfängern von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe ausmachen, bei den letzteren ist das Krankheitsrisiko ungefähr noch einmal doppelt so hoch wie bei Arbeitslosengeldbeziehern.72 Das Robert-Koch-Institut fand in einer Studie heraus, dass das Mortalitätsrisiko bei Menschen, die in einem Zeitraum von drei Jahren mindestens 2 Jahre erwerbsarbeitslos waren, 3,4fach höher war als bei Erwerbstätigen.73 Die psychologischen Folgen von Erwerbsarbeitslosigkeit hält Schmid ebenfalls für beachtlich und insgesamt mit hohen sozialen und psychischen Kosten für die Gesellschaft verbunden.74 Die Studie des Robert-Koch-Instituts verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass Erwerbsarbeitslose beinahe siebenmal mehr Tage wegen psychischer Störungen in stationärer Behandlung verbringen als Erwerbstätige.75 Es muss also festgehalten werden, dass auch in Ländern wie Deutschland durch Erwerbsarbeitslosigkeit biologische Bedürfnisse frustriert werden.

Auch mit der Frage, ob Arbeitslosigkeit Kriminalität verursacht, hat sich Schmid beschäftigt. Er verweist darauf, dass sich dieser Zusammenhang empirisch nicht eindeutig herstellen lässt und zudem diese Betrachtungsweise unter ethischen Gesichtspunkten fragwürdig ist. Die meisten Studien bestätigen zwar einen gewissen Einfluss von Erwerbsarbeitslosigkeit auf Kriminalität, die Effekte sind aber sehr klein. So führt er für Deutschland eine Studie an, die eine Senkung der Kriminalität um 2,5 Prozent bei einer Halbierung der Erwerbsarbeitslosigkeit in Aussicht stellte.76 Er hält somit einen Zusammenhang für „sehr wahrscheinlich und theoretisch plausibel. Dabei sind insbesondere heranwachsende Männer gefährdet. Der Grund dafür liegt aber weniger darin, dass die ökonomischen Aussichten gering erscheinen oder auch tatsächlich sind, sondern weil ihnen mit Arbeitslosigkeit oder unsicheren Beschäftigungsaussichten die Wege versperrt werden soziale Anerkennung zu finden. Umgekehrt beeinträchtigt eine kriminelle Vergangenheit wahrscheinlich auch die produktive Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, so dass das Bild vom Teufelskreis durchaus berechtigt ist: Arbeitslosigkeit und Kriminalität sind sich selbst verstärkende Übel.“ (Schmid, Günther, Wege in eine neue Vollbeschäftigung, S. 63)

Insgesamt ist Schmid der Meinung, dass die unmittelbaren Auswirkungen, aber auch die Langzeitauswirkungen von Erwerbsarbeitslosigkeit für Individuen und Gemeinwesen zu wenig Beachtung finden.77

Wie schon das letzte Kapitel gezeigt hat und auch im Zitat von Günther Schmid deutlich wird, ist das Bedürfnis der Menschen nach Anerkennung entscheidend in Bezug auf das Problem Erwerbsarbeitslosigkeit. Denn Erwerbsarbeit ist in unserer Gesellschaft ein wichtiger Schlüssel, um anerkannt zu sein. Im Folgenden soll nun dargestellt werden, wie es dazu kam, dass Erwerbsarbeit so eine dominante Position in unserer Gesellschaft bekommen konnte und welche Probleme sich aus dieser Fixierung ergeben.

5. Entstehung der Erwerbsarbeitsgesellschaft und Gründe für die aktuelle Misere

Arbeit war in der Vergangenheit nicht unbedingt ein positiv besetzter Begriff. „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“ (1. Mose, 3, 19) heißt es schon im Alten Testament bei der Vertreibung aus dem Paradies, wir wurden also dazu verdammt durch Arbeit unser tägliches Brot zu verdienen. Im zweiten Brief an die Thessaloniker wird uns verdeutlicht, dass dies für jeden Menschen gilt und Paulus fühlt sich zu folgender Zurechtweisung der Müßiggänger genötigt: „wenn jemand nicht arbeiten will, soll er auch nicht essen“ (2. Thessalonikerbrief, 3, 10).78 Dass man aber nicht gläubig sein muss, um dieser Ansicht zu sein, bewies Karl Marx mit seinem Kommunistischen Manifest, in dem er ebenfalls einen Arbeitszwang für alle einforderte und in der Sowjetverfassung 1937 fanden sich die Worte des Thessalonikerbriefes fast wortgleich wieder79. In der Verfassung der DDR war von einem Recht auf und einer Pflicht zur Arbeit die Rede. Auch wenn sich Bibel und Sowjetverfassung in der Wortwahl nahe standen, ist doch die Einstellung zur Arbeit nicht unbedingt dieselbe.

Schon immer gab es auch Gruppen, die von der Pflicht zu arbeiten ausgeschlossen waren. Hierzu zählen Alte oder z.B. Menschen mit geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen. Dabei war diese Solidarität in den frühen dörflichen Strukturen nicht uneingeschränkt, sondern zum Teil mit Repressionen für die Nutznießer verbunden. Und natürlich gab es zu jeder Zeit von solchen solidarischen Systemen ausgeschlossene Individuen. In den Feudalgesellschaften gibt es erste Formen von „freiwilliger“ abhängiger Beschäftigung, wenn sich z.B. freie Männer zum Zwecke der existenziellen Absicherung in den Dienst eines Herrn stellen. Generell arbeitet man jedoch, um für sein Auskommen zu sorgen, Arbeit an sich stellt, jedenfalls in den heute gültigen Kategorien, keinen Wert dar. Armut ist auf der anderen Seite auch kein Wert. Leute, die es sich auf „Kosten anderer gut gehen lassen“, sind also auch schon im Mittelalter verpönt, ihr einziger Zweck ist es das Seelenheil der Reichen zu retten, indem diese ihnen mildtätige Gaben zuteil werden lassen. Tätig zu sein und für sein Auskommen zu sorgen ist Teil der gottgewollten Ordnung. Schon im 14. Jahrhundert wird in England denjenigen, die arbeitsfähig sind, das Betteln verboten. König Eduard III erlässt ein Gesetz, welches alle zur Arbeit zwingt, die nicht durch Güter in ihrem Unterhalt abgesichert sind. Weigerung oder Zuwiderhandlung wird unter Strafe gestellt und somit ein Arbeitszwang eingeführt. Auch in anderen europäischen Ländern gibt es derartige Erlasse.80 Ende des 16. Jahrhunderts entstehen die ersten Armenhäuser. Die Armen sollen nicht mehr durch Betteln ihre Existenz sichern, sondern durch Arbeit und Beten gebessert werden. Bei den Armenhäusern lässt sich schon die Utopie erkennen, dass durch straff organisierte Arbeit für alle Armen die größte Not und das Verbrechen zugleich beseitigt werden können.

In diesen Ausführungen kann man zum Teil die weit zurück reichenden Anfänge unserer heutigen Einstellung zur Erwerbsarbeit erkennen, sie zeigen aber vor allen Dingen, dass es bereits zu dieser Zeit ein soziales Problem gab, da Angebot und Nachfrage von Arbeitskräften nicht im Gleichgewicht waren.81 Es gab also schon zu jener Zeit eine gewisse Gruppe von Menschen, die keinen Platz in der Arbeitswelt gefunden hatten, denen man aber alternative Lebensformen auch nicht zugestehen wollte. Natürlich unterscheidet sich die Situation zu dieser Zeit frappierend von dem, was mit der Industriellen Revolution begann. Die Methoden, die zur Disziplinierung verwendet wurden, waren mannigfaltig und reichten von Zwangsarbeit über die Deportation in Kolonien bis hin zur Hinrichtung.82 Von der Lohnarbeit, die oft mit Armut gleichbedeutend war, zur Verelendung war es nur ein kleiner Schritt. Bedenkt man diese Umstände und im Weiteren, dass die Lohnarbeit und die körperliche Arbeit im Generellen in dieser Zeit verachtet waren, ist es erstaunlich, dass sie zum zentralen Punkt unserer Gesellschaft werden konnten. Der Schlüssel war die allmähliche Aufwertung der Arbeit, welche sich am Lohn festmacht. „Denn der Arbeiter ist seines Lohnes Wert“ (Matthäus, 10, 10). Vor allem im Handwerk lag der Ursprung der Lohnarbeit im ausgehenden Mittelalter, ohne, dass sie zahlenmäßig von Bedeutung gewesen wäre. Die Zünfte in den freien Städten waren die treibende Kraft, verbanden sie doch mit dem Stadtrecht erstmals Arbeit mit dem Begriff Freiheit.83

Doch für die breite Masse war keine Besserung in Sicht. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts nehmen Hungersnöte und Epidemien ab. Damit fehlen sozusagen wesentliche Regulatoren der Population, was zur Folge hat, dass das Heer der Armen wächst, denn sie waren von diesen Übeln am meisten betroffen. Aufgrund dieses wachsenden Reservoirs an Arbeitskräften sinken teilweise die Löhne. Die schwache Ökonomie ist nicht in der Lage ausreichend Arbeitsplätze zu schaffen und in Flandern verwendet man zu dieser Zeit das Wort „Armer“ synonym für den Begriff „Arbeiter“.84

Wie schon erwähnt, war der Lohn ein entscheidender Faktor bei der Aufwertung der Lohnarbeit. Castel räumt, wie Hannah Arendt, Adam Smith und seinem Buch „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“ aus dem Jahre 1776 eine entscheidende Funktion bei der Neubewertung der Arbeit ein, da dieser sogar noch einen Schritt weiter geht. Smith sagt nämlich, dass die Arbeit das tatsächliche Maß für den Tauschwert aller Güter sei und den Reichtum der Welt geschaffen hat. Die Arbeitskraft sei folglich als Besitz des Menschen heilig und unverletzlich und jeder Mensch sollte frei über sie verfügen können. Diese Kombination zwischen Anerkennung des Wertes der Arbeit und der Freiheit über sie zu verfügen, führte zu einer radikal anderen Einstellung. Denn zu früheren Zeiten war Arbeit gleich mit Unfreiheit, Reichtum hatte andererseits eben gerade nichts mit Arbeit zu tun. Folglich wurde Arbeit nicht als entscheidender Ursprung des Wertes einer Ware gesehen. Mit dieser Einstellungsänderung geht jedoch auch eine andere Veränderung einher. Wenn man nun frei über seine Arbeitskraft verfügen kann, so kann man auch nach Veränderung und Verbesserung der eigenen Situation streben. Das Auflösen der festen Ordnung, in die man sich einfügen muss und die jedem Einzelnen einen festen Platz zuweist, war somit ein weiteres Ziel. Diese Denkweise war eine Grundvoraussetzung für den freien Wettbewerb und eine liberale Ökonomie.85 Hier wurde geistig der Übergang von der Herrschaft der Aristokratie zur Herrschaft der Fabrikbesitzer und Händler vorbereitet. Eine wirkliche Freiheit brachte diese Entwicklung den Armen nicht, da die Konkurrenz um Arbeitsplätze – die es ermöglicht, möglichst niedrige Löhne zu zahlen - schon mitgedacht war. Denn wie bereits erwähnt, war das Arbeitskräftereservoir groß genug. Man unterstellte den Armen aber auch mangelnde Motivation. „Die ihren Lebensunterhalt durch ihr Tagwerk erwerben, stehen jedoch selten unter dem Einfluss eines jener Motive [Ehrgeiz und Habsucht] , so dass nichts weiter sie dazu antreibt, sich nützlich zu machen, als ihre Armut, die es zwar klug ist zu mildern, töricht aber, ganz zu beseitigen.“ (Mandeville, Bernard, Die Bienenfabel, S. 232)

Auch Weber befasste sich mit diesem Phänomen, hatte aber einen etwas anderen Blickwinkel. Er sagte nämlich, dass es Bevölkerungsteile gebe, die nur solange arbeiten, bis sie genug für ihr Auskommen haben, diese Einstellung nannte er Traditionalismus. Man müsste daher ihre Löhne senken, damit sie produktiver würden. Er stellte aber gleichzeitig klar, dass bei zu geringem Lohn auch kein Arbeitseifer aufkäme und schon gar anspruchsvolle Arbeiten ordentlich erledigt werden könnten.86

Diese gewollte Armut führte auf der anderen Seite zu Ängsten des Bürgertums. Anfang des 19. Jahrhunderts kam daher der Begriff der „gefährlichen Klassen“ auf. Somit muss es auch um Kontrolle dieser Klasse gehen. Die Philanthropen kümmern sich daher um die Sittlichkeit der Arbeiter, wollen diese also zu besseren Menschen erziehen, nicht aber ihre Lage verbessern. Im Gegensatz dazu wollen Teile der Arbeiterschaft die Ausbeutung beenden. Interessanterweise sind ihre Forderungen dabei aus den Positionen Smiths abgeleitet. Denn in den ersten Manifesten zu den Menschenrechten wird zuerst das „Recht auf Leben“ genannt und wie könnte für die Armen dieses Recht besser erfüllt werden als durch das „Recht auf Arbeit“.87 Dieses Recht ist allerdings, wie wir wissen, bis in die heutige Zeit nicht über seinen symbolischen Charakter hinausgekommen (siehe dazu Kapitel 8). Beim Ausgleich dieser diametralen Positionen kommt der Sozialstaat ins Spiel. Castel spricht davon, dass er den Klassengegensatz sublimiert.88 Der Staat ist und war nach dem allgemeinen Verständnis allerdings nicht für die Bereitstellung von Arbeitsplätzen zuständig. Seine Aufgabe ist es auch nicht Ungleichheiten zu beseitigen, sondern Gerechtigkeit herzustellen. Was z.B. bedeutet allen Bürgern den gleichen Zugang zu Bildung zu ermöglichen oder Lebensweisen in ihrer Diversität zuzulassen. Einen entscheidenden Schritt machte man mit der Einführung der Sozialversicherungen. Sie ermöglichten die endgültige Hinwendung zur Erwerbsarbeitsgesellschaft, da sie die prekäre Lebenssituation der Arbeiter in den Fabriken grundsätzlich absicherten. Zuallererst muss man festhalten, dass diese Versicherungsleistungen auf einen Anspruch gründen, also keine Almosen sind. Ein Teil des Arbeitslohnes wird so aber auch gebunden, er steht den Arbeitern damit nicht mehr zur Verfügung und somit wird ihre gesellschaftliche Position evtl. gefestigt, da ihnen das Kapital für anderweitige Investitionen fehlt. Die unbedingte Annahme der Erwerbsarbeit und die durch die Industrialisierung bedingte Arbeitsteilung waren also Voraussetzungen für die Entstehung der sozialen Schichtungen innerhalb unserer Gesellschaft. Die Gewährung der Sozialversicherungsleistungen ist wiederum an negative Ereignisse, wie z.B. Krankheit, Alter oder in der heutigen Zeit Arbeitslosigkeit gebunden und auch wenn sie mittlerweile teilweise eine Loslösung vom Lohnarbeitssystem ermöglicht, ist ihr Bezug stigmatisierend und vertieft den Graben zwischen dem vorbildlichen Arbeitnehmer und dem die Gemeinschaft belastenden Transferleistungsbezieher.89 Als mit der Industrialisierung die Erwerbsarbeit etabliert wird, entwickelt sich also nach Castel das Erwerbsarbeitsverhältnis über drei Stufen: Vom Proletarier über den Arbeiter hin zum Arbeitnehmer, d.h. von der völlig ungesicherten Situation mit einem Einkommen, das für das nötigste reicht, in den Anfängen über die Klassengesellschaft mit einer halbwegs gesicherten Arbeiterklasse bis hin zur Erwerbsarbeitsgesellschaft, in der fast die gesamte Gesellschaft in Erwerbsarbeitsverhältnissen beschäftigt ist.90

Einige Grundvoraussetzungen müssen dafür allerdings erfüllt werden. Daher sagt Castell, dass sich fünf Voraussetzungen identifizieren lassen. So muss es eine klare Trennung zwischen denen, die fest und regelmäßig für Geld arbeiten, und denen geben, die nicht erwerbstätig sind bzw. nur unregelmäßig arbeiten. Denn nur wer dem Arbeitsmarkt voll zur Verfügung steht, ist auch voll verwertbar, ist so einsetzbar, dass er den maximalen Gewinn bringt. Wer sich dieser Maxime nicht beugt, dem droht auch in der Moderne noch Armut, Exklusion und in manchen Fällen Verfolgung. Daneben muss die tägliche Arbeitszeit genau geplant und der Arbeiter an seinen Arbeitsplatz gebunden werden. Denn Leerlauf muss verhindert, maximale Produktivität erreicht werden. Im Idealfall ist der Arbeitnehmer austauschbar, d.h. er ist mehr auf seinen Arbeitsplatz angewiesen als der Arbeitgeber auf ihn.91 Die dritte Voraussetzung ist die Möglichkeit für alle Arbeitnehmer am Konsum teilzunehmen, was vor allen Dingen durch rationelle Produktionsformen möglich wurde und als Fordismus bezeichnet wird, d.h. Massenproduktion und Massenkonsum. Dieser Konsum geht über das hinaus, was zur Befriedigung der Grundbedürfnisse, also dem, was zur körperlichen Regeneration und Reproduktion nötig ist, benötigt wird. Heute muss man sogar sagen, dass selbst die Menschen, die von Transferleistungen leben, wenn auch in einem extrem eingeschränkten Maße, am Konsum teilnehmen können und sollen.92 Denn niemand schreibt vor, für was die bezogenen Leistungen verwendet werden. Als Viertes gesellen sich die schon zuvor erwähnten Pflichtversicherungen hinzu, die wiederum die Unterscheidung in Erwerbstätige und Erwerbslose voraussetzt. Denn zuerst einmal sind die Leistungsansprüche mit Einzahlungen verbunden, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit geleistet werden. Aber auch ein verbesserter Zugang zu Bildung und Wohnung ist zur besseren Sicherung der Arbeit von Nöten. Die fünfte Voraussetzung ist die rechtliche Ausgestaltung und Fixierung des Arbeitsverhältnisses auf verschiedenen Ebenen, also der Arbeitsvertrag und die arbeitsrechtlichen Regelungen, wie die Einführung des Streikrechts und die Tarifverträge.93 Diese Entwicklungen, die die Ausbreitung der Erwerbsarbeit ermöglichten, bringen nach dem zweiten Weltkrieg rasch eine Struktur innerhalb der Gruppe der lohnabhängig Beschäftigten hervor, die äußerst heterogen ist und eine Einheit der Arbeiterklasse, so sehr diese auch schon vor dem Krieg unwahrscheinlich war, ausschließt. Selbst unter denjenigen Arbeitnehmern, die sich als Arbeiter bezeichnen würden, bestehen große Unterschiede im Hinblick auf gesellschaftliches Ansehen und finanzielle Ausstattung. Die alte Hierarchie mit der manuellen, ungelernten Tätigkeit auf der untersten Stufe bleibt bestehen. So ist nicht unbedingt die Bezahlung das entscheidende Element für die Wertigkeit der Arbeit, sondern eher, ob es sich um körperliche oder eben nicht körperliche Arbeit handelt. Denn zusätzlich hat sich eine Mittelklasse von einfachen bis höheren Angestellten entwickelt. Diese Mittelklasse hat eigene Werte wie z.B. Sparsamkeit, Ehrlichkeit und Fleiß. Man wünscht sich ein Leben in Anstand und mit bescheidenem Wohlstand. Aufgrund der beschriebenen Entwicklung kommt man, gerade wenn man die öffentliche bzw. politische Debatte verfolgt, zu dem Schluss, die Klassengesellschaft wäre verschwunden.94 Tatsächlich ist dies jedoch eine Illusion, da lediglich die alten Begriffe obsolet geworden sind, hebt die Lohnarbeitsgesellschaft die Schichtung95 nicht auf, sondern verändert sie lediglich. So muss man immer noch die Unterschiede benennen und z.B. von Unterschichten oder Oberschichten, von Armen und Reichen sprechen.96 Trotz allem Konsum sind die Unterschiede eben nicht verschwunden, denn welche Produkte konsumiert, welche Dienstleistungen in Anspruch genommen werden können oder wie viel die geleistete Arbeit am Markt wert ist, all dies zeigt auch heute noch deutliche Schichtungen, deutliche Klassenunterschiede auf. Diese sind auch wichtig, denn der Kapitalismus braucht für sein Wachstum diese Unterschiede, nur so kann weiter behauptet werden, dass jeder, der sich regelkonform verhält, der Leistung bringt, aufsteigen kann. Wie ich bereits angedeutet habe, ist diese Aussage sowohl richtig als auch falsch. Jürgen Kocka betont, dass der durch Arbeit erworbene Vermögensstatus leichter akzeptiert werden konnte als der auf Geburt, Zufall oder Eroberung basierende97, doch es wäre naiv zu behaupten, die Erwerbsarbeit hätte diesen drei Faktoren ein Ende bereitet.

Es zeigt sich also, dass eine Vielzahl von gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Prozessen, die zum Teil auch parallel verliefen, zu unserem jetzigen Arbeitsverständnis geführt haben. Kulturelle Prägungen, alte und neu entstandene Werte führten dazu, dass unsere biologischen, psychologischen und sozialen Bedürfnisse heute eng mit der Erwerbsarbeit verknüpft sind. Auf der anderen Seite steht die Kritik an diesen Entwicklungen, denn „der Mensch ist auf das Erwerben als Zweck seines Lebens, nicht mehr das Erwerben auf den Menschen als Mittel zum Zweck der Befriedigung seiner materiellen Lebensbedürfnisse bezogen." (Weber, Max, Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus, S. 15) Wobei Weber Anfang des 20. Jahrhunderts dies darauf zurückführt, dass die Menge des erworbenen Geldes Ausdruck der Tüchtigkeit dieser Person ist. Diese Tüchtigkeit ist nun wieder Ausfluss der Religiosität. Er verweist darauf, dass die kapitalistische Wirtschaftsordnung als ein “faktisch unabänderliches Gehäuse“ jedem Einzelnen wirtschaftliches Handeln zur Norm macht.98 Weber betont aber auch wiederholt das „ Irrationale“ dieser Art, sein Leben zu führen.99

Foucault sprach davon, dass im modernen Staat die einstmals religiösen Ziele Glück, Heil und Wohlstand säkularisiert und zu Zielen der Regierungen, der Politik wurden. Heute verspricht die Erwerbsarbeit in unserer, mittlerweile neoliberal überprägten, sozialen Marktwirtschaft die Erfüllung dieser Ziele. Die Regierung gestaltet ihr Handeln dabei nach den Mustern der Ökonomie, d.h. der Markt und seine Gesetze werden Norm und Regulativ für den Staat. Denn die neoliberale Ökonomie ökonomisiert alle Bereiche unseres Lebens und alles wird nach Kriterien des Marktes betrachtet. Dies bedeutet quasi „eine Art permanentes ökonomisches Tribunal“ (Foucault, Michel, Quelle: Bröckling u.a. (Hg.), Gouvernementalität der Gegenwart, S. 17), dem sich alle stellen müssen. Und damit macht eine solche Ideologie Individuen zu ihrem eigenen Unternehmen, das ständig rational-ökonomisch handeln muss. Eine Art sportlichen Wettbewerbsgeist, bei dem der ökonomisch Stärkste gewinnt und der somit die Möglichkeit des Erfolgs für jeden Einzelnen beinhaltet. Diese Mischung ergibt den Zwang für alle Individuen sich ebenso zu verhalten, auch wenn es ihrer eigenen Natur widerstrebt.100

Es ist also entscheidend, dass Erwerbsarbeit und Leistungsbereitschaft als zentrale Voraussetzung angesehen werden, sich reproduzieren zu dürfen und dabei gesellschaftlich anerkannt zu sein. Doch über dieses alte - je nach Facon naturgegebene, biblische oder kommunistische - Prinzip hinaus führt das zusätzliche Einfordern von Effizienz, Effektivität und freiem, weltweitem Wettbewerb bzw. Markt auch für Arbeitnehmer zu einer, zuerst einmal mentalen, oft aber auch realen Individualisierung der Risiken. Man glaubt daran, dass sich alles von selbst regelt, sobald alle Regeln für die Wirtschaft abgeschafft sind. Im Zuge dieses Wettbewerbs ist auch eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen hinnehmbar. In Deutschland wird versucht mit der Agenda 2010101 auch die sozialrechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Und wenn Reformen und der Rückzug des Staates individuelle Lebenslagen verschlechtern, verweist man auf die Zukunft, in der alles besser wird, wenn wir nur heute zurückstecken. Dabei werden von der Regierung einseitig die Chancen betont, entscheidend ist aber heute, dass wir seit mindestens 30 Jahren einen stetigen Anstieg der Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen haben und sich gegenwärtig auch nicht erkennen lässt, dass sich dieser Trend umkehrt. In diesem Rahmen ist auch eine Reform wie Hartz IV102 zu bewerten, denn eines ist klar, „durch Hartz IV schaffen wir keinen einzigen Arbeitsplatz.“ (Christoph Lang, Sprecher des Berliner Wirtschaftssenators gegenüber dem Tagesspiegel, Tagesspiegel vom 24.05.05, S. 12), sondern zuerst einmal werden die Betroffenen belastet.

Der Glaube an die Zukunft ist brüchig geworden und bestehende Arbeitsverhältnisse werden zunehmend als unsicher empfunden. Der aktuelle Trend scheinen Niedriglohnarbeitsverhältnisse, 400-Euro-Jobs und Ich-AGs zu sein. Zudem verschiebt sich das Verhältnis der Wertschöpfung aus Arbeit und der Wertschöpfung aus Kapital immer mehr zu ungunsten der Arbeit. Dass in vielen Bereichen der industriellen Produktion immer weniger menschliche Arbeitskraft gebraucht wird, ist zudem ein bekannter Prozess.103. „Was uns bevorsteht, ist die Aussicht auf eine Arbeitsgesellschaft, der die Arbeit ausgegangen ist, also die einzige Tätigkeit, auf die sie sich noch versteht. Was könnte verhängnisvoller sein? (Hannah Arendt, Vita activa, S.13). Da nämlich die Lohnarbeit das Fundament unserer sozialen Sicherungssysteme bildet, ist sie heute, da sie im beachtlichen Maße abnimmt, der eigentliche Schwachpunkt. Unsere Gesellschaft droht somit anhand der aktuellen Entwicklungen an dem Konstrukt unserer Arbeitswelt und unseres Arbeitsverständnisses zu zerbrechen und schon heute sind überall Spannungen zu spüren. Denn für die meisten Individuen ist Arbeit noch immer „lebenswichtig“. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ermittelte 1998, dass die Angst vor Arbeitslosigkeit die größte Lebenssorge der Deutschen ist. Auf Platz 3 landete die Angst vor der eigenen Arbeitslosigkeit.104 Denn Arbeit ist ein Wert an sich in unserer modernen Gesellschaft und wenn man jemanden fragt, was er macht oder ist, wird er meistens mit seinem erlernten Beruf antworten.105

6. Markt versus soziale und ökologische Verantwortung

In den bisherigen Kapiteln zeigte sich deutlich, dass eine Trendwende auf dem Erwerbsarbeitsmarkt in näherer Zukunft nicht zu erwarten ist. Die momentane Situation lässt sich also beschreiben und auch die Ursachen sind relativ gut erklärbar und somit ergibt sich daraus die Frage, welche Lösungen sich anbieten. Hier gibt es in Bezug auf Deutschland bisher keine erfolgreichen Strategien und daher soll nun zu den vornehmlich von Wirtschaft und Politik propagierten Lösungsansätzen Stellung genommen werden. Es soll gezeigt werden, dass diese zum Teil problematisch sind und dies nicht nur, weil sie in der Vergangenheit nicht sonderlich erfolgreich waren, sondern weil sie den Menschen kein Leben in Würde ermöglichen. Dabei beziehe ich mich vorerst auf die im Zusammenhang mit Erwerbsarbeitslosigkeit unbefriedigten menschlichen Bedürfnisse, somit bringt die Hinnahme oder Verursachung von Erwerbsarbeitslosigkeit die Betroffenen in einen Zustand der „Würdelosigkeit“. Diese Gegenargumentation kann hier nicht abschließend dargestellt werden, es erscheint aber sinnvoll sie kurz anzusprechen, um zu verdeutlichen, warum hier andere Lösungen vorgeschlagen werden.

6.1 Neoliberale und neoklassische Ökonomie

Der Neoliberalismus wird häufig zuerst genannt, wenn heute kritisch von den vorherrschenden Strömungen in der Ökonomie gesprochen wird. Allerdings sind ökonomische Lehren selten in ihrer Reinform anzutreffen und so hat z.B. auch die neoklassische Ökonomie einen starken Einfluss. Sie wird noch heute in der Ausbildung zukünftiger Ökonomen gelehrt oder verwendet, wenn es um die möglichst einfache Darstellung von ökonomischen Prozessen geht. Um den theoretischen Hintergrund der aktuellen Wirtschaftspolitik zu verstehen, sollen die Grundzüge der beiden ökonomischen Ansätze kurz vorgestellt werden.

Im Kern der neoklassischen Ökonomie steht der „Markt“, auf dem „Angebot“ und „Nachfrage“ alles regeln und ein Gleichgewicht erzeugen. Nach der neoklassischen Theorie lassen sich durch dieses analytische Schema alle Vorgänge auf der Welt erklären. Eine Behauptung, die mit dieser Theorie einhergeht, ist nun, dass sich die Individuen bzw. Gruppen von Individuen (z.B. Haushalte, Organisationen), die einen Markt bilden alle gleich, nämlich rational, verhalten. Doch wer kann schon allen Ernstes für sich behaupten, dass er „vor jedem Einkauf Nutzen und Kosten sorgsam abwägt und Hunderte von Preisen vergleicht, bevor er eine Entscheidung trifft“ und welcher Unternehmer hat „alle Märkte und Börsen in seinem Kopf vereinigt und [orientiert] sämtliche Entschlüsse an diesem Wissen…“ (Dahrendorf, Ralf in Nowak, Jürgen, Soziale Ökonomie und Soziale Arbeit, Soziale Arbeit, S. 126)?

Durch diese Verhaltensnorm ist die „Maximierung“, also das Erreichen des größtmöglichen individuellen Vorteils immer das Ziel und somit handeln alle Menschen rücksichtslos gegenüber anderen (Homo oeconomicus). Bekannt ist die sich daraus ergebene Behauptung, dass Probleme wie z.B. Erwerbsarbeitslosigkeit einzig durch eine Behinderung des Gleichgewichts entstehen und im Umkehrschluss beseitigt werde könnten, wenn auf staatliche Intervention oder andere Verzerrungen (z.B. überhöhte Löhne, die von Gewerkschaften erzwungen wurden) beseitigt würden.106 Auch der Neoliberalismus glaubt an den „Markt“ und „Angebot und Nachfrage“ als Steuerungselemente. Dieses Prinzip gilt für alle Bereiche und Organisation und daher sollen z.B. auch Bildungseinrichtungen, Wasser und Energie, Verkehrsgesellschaften, kulturelle Einrichtungen, Sporteinrichtungen, medizinische Einrichtungen dem Markt unterworfen werden. So sollen sich das beste Angebot und die beste Leistung durchsetzen. Im Normalfall wird ebenfalls für eine größtmögliche Reduzierung aller regulierenden Einflüsse eingetreten, da wo der „Markt“ jedoch nicht vollkommen funktioniert, soll eingegriffen werden. Der Staat soll seine Aktivitäten auf ein Minimum reduzieren und vor allen Dingen nicht wirtschaftlich handeln, da wo er dies doch tut, muss privatisiert werden.107 Die Aufgabe der Regierung ist es einzig „unsere Freiheit zu schützen, insoweit sie von außerhalb bedroht ist und insoweit sie unsere Mitbürger verletzen könnten: also für Gesetz und Ordnung zu sorgen, die Einhaltung privater Verträge zu überwachen, für Wettbewerb auf den Märkten zu sorgen. “ (Friedman, Milton, Kapitalismus und Freiheit, S. 25) Staatliche Intervention ist zugleich Verlust von Freiheit und so wird der Staat zum „Spielleiter und Schiedsrichter“ degradiert. Der „freie Markt“ hingegen wird zum Garant der politischen Freiheit, des sozialen Staates und der Gleichheit aller Menschen.

Zum Verständnis dieser Wirtschaftstheorien ist das bereits erwähnte, dahinter stehende Menschenbild wichtig. Aus der hobbesschen Sichtweise kommend – also das der Mensch des Menschen Wolf ist („homo homini lupus“)108 und getrieben von Machtkonkurrenz, Misstrauen und Ruhmsucht einen Krieg aller gegen alle führt („Bellum omnium contra“)109 – leitet sich der „Homo oeconomicus“ ab, der alles „Soziale“ bzw. den „Homo socialis“ abstreitet.110 Die Folge dieser Wirtschaftsideologien ist eine Verabsolutierung des Marktes und Wettbewerbsgedankens auf allen Ebenen der Weltgesellschaft mit den bekannten Konsequenzen (siehe Kapitel 3.1.1, Kapitel 3.2 und Kapitel 5.). Nach dieser Logik brauchen wir Innovation und Wirtschaftswachstum um jeden Preis und die Konsequenzen dieser Politik treten dabei oft in den Hintergrund. Eine weitere konkrete Forderung, die sich hieraus ergibt, ist die nach einer Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Diese drei Strategien werden im Folgenden kritisch betrachtet.

6.2 Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Innovation und Wirtschaftswachstum

Günther Schmid weist in seinem Buch auf eine relativ schwache Wachstumsdynamik und eine relativ geringe Beschäftigungsintensität des Wachstums in Deutschland hin. D.h. es gibt im Vergleich zu anderen Staaten weniger Wachstum und gleichzeitig erzeugt das Wachstum weniger Erwerbsarbeitsplätze als in anderen Staaten.111 Bei der aktuellen Diskussion um den richtigen Weg zu mehr Erwerbsarbeitsplätzen wird daher immer wieder Lohnzurückhaltung und Flexibilität von Erwerbsarbeitnehmern bzw. Erwerbsarbeitslosen gefordert.112 Gerade aber zum Konzept der Lohnzurückhaltung lassen sich auch unter Ökonomen kritische Stimmen finden. Alfred Kleinknecht z.B. verweist darauf, dass, wenn die Arbeitskraft billig ist, eine Steigerung der Zahl der Erwerbsarbeitsplätze auf ein „träges Wachstum der Arbeitsproduktivität“ zurückzuführen ist. D.h. man setzt mehr menschliche Arbeitskraft ein, anstatt durch die Entwicklung und den Einsatz neuer Technologien produktiver zu werden. Diese Strategie, die in den Niederlanden erfolgreich angewandt wurde, könnte aber bewirken, dass bei zukünftigen Sanierungskrisen die dort angesiedelten unmodernen Betriebe zuerst geschlossen werden. Zudem unterstützt diese Politik innovationsträge Firmen. So führt diese Vorgehensweise nach Kleinknecht kurzfristig zu mehr Erwerbsarbeit, langfristig aber zu einem Verlust an wirtschaftlicher Entwicklung und Innovation. Ein anderer Aspekt ist jedoch, dass die geringeren Lohnkosten oft durch unsichere Teilzeitbeschäftigungen erreicht werden. Diese Beschäftigungsformen führen zu einem geringeren Maß an Vertrauen, Loyalität und Identifikation mit dem anstellenden Betrieb. Von den Arbeitgebern wird weniger Geld in die Weiterbildung und Schulung der Angestellten investiert und die Angestellten „investieren“ ihrerseits ebenfalls weniger in das Arbeitsverhältnis. Auch hier wird also Entwicklung verhindert.113 Die Theorie Kleinknechts lässt sich, zumindest in einem kurzfristigen Zeitrahmen nicht bestätigen, denn die Arbeitslosenquote war in den Niederlanden, trotz einer Steigerung in den letzten Jahren, mit 4,7%114 im Dezember 2004 immer noch relativ niedrig. Sie zeigt jedoch, dass sich der Zusammenhang von Zurückhaltung bei Löhnen gekoppelt mit Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse und einem langandauerndem wirtschaftlichen Erfolg nicht generell herstellen lässt. In den USA, einem Land, welches mit dieser Strategie erfolgreich Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich geschaffen hat, gibt es zudem eine weit verbreitete Erwerbsarbeitsarmut. Dass sich das Phänomen der Erwerbsarbeitsarmut nach einer gewissen Anlaufzeit wieder abschwächt, lässt sich bisher nicht feststellen. Die Behauptung, dass es uns morgen besser geht, wenn wir heute verzichten, lässt sich zumindest kurzfristig und damit in einem für Menschen relevanten Zeitrahmen, nicht beweisen.

Für den Beweis des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Lohnkosten und Erwerbsarbeitslosigkeit, lässt sich auch laut Schmid bisher kein eindeutiger Indikator finden. Genauso verhält es sich mit den immer wieder angeführten Lohnnebenkosten, bei denen sich empirisch kaum eine seriöse Verbindung zur Erwerbsarbeitslosenquote herstellen lässt.115

Mit einem Verweis auf die Zahlen aus dem aktuellen World Employment Report im Kapitel 3.2, in dem sich zeigte, dass sowohl die Zahl der Erwerbstätigen als auch die der Erwerbsarbeitslosen weltweit gestiegen ist, scheint sich eher der Grund für den Druck auf die Löhne finden zu lassen. Es entstehen nicht mehr Arbeitsplätze als die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter steigt. Somit bleibt die Lücke an Erwerbsarbeitsplätzen bestehen und gleichzeitig bewirkt die internationale Konkurrenz, dass der Lohndruck besonders auf die Geringqualifizierten steigt.

Sind also mehr Wissenschaft und Innovation als Weg zu mehr Wirtschaftswachstum die Lösung unserer Probleme?

Zum einen kann Wissenschaft nur dann in dieser Form wirksam sein, wenn durch sie vermarktungsfähige Ideen entstehen. Die Wissensgesellschaft bringt also noch nicht automatisch einen technologischen Fortschritt, der zu mehr Wachstum und Beschäftigung führt. Selbst in Bereichen, in denen an der Verbesserung begehrter Technologien gearbeitet wird, können trotz erheblichen Aufwands aufgrund des bereits erreichten hohen Niveaus oft nur geringe Fortschritte bzw. abnehmende Ertragszuwächse erzielt werden. Echte Innovationen, also neue Erfindungen mit einer hohen Vermarktungsfähigkeit, sind hingegen nicht planbar. Zum anderen würde eine solche Entwicklung voraussetzen, dass die heutigen Erwerbsarbeitslosen uneingeschränkt in Entwicklungs- und Forschungstätigkeiten eingesetzt werden können bzw. zahlreiche neue Arbeitsplätze in der Produktion entstehen. Dies ist aber aufgrund der unterschiedlichen Fähigkeiten, die jeder einzelne Mensch hat, für die Wissenschaft unrealistisch und auch in der Produktion ist aufgrund fortschreitender Technologisierung keine große Steigerung zu erwarten.116 Hinzu kommt, dass durch Wachstum nicht unbedingt Erwerbsarbeitsplätze entstehen. Zwar ist die Theorie des „jobless growth“ umstritten, da hier die Frage nach Meinung einiger Ökonomen nicht ist, ob durch Wachstum Erwerbsarbeitsplätze entstehen, sondern wie hoch das Wachstum sein muss. In Deutschland ist die Theorie zudem müßig, da es kein oder nur sehr geringes Wachstum gibt.117 Jedoch lässt sich nicht bestreiten, dass es Unternehmen gibt, denen das Erreichen eines wahllos festgesetzten Renditezieles von 25% mehr wert ist als der Erhalt von Arbeitsplätzen und langfristige Planung und die vor allem „schlank“ und „effektiv“ sein wollen.118

Es gibt aber auch einen ökologischen Aspekt, der gegen Wachstum um jeden Preis spricht. Hier zeigt sich deutlich, dass eben nicht egal ist, was produziert wird und auch ist nicht jede Form von Entwicklung in den so genannten Entwicklungs- bzw. Schwellenländern ist wünschenswert. Ein unkontrolliertes Wachstum und eine Innovation, die einen höheren Verbrauch von natürlichen Ressourcen zu Folge hat, bewirkt eine Zerstörung unserer Natur. Im Jahre 1992 wiesen Meadows, Meadows und Randers in ihrem Buch „Die neuen Grenzen des Wachstums“ auf die Aussage kanadischer Wissenschaftler hin, dass wir drei Planeten wie die Erde benötigen würden, wenn sich der gegenwärtige Lebensstil der reichen Industriestaaten auf der ganzen Welt ausbreiten würde.119 Am Beispiel Chinas lässt sich heute verfolgen, dass durch unkontrolliertes Wirtschaftswachstum immense Umweltschäden entstehen.120 Der Ecological Footprint als ein Index zur Erfassung des Verbrauchs natürlicher Ressourcen und von Umweltverschmutzung geht davon aus, dass wir momentan die natürlichen Kapazitäten unseres Planten um 25% übersteigen.121

Um ein Umsteuern möglich zu machen, müssten wir uns in der Wirtschaft an anderen Richtlinien orientieren. Unser heutiges System zur Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung, das Bruttoinlandsprodukt (BIP), erfasst die Summe aller produzierten Güter und erbrachten Dienstleistungen unabhängig von deren Konsequenzen für unsere Lebenswelt. Eine Alternative wäre z.B. der Genuine Progress Indicator (GPI), der auch Faktoren wie Kriminalität und damit verbundene soziale Kosten, Haushalt und Freizeitarbeit, Einkommensverteilung, Ressourcenabbau, Umweltverschmutzung und Langzeitschäden an der Umwelt mitberücksichtigt.122

Der freie Markt kann, dass zeigt sich deutlich, nicht das richtungweisende Ordnungselement für unsere Welt sein. „Der Markt führt keine wirtschaftliche Leistung herbei; er verhindert auch nicht Fehler, er bestraft sie nur; er korrigiert sie auch nicht in einem gebräuchlichen Sinne des Wortes, nämlich rechtzeitig, sondern mobilisiert die Leichenbestatter, wenn der Patient tot ist“ (Malik, Fredmund, Muss der Kapitalismus vor den Kapitalisten gerettet werden?) Wenn also eine nachhaltige Entwicklung123 im Sinne einer ökologische Ressourcen schonenden, sowie ökonomisch und sozial gerechten Entwicklung das Ziel ist, brauchen wir andere Wege. Dabei bietet uns die zuvor eingeführte Umweltproblematik den entscheidenden Hinweis.

6.3 Das sozialpolitische Verursacherprinzip

Silvia Staub-Bernasconi hat 1995 in ihrem Buch „Systemtheorie, soziale Probleme und Soziale Arbeit: lokal, national, international oder vom Ende der Bescheidenheit“ zum einen gegen den angeblichen Theoriennotstand der Sozialen Arbeit vorgehen wollen und zum anderen gezeigt, wie Soziale Arbeit durch einen systemtheoretischen Ansatz das eigene Handeln erfolgreicher gestalten, aber auch die eigene Stellung unter den Professionen verbessern könnte. Probleme können also nicht isoliert betrachtet werden, sondern nur als Produkt von Interaktionen zwischen Teilsystemen und ihrer Umwelt. Somit lässt sich, ebenso wie bei Umweltproblemen, auch für soziale Probleme ein Verursacher ausmachen und dieser kann anhand von definierten sozialen Pflichten und Rechten zur Verantwortung gezogen werden.124 Sie geht also von einem erweiterten Umweltbegriff aus, der eben auch das Soziale umfasst und verweist darauf, dass wirtschaftliche Aktivitäten eben oft zu sozialen Kosten führen. Um diese Zusammenhänge beschreiben, erklären und schließlich dadurch normativ ethische Konzepte sowie Handlungsanleitungen ableiten zu können, muss jedoch die Einsicht bestehen, dass „Erstens: Wirtschaftsorganisationen … weder umweltfreie soziale Atome noch holistische Gebilde, sondern "Organisationen-in-der-Gesellschaft" [sind] , und zwar mit Menschen als ihren "Komponenten". Zweitens: Wirtschaft als gesellschaftliches Teilsystem … die soziale Funktion [hat] , Menschen zu helfen, mittels mehr oder weniger knapper Ressourcen und menschengerechter Verfahren ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen und ihre Wünsche zu erfüllen (individuelle Bedürfnisorientierung)“ (Staub-Bernasconi, Silvia, Systemtheorie, soziale Probleme und Soziale Arbeit, S. 377). Sie geht also wie Obrecht von einer Welt aus, die ontologisch125 betrachtet aus Systemen besteht, und dass die Menschen in dieser Welt nur innerhalb von sozialen Systemen existieren können. Nur so können die individuellen Bedürfnisse befriedigt werden (vergleiche hierzu auch Kapitel 4.1). Die Menschen sind dabei in ihren Entscheidungen zum Teil unabhängig von anderen Individuen und Prozessen und zu einem anderen Teil abhängig von ihrer Umwelt bzw. den Systemen, deren Komponente sie sind („Mensch-in-der-Gesellschaft“). Die Wirtschaftorganisationen können innerhalb der Systeme, in denen sie agieren, ihrer Aufgabe Bedürfnisse zu erfüllen gerecht werden oder eben nicht, sie können also sowohl extern als auch intern Werte schaffen, Werte zerstören oder wertneutral sein. Dabei haben die Unternehmen, die global agieren, auch im selben Rahmen soziale Pflichten, die sich nicht nur auf ihre Mitarbeiter oder Kunden, sondern alle Menschen, also auch die Erwerbsarbeitslosen, erstrecken. Dies schließt Unternehmen aus, die durch ihre Aktivitäten oder Güter ökologische, psychische, physische, soziale oder kulturelle Ressourcen zerstören, da sie ihre Aufgabe eben nicht erfüllen. Man muss folglich Wirtschaftsunternehmen auf ihre „Sozialverträglichkeit“ hin prüfen und so festzustellen, ob reine „Markt- und Naturbeherrschung“ oder die „Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und Wünsche“ ihr Ziel ist. Es ist allerdings wichtig zu betonen, dass hierdurch zwar der „reine“ Markt und der damit verbundene Wettbewerb kritisiert werden, allerdings auch nicht die Abschaffung jeglichen Wettbewerbs gefordert wird. Staub-Bernasconi möchte vielmehr zu einer „kompetitiven Kooperation“ aller Individuen kommen und zu einer Ökonomie, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und so zu einer „Humanökonomie“ wird.126 „Alleiniger Wettbewerb wirkt desintegrierend. Seine Unterbindung bewirkt soziale und psychische Stagnation und diese in ihrer ausgebauten Form wiederum Unterdrückung von Menschen. Es soll deshalb eine Form «kompetitiver Kooperation» angestrebt werden.“ (Staub-Bernasconi, Silvia, Systemtheorie, soziale Probleme und Soziale Arbeit, S. 378)

Den Ansatz des sozialpolitischen Verursacherprinzips weiterverfolgt haben Esteban Piñeiro und Isidor Wallimann mit ihrem Buch „Sozialpolitik anders denken“. Schon Staub-Bernasconi, die Führungskräfte zur Sozialverträglichkeit ihrer Unternehmen befragte, stellte fest dass es den Befragten schwer fiel, soziale Probleme konkret zu formulieren und sie sich z.B. in Metaphern aus der Tierwelt flüchteten. Diese soziale Sprachlosigkeit127 wird auch von Piñeiro und Wallimann beklagt. Sie sagen, dass man sich zwar gesellschaftlich der permanenten Beherrschung, Bändigung, Nutzung und Ausbeutung der Natur durch den Menschen bewusst ist, aber dieselben Vorgänge in Bezug auf die Menschen tabuisiert werden. Dies geschehe, obwohl die schädliche Ausbeutung der Natur oft mit einer schädlichen Ausbeutung des Menschen durch den Menschen einhergeht bzw. beginnt. Sie halten dabei fest, dass es ihnen bei der Frage nach dem Verursacher nicht um eine Wiederbelebung alter Denkstrukturen geht, nach denen etwa die Opfer von Krankheiten, Arbeitslosigkeit oder Armut für ihre Lage selbst verantwortlich sind (Blaming-the-victim-Prinzip), das heute verbreitete Gemeinlastprinzip aber von den Unternehmen als Verursacher sozialer Probleme ablenkt. Dabei gehen sie nicht davon aus, dass alle Bereiche der Sozialpolitik sich nach dem Verursacherprinzip gestalten lassen. Dort wo diese Vorgehensweise jedoch möglich ist, wäre sie in ihren Augen nicht nur gerechter, sondern auch effizienter.128 Die beim derzeitigen Gemeinlastprinzip nötige Sparpolitik „bewirkt, dass die Bevölkerung, die sich die Lasten teilt, mehrfach in konkurrierende Gruppen aufgeteilt wird: Menschen mit bescheidenen Mitteln gegen Arme, Junge gegen Alte, Einheimische gegen AusländerInnen, Beschäftigte gegen Arbeitslose, Männer gegen Frauen, Steuerzahler gegen Steuerzahler. Spaltung, Entsolidarisierung, verschobener Diskurs, verschobene Problemartikulation mittels Gemeinlastprinzip anstatt Solidarität durch Übernahme von Verantwortung mittels Verursacherprinzip.“ (Piñeiro, Esteban/ Wallimann, Isidor, Sozialpolitik anders denken, S. 15) Dies schafft eine Kultur der Verantwortungslosigkeit bei den Profiteuren des Gemeinlastprinzips. Die hierdurch verursachte Entsolidarisierung gibt den neoliberalen Forderungen nach einer Eindämmung des Sozialstaates sogar noch Auftrieb, anstatt zu einer Kritik an der neoliberalen Ökonomie zu führen. Damit werde es möglich gegen die ethischen und politischen Prinzipien zu verstoßen, auf denen unsere Gesellschaft ruht, nämlich Verantwortung und Solidarität. Das Verursacherprinzip wird als „Formel“ betrachtet, die es ermöglicht, die Solidarität zwischen den Menschen wieder zu verstärken. Von der heute gängigen Fokussierung bei sozialen Maßnahmen auf die Leistungsempfänger, soll es zu einer Konzentration auf die Entstehungsprozesse sozialer Probleme kommen. Dabei könnten auch Personen und Organisationen, die sich bisher nicht oder nur geringfügig an den Sozialversicherungssystemen beteiligt haben, zur Verantwortung gezogen werden.129 An dieser Stelle lohnt es sich zu betonen, dass es also eine ethische und eine biologische Komponente bei der Beurteilung ökonomischer Strategien gibt und somit wird deutlich, dass es eben nicht allein um die Suche nach dem ökonomisch effektivsten Verfahren geht bzw. darum, die neoliberale oder neoklassische Ökonomietheorien zu widerlegen. Es geht darum, eine menschengerechte Ökonomie zu schaffen, die den Menschen dient und nicht umgekehrt und diese lässt sich sowohl ethisch als auch biologisch, also über die menschlichen Bedürfnisse, begründen. Somit sind alle Verfahren, die nicht menschengerecht sind, ausgeschlossen, auch, wenn sie für den Fall, dass eine bessere Zukunft eintritt, versprechen, alle Menschen an den Gewinnen zu beteiligen. Es muss vielmehr zu jedem Zeitpunkt eine gerechte Verteilung aller zur Verfügung stehenden Ressourcen angestrebt werden.130 Jeder Einzelne und jede Organisation trägt dabei die Verantwortung dafür, soziale Probleme erst gar nicht entstehen zu lassen und Piñeiro und Wallimann gehen davon aus, „dass die persönlichen und politischen Spielräume zur Problemvorsorge und (sozial-)gerechten Lastenverteilung längst nicht ausgeschöpft sind.“ (Piñeiro, Esteban/ Wallimann, Isidor, Sozialpolitik anders denken, S. 23) Ein nach dem Verursacherprinzip gestaltetes soziales Sicherungssystem böte die Möglichkeit einen Anreiz zur Vermeidung sozialer Probleme zu setzen, anstatt wie bisher die Last der Gemeinschaft der Versicherten oder der Steuerzahler aufzubürden.

In Anlehnung an die Umweltpolitik werden soziale Probleme als negative Externalitäten betrachtet, die durch unterschiedlichste Faktoren hervorgerufen werden können, in jedem Falle aber von Menschenhand gemacht sind. Es muss im Einzelnen aber geprüft werden, wann Bedingungen, die in einem System zu sozialen Problemen führen, direkt auf menschliche Handlungen und Entscheidungen zurückgeführt werden können und wann nicht. Das Verursacherprinzip muss daher bestimmte Bereiche des Verhaltens Einzelner aussparen und sich auf größere, kostenrelevante soziale Risiken und Schäden beschränken. Auch können z.B. körperliche Beeinträchtigungen, die seit der Geburt bestehen, die infolge von unverschuldeter Krankheit oder Alter auftreten, nicht nach dem Verursacherprinzip gelöst werden. Für diese und andere Schäden, die nicht direkt einem bestimmten Verursacher zugeordnet werden können, muss weiterhin der Staat aufkommen. Es muss dazu klar sein, dass die Unterscheidung zwischen Reichen und Armen, die von vornherein nicht im Verursacherprinzip mit angelegt ist, zu treffen ist, da Arme a) wenig beitragen könnten und b) soziale Probleme verkleinert und nicht vergrößert werden sollen.131 Wichtig ist zudem die Nachhaltigkeit der Maßnahmen, da sonst zu befürchten wäre, dass sich die Verursacher sozialer Kosten freikaufen anstatt verantwortungsvoll zu handeln. Exemplarisch dargestellt wird dies einmal an den durch Alkoholkonsum und an den durch Entlassungen von Erwerbsarbeitnehmern externalisierten Kosten. Vornehmlich ist hier Letzteres interessant.

Natürlich kann auch im Falle von Erwerbsarbeitslosigkeit der Betroffene der Verursacher sein, etwa, wenn er gekündigt hat. Hier gibt es in Deutschland ja bereits in Form von Leistungssperren Mechanismen, die eine leichtfertige Kündigung seitens des Arbeitnehmers vermeiden sollen. Piñeiro und Wallimann plädieren für ähnliche Maßnahmen, betonen aber, dass diese nur greifen sollen, wo sie nicht weitere Probleme z.B. materieller, psychosozialer oder gesundheitlicher Natur verursacht werden. Neben dem konkreten Arbeitslosengeld könnten auch die Höhe oder Bereitstellung anderer Leistungen der Arbeitsagenturen von der „Risikoinkaufnahme“ der Versicherten abhängig gemacht werden. Da hier auf das Schweizer System Bezug genommen wird, kann ich die Sinnhaftigkeit solcher Maßnahmen schwer beurteilen, fehlen mir doch ausreichende Kenntnisse. In Bezug auf Deutschland sind diese Vorschläge mit den Regelungen zur Grundsicherung von Arbeitsuchenden im SGB II (Hartz IV) bereits übers Soll erfüllt. Piñeiro und Wallimann räumen aber auch ethische Probleme in Bezug auf die Einbeziehung von Leistungsempfängern in das Verursacherprinzip ein. Interessanter erscheint mir jedoch der Ansatz „in Fällen, in denen ein vermeidbares Risiko eingegangen“ wurde, „das Arbeitslosigkeit zur Folge haben könnte (z.B. Fusionen, Kapitalexport, Direktinvestitionen im Ausland, mangelnde Bereitschaft, Kurzarbeit einzuführen usw.)“ (Piñeiro, Esteban/ Wallimann, Isidor, Sozialpolitik anders denken, S. 111). Hier könnten auf der Arbeitgeberseite folgende Mittel als Anreiz zur Vorbeugung zum Einsatz kommen:

- Arbeitslosenversicherungsbeiträge, die sich an der Risikobereitschaft der Unternehmen orientieren
- die Einführung einer Entlassungssteuer
- die Einführung von Entlassungszertifikaten, die gekauft werden müssen, wenn Erwerbsarbeitnehmer entlassen werden
- strafrechtliche Belangung von Unternehmen, die große Risiken in Kauf nehmen
- höhere Beiträge für stark nachgefragte und niedrige für wenig nachgefragte Arbeitskräfte bei der Arbeitslosenversicherung und eine Belohnung von innerbetrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen, die das Erwerbsarbeitslosigkeitsrisiko senken

Zudem könnten auch Maßnahmen erdacht werden, die sich speziell auf Branchen beziehen, die ein spezielles Risiko haben Erwerbsarbeitslosigkeit zu „produzieren“. Neben den Arbeitgebern sollen jedoch auch Verwaltung und Nationalbank (also im Falle Deutschlands die Bundesbank bzw. die Europäische Zentralbank) zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn ihre Entscheidung nachweislich nicht zur Vermeidung von Erwerbsarbeitslosigkeit beitragen oder diese gar verursachen. Hierfür sollen Schiedsgerichte eingeführt werden, die im konkreten Fall entscheiden, ob ein Verschulden vorliegt. Verwaltung und Nationalbank sollen zu ihrem Schutz Haftpflichtversicherungen abschließen. Auch Träger von Integrationsmaßnahmen für Erwerbsarbeitslose sollen haftbar gemacht werden, wenn sie nicht qualitativ hochwertige Dienstleistungen liefern und dazu beitragen, dass Erwerbsarbeitslosigkeit verlängert oder verfestigt wird.

Insgesamt ist das sozialpolitische Verursacherprinzip eine gelungene Antwort auf das Problem Erwerbsarbeitslosigkeit, auch wenn einige Fragen offen bleiben. Hinsichtlich der drohenden Belastungen für die Arbeitgeber, die einen Wirtschaftsstandort unattraktiv machen könnten, kann als Gegenargument gebracht werden, dass verantwortungsvolle Unternehmen durch dieses System belohnt werden.132 Sicherlich wäre es aber sinnvoll ein sozialpolitisches Verursacherprinzip auch auf EU-Ebene zu fordern und so den Prozess in einem größeren Rahmen anzustoßen. Besonders betont werden muss auch, dass es zudem nicht zu einem weiteren Abbau sozialpolitischer Leistung im Zusammenhang kommen dürfte, sondern soziale Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit das Ziel sein müssen.133

7. Der Exodus aus der Erwerbsarbeitsgesellschaft

Nachdem nun die ökonomischen und sozialpolitischen Bedingungen diskutiert und Veränderungsmöglichkeiten aufgezeigt wurden, sollen nun Ideen und Ansätze vorgestellt werden, die sich explizit mit dem Thema beschäftigen, wie die Arbeitsgesellschaft in Zukunft aussehen könnte. Dabei werden Ansätze von höchst unterschiedlicher theoretischer Herkunft vorgestellt. Es gibt Autoren, die Ökonomie studiert haben genauso wie die Philosophie, Politologie, Soziologie oder die Erziehungswissenschaften vertreten sind. Allein die Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung setzte sich aus Vertretern der unterschiedlichsten Professionen zusammen. Somit sollte vom theoretischen Hintergrund her ein Spektrum präsentiert werden, das es ermöglicht am Ende einen Vorschlag zu formulieren, der möglichst viele Faktoren berücksichtigt.

7.1 Neue Arbeit, Neue Kultur

Frithjof Bergmann geht davon aus, dass heute, da wir in das post-industrielle Zeitalter eintreten, Arbeit auf eine andere Art organisiert werden muss. Diese neue Stufe in der Entwicklung der Arbeit nennt er “Neue Arbeit”. In bereits durchgeführten Projekten wurden mit einfachen Mitteln Häuser gebaut oder Dachgärten angelegt. Das bisher erfolgreichste Projekt wurde zusammen mit General Motors in der amerikanischen Automobilstadt Flint durchgeführt. Dort wurden durch eine Einteilung in 6 Monate Erwerbsarbeit und 6 Monate Neue Arbeit Massenentlassungen verhindert. In den 6 Monaten der Neuen Arbeit haben die Menschen Geschäfte gegründet, Bücher geschrieben oder sie haben unterrichtet.

Zentral bei diesem Ansatz ist das post-industrielle Wesen, welches die Wirtschaft annehmen soll. Statt in großen Industrieunternehmen sollen 80 Prozent aller benötigten Verbrauchsgüter in Gemeinschaftswerkstätten durch so genannte High-Tech-Fertigung hergestellt werden. Hier sollen eben nicht simple Haushaltsgegenstände produziert, sondern High-Tech-Produkte wie z.B. einfache Mobiltelefone, Mikrowellengeräte oder Videorekorder hergestellt werden. Dafür müssten die Einzelteile allerdings standardisiert sein und die Geräte von „unnützen“ Zusatzfunktionen befreit werden.134 Eine weitere Möglichkeit wären so genannte Generative Produktionsverfahren, bei denen, vereinfacht gesagt, in kleinen Maschinen (Personal Fabricator) alle möglichen Teile aus feinem Pulver, das schichtweise übereinander gelegt und verschweißt wird, hergestellt werden können. Diese Methode ist allerdings noch nicht so weit entwickelt, dass sie wirklich eingesetzt werden könnte. Zudem man davon ausgeht, dass jeder Haushalt mit ungefähr 38 Produkten auskommt.135

Diese neue Produktions- und Bauweise soll eine völlig neue Aufteilung unserer Zeit möglich machen. Zu je einem Drittel sollen die Menschen in der High-Tech-Eigenproduktion und in der Erwerbstätigkeit arbeiten. Im verbleibenden Drittel sollen die Menschen das tun, was sie wirklich, wirklich wollen (siehe Abb. 1). Als „Arbeit, die wir wirklich, wirklich wollen“, wird die Arbeit bezeichnet, die man entsprechend seinen Talenten und Fähigkeiten machen kann und die unseren Werten und unserer Weltanschauung entspricht.136 Was für eine Arbeit der Einzelne wirklich, wirklich will, kann er in den Zentren der Neuen Arbeit herausfinden, die Bergmann und seine Mitstreiter gegründet haben.137

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Quelle: http://www.newwork-newculture.net/konzept.htm

Ein weiterer zentraler Begriff ist die “Armut der Begierde”, damit ist gemeint, dass viele Arbeiter die monotone Arbeiten verrichten müssen, eben nicht mehr wissen, was sie wirklich und wahrhaftig tun möchten.138 Dieser Zustand soll durch die neue Arbeitsorganisation beendet werden. „Nicht wir sollten der Arbeit dienen, sondern die Arbeit sollte uns dienen. Die Arbeit die wir uns leisten, sollte nicht all unsere Kräfte aufzehren und uns erschöpfen. Sie sollte uns bei unserer Entwicklung unterstützen, lebendigere, vollständigere, stärkere Menschen zu werden.“ (Bergmann, Frithjof, Neue Arbeit, Neue Kultur, S.11)

Bergman und seine Mitstreiter gehen davon aus, dass das System der Neuen Arbeit ökonomisch dem Lohnarbeitssystem überlegen sein wird. Es soll billiger, schneller, effizienter sein und weniger Abfall produzieren als unser heutiges. Bei den staatlichen Rahmenbedingungen wird als Schlagwort die „Steuerwende“ eingeführt. Durch Arbeit erworbenes Einkommen soll nicht mehr besteuert werden, Einkünfte aus Lottogewinnen, Erbschaft, Immobilienbesitz, Investitionen, Aktienbesitz hingegen schon. Das so erwirtschaftete Geld soll z.B. in die Entwicklung neuer Technologien fließen.139

Die Ideen Bergmanns sind teilweise schon realisiert worden, in anderen Teilen sind sie jedoch unrealistisch. Es bleibt außerdem bei seinem Ansatz zu fragen, wie das staatliche oder sozialstaatliche System umgebaut werden soll und welche Auswirkungen diese neue Produktionsweise auf unser wirtschaftliches System hätte. Für sein Kapitel „Der Staat und die Steuern“ braucht er gerade einmal zwei von den insgesamt 426 Seiten seines Buches. Selbst wenn eine Verdrängung der großen Unternehmen wünschenswert ist, wo wird das eine Drittel Erwerbsarbeit geleistet, wie werden die benötigten Personal Fabricators in größerer Menge hergestellt und wie die nötigen Pulver und wer finanziert diese? All diese Fragen lassen sich vielleicht beantworten, Bergmann jedoch bleibt vage. Viel entscheidender sind allerdings andere Argumente. Zuerst einmal ist die Frage wie die Profiteure der heutigen Arbeitsteilung, aber auch das Gro der Bevölkerung, das ebenfalls an diese Organisationsform gewöhnt ist, von seinen Ideen überzeugt werden sollen. Zwar wird Arbeit, wie Bergmann es ausdrückt, häufig als milde Krankheit empfunden, wo man nach zwei Tagen bereits auf das Wochenende hofft, jedoch nicht jeder leidet unter entfremdeter Erwerbsarbeit. Zumal die dafür alternativ angebotene Entwicklungsmöglichkeit zum lebendigeren, vollständigeren, stärkeren Menschen mit einem Verzicht auf Luxus einhergeht. Mit diesen Konsequenzen vor Augen werden für viele Bergmanns Ideen an Anziehungskraft verlieren. In Entwicklungsländern kann die Idee sicherlich eher überzeugen, weil die bereits vorhandenen Technologien, wie das Hausbauprojekt, dort sinnvoll eingesetzt werden können. Auch hier in Deutschland lassen sich sicherlich Hausbauprojekte, solange sie das Bauamt genehmigt, realisieren oder Gärten anlegen. Eine Stärke ist sicherlich die Fokussierung auf die Wünsche bzw. Bedürfnisse der Menschen, leider trägt Bergman diese mit einem Pathos der Religion oder Sekten erinnert vor. So klingt die Botschaft allzu sehr nach intellektuellen und unrealistischen Gutmenschen. Denn - und hier sind wir beim zweiten und entscheidenden Argument - die benötigte Technologie um 80 Prozent der benötigten Produkte selbst herzustellen, der Personal Fabricator, steht in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung. Immer wieder wird jedoch betont, dass nicht Tomaten und Marmelade produziert werden sollen140, aber genau das ist es, was übrig bleibt, solange der Personal Fabricator fehlt.

7.2 Das Haus der Eigenarbeit

Im Folgenden wird ein Projekt dargestellt, welches als solches nicht in die Reihe der Arbeitsgesellschaftsmodelle passt, die in diesem Abschnitt der Arbeit vorgestellt werden. Es ist jedoch aus zwei Gründen interessant. Einerseits ist es ein Beispiel für eine realistische Form der „Gemeinschaftsproduktion“, setzt also an den Schwächen von Frithjof Bergmanns Modell an. Zum anderen wird es in den Modellen der Tätigkeitsgesellschaft (siehe 7.3) und der Gemeinwesenökonomie (siehe 7.4) zitiert.

Das Haus der Eigenarbeit (HEi) ist 1987 durch die gemeinnützige Forschungsgesellschaft „anstiftung“ entstanden und sollte ein Ort sein, an dem die Idee der Eigenarbeit gefördert und auf ihre Umsetzungsfähigkeit hin überprüft werden sollte. Das Grundprinzip ist äußerst einfach. Menschen sollen Dinge, für deren Kauf man normalerweise Geld benötigt und somit arbeiten gehen muss, selber produzieren. Eigenarbeit bedeutet für das HEi: „Für den eigenen Bedarf etwas Nützliches und/oder Schönes zu schaffen.“ (Mutz, Gerd u.a., Eigenarbeit hat einen Ort, S. 9). Eine umfassendere Definition für Eigenarbeit lautet: „Eigene Bedürfnisse durch eigenes Tun befriedigen; selbst tätig werden, allein oder gemeinschaftlich etwas herstellen, reparieren oder organisieren. Eigenarbeit umfaßt handwerkliche, soziale und kulturelle Aktivitäten. Sie geschieht in eigener Regie, mit eigenem Zeit- und Geldaufwand, mit eigenen Händen und Verstand.“ (Quelle: http://www.coforum.de/?EigenArbeit) Dies kann ein Bett, ein Schrank oder ein Schmuckstück sein. Bedürftigkeit ist allerdings keine Vorraussetzung für die Nutzung des HEi, sondern es steht jedem Menschen, der es nutzen möchte, offen. Ziel ist es Menschen stark und unabhängig zu machen. Hier wird also ganz klar der emanzipatorische Anteil der Eigenarbeit betont. Es gibt aber auch Definitionen, bei denen von der Erwerbsarbeit, also der formellen Ökonomie, ausgehend Eigenarbeit der informellen Ökonomie zugeordnet wird.141 Das aktuelle Kursangebot des HEi deckt die Bereiche Holz, Metall, Keramik, Polstern, Papier, Textilien und Schmuck ab. Es werden aber auch spezielle Kurse für Kinder und Jugendliche, für Reparaturarbeiten und ähnliches angeboten.142 Man kann sich also einerseits in Kursen Wissen aneignen, um Dinge selbst herzustellen, andererseits bietet das Haus die Möglichkeit Werkstätten und Maschinen zu nutzen bzw. zu entleihen und mit fachlicher Unterstützung eigene Projekte zu realisieren. Diese Angebote sind nicht kostenlos, sondern es muss eine Teilnahmegebühr oder Miete entrichtet werden. Dies schließt Menschen, die nicht die nötigen finanziellen Ressourcen haben aus, ermöglichte dem HEi aber 1997 40% der Kosten selbst zu tragen. Der Rest wurde durch Stiftungsgelder (15%), Fördergelder der Stadt München (35%) und Zuschüsse zu ABM (15%) stellen finanziert.143 Eine Möglichkeit, die Werkstätten des HEi auch ohne eine direkte Bezahlung zu nutzen, besteht allerdings über das Tauschnetz München144. Die Teilnehmer dieses Tauschringes können z.B. Kuchen für das Café des HEi backen und im Gegenzug eine Werkstatt benutzen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Unterstützung von kulturellen, künstlerischen und sozialen Aktivitäten bzw. von Eigenarbeit in diesen Bereichen.

Besonders auffällig ist, dass das HEi hauptsächlich von Akademikern (41%) und Menschen mit höherem Schulabschluss (26,6%) genutzt wird. Personen mit Hauptschulabschluss (3,6%) oder ohne Schulabschluss (2,2%) sind hingegen unterrepräsentiert.145 Dies lässt natürlich nicht direkt auf die finanziellen Verhältnisse der Nutzer schließen, jedoch geben nur 3,5% der Befragten ökonomische Aspekte für die Nutzung des HEi an. Viel wichtiger ist der Aspekt etwas „selber zu machen“.146 Eine selbstständige, von Erwerbsarbeit unabhängigere Lebensführung ermöglicht es somit nicht.

Es zeigt sich, dass Eigenarbeit in dieser Form eine Ergänzung zur Erwerbsarbeit, aber kein Ersatz ist. Das Konzept der Eigenarbeit bedarf somit der Einbettung in ein größeres Konzept.

Sicherlich sind der Eigenarbeit ebenfalls Grenzen gesetzt. Kein Geld zu haben ist z.B. ein Hinderungsgrund für die Nutzung des HEi und somit ist die emanzipatorische Funktion des Projektes teilweise eingeschränkt. Auch ist die Herstellung einiger Gegenstände in Eigenarbeit teurer als der Kauf dieser. Eigenarbeit ist in dieser Form eine Ergänzung zur Erwerbsarbeit, aber eben kein Ersatz. Sie hilft eigene Talente und Fähigkeiten zu entdecken und zu entwickeln.147 In der Nutzerstruktur zeigt sich deutlich, dass Eigenarbeit ähnlich wie Vereinsarbeit oder soziales Engagement eher Höherqualifizierte und Arbeitsplatzbesitzer anzieht. Das HEi zeigt jedoch auch deutlich, dass Eigenarbeit mithelfen kann, die gegenwärtige Arbeitsgesellschaft zu überwinden und ein Baustein zur Veränderung unserer Lebensweise und unseres Wirtschaftssystems sein kann. Sie ermöglicht die Zugehörigkeit zum Kreis der Tätigen, schafft die Möglichkeit zur sinnvollen Tagesgestaltung. Die Erfahrung, dass erwerbstätige Menschen das HEi bei Verlust ihrer Arbeit weiter nutzten, zeigt zudem die Möglichkeiten der Weiterentwicklung dieser Idee. „Der Stellenwert von Eigenarbeit liegt nicht etwa darin, Erwerbsarbeit zu ersetzen oder gar abzulösen. Sie könnte vielmehr eines von mehreren Zukunftsmodellen für eine Kombination unterschiedlicher Arbeitsformen sein.“ (Mutz, Gerd u.a., Eigenarbeit hat einen Ort, S. 102)

7.3 Die Tätigkeitsgesellschaft

„In der Neuen Arbeitsgesellschaft kann der Wirtschafts- und Erwerbsmensch zum aktiven Bürger werden, der seine Lebenswelt sozial engagiert, ökologisch verantwortlich und kulturell kompetent mitgestaltet.“ (Gerd Mutz, Strukturen einer neuen Arbeitsgesellschaft, S. 17) Auch Mutz verweist, wie Gorz, auf das starre Zeitregime des auf Vollzeit angelegten Erwerbsarbeitsverhältnisses, welches nur wenig Raum für eine individuelle Gestaltung der Lebenszeit lässt. Immer mehr Menschen wollten jedoch dieser Werte- und Zeitordnung entfliehen. Stattdessen wollen sie, dass eine Entwicklung bei der Erwerbsarbeit zwar immer noch ein zentrales Element darstellt, aber Bürgerschaftliches Engagement und Eigenarbeit mehr Gewicht bekommen. Die modernen Kommunikationstechnologien und der Rückgang der Erwerbsarbeit machen zudem eine andere Zeiteinteilung möglich. Wichtig ist nur, dass unsere Tätigkeiten gesellschaftlich anerkannt und wir somit integriert sind.148

Der Begriff Tätigkeitsgesellschaft knüpft an die Ideen des Herstellens und Handelns an, die Hannah Arendt in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts in ihrem Buch „ Vita activa“ formuliert hat.

Beim Modell der Tätigkeitsgesellschaft spricht man von einer Triade der Arbeit bestehend aus Erwerbsarbeit, individuell nützlicher und gesellschaftlich nützlicher Arbeit. Alle drei Arten der Arbeit sollen relativ gleichwertig nebeneinander existieren und sich gegenseitig ergänzen.149 (Abb. 2)

Mutz baut dabei auf bereits existente Elemente auf, möchte diese aber ausweiten. Mit Bürgerschaftlichem Engagement ist vor allem Ehrenamt, Vereinsarbeit, Selbsthilfe und öffentlich- gemeinnützige Arbeit gemeint. Dieses Engagement ist jedoch nicht kostenlos zu haben und darf keine nicht versicherungspflichtige Variante der Erwerbsarbeit sein. So sollen die Menschen, die sich für die Gemeinschaft engagieren, nicht nur eine Aufwandsentschädigung bekommen, sondern verschiedene Angebote wie Qualifizierung, steuerliche Erleichterungen und soziale Teilhabe an der Gesellschaft. Eine Grundlage für die Ausweitung des Bürgerschaftlichen Engagements könnten Freiwilligen- Agenturen und Selbsthilfezentren sein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Triade der Arbeit nach Mutz, vgl. Tätigkeitsgesellschaft in Politische Ökologie S. 59

Diese Neueinteilung hebt die heutige Organisation mit dem Verkaufen der eigenen Arbeitskraft am Arbeitsmarkt auf der einen Seite und den privaten unbezahlten Tätigkeiten wie die Versorgung der Kinder, Engagement im sozialen Bereich, Vereinen oder individuell nützlicher Arbeit auf der anderen Seite auf. Der rein auf den Gelderwerb fokussierte Begriff der Arbeit soll zurückgedrängt werden. Dies bedeutet, dass die soziale Absicherung nicht mehr wie bisher nur an die Erwerbsarbeit gebunden sein kann. Die Zeit, die in den jeweiligen Bereichen verbracht wird, ist von den individuellen Wünschen, sowie von den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfordernissen abhängig. Für Mutz steht dabei außer Frage, dass allen Menschen, die in einem Bereich der Triade arbeiten, soziale Grundrechte gewährt werden müssen.150 Nach seinem Modell sind Menschen ohne Erwerbsarbeit nicht arbeitslos, sondern erwerbslos. Die Erwerbsarbeit soll für den Einzelnen verkürzt und eine neue geschlechtsneutrale Verteilung der Tätigkeiten in der Gesellschaft erreicht werden. Die Institutionen, die mit der Organisation der Eigenarbeit und des Bürgerschaftlichen Engagement betraut sind, bilden eine dritte zivilgesellschaftliche Säule unseres Staates. Die Umsetzung dieser Ideen soll laut Mutz in Modellregionen erfolgen und wissenschaftlich begleitet werden.151

Mit dem von Mutz konzipierten „Münchner Modell“ sollte so eine Region geschaffen werden. In einem Stiftungsrat sollten alle beteiligten Institutionen (Unternehmen/ Gewerkschaften, Kommune/ Land, Arbeitsverwaltung und Vertreter von sozialen, ökologischen und kulturellen Einrichtungen) zusammenkommen und die Stiftung Bürgerschaftliches Engagement bilden. Finanziert werden sollte die Stiftung aus Einlagen, Spenden oder Erblassungen. Es war geplant Erwerbstätige für Bürgerschaftliches Engagement in Form von Bildung (bis zu einem Monat im Jahr) oder permanentem Engagement (bis zu 20 Stunden im Monat) zu gewinnen. In der ersten Form würde die Zeit als Weiterqualifikation oder Bildungsurlaub bereitgestellt, bei der zweiten Variante würden die Teilnehmer bei 20 Stunden Zeitaufwand im Monat 70% des aktuellen Nettolohns behalten und sozialversichert bleiben. Der Lohnverlust sollte aus Stiftungsgeldern ausgeglichen werden. Arbeitslose, die sich für ein derartiges Engagement entscheiden, sollten neben ihren Transferleistungen eine zusätzliche Aufwandsentschädigung erhalten. Die Möglichkeit bis zu einem Jahr für Eigenarbeit zu nutzen sollte, neben der Erwerbsarbeit, dem stabilen Bürgerschaftlichen Engagement und dem Bürgerschaftlichen Engagement als Bildung die vierte Schicht des Münchner Modells bilden. Diese Zeit wäre unbezahlt, jedoch wären auch hier die Teilnehmenden weiter sozialversichert. Die Eigenarbeit könnte in Einrichtungen wie dem „Münchner Haus der Eigenarbeit“ oder Zentren der Neuen Arbeit (siehe Kapitel 7.2 und 7.1) erfolgen.152

Sein Münchner Modell ist sofort umsetzbar, wenn dies von den Institutionen, die zur Umsetzung benötigt werden, gewollt wäre und ist damit dem von Frithjof Bergmann überlegen. Dabei bezieht es ebenfalls Ansätze der informellen Ökonomie mit ein und ist von seiner Grundidee nicht weniger radikal. Ein Schwachpunkt ist, dass sein Ansatz das ökonomische System nicht verändert. Ein weiterer ist die nicht grundsätzlich angelegte Einbeziehung von Erwerbsarbeitslosen. Hier würden sich sicherlich im Bereich der Eigenarbeit und des Bürgerschaftlichen Engagements Anknüpfungspunkte finden, die vom Nutzen für die Menschen über dem Niveau von 1-Euro-Jobs oder Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit liegen. Die Teilnahme würde jedoch im Einzelfall und zumindest zeitweise nicht freiwillig sein, was dem Ansatz von Mutz widerspricht. Wichtig ist dies jedoch im Hinblick auf das zuvor skizzierte Problem, dass die Geringqualifizierten definitiv zu den Verlierern der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt gehören, denn fast 40% aller Arbeitslosen haben keinen Berufsabschluss.153 Diese Menschen bedürfen besonders der Integration in unsere Gesellschaft.

7.4 Gemeinwesenökonomie

Susanne Elsen spricht in ihrer Einführung von einer entgrenzten Ökonomie, die Individuen sozial und ökonomisch ausgrenzt und zu einer Schwächung regionaler und lokaler Gemeinwesen154 führt. Damit entfernt sich das ökonomische System von seiner ursprünglichen Bestimmung, menschliches Zusammenleben zu gewährleisten und unterwirft stattdessen alle Lebensbereiche seinen Marktmechanismen. Durch das Wegbrechen der Erwerbsarbeit sieht sie die sozialen Sicherungssysteme ihrer Grundlage beraubt und fordert daher ein Umleiten von finanziellen Ressourcen aus hochproduktiven Ökonomien in die Schaffung von Arbeitsplätzen und für die Entwicklung eines sozialen Gemeinwesens. Die Ökonomie, die sie sich wünscht, soll sowohl die Erwerbsarbeitslosen, als auch die Umwelt und die Gesundheit der Menschen beachten, sie soll die Arbeit gerecht unter den Menschen und den Geschlechtern verteilen. Die Menschen sollen befähigt werden sich selbst zu entwickeln. Diese Ökonomie soll sich am Wohle des Gemeinwesens orientieren und wird daher von ihr Gemeinwesenökonomie genannt. Durch die Konzentration auf das Gemeinwesen will sie sozialökonomische Zusammenhänge wiederherstellen und die Menschen sollen sich ökonomische Kompetenzen, derer sie ehemals mächtig waren, wieder aneignen. So sollen sie sich aus der Erpressbarkeit der Ökonomie befreien, der es nur um Wachstum und Konkurrenz geht. Die Alternativen zu unserem heute dominierenden liberalen Wirtschaftssystem, die Susanne Elsen vorschlägt, sind also keineswegs neu, sondern neu ist nach ihr nur die Dimension der sozialen und ökologischen Probleme, vor denen unsere Gesellschaft steht.

Verschiedene, parallel zur Marktökonomie bestehende Potenziale sieht Elsen als Bausteine für eine Gemeinwesenökonomie an. Zum einen erwähnt sie die in den großen europäischen Städten existierenden MigrantInnenökonomien als ein Beispiel, wie sich eine Gruppe von Menschen auch mit geringen Ressourcen soziale und ökonomische Freiräume erarbeiten kann. Den zweiten Baustein bilden Gemeinwesenzentren nach dem Muster der Hull House Community Center155 die 1889 unter Federführung von Jane Adams in Chicago gegründet wurden. Ihr Vorteil entgegen den deutschen Modellen der Gemeinwesenarbeit ist, dass sie die ökonomischen Zusammenhänge, die für die Probleme der Menschen verantwortlich sind, weder bei der Problemanalyse noch bei der Lösungssuche ausblenden.156 Der dritte könnte ein bedarfswirtschaftlicher, nicht profitorientierter Basissektor sein, der genossenschaftlich organisiert sein und so auch soziale Ziele verfolgen könnte.157 Dieser Basissektor kann weder durch den Staat noch den Markt gebildet werden, sondern es muss ein „Dritter Weg“ beschritten und eine soziale und ökologische Ökonomie entwickelt werden.158 Elsen verweist zwar beispielsweise auf die Politikerin Heide Simonis oder Jeremy Rifkin und Ulrich Beck, betont aber, dass deren Konzepte eher die aktuelle Entwicklung mit sozialen Maßnahmen begleiten würden, anstatt etwas tief greifend Neues zu schaffen und sich um eine nachhaltige Existenzsicherung für die von der Gesellschaft ausgeschlossenen Menschen zu kümmern. In der Gemeinwesenökonomie werden bedarfswirtschaftliche und auf Reproduktion bedachte Betriebe gefördert und unter Einbeziehung einer gesamtgesellschaftlichen Kosten-Nutzen-Kalkulation bewertet. Ihre Ziele sind nicht Produktion, Vermarktung und Gewinnmaximierung, sondern Existenzsicherung, soziale Integration, Innovation und Bedarfsdeckung. Mit drei Handlungsmaximen soll die Implementierung einer funktionsfähigen Gemeinwesenökonomie gewährleistet werden. So müssen erstens die erzielten Gewinne im ökonomischen Kreislauf des Gemeinwesens verbleiben oder anders gesagt, eine Schließung des Geldkreislaufes auf der Ebene des Gemeinwesens erfolgen, zweitens die Potenziale gebündelt und Möglichkeiten Kooperationserfahrungen zu sammeln, zu experimentieren und zu lernen entwickelt werden und drittens die Schaffung bzw. die Stärkung eines eigenständigen, gemeinwesenorientierten Basissektors und der Verbund der Akteure auf lokaler und regionaler Ebene vorangetrieben werden. Dieser Verbund soll die Grundlage für z.B. eine gemeinsame Infrastruktur (Finanzdienstleistungen, Buchhaltung, Auftragskoordination) geben.159 Sie stellt allerdings heraus, dass kooperative Ökonomien, die darüber hinaus auch noch das soziale Ganze im Blick haben, hohe Anforderungen an ihre Mitglieder stellen. Menschen die an solchen Ökonomien mitarbeiten müssen den „größeren Zusammenhang“ erkennen und bewusst daran arbeiten.

Susanne Elsen tritt im Sinne Oskar Negts für eine Ökonomie des ganzen Hauses ein. Dieser greift die Ideen von Brunner und Seifert auf, die die Abkehr von einem begrenzt ökonomischen Ansatz fordern. „Sie [die Bundesrepublik] braucht eine Ökonomie auch für das ganze Soziale, die nicht das Ökonomische verabsolutiert, sondern im ursprünglichen Sinne des Wortes oikos (Haus) für das »ganze Haus« sorgt, also für die Arbeitslosen ebenso wie für die Umwelt, für die Alten ebenso wie für die Jugend, für die Gesundheit ebenso wie für die Verteilung von Arbeit zwischen den Geschlechtern. … Es geht um eine Ökonomie, die das soziale Ganze im Blick hat.“ (Seifert, Jürgen in Negt, Oskar, Arbeit und menschliche Würde, S. 318) Der Mensch mit seinen Bedürfnissen und Kapazitäten soll im Mittelpunkt ihres Ansatzes stehen. Sie greift dabei auch Annahmen von Karl Marx zum Gemeinwesen auf. „Das System der kapitalistischen Produktionsweise entfremdet den Menschen von seinem wahren Wesen. Gemeinwesenökonomie folgt dem Primat des Lebens und muß Erfahrungen ganzheitlicher menschlicher Betätigung zum Ziel haben.“ (Elsen, Susanne, Gemeinwesenökonomie, S.75) Sie stellt dem „Homo oeconomicus“ einen Menschen gegenüber, der kooperativ und altruistisch handelt. Dieser „Homo cooperativus“ ist in einer lokal und genossenschaftlich organisierten Ökonomie tätig, die eben das Soziale beachtet.160 Eine „territorial verpflichtete, marktorientierte Ökonomie“ könnte ein möglicher Kooperationspartner sein.

Elsen verweist darauf, dass eine Lösung der großen Probleme, die uns heute beschäftigen, in den nationalstaatlichen Grenzen nicht möglich ist, für die Probleme der Menschen aber bereits dieser Rahmen zu groß ist. Daher muss auf regionaler Ebene angesetzt werden und dort vorhandene sozioökonomische Kompetenzen im Bereich der Eigenarbeit und informeller Arbeit genutzt werden. Diese Fähigkeiten der in den Regionen lebenden Menschen leisten als endogene Ressourcen einen Beitrag zur Aufhebung sozialer Problemlagen. Es geht also darum neue wirtschaftliche Betätigungsfelder für die Menschen zu schaffen, die von der globalisierten Wirtschaft ausgeschlossen sind (siehe auch Abb. 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.3: Ökonomische Sektoren, Quelle: Elsen, Susanne, Gemeinwesenökonomie, S. 155

Diese Initiativen müssen auch den Prinzipien der Nachhaltigkeit verpflichtet sein, also die ökologischen Folgen der wirtschaftlichen Aktivitäten beachten. Dies lässt sich durch die Lebensnähe der Entscheidungen und Beteiligung der Betroffenen an den Entscheidungsprozessen erreichen.161 Um regionale Wirtschaftskreisläufe zu festigen und auszubauen sollten territoriale Bündnisse geschlossen werden, zwischen lokal agierenden kleinen und mittleren Unternehmen bzw. Akteuren der Gemeinwesenökonomie. Als Beispiel führt sie unter anderen den Verein für Soziale Ökonomie in Basel, Duisburg Marxloh162 oder die Action Social pour Jeunes in Luxemburg an, welche in den Bereichen Vernetzung lokaler Wirtschaftsbetriebe, Stadtteilentwicklung bzw. –wirtschaft sowie Beschäftigung und Qualifikation erfolgreich tätig sind. Sie betont, dass ein eigenständiger, nicht profitorientiert arbeitender Basissektor und in diesem Rahmen auch der dritte Sektor163 geeignete steuer-, ordnungs- und förderrechtliche Rahmenbedingungen und Hilfestellungen brauchen. Diese könnte er in Form von Anteilen und Bürgschaften, Krediten zu günstigen Konditionen, kostenloser Überlassung von Räumen und Grundstücken, Bevorzugung bei der Auftragsvergabe etc. erhalten. „Diese Gegenleistungen freilich erscheinen gering gegenüber den öffentlichen Zuwendungen für die erste Ökonomie, deren Subventionierung offensichtlich kaum der Rechtfertigung bedarf, obwohl sie im Gegensatz zur Gemeinwesenökonomie die Gewinne privatisiert und soziale und ökologische Kosten externalisiert.“ (Elsen, Susanne, Gemeinwesenökonomie, S. 165) Sie nennt zudem nichtmonetäre Tauschsysteme, Werkstätten der Eigenarbeit (hier verweist sie ebenfalls auf das HEi, siehe Kapitel 7.2), Talentbörsen, freie Bildungseinrichtungen, die Möglichkeit zur kollektiven Nutzung von Gebrauchsgütern als positive Beispiele für einen informellen Sektor. Die Leistungen, die in diesem Rahmen erbracht werden, sind aufgrund der momentanen rechtlichen Rahmenbedingungen zum Teil Schwarzarbeit.164

Die Gemeinwesenarbeit (GWA) soll im Konzept Elsens als Wegbereiter fungieren, indem sie einerseits die Ursachen für die aktuellen Probleme vieler Menschen thematisiert und andererseits nach alternativen Modellen des Lebens und Arbeitens sucht und Projekte im Rahmen ökonomischer Selbsthilfe initiiert. Sie soll sich also in den Bereich der Wirtschaft wagen und dort Einfluss nehmen.165 Auch öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten und andere lokale Institutionen könnten eine Rolle spielen, wenn sie Aufträge lokal vergeben. In Gang gesetzt werden sollen diese Prozesse über Dorfgemeinschafts- und Bürgerhäuser, Stadtteilbüros und Sozialkulturelle Zentren. Die GWA soll in diesem Sinne grundlegende Strukturen der Gesellschaft verändern und wird „Agentin sozialen Wandels“. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang auf Silvia Staub-Bernasconi und fügt somit noch kurz ein, dass sich GWA auch den Menschenrechten verpflichtet fühlen sollte.166

Ein klarer Vorzug der Gemeinwesenökonomie ist, dass sie vom Grundprinzip her auch ohne eine Veränderung politischer Rahmenbedingungen oder eine Zähmung der globalisierten Wirtschaft auskommt. Sie verweist zudem deutlich auf die Funktion der Ökonomie, nämlich das Zusammenleben aller Menschen nach menschwürdigen Prinzipien zu organisieren. Zweifel bleiben allerdings, inwieweit die Idee der Gemeinwesenökonomie wirklich als ein relevantes Organisationsprinzip wirtschaftlichen Handelns etabliert werden kann und z.B. die Schließung des Geldkreislaufes auf der Gemeinwesen- bzw. Regionalebene gelingt. Dass die breite, äußerst heterogene Masse der Erwerbsarbeitslosen auf dieser Ebene in näherer Zukunft problemlos gemeinsam wirtschaftet, erscheint unwahrscheinlich. So droht Gemeinwesenökonomie ein Modell der alternativen Szene zu bleiben. Wieviel Geld aus dem Kreislauf z.B. für den Kauf von industriell gefertigten Gütern entweichen darf und wieviel Geld z.B. aus gut dotierter Erwerbsarbeit, die außerhalb der Gemeinwesenökonomie erbracht wird, einfließen muss, ist ebenfalls nicht klar. Für Großstadtregionen ist nicht anzunehmen, dass z.B. Jugendliche, aber auch Erwachsene, in den „Problemkiezen“ auf Markenkleidung, Fastfood oder Mobiltelefone verzichten werden, um regional und ökologisch bewusst einzukaufen. Einen florierenden Einzelhandel und funktionierende Gemeinwesenstrukturen findet man wiederum hauptsächlich in Wohngegenden, in denen Besserverdiener wohnen oder die Zentren alternativer Lebensformen sind.167 Das heißt nicht, dass der Ansatz Elsens unrealisierbar bleibt, es wird aber noch einer intensiven Arbeit auf der Gemeinwesenebene und der Regionalebene und weiterer Aktivitäten und Ideen gerade auch auf nationaler und internationaler Ebene bedürfen.

7.5 Wie wir arbeiten werden

Das Mehrschichtenmodell der Arbeit von Giarini und Liedtke entstammt dem Bericht an den Club of Rome, der 1998 auf deutsch erschienen ist. Seinen Verfassern ist gleich zu Beginn wichtig zu betonen, dass produktive Tätigkeiten einem besseren Leben und der Schaffung von Wohlstand dienen und produktive Tätigkeit mit der Würde des Menschen und der Ausschöpfung seiner Potentiale verbunden ist. Sie wollen den Menschen dazu verhelfen nicht nur passive Konsumenten, sondern auch produktiv tätig zu sein. Die heutige Definition von Wohlstand und damit das Konzept von wirtschaftlichem Wert müssten allerdings neu überdacht werden. Für sie steht fest, dass die traditionellen Wirtschaftstheorien heute nicht mehr greifen und man sich nicht mehr darauf beschränken darf, über ein oder zwei Prozent Wachstum des Volkseinkommens zu wachen.168 Sie gehen davon aus, dass die Erwerbsarbeit zurückgehen wird, wir aber insgesamt weiterhin das gleiche Maß an produktiven Tätigkeiten erledigen. Ihnen geht es daher um die Frage, welche produktiven Tätigkeiten tatsächlich zum Wohlstand der Nation beitragen. Sie unterteilen daher Arbeit bzw. produktive Tätigkeit, ähnlich wie auch Mutz, in drei Gruppen:

- Erwerbsarbeit (monetarisiert und monetisiert)169
- ehrenamtliche/ gemeinnützige Tätigkeiten und Arbeit in Familie und Haushalt (monetarisiert und nichtmonetisiert)
- Tätigkeiten der Eigenproduktion und des Eigenkonsums (nichtmonetarisiert)

Monetarisiert heißen Tätigkeiten, die einen Tauschwert besitzen, ob dieser nun eingelöst wird oder nicht. Nichtmonetarisiert sind demgegenüber Arbeiten, die nicht von Dritten erledigt werden können. Dazu zählen Giarini und Liedtke Selbststudium, selbst erledigte Reparaturen oder Selbstbehandlung bei Krankheiten. Dabei ist ihnen wichtig, dass eben auch nichtmonetarisierte Tätigkeiten ein unerlässlicher Baustein sind, wenn menschliches Zusammenleben funktionieren soll, daher sollten alle drei Formen der Arbeit gefördert werden. Nichtmonetisiert sind solche Tätigkeiten, die einen implizierten Tauschwert haben. Diese Tätigkeiten könnten moneterisiert werden, werden es aber aus verschiedenen Gründen nicht. Dies trifft z.B. auf die Eigenarbeit, aber auch auf gemeinnützige Arbeiten zu. Monetisiert sind hingegen die Tätigkeiten, deren Tauschwert in einem Preis explizit wird.170

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Mehrschichtmodell der Arbeit

(Quelle: http://www.kthf.uni-augsburg.de/lehrstuehle/forschungsstelle/scheule/online/zukunft.shtml am 17.12.04)

Um dies zu gewährleisten soll jeder Mensch Anspruch auf ein Grundeinkommen anstelle von Sozialleistungen haben, welches z.B. nach dem Modell der negativen Einkommensteuer organisiert werden könnte. D.h. Personen, die kein Einkommen haben, bekommen eine bestimmte Summe Geld vom Staat und diese Summe wird in dem Fall, dass die Person eine Erwerbsarbeit aufnimmt, entsprechend reduziert. Dieses Grundeinkommen soll jedoch nur so hoch sein, „das ein nachteiliger Einfluß auf die Arbeitsmoral vermieden wird“ (Giarini/ Liedtke, Wie wir arbeiten werden, S. 180), das bedeutet aber auch, dass bei sehr geringen Einkommen das Grundeinkommen nicht gleich um die volle Höhe des Einkommens reduziert wird.

Das gesamte Arbeitsleben soll in drei Schichten gegliedert werden und so eine Mischung aus monetesierter und nichtmonetesierter Arbeit erreicht werden (siehe Abb. 4, S. 54). In der ersten Schicht werden monetisierte Arbeitsplätze in Form einer Grundbeschäftigung angeboten, die vom Umfang her 20 Wochenstunden bzw. 1000 Stunden jährlich ausmachen. Jeder Mensch im erwerbsfähigen Alter, welches zwischen 18 und 78 angesiedelt wird, hat Anspruch auf einen solchen Arbeitsplatz. Er bekommt ein garantiertes Mindesteinkommen, oberhalb der Armutsgrenze, kann allerdings den Arbeitsplatz nicht frei wählen. Die Stellen werden, wenn dies nötig ist, staatlich subventioniert.

Die hierfür nötigen Gelder kommen aus „Finanzquellen, die gegenwärtig für zusätzliche Arbeitslosengelder, Einkommensunterstützung und Sozialhilfe vorgesehen sind“ (Giarini/ Liedtke, Wie wir arbeiten werden, S. 238). Die öffentliche Hand wird Erste-Schicht-Stellen auch komplett finanzieren, wo es dem Gemeinwohl dient. Dies könnten z.B. Stellen in der Alten- und Krankenpflege sein. So sollen Gruppen, die bisher häufig von der Erwerbsarbeit ausgeschlossen waren, besser integriert werden. Erste-Schicht-Stellen würden z.B. Jugendlichen, Alte und Frauen die Möglichkeit geben Arbeitserfahrungen zu sammeln. Die Erste-Schicht-Stellen sind mit dem Ansatz ein Grundeinkommen zu zahlen verbunden. Wer nicht bereit ist diese Stellen anzunehmen, soll auch keine staatlichen Leistungen erhalten.

Die Arbeit in der zweiten Schicht bildet das Rückgrat des wirtschaftlichen Lebens, sie ist mit unserer heutigen Erwerbsarbeit vergleichbar. Die zweite Schicht bleibt den Marktmechanismen überlassen, sie ist frei von staatlicher Einflussnahme. Hier hat der Staat lediglich für ideale Rahmenbedingungen zu sorgen. Die Übergänge von der ersten zur zweiten Schicht sind nicht starr. So bleibt die Möglichkeit die Wochenarbeitszeit in der zweiten Schicht zu Lasten der ersten Schicht zu erhöhen, ja sogar die Arbeit der ersten Schicht ganz durch jene der zweiten zu ersetzen. Weil man davon ausgeht, dass es vermehrt aus erster und zweiter Schicht kombinierte Erwerbsarbeit geben wird, müssen auch die Arbeitsverhältnisse in der zweiten Schicht flexibler werden.

Die dritte Schicht setzt sich aus allen Leistungen zusammen, die im Rahmen von Eigenarbeit und nicht bezahlter freiwilliger Tätigkeit erbracht werden.171

Keine Schicht soll isoliert von den anderen gesehen werden. Entscheidend ist jedoch, dass der Wohlstand bzw. die Wohlfahrt einer Volkswirtschaft ebenfalls aus monetisierten und nichtmonetisiertes Tätigkeiten ermittelt werden soll und eben nicht mit dem Bruttosozialprodukt (BSP) gleichgesetzt wird. Zugleich kritisieren sie, dass Kosten für den Wiederaufbau nach einer Zerstörung von Ressourcen einen Anstieg des nationalen Wohlstands bedeuten. Somit fordern die Autoren die Ökonomen zu einer umfassenderen und genaueren Berechnung der Wohlfahrt auf, bei der auch gesellschaftlich nützliche Tätigkeiten, die unbezahlt sind, erfasst werden. Diese Würdigung von ehrenamtlichem Engagement soll einen Motivationsschub bei den nichtmonetisierten Tätigkeiten auslösen.

Eine entscheidende organisatorische Funktion kommt in diesem Modell dem Staat zu. Allerdings wird nicht deutlich, wie die Übergänge von der ersten und zweiten Schicht flexibel gehalten werden sollen. Soll hier doch der Staat eingreifen oder soll der Markt „regulieren“? Auch ist fraglich, ob dieses Modell nicht eine Spaltung der Erwerbsgesellschaft verursacht. Es steht zu befürchten, dass die bisher vom Erwerbsarbeitssystem Ausgeschlossenen in die schlecht bezahlte erste Schicht gehen, während die bisher Erwerbstätigen in der gut bezahlten zweiten Schicht verbleiben. Die erste Schicht stellt zudem eine Form der Zwangsarbeit dar, denn bei Verweigerung der Arbeit wird auch kein Geld gezahlt. Der Vorteil des Modells liegt eindeutig beim veränderten Ansatz zur Berechnung des Wohlstands und der damit verbundenen Aufwertung ehrenamtlicher Tätigkeiten. Eine grundsätzliche Veränderung unserer Gesellschaft und ihres Wirtschaftssystems ist jedoch auch hier nicht mitangedacht.

7.6 Die Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung

Ziel der Zukunftskommission, die sich aus Wissenschaftlern der unterschiedlichsten Fachrichtungen zusammensetzte, war es, Handlungsstrategien zu entwickeln, die unter den aktuellen Bedingungen im nationalstaatlichen Rahmen umsetzbar wären. Dies bedeutet, dass man sich erstens der globalisierten Wirtschaft und der damit einhergehenden Begrenzung nationaler Interventionsmöglichkeiten bewusst ist, zweitens an den aktuellen Strukturen des alten „Modell Deutschland“ ansetzt.

Alle Projekte, die die Zukunftskommission vorschlägt, bewegen sich in einem Dreieck mit den Polen

- wirtschaftliche Leistungsfähigkeit,
- sozialer Zusammenhalt und
- ökologische Nachhaltigkeit.

Dabei ist man sich durchaus bewusst, dass die volle Verwirklichung der drei Pole schwierig sein würde, da sie teilweise einander entgegenstehen. Daher müsste es um eine Balance zwischen den drei Polen gehen und so ein zukunftsfähiges neues „Modell Deutschland“ geschaffen und realisiert werden.172

Zurzeit würde in Deutschland vor allem versucht, durch Senkung der Lohn- und Lohnnebenkosten und der Unternehmenssteuern, durch Lockerung der Flächentarifverträge und Deregulierung des Arbeitsrechts und Flexibilisierung der Arbeitszeit die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Ländern zu verbessern, sowie durch Wachstum größeren Wohlstand zu schaffen. Diese Vorgehensweisen nennt die Kommission Kostensenkungsstrategie, verbunden mit einer konsequenten Wachstumsstrategie. Diese gegenwärtigen Strategien, die hauptsächlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Auge haben, sollen durch die beiden zusätzlichen Ziele der Zukunftskommission ergänzt werden. Dabei sieht die Kommission die Gefahr eines erhöhten Armutsrisikos für Deutschland und befürchtet eine Überbeanspruchung unserer Umwelt. Es soll also ein Wirtschaftswachstum geben, jedoch ohne eine Zerstörung der Umwelt oder eine Ausgrenzung weiter Teile der Bevölkerung aus Beschäftigung zu verursachen. Neben Beschäftigung seien die Familie und eine Beteiligung aller in den Gemeinden, in der Nachbarschaft und in Vereinen förderungswürdig.173

Der Kommission ging es nicht darum einen umfassenden alternativen Zukunftsentwurf vorzulegen, da dies ihre Ressourcen überfordert hätte, sondern anhand von vier Projekten exemplarisch zeigen, wie ein Zukunftsentwurf aussehen könnte, der alle drei Ziele bestmöglich verwirklichen will. Aufgaben, wie die Reform der Sozialversicherungssysteme, die Beseitigung der sich verschärfenden Ungerechtigkeiten im Steuersystem und die Nutzung der privaten Nachfrage nach öffentlichen Leistungen wie Bildung, Kultur und Gesundheit, die die Zukunftskommission für ebenso dringlich hält, konnten nicht behandelt werden.

Deutschland war in der Vergangenheit aufgrund von vier Säulen ein erfolgreiches Modell. Es hat eine Wirtschaft, die technologisch hochwertige Produkte herstellt, verfügt über ein vielfältiges Wissenschaftssystem, gut ausgebildete Fachkräfte und ein viel beachtetes duales Ausbildungssystem. Im Projekt 1 soll daher eine Verbesserung der Innovationsfähigkeit und Stärkung der Humanressourcen erreicht werden. Man setzt sich daher für die Förderung und Nutzung von transdisziplinären, internationalen Forschungsprojekten ein. Neue Märkte sollen durch Pilotprojekte erschlossen werden und neue Technologien in bisher wirtschaftlich starken Bereichen zum Einsatz kommen und so die wirtschaftliche Innovationsfähigkeit verbessern werden. Als zweites will man das Ausbildungssystem einigen Veränderungen unterwerfen, um die Humanressourcen zu stärken. In der Berufsausbildung setzt man auf eine breitere Qualifizierung und möchte zudem die Übergänge zu Fachhochschulen und Universitäten vereinfachen. Alle Bürger sollen zudem ein Anrecht auf Weiterbildung haben. Ein solches könnte über Gutscheine organisiert werden, die durch Steuern oder Weiterbildungsfonds finanziert werden. Der Staat und die von ihm erbrachten Dienstleistungen sollen so organisiert werden, dass sie eine innovative Wirtschaft bestmöglich unterstützen.174

Projekt 2 beschäftigt sich mit verbesserten Beschäftigungsmöglichkeiten für Niedrigqualifizierte. Hier wird die Einführung eines Bürgergeldes nach der Idee von Joachim Mitschke vorgeschlagen. So könnte die Vielfalt der Sozialleistungen zu einer am Bedarf des Haushaltes orientieren Grundsicherung zusammengefasst werden. Das jeweilige Einkommen würde in diesem Modell zu einem festen Anrechnungssatz von ca. 50% besteuert. In diesem ausgeklügelten System lohnt sich Arbeit, da ein erhöhtes Einkommen garantiert ist und im unteren Lohnsektor Einkommenseinbußen, z.B. wegen Kurzarbeit, abgemildert werden (siehe Abb. 5, S. 57). Ein weiteres Ziel ist die „generelle Vorbeugung gegen Einkommensarmut aus welchen Gründen auch immer, vornehmlich in Erziehungs- und Ausbildungsphasen, bei Erwerbsunfähigkeit, Schwangerschaft, Krankheit, und ungenügender Alters- und Rentenversorgung“ (Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung, S. 252). Da man sich der komplexen Änderungen, die die Realisierung dieses Vorschlages nach sich ziehen würde, bewusst war, schlug man alternativ vor, sich auf die Subventionierung des Niedriglohnbereichs zu beschränken. In diesem Modell sollten die Sozialversicherungsbeiträge bis zu einem bestimmten Niveau ganz und darüber hinaus in einem abnehmenden Maße vom Finanzamt finanziert werden. So sollen Arbeitsplätze mit einem geringen Einkommen subventioniert und nicht vernichtet werden.175

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Bürgergeld und neue Beschäftigungsmöglichkeiten

(Die Werte sind aus bzw. für 1998 und daher in DM, Quelle: Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung, S. 251)

Der Wandel der Familie und die Beschäftigungskrise als Herausforderung an eine Politik sozialer Integration werden im Projekt 3 behandelt. Im Verhältnis von Markt, Staat und Familie, von der Zukunftskommission als Wohlfahrtsdreieck bezeichnet, hat sich die Form der Arbeit bzw. das Verständnis Familie in den vergangenen 50 Jahren verändert. Das Vollzeitarbeitsverhältnis des männlichen Haushaltsvorstandes ist ebenso wie die traditionelle Vorstellung von Familie nicht mehr die Regel. Daher müsste sich das soziale Sicherungssystem anpassen und mehr auf das Individuum bezogen werden, damit eine geschlechterneutrale Teilhabe an der Erwerbsarbeit ermöglicht wird. Die Finanzierung sollte sich nicht allein auf das Erwerbsarbeitseinkommen fixieren, sondern alle Einkommen einbeziehen.176

Um eine umweltverträgliche Lebens- und Wirtschaftsweise geht es im Projekt 4. Hier werden von der Zukunftskommission besonders die positiven Effekte auf die Beschäftigung hervorgehoben, die ein Vorantreiben von umweltschonenden Verfahren haben kann. Des Weiteren sollen ökologisch gesehen falsche Anreize für Unternehmen abgeschafft bzw. durch eine Ökosteuer korrigiert werden. Die Verbesserung der Haftung für Umweltschäden und die Förderung von Innovationen beim Umweltschutz sind weitere Forderungen. Im Bewusstsein, dass Umweltverschmutzung ein globales Problem ist, sollen zudem umweltschonende Innovationsprozesse in anderen Ländern unterstützt werden. Dabei sollen auch umweltfreundliche Verhaltensweisen begünstigt werden.177

Der Entwurf der Zukunftskommission hat sicherlich den Vorteil, dass er einerseits wesentliche aktuelle Problemlagen behandelt und sich anderseits bewusst ist, nicht alle Probleme behandeln zu können oder den allein gültigen Lösungsweg gefunden zu haben. Trotzdem wird durch die Verfolgung der drei Ziele wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, sozialer Zusammenhalt und ökologische Nachhaltigkeit ein komplexer Lösungsvorschlag gemacht. Beeindruckend ist vor allem die Datenvielfalt und wie ausgereift viele Vorschläge bereits sind, insbesondere der Vorschlag des Bürgergeldes. Allerdings ist die Implementierung eines Bürgergeldes sicherlich mit außerordentlichen Schwierigkeiten auf politischer und struktureller Ebene verbunden. Der Alternativvorschlag bietet nur einen schwachen Ersatz und lenkt den Blick eher auf die Frage, welche Entlohnung für Arbeiten, die keiner besondern Qualifikation bedürfen, gerecht ist. In diesem Feld wird von der Zukunftskommission die soziale Verantwortung der Betriebe auf den Staat übertragen, genauso wie sie im Bereich der wirtschaftlichen Innovation ausgeklammert wird.

7.7 Wege in eine neue Vollbeschäftigung

Schmid glaubt nicht daran, dass sich jemals ein wirtschaftliches System entwickelt, in dem es nur Gewinner gibt. Er fordert zum einen die Geld-, Finanz- und Lohnpolitik besser zu koordinieren, um ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erzeugen und zum anderen eine grundlegende Reform der (Erwerbs-)Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Dabei geht es ihm um eine gerechte Verteilung der Arbeit, weil er das zurzeit ungleich verteilte Risiko der Erwerbsarbeitslosigkeit für ökonomisch unsinnig und sozial ungerecht hält. Er geht nicht davon aus, dass uns nicht mehr genügend Arbeit zur Verfügung stehen würde und über die Schaffung von Übergangsarbeitsmärkten möchte er Vollbeschäftigung als neues Ziel ausrufen. Dabei ist es ihm wichtig einen diskriminierungsfreien Erwerbsarbeitsmarkt zu schaffen, der Frauen endlich die gleichen Chancen einräumt. Er hält dabei langfristig eine „flexible 30-Stunden-Woche“ für ein realistisches Ziel. Dabei dient dieser Wert dazu eine durchschnittliche Lebensarbeitszeit zu ermitteln, wie und wann diese Arbeit abgeleistet wird, ist von der jeweiligen Biographie und der wirtschaftlichen Notwendigkeit abhängig. Er geht davon aus, dass viele Menschen, die eine Erwerbsarbeit haben gerne weniger arbeiten würden, ist sich aber durchaus darüber im Klaren, dass erst ab einem bestimmten Wohlstand der Wunsch nach mehr Freizeit Priorität bekommt. Auch möchte er mit seinem Modell einen europäischen Ansatz schaffen und trotzdem die Lage auf dem jeweiligen nationalen Arbeitsmarkt berücksichtigt wissen. Die Verkürzung der Lebensarbeitszeit ist aber nicht das Kernelement seines Ansatzes, sondern das Schaffen neuer konkret wählbarer Beschäftigungsverhältnisse durch Übergangsarbeitsmärkte. Da in der heutigen Zeit differenzierte und diskontinuierliche Erwerbsarbeitsverläufe mehr und mehr die Regel werden, solle ein System der Absicherung geschaffen werden, damit eine „Übergangsarbeitslosigkeit“, wie Schmid sie nennt, nicht der Anfang eines sozialen Abstiegs wird. Denn jeder Übergang von einem „Arbeitszeitregime“ ins andere birgt das Risiko „sozialer Ausschließung“. Daher plädiert er für ein System, das nicht alles den Marktkräften überlässt und sich für stabile angemessene Löhne einsetzt und solidarisch ist. Dies begründet er unter anderem damit, dass Einkommenssicherung und Begrenzung der Lohnunterschiede nicht nur gerecht sind, sondern zudem die Kooperations- und Qualifizierungsbereitschaft fördern. Die Unternehmen sind so zudem gefordert innovativ zu sein und sich ständig weiterzuentwickeln. „Wir brauchen, so paradox das klingen mag, neue institutionelle Arrangements für geregelte diskontinuierliche Erwerbsverläufe“ (Schmid, Günther, Wege in eine neue Vollbeschäftigung, S. 228). Schmid unterscheidet fünf Arbeitsmarktübergänge bei denen institutionelle Arrangements notwendig sind. Dies sind Übergänge:

I. zwischen Bildung und Erwerbsarbeit
II. zwischen verkürzter und vollzeitiger abhängiger oder abhängiger und selbstständiger Beschäftigung
III. zwischen privater oder familiärer (meist unbezahlter) Arbeit und Erwerbsarbeit
IV. zwischen Erwerbsarbeitslosigkeit und Erwerbsarbeit
V. zwischen zeitweiser Berufsunfähigkeit oder Rente und Erwerbsarbeit

(siehe Abb. 6, S. 61)

Nur eine Arbeitsmarktpolitik, die alle Ströme in und aus der Erwerbsarbeit und nicht nur den Übergang zwischen Erwerbsarbeitslosigkeit und Erwerbsarbeit im Auge behält, kann erfolgreich sein. Vier Bedingungen müssten erfüllt sein, damit eine Bewältigung dieser krisenhaften Übergänge möglich ist, eine Stärkung der eigenen Handlungsressourcen (empowerment), eine „materielle Infrastruktur“, Unterstützung durch lokale Netzwerke (prozedurale Infrastruktur) und eine zuverlässige „rechtliche Infrastruktur“.

Entsprechend der Übergänge schlägt er institutionelle Antworten auf die damit verbundenen Erwerbsrisiken vor:

I. Erwerbsvermögen (Aufrechterhaltung der Beschäftigungsfähigkeit)
II. Einkommenssicherung
III. Einkommensunterstützung
IV. Lohnersatzleistungen
V. Einkommensersatz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Eine Typologie von Übergangsarbeitsmärkten

(Quelle: Schmid, Günther, Wege in eine neue Vollbeschäftigung, S 233)

Er sieht also in der Erwerbsarbeitslosigkeit nur eine Extremform unter den Einkommensrisiken in der heutigen Zeit. Da die Risiken vielfältiger geworden sind, müssten auch die Antworten vielfältiger werden. Allerdings plädiert er im gleichen Atemzug für eine starke Koordination der einzelnen Maßnahmen. Die Akteure, die die Entscheidungen in diesen Zusammenhängen treffen, müssen zudem Verantwortung für die Auswirkungen übernehmen.178

Um nun die Möglichkeiten zur Veränderung des bestehenden Systems zu erörtern, stellt Schmid zuerst einmal ausführlich die vorhandenen Sicherungs- und Maßnahmesysteme für die verschiedenen Übergänge dar und zeigt, welche Ausgaben damit verbunden sind. Dabei berücksichtigt er z.B. Qualifizierungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit (wie Trainingsmaßnahmen, ABM, berufliche Rehabilitation, etc.), Winterausfallgeld und Kurzarbeitergeld, Förderungen für Existenzgründer, Elternzeit, Vorruhestand oder Altersteilzeit. Vor allen Dingen Maßnahmen, die mit Qualifizierung gekoppelt sind, hält er für sinnvoll. Er kommt so auf ein Potenzial von etwa 3,3 Millionen Beschäftigungsverhältnissen, die im Jahre 2002 in Übergangsarbeitsmärkten beschäftigt waren.179 Die größte Chance für einen Ausbau sah er im Bereich eines besseren Arbeitszeitmanagements. Hier sollte die individuelle Entscheidungsautonomie gestärkt und rechtliche Ansprüche zur Veränderung von Arbeitsverhältnissen geschaffen werden. Den öffentlichen Dienst hält er für ein gutes Beispiel, denn hier könnten die Probleme durch den vielfach vorhandenen Überhang zum Beispiel durch Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich effektiv gelöst werden. Die Lasten solcher Maßnahmen müssten solidarisch verteilt werden und untere Einkommensgruppen könnten z.B. von solchen Maßnahmen ausgespart bleiben. Ähnliche Potenziale wie im öffentlichen Dienst sieht Schmid im Banken- und Versicherungsbereich. Weitere Möglichkeiten wäre Arbeitszeitverkürzung anstelle von Lohnsteigerungen und der Abbau von Überstunden. So würden laut Schmid, rein rechnerisch 800.000 Arbeitsplätze geschaffen, wenn man Personal einstellen würde, anstelle Überstunden von den vorhandenen Mitarbeitern zu verlangen. Realistische Schätzungen, die nur solche Überstunden einbeziehen, die auch planbar sind, gehen von immerhin 240.000 Arbeitsplätzen aus. In jedem Fall bräuchte es steuernde Elemente, wie z.B. eine steuerliche Entlastung kurzer Arbeitszeiten und eine höhere steuerliche Belastung von Überstunden oder einer öffentlichen Förderung von durch Überstundenabbau geschaffenen Stellen. Würden alle vorhandenen Maßnahmen ausgebaut, so würden sich nach Schmids Schätzungen ca. 1 Millionen Arbeitsplätze schaffen lassen.180 Vorraussetzung wäre aber eine andere Finanzierung solcher Maßnahmen, wobei hier zum einen vorgeschlagen wird bei den Arbeitgeberbeiträgen zur sozialen Sicherung die gesamte Wertschöpfung, also auch Gewinne, Abschreibungen und Vermögen zur Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Zum anderen sollte ein Drittel der Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik durch einen steuerfinanzierten Bundeszuschuss gedeckt werden, um so die Beitragssätze der Bundesagentur für Arbeit und somit die Lohnnebenkosten senken zu können.

In einem weiteren Teil zeigt Schmid, dass sich mit einer Kosten-Nutzen-Analyse der Sinn von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen nachweisen lässt. Hier untersucht er das Jobrotationsmodell, also das Beschäftigen Arbeitsloser während einer Weiterbildungsphase eines Mitarbeiters und zeigt, dass solche Maßnahmen durchaus gesellschaftlichen Nutzen haben und nicht nur Kosten produzieren. Auch die Betriebe ziehen einen Vorteil aus solchen Maßnahmen, da sie so höher qualifizierte Mitarbeiter erhalten. Zusätzlich könnten die gesellschaftlichen Gewinne in Form einer Senkung der Lohnnebenkosten an sie zurückgegeben werden.181

Zusammenfassend lässt sich also eine dreiteilige Strategie bei Schmid erkennen. Er fordert erstens eine Geld- und Finanzpolitik, die ein qualitatives Wachstum, also z.B. Investitionen in Bildung und Infrastruktur fördert und spekulative Geldanlagen zurückdrängt und zwar im Rahmen einer europäischen Beschäftigungsstrategie. Dabei sollten die Arbeitskosten im Bereich der Dienstleistungen entlastet und stattdessen alle Einkommen, auch die aus Geldanlagen und Vermögen zur Finanzierung der sozialen Sicherung herangezogen werden. Zweitens sollen den Menschen, die relativ sichere Arbeitsplätze haben, Arbeitszeitverkürzungen „zugemutet“ und so eine gerechtere Verteilung der Erwerbsarbeit realisiert werden. Dabei sind die Übergänge zwischen der Erwerbsarbeit und anderen Tätigkeiten (Weiterbildung, Elternzeit, ehrenamtliche Tätigkeit, Versorgung Älterer und Kranker) und die damit verbundenen Einkommensrisiken abzusichern. Die Finanzierung kann durch die sonst durch Erwerbsarbeitslosigkeit entstehenden Kosten, aber auch durch eigene Vorsorge abgedeckt werden.

Drittens fordert er eine Reform der Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik und der Arbeitsverwaltung. Dabei verlangt er unternehmensähnliche Managementstrukturen, die konsequente Förderung effektiver Maßnahmen und mehr Kooperation und Wettbewerb mit Dritten.182

Auch bei Schmid ist, wie schon bei der Zukunftskommission, die Absicherung durch Daten massiv. Er hat zudem den Vorteil, dass er auf dem bestehenden System aufbaut und eine äußerst umfassende Strategie für das komplexe Problem Erwerbsarbeitslosigkeit bietet. Dieser Vorteil ist allerdings auch sein Nachteil, denn leider ist aufgrund der komplexen Analyse der Situation und der vielen unterschiedlichen Strategien, die er vorstellt, das übergeordnete Rahmen manchmal nicht mehr klar zu erkennen. So stellt sich insgesamt die Frage, ob nicht weniger mehr gewesen wäre und ein klares Bild ergeben hätte. Braucht es z.B. wirklich vier oder fünf verschiedene Leistungen für verschiedene Situationen oder nicht vielmehr möglichst wenige bzw. eine Leistung auf die in unterschiedlichsten Fällen ein Anspruch besteht. Trotz dieser Kritik kann man auf den Ideen Schmids sicherlich aufbauen, denn auch wenn der rote Faden teilweise schwer zu erkennen ist, so ist er doch vorhanden. Und die detaillierte Beschäftigung mit wirtschaftlichen und geld- und finanzpolitischen Bedingungen, sowie der Kosten-Nutzen-Analyse von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ist sicherlich eine gute Argumentationshilfe im Bemühen um eine gerechtere Verteilung der Ressourcen.

7.8 Zwischenergebnis

Zum Anfang dieses Zwischenergebnisses muss betont werden, dass auch diese Arbeit, wie viele andere nicht in der Lage ist den allein gültigen Lösungsweg zu präsentieren. Dafür fehlen dem Autor tiefere volkswirtschaftliche Kenntnisse und die Problemstellung ist zu komplex. Aus der hier vorgestellten Reihe von Modellen lassen sich jedoch Elemente aufgreifen und kombinieren und somit ein möglicher Lösungsansatz formulieren.

In der momentanen Situation ist das Verfahren eindeutig. Es wird dereguliert und der schlanke Staat, Lohnzurückhaltung, Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse sowie mehr Wachstum gefordert. Wenn die Strategie nicht aufgeht oder nicht wirksam genug ist, wird nach mehr des Ganzen verlangt, anstatt eine andere Strategie vorzuschlagen. Dies scheint wie ein Koch, der in seine versalzte Suppe auch noch den Rest seines Salzvorrates kippt und sie dann als Medizin an die Verlierer unserer Gesellschaft verkaufen will. Selbst wenn die Strategie Widererwarten irgendwann aufgehen sollte, ist doch die Frage, wer bis dahin zurückstecken soll und aus welchem Grund. Verlierer werden im jetzigen System sowieso bleiben, denn sie sind für seine Logik immanent, ohne Verlierer gibt es niemand, der nach oben will, gibt es keinen Antrieb. Weltweit betrachtet ist so eine „Win-Win-Situation“, also ein Vorteil für alle, nicht wahrscheinlich. International agierende Unternehmen können umsiedeln, ohne dass in dem Land, das sie verlassen, etwas bleibt. Gerade in Europa wird dies überdeutlich. Gewinnen wir ein Unternehmen für eine Ansiedlung in Deutschland, verliert jemand anderes. Anstatt, wie es nötig wäre, in großen Zusammenhängen zu denken, wird unter den europäischen Staaten der Konkurrenzgedanke gepflegt, in Deutschland wird dies sogar unter den Bundesländern fortgesetzt.183 Wären wir in der Lage Wachstum durch Innovation in einem riesigen Ausmaß zu erzeugen, würden wir unter Umständen die Ressourcen unserer Erde in kürzester Zeit verbrauchen. Wir halten also fest, dass Vollbeschäftigung im Bereich der Erwerbsarbeit nicht mehr zu erwarten und unter den gegebenen Bedingungen einer neoliberalen Wirtschaft auch nicht wünschenswert ist. Ferner kann auch nicht das Ziel sein Erwerbsarbeit um der Erwerbsarbeit willen zu erhalten, also zu fordern Unternehmen sollen Menschen beschäftigen, die sie nicht brauchen bzw. beschäftigen, obwohl keine Arbeit für sie da ist. Hier kann es nur eine gerechte Verteilung der Arbeit gehen. Es geht um eine menschengerechte Arbeitsgesellschaft. Wir brauchen daher eine ökologische und soziale Wirtschaft, die eine Funktion für das menschliche Zusammenleben hat und nicht umgekehrt. Die Menschen sind Vorraussetzung für den Markt und sie können ihm jede Gestalt geben, die sie für richtig halten. Dies gilt auch für unsere Arbeitswelt. Daher müssen Unternehmen daraufhin überprüft werden, ob sie sozialverträglich sind oder nicht. Der Grundgedanke ist, dass alle Unternehmen als „Organisationen-in-der-Gesellschaft“ zu verstehen sind und nicht als Teil eines von anderen Systemen unabhängigen Wirtschaftssystems oder gar als komplett autark von ihrer Umwelt. Von diesem Grundgedanken ausgehend, der auch mit dem Begriff der „Ökonomie des ganzen Hauses“ umschrieben werden kann, könnten Mechanismen, die sich nach dem sozialpolitischen Verursacherprinzips richten eingeführt werden, um Unternehmen zu fördern, die sich ihrer Verantwortung für ihre soziale und ökologische Umwelt bewusst sind und Unternehmen zu bestrafen, denen es nur um ihre Rendite geht. Dies ist vor allem zuerst einmal ein politischer Auftrag. Für Deutschland bedeutet dies die Forderung nach einer Anpassung der europäischen Steuersysteme für Unternehmen und nach einer einheitlichen Politik im Bereich Erwerbsarbeit. Ein Alleingang z.B. Deutschlands würde sich jedoch als wenig effektiv erweisen. Eine Tobin-Steuer, also eine Besteuerung von internationalen Finanztransaktionen, könnte sich daher als ein wirksames Instrument in einer globalisierten Wirtschaft erweisen und, wie im sozialen Verursacherprinzip gefordert, Kapitalexport bestrafen.184 Wichtig ist beim sozialpolitischen Verursacherprinzip jedoch der moralische Anspruch den sozial Schwachen nicht zu schaden und sie nicht zum Ziel dieser Theorie zu machen. Hier muss also eine Vorstellung von Gerechtigkeit vorhanden sein, die die Schwachen stützt. Eine Vorstellung von Gerechtigkeit wäre z.B., "..., daß soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten, etwa verschiedener Reichtum oder verschiedene Macht, nur dann gerecht sind, wenn sich aus ihnen Vorteile für jedermann ergeben, insbesondere für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft." (Rawls, John, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 32)185 Eine hier bereits erwähnte ist die Idee einer menschengerechten Gesellschaft, die eine maximal mögliche Bedürfnisbefriedigung aller Menschen zum Ziel hat.

Zwangsläufig stellt sich die Frage, wie diese Ideen umzusetzen sind, wo doch die neoliberalen Kräfte zurzeit die Meinungsführer stellen. Im Sinne von Meyers Theorie zur Weltgesellschaft müssten weltweit normative bzw. zur Nachahmung anregende Strukturen geschaffen werden, die von Wissenschaft, Nichtregierungsorganisationen und Politik getragenen Netzwerken unterstützt und initiiert werden. In diesem Fall geht es also im Sinne Staub-Bernasconis um die Nutzung von Machtquellen bzw. um die Erlangung der Definitionshoheit in Bezug auf die Fragen:

- Wie ist unsere Gesellschaft beschaffen und wie sollte sie beschaffen sein?
- Was ist Zweck und Ziel der Ökonomie bzw. unseres wirtschaftlichen Handelns?
- Wie kann eine gerechte Verteilung der Ressourcen erreicht werden?

In einem weiteren Schritt geht es um die Gewinnung von Macht in einer Weltgesellschaft bzw. um die Einführung einer gerechtigkeitsdurchsetzenden Begrenzungsmacht.186

In Bezug auf die vorgestellten Modelle für eine „neue“ Arbeitsgesellschaft ist zuerst einmal verblüffend, wie sie sich in den Grundzügen ähneln. Fast alle nehmen eine Dreiteilung der Arbeit vor und wiederum fast alle betonen, wie wichtig es ist für Frauen und Männer die gleichen Zugangsmöglichkeiten zur Erwerbsarbeit zu schaffen. Die Wege, die im Weiteren beschritten werden, sind allerdings recht unterschiedlich. Wiederholt wurde auch in Bezug auf die Gestaltung der Arbeitsgesellschaft die Realisierbarkeit der vorgestellten Ideen kritisch hinterfragt, doch dies geschah nicht aus dem Grund ein Modell zu favorisieren, welches unter Berücksichtigung der politischen Verhältnisse und den derzeit bevorzugten ökonomischen Ideologien sofort umgesetzt werden könnte. Es kann nicht darum gehen nur die „Überzähligen“ zu besänftigen und ruhig zu stellen. Hier wird also erst einmal bewusst ein ideales Bild gezeichnet unabhängig von seiner momentanen Umsetzbarkeit auf der politischen Ebene.

An dieser Stelle sei noch einmal eine kurze Klärung der Begrifflichkeiten erlaubt. Der Begriff Arbeitsgesellschaft bzw. „neue“ Arbeitsgesellschaft meint eine Abkehr von der Fokussierung auf die Erwerbsarbeit. Hier sind alle drei Formen der Arbeit gemeint. Bei den drei Formen der Arbeit wird, in Anlehnung an das Modell der Tätigkeitsgesellschaft von Mutz und seiner Triade der Arbeit, von Erwerbsarbeit, individuell nützlicher Arbeit (Eigenarbeit, Familienarbeit, Bildungszeiten) und gesellschaftlich nützlicher Arbeit187 gesprochen. Hier wird also bewusst von Arbeit und nicht von z.B. Bürgerschaftlichem Engagement oder Tätigkeit gesprochen, um die Gleichrangigkeit der drei Formen der Arbeit auch verbal zu betonen. Klar ist auch, dass gesellschaftlich nützliche Arbeit in der Regel auch einen individuellen Nutzen beinhalten wird und umgekehrt z.B. Familienarbeit der Gesellschaft nützt oder im Rahmen von Eigenarbeit soziale Netzwerke entstehen. Professionell ausgeübte Soziale Arbeit ist dagegen beispielsweise Erwerbsarbeit mit einem gesellschaftlichen Nutzen. Die Zuordnung zu einer der drei Formen der Arbeit kann nur danach erfolgen, welcher Nutzen im Vordergrund steht.

In Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter muss betont werden, dass diese eine Grundvoraussetzung für die hier angestrebte Arbeitsgesellschaft ist. Denn wenn man eine Aufwertung der Eigenarbeit und gesellschaftlich nützlicher Arbeit will, ist es zuerst einmal wichtig, endgültig das Schema aus Kindererziehung und auf den Haushalt bezogenen Arbeiten als Domäne der Frauen auf der einen und den wertschöpferischen, produktiven Tätigkeiten als Bereich der Männer auf der anderen Seite aufzubrechen. Ein weiterer Punkt zur Aufwertung der Eigenarbeit und der gesellschaftlich nützlichen Arbeit könnte der Verweis auf die recht kurze Geschichte der Erwerbsarbeit als Hauptorganisationsform der Arbeit sein. Hauptsächlich müsste dies aber, wie von Giarini und Liedtke gefordert, durch eine Einbeziehung ehrenamtlicher Arbeiten in die Berechnung des Wohlstandes geschehen. Würden auf der anderen Seite Umweltverschmutzung und soziale Kosten negativ miteinbezogen, könnte ein neues Berechnungsprinzip ähnlich z.B. dem Genuine Progress Indicator (GPI) das Bruttoinlandsprodukt ersetzen und dafür sorgen, dass nachhaltiges Handeln zur Handlungsmaxime der Wirtschaft wird. Den Vorschlag der Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung aufzunehmen, eine Grundsicherung, die jedem Bürger zusteht, z.B. in Form einer negativen Lohnsteuer, einzuführen, wäre ein weiterer Baustein. Nach der Einführung des SGB II gibt es in Deutschland zurzeit drei Stufen der sozialen Sicherung: 1. Arbeitslosengeld als Versicherungsleistung für Erwerbsarbeitslose, 2. Arbeitslosengeld II als staatliche Leistung an Arbeitssuchende bzw. erwerbsfähige Hilfebedürftige und 3. Sozialhilfe an erwerbsunfähige Hilfebedürftige.188 Diese sind also alle an das Negativereignis Erwerbsarbeitslosigkeit oder im letzten Fall sogar an die Unfähigkeit einer Erwerbsarbeit nachzugehen gebunden. Genauso wie der Lohn eine Aufwertung der Erwerbsarbeit darstellte (vgl. Kapitel 5), würde eine soziale Sicherung, die nicht durch die Kopplung an Erwerbsarbeitslosigkeit negativ stigmatisiert ist, eine Aufwertung von individuell und gesellschaftlich nützlicher Arbeit darstellen. Diese Grundsicherung müsste so hoch sein, dass die Menschen ihre Grundbedürfnisse befriedigen können und die belohnen, die „nebenbei“ gesellschaftlich nützliche Arbeit verrichten.

Wie schon oft angemahnt, müssten zudem die rechtlichen Rahmenbedingungen verändert werden, um einem nicht profitorientiert arbeitenden Basissektor und in diesem Rahmen auch dem dritten Sektor in geeigneter Form zu unterstützen. Hier ist besonders die Aufhebung der strengen Trennung der Abgabenordnung zwischen eigenwirtschaftlichen und gemeinnützigen Zwecken hervorzuheben.189 Aber auch ordnungs- und förderrechtliche Rahmenbedingungen müssten optimiert werden (vgl. auch Kapitel 7.4).

Auch ohne die zuvor beschriebenen Veränderungen können natürlich Projekte initiiert werden, die auf das Ziel einer „neuen“ Arbeitsgesellschaft hinarbeiten. Hier ist besonders der Ansatz von Gerd Mutz zu nennen. Er bietet mit seinem System die Chance Arbeit gerechter zu verteilen und das starre Zeitregime der (Vollzeit) Erwerbsarbeit aufzubrechen. Er nutzt dabei die Interessen der Unternehmen an Qualifizierung ihrer Mitarbeiter und das Interesse des Einzelnen an individueller Lebensführung. Zugleich will er Unternehmen und Erwerbstätige für gesellschaftlich nützliche Arbeiten gewinnen. Dabei ist wichtig, dass allen Menschen die Möglichkeit gegeben wird für Elternarbeit, Bildungszeit, Eigenarbeit oder gesellschaftlich nützliche Arbeit ihre Erwerbsarbeit zu unterbrechen oder zu reduzieren. Eigenarbeit und gesellschaftlich nützliche Arbeit könnten im Rahmen von Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zur Qualifizierung und „Aktivierung“ der Erwerbsarbeitslosen genutzt werden. So könnten Arbeitslose private Projekte wie ein neues Bett oder einen neuen Schrank realisieren und gleichzeitig Qualifikationen erwerben. Im Bereich der gesellschaftlich nützlichen Arbeit müsste die finanzielle Anerkennung angemessen sein. Günther Schmids detaillierte Beschäftigung mit wirtschaftlichen und geld- und finanzpolitischen Bedingungen, sowie der Kosten-Nutzen-Analyse von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zeigt, mit welchen Argumenten solche Maßnahmen vom Staat eingefordert werden könnten. Die Bildungsträger, die zurzeit Maßnahmen für die BA durchführen, könnten zudem zu Häusern der Eigenarbeit werden, soweit diese nicht regional bereits bestehen.190 Bestünde bei Teilnehmern nach einer Maßnahme ein weiteres Interesse, so müsste es durch staatliche Förderung ermöglicht werden, dass auch finanziell schlechter gestellte Menschen gegen eine geringe Gebühr Dinge in Eigenarbeit herstellen können. Neben dem Umbau von Bildungsträgern wäre die Verknüpfung mit der Gemeinwesenarbeit bzw. Akteuren der Gemeinwesenökonomie sinnvoll.

Ein klarer Vorzug der Gemeinwesenökonomie ist, wie bereits erwähnt, dass sie vom Grundprinzip her auch ohne eine Veränderung politischer Rahmenbedingungen realisierbar ist. Meine Bedenken hinsichtlich der Umsetzung bleiben jedoch bestehen, doch selbst wenn nur einige Gemeinwesenökonomien entstehen, könnten sie einen Beitrag leisten, indem sie Rückzugsraum bieten. In dem hier formulierten Lösungsansatz finden wir schon die Punkte an denen Soziale Arbeit direkt ansetzen kann bzw. Ideen, die von der Sozialen Arbeit aufgegriffen werden können. Bevor jedoch die Aufgaben, die sich für die Soziale Arbeit ergeben, beschrieben werden, wird einem Exkurs zum Recht auf Arbeit ein weiterer Aspekt eingeführt.

8. Exkurs: Das Recht auf Arbeit

Die in der bisherigen Arbeit gemachten Beobachtungen den Prozess der Globalisierung betreffend, machen auf dramatische Weise deutlich, dass es internationale Regelungen bräuchte, um die heutigen Ausformungen des „internationalen“ Arbeitsmarktes zu kontrollieren. So könnte z.B. ein international anerkanntes Recht auf Arbeit die Menschen davor schützen, dass ihre Bedürfnisse frustriert werden. Das Recht auf Arbeit befasst sich aber ganz klar nur mit einer der hier vorgestellten Formen der Arbeit, der Erwerbsarbeit und ist den so genannten Wirtschaftlichen-, Sozialen- und Kulturellen Rechten (WSK-Rechte) zuzuordnen. Die Begrenzung auf Erwerbsarbeit wird damit begründet, dass z.B. „Hausarbeit, Kindererziehung oder ehrenamtliche Tätigkeiten… keine eigenständige materielle Lebensgrundlage, die zur gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichem Leben, insbesondere zur Wahrnehmung von anderen Menschenrechten, wie zum Beispiel auf Bildung oder Gesundheit, erforderlich ist.“ (Körner, Marita, Das internationale Menschenrecht auf Arbeit, S. 13) Körner verweist aber andererseits darauf, dass die Trennung zwischen Recht auf Arbeit und Rechte in der Arbeit vorschnell ist. In diesem Bezug kann z.B. auf die Argumentation verwiesen werden, die behauptet, dass ein hoher Kündigungsschutz Einstellungen und somit die Umsetzung des Rechtes auf Arbeit verhindert. Hier soll versucht werden verschiedene Rechte als unterschiedlich wertvoll darzustellen und so gegeneinander auszuspielen. Es kann jedoch nicht jede Arbeit, sondern nur eine menschenwürdige Arbeit, als Umsetzung des Rechtes auf Arbeit gelten.191 Ein wichtiger Aspekt der Verbindung zwischen Rechten in der Arbeit und dem Recht auf Arbeit kann damit beim Kündigungsschutz hergestellt werden. Er verhindert, dass Arbeitnehmer grundlos entlassen werden und „kann als Ausfluss des Rechtes auf Arbeit angesehen werden.“ (Körner, Marita, Das internationale Menschenrecht auf Arbeit, S. 22)192

Bei den WSK-Rechten gibt es schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts internationale Verträge, an die auch Deutschland gebunden ist.

WSK- Rechte werden allgemein als Rechte der „zweiten Generation” bezeichnet. Im Gegensatz zu den liberalen Abwehrrechten, den so genannten Rechten der „ersten Generation“, die den Einzelnen vor Übergriffen des Staates schützen sollen, entstanden die WSK- Rechte vornehmlich im 19. Jahrhundert. Man könnte sagen, dass sie eine Reaktion auf die Folgen der industriellen Revolution waren. Die einzelnen Staaten verfolgten dabei unterschiedliche Strategien im Umgang mit den neuen, sozialen Problemen. So entschieden sich einige für eine Absicherung durch Versicherungssysteme, andere für den freien Wettbewerb und wiederum andere versuchten die Probleme zu ignorieren. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es unter dem Eindruck der zwei Weltkriege zur Gründung der Vereinten Nationen (VN) im Jahre 1945 und 1948 zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) durch die VN. Standen hier sicherlich die Schutz- und Abwehrrechte im Vordergrund, so waren die WSK- Rechte jedoch schon vertreten. In Artikel 23 der AEMR findet sich z.B. das Recht auf Arbeit. Im Jahre 1966 kam es dann ergänzend zur AEMR zum Internationalen Pakt über die politischen und bürgerlichen Rechte (Zivilpakt) und zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Sozialpakt). Der Sozialpakt wurde in der Einsicht verfasst, dass “das Ideal vom freien Menschen, der frei von Furcht und Not lebt,” 193 nicht allein durch die Umsetzung der bürgerlichen und politischen Rechte erreicht werden kann. Die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte sind untrennbar mit diesen verbunden und zur Erreichung dieses Ziels ebenso notwendig.194

So bildet die AEMR zusammen mit dem Zivilpakt und dem Sozialpakt einen Katalog von Menschenrechten, der als eine Art weltweit akzeptierten und zu erreichenden Standard darstellt, welcher als “Universal Bill of Rights” bezeichnet wird. Trotzdem war und ist man sich natürlich der weitreichenden sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Unterschiede, die weltweit herrschen, bewusst und wollte, wenn es um die Umsetzung geht, die in Pakten und Erklärungen festgehaltenen Rechte vor dem Hintergrund dieser Unterschiede aus der jeweiligen Perspektive der Nationalstaaten betrachtet wissen.195

Nachdem man lange davon ausgegangen ist, dass es sich bei den WSK- Rechten zwar um erstrebenswerte Ziele handelt, diese sich aber im Gegensatz zu den politischen und bürgerlichen Rechten nicht einklagen lassen, ist man heute vermehrt der Auffassung, dass auch der Sozialpakt Rechte enthält, auf die ein unmittelbarer Anspruch besteht. Allerdings sind damit eher Rechte wie das Diskriminierungsverbot, der Anspruch auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit, der Schutz von Kindern vor Ausbeutung und ähnliche Rechte gemeint und nicht das Recht auf Arbeit.

In der Entstehungsphase des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Sozialpakt) wurde diskutiert, ob das Recht auf Arbeit nur für Staatsangehörige gelten sollte, die meisten Länder wollten jedoch nicht, dass es zu dieser Einschränkung kommt. Zumal von vielen die Auffassung vertreten wird, dass dies gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen würde. Das Diskriminierungsverbot bedeutet jedoch auf der anderen Seite nicht, dass es keine ungleiche Behandlung geben darf. Für diese muss es aber eine sachliche, objektive Begründung geben. Staatsangehörigkeit wäre demnach kein sachlicher Grund.196 Ein anderer Punkt bei dem bei der Ausarbeitung Uneinigkeit herrschte, war die Pflicht zur Arbeit, die einige Staaten gerne aufgenommen hätten.197

Die Wahl der Mittel, die zum Erreichen der Paktziele notwendig sind, bleibt weitestgehend den Staaten überlassen. Auch muss er dafür nicht alle Mittel einsetzen bzw. darf er nicht alle Mittel einsetzen, wenn er noch andere Verpflichtungen hat.198

Das Recht auf Arbeit ist im Sozialpakt in Artikel 6 festgehalten (siehe Anhang S. 112) Für alle Staaten, die den Sozialpakt auch ratifiziert haben, ist dieser ein so genannter “treaty body” und somit mit Pflichten zur Berichterstattung verbunden. Diese ergibt sich für den Sozialpakt aus den Artikeln 16 und 17. Geprüft werden die Berichte seit 1987 vom Committee for Economic, Social and Cultural Rights (CESCR/ Sozialpaktausschuss), das aus 18 Experten besteht.199. Zum Abschluss der Prüfung werden so genannte “concluding observations”, also abschließende Beobachtungen vom CESCR verfasst, die auch als eine Art Rechtssprechung betrachtet werden200. Auch wenn der Dialog, der in diesem Rahmen zwischen CESCR und berichtenden Staaten nicht unterschätzt werden sollte, kann von einer wirksamen Kontrolle keine Rede sein. Zwar haben 1993 auf der Weltmenschenrechtskonferenz alle Staaten noch einmal die Unteilbarkeit der Menschenrechte betont, doch leider bemüht man sich nicht, die Instrumente zum Schutz der WSK- Rechte auszubauen. Die VN arbeiten schon seit längerem an einem Fakultativprotokoll, welches für die im Sozialpakt enthaltenen WSK-Rechte ein Individualbeschwerdeverfahren ermöglichen soll und somit auch eine bessere Umsetzung der Rechte garantieren könnte. Dieses wird sich aber auf absehbare Zeit nicht umsetzen lassen, da Vertragsstaaten größtenteils bisher noch nicht einmal der Aufforderung nachgekommen sind, eine Stellungnahme zum Entwurf für das Fakultativprotokoll abzugeben.201

Für die im Sozialpakt enthaltenen Rechte werden zudem auch vermehrt General Comments202 erstellt. Diese könnte man als Handlungsanleitungen, als Empfehlungen zur Umsetzung verstehen. Der Sozialpaktausschuss hat gegenwärtig mit den Vorbereitungen zur Erstellung eines General Comment zu Art.6 des Sozialpaktes begonnen. Es wird jedoch noch vermutlich 2-3 Jahre bis zur Fertigstellung dieses Kommentars dauern.

Am 15. Juli 1966 wurde das Übereinkommen über die Beschäftigungspolitik (Übereinkommen 122) der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) ratifiziert (siehe Anhang S. 112). Die IAO wurde bereits 1919 gegründet. Man ging unter dem Eindruck des 1. Weltkriegs davon aus, dass ein dauerhafter Weltfriede nur auf sozialer Gerechtigkeit basieren könne. Sie folgt in ihrer Tätigkeit den Grundprinzipien: „- Arbeit ist keine Ware, - Freiheit der Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit sind wesentliche Voraussetzungen beständigen Fortschritts, - Armut gefährdet den Wohlstand aller Menschen“.203 Der Schwerpunkt der IAO liegt eher bei den Arbeitnehmerrechten, also z.B. Arbeitsbedingungen und Gewerkschaften. Das Übereinkommen 122 ist das einzige Dokument, das sich mit dem Recht auf Arbeit beschäftigt. Es ist in seiner Formulierung sehr zurückhaltend. Da es keinerlei Kontrolle gibt, ob das Übereinkommen eingehalten wird, ist sein Wert eher symbolisch. Generell bemüht sich die IAO, die Umsetzung und Einhaltung von Arbeitsstandards durchzusetzen, ihre Mittel sind jedoch begrenzt, d.h. sie ist auf freiwillige Einhaltung von Übereinkommen angewiesen.

Auch auf europäischer Ebene gibt es Verpflichtungen das Recht auf Arbeit betreffend. Am 27. Januar 1965 wurde die Europäische Sozialcharta ratifiziert. Schon aus der Formulierung des Artikels 1 der Sozialcharta lässt sich erkennen, dass der Europarat wesentlich vorsichtiger mit dem Recht auf Arbeit umgegangen ist (siehe Anhang S. 112). Da ist von Möglichkeit die Rede und von hohem, stabilen Beschäftigungsstand, der ein wichtiges Ziel sei. Alles ist also ein wenig weicher als im Sozialpakt formuliert. Zusätzlich wird die Charta durch Wahlmöglichkeiten in Teil III geschwächt, d.h. man muss nicht alle Artikel ratifizieren, sondern kann eben wählen. Der Europarat hat sich zwar mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ein wirksames Mittel zur Durchsetzung von Menschenrechten geschaffen, dieser ist allerdings nur für die Einhaltung der bürgerlichen und politischen Rechte zuständig und nicht für WSK- Rechte. Dem Europarat ging es von vornherein wohl eher um wirtschaftliche, denn um soziale und kulturelle Interessen. Die Pflicht zur Berichterstattung ergibt sich aus Artikel 21 der Europäischen Sozialcharta. Das European Committee of Social Rights (ECSR) verfasst zu den Berichten Kommentare, aus denen sich aber keine weiteren Konsequenzen ergeben.204

Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union macht sogar noch einen Schritt zurück. In ihrem Entwurf spricht man vom Recht zu arbeiten (Art. II-15), anstatt vom Recht auf Arbeit. Diese Formulierung ist vielleicht verständlich, da direktes Recht auf Arbeit im Falle der Verabschiedung der Verfassung auch einen Rechtsanspruch schaffen würde, sie beweist aber auch, wie immer noch blind auf die Heilkräfte der einer sich frei entfaltenden Wirtschaft vertraut wird. Denn Artikel II-16 erkennt die “unternehmerische Freiheit” ausdrücklich an (siehe Anhang S. 112). Dafür ergeben sich aus dem Eigentum (Art. II-17) in keiner Weise Pflichten, wie man sie z.B. aus dem Deutschen Grundgesetz aus Artikel 14 (2) kennt.205 Zu den wirtschaftspolitischen Zielen der Union heißt es weiter in Art. I- 3,2, dass ein „Binnenmarkt mit freiem und unverfälschtem Wettbewerb“ angestrebt wird. Gleich darauf folgt ein Bekenntnis zu einer „in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft“ (Art. I-3,3). Diese Artikel muss man fast schon als Kniefall vor der Wirtschaft ansehen, taucht derartiges doch bisher in keiner Länderverfassung auf.206 Der gesamte Verfassungstext ist von neoliberalen Einstellungen durchzogen, so heißt es der Freihandel diene dem Gemeinwohl und es ist verboten den freien Kapitalverkehr einzuschränken. Hier wird der bestehende Zustand endgültig manifestiert und egal welche Partei in den jeweiligen Mitgliedsländern die Mehrheit besitzt, sie hat keine andere Wahl als die neoliberale Wirtschaftsordnung und das Prinzip des Wettbewerbs auch für Bereiche wie Gesundheit, Bildung und soziale Sicherung anzuwenden und somit hat neoliberales Gedankengut von der europäischen Idee Besitz ergriffen.207 Bernard Cassen sagt, der ultraliberale Geist sei in Marmor gemeißelt worden, denn Änderungen sind nur möglich, wenn alle der zukünftig 25 Mitgliedsländer der EU einverstanden sind.208 Daher formierte sich auch schnell Widerstand, der die EU-Verfassung verhindern will. Da in Deutschland keine direkten demokratischen Mittel bestehen, konzentrierte man sich auf Länder mit Volksentscheiden, wie Frankreich.209 Dort ist die Verfassung bei der Abstimmung am 29.05.2005 vorerst gescheitert.210

8.1 Das Recht auf Arbeit im deutschen Recht

Das Recht auf Arbeit ist nicht im Grundgesetz (GG) festgehalten. Artikel 12 GG sagt lediglich aus, dass jeder das Recht hat “seinen Arbeitsplatz frei zu wählen” und dass “niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden” könne. Ob das Recht auf Arbeit trotzdem aus dem GG abzuleiten und somit als verfassungsmäßig anzusehen ist, ist mehr als strittig. Generell kann man davon ausgehen, dass das GG überwiegend nicht so interpretiert wird. Dies wäre auch nicht nötig, wenn man den Standpunkt vertritt, dass die sich aus Europäischer Sozialcharta und Sozialpakt ergebenen Verpflichtungen ausreichen.

Schachtschneider versucht trotzdem das Recht auf Arbeit in den Verfassungsrang zu heben und behilft sich dabei mit dem in Artikel 20 GG festgehaltenen Sozialstaatsprinzip (“Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat”). Durch dieses ist der Staat verpflichtet ein gesamtgesellschaftliches Gleichgewicht herzustellen, zu dem ein hoher Beschäftigungsstand bzw. Vollbeschäftigung gehört. So hat jeder Arbeitslose im Zusammenhang mit Artikel 2 Abs. 1 GG, der die freie Entfaltung der Persönlichkeit garantiert, ein subjektives Recht auf einen Arbeitsplatz.211 Andere, gängigere Deutungen leiten aus Artikel 20 GG, in Verbindung mit der in Artikel 1 GG garantierten Würde, lediglich den Anspruch auf ein Existenzminimum, also Sozialhilfe ab.212 Auch im Artikel 14 Abs. 1 GG sieht Schachtschneider mit der Eigentumsgewährleistung ein Recht auf Arbeit verankert, da Eigentum hauptsächlich durch Arbeit erworben wird. Auch gibt Artikel 14 GG ein Recht auf Selbständigkeit, welche wiederum in unserer Gesellschaft nur durch Arbeit erreicht werden kann, durch Eigentum.213 Diese Interpretation ist allerdings sehr gewagt. Denn Artikel 14 GG schützt zwar das private Eigentum, wie dieses jedoch erworben wird, ist dafür völlig egal. Gerade die Tatsache, dass in eben diesem Artikel auch das Erbrecht geschützt wird, lässt einen dabei nicht unbedingt an Arbeit denken. Der Umsetzung des Rechts auf Arbeit sind nach Schachtschneider die Interessen der Wirtschaft unterzuordnen. Allerdings sieht er auch jeden Menschen zur Arbeit verpflichtet, der seinen Lebensunterhalt nicht selbständig bestreiten kann.214

Wesentlich leichter lässt sich die Existenz des Rechtes auf Arbeit für Deutschland beweisen, wenn man zu Sozialpakt und Europäischer Sozialcharta zurückkehrt, oder man begibt sich auf die Ebene der Landesverfassungen. Hier hat Bayern ein Recht auf Arbeit garantiert (Art. 166, Abs. 2). Die Länder Berlin (Art. 12, Abs. 1), Brandenburg (Art. 48, Abs. 1), Bremen (Art. 8), Hessen (Art. 28, Abs. 1), Mecklenburg- Vorpommern (Art. 17, Abs. 1), Nordrhein- Westfalen (Art. 39, Abs. 1, S. 3), Rheinland- Pfalz (Art. 53, Abs. 2), Saarland (Art 45), Sachsen (Art. 39, Abs. 1), und Thüringen (Art. 36, Abs. 1, S. 1) haben das Recht auf Arbeit zum Staatsziel erhoben, das durch eine Politik der Vollbeschäftigung durchzusetzen ist. Doch Landesrecht ist nicht Bundesrecht und die Europäische Sozialcharta, die den Rang einfachen Bundesrechts genießt, hat eben nicht Verfassungsrang. Somit fehlt das Recht auf Arbeit in unserer Verfassung und ist, zumindest wenn man sich an die üblichen Interpretationen hält, immer nur Staatsziel.215 Dies macht die Umsetzung z.B. des Sozialpaktes für Deutschland umso schwieriger. Eine Anerkennung der Tatsache, dass der nationale Blickwinkel in der heutigen Zeit zu kurz greift und somit nationale Regelungen nicht mehr ausreichen, könnte hier sicherlich hilfreich sein.216

8.3 Das Recht auf Arbeit und sein Zweck für diese Masterthesis

Was sich sehr deutlich zeigt, ist das ein Recht auf Arbeit nur in einem sehr eingeschränktem Rahmen wirksam sein kann. So kann bei der in dieser Arbeit immer wieder geforderten geschlechterneutralen Verteilung der Arbeit, das Diskriminierungsverbot hilfreich sein. Zusätzlich enthält die „Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women (CEDAW)“ mit dem Artikel 11 I eine Vorschrift, die die Beseitigung von Diskriminierung von Frauen im Berufsleben.217

Interessant ist es auch in Bezug auf die Debatten um die Menschen, die sich angeblich vor dem Arbeiten drücken wollen. Hier kann der somit geforderten Pflicht zur Arbeit das Recht auf Arbeit - und die Unmöglichkeit es unter den gegebenen Umständen umzusetzen - entgegengehalten werden. In der Verbindung mit den Rechten in der Arbeit, also bei der Forderung nach menschenwürdiger Arbeit ergibt sich ein anderer Ansatzpunkt in dieser Debatte. Hier muss neben den wichtigen Arbeitsbedingungen auch diskutiert werden, welcher Lohn menschenwürdig ist.218

In diese Richtung geht das „Socio-Economic Security (SES) Programme“ der IAO. Die Idee ist, dass „economic security“ (ökonomische Sicherheit) ein Menschenrecht sein sollte und zwar in einem Sinne, dass sie einen Fortschritt für die Freiheit der Menschen darstellt. Die IAO ist dabei der Auffassung, dass ökonomische Sicherheit ein Menschenrecht ist auf das ein Anspruch besteht und ein Ideal, welchem alle politischen Richtlinien und alle Institutionen verpflichtet sein sollten. Denn ohne grundlegende Sicherheit kann kein Individuum rationale Entscheidungen treffen.219 Zu den grundlegenden Sicherheiten gehören:

- Freiheit von Krankheit. Man kann von den Menschen nicht erwarten, dass sie frei und verantwortlich handeln, wenn sie ums Überleben kämpfen müssen oder von Katastrophen bedroht sind. Die Freiheit von Krankheit für alle Menschen (bzw. das gleiche Risiko krank, verletzt oder lebensgefährlichen Ereignissen ausgesetzt zu werden) ist ein Bestandteil einer grundsätzlich freien und sicheren Gesellschaft.
- Freiheit von Angst. Hier muss ebenfalls Gleichheit gegeben sein, wenn grundsätzliche Sicherheit herrschen soll.
- Kontrolle über die eigne Entwicklung. Diese muss die Fähigkeit sich Bildung aneignen zu können und Entscheidungen wirklich frei zu treffen beinhalten.
- Nachhaltige Selbstachtung. Es gibt eine „Armut an Würde“ genauso wie es eine Armut an Einkommen oder Nahrung gibt. Eine Person, die nicht genug zu Essen hat wird vielleicht stehlen oder zu sozialem Fehlverhalten neigen. Eine Person, der die Würde entzogen wird, wird sich vielleicht für gewaltvollere Mittel entscheiden.220

In diesem Sinne bedeutet ökonomische Sicherheit „an environment on which basic income and representation security are assured and in which other forms of work security are improving.“ (Economic security for a better world, Umschlagrückseite) Insgesamt nennt die IAO sieben Arten von Sicherheit, die mit ökonomischer Sicherheit bzw. der Arbeit in Verbindung stehen, von denen die Einkommenssicherheit und „Vertretungssicherheit“ (im englischen Original „Voice representation security“) als die entscheidenden angesehen werden.221 Mit der „Vertretungssicherheit“ sind alle Formen der Arbeitnehmervertretung und deren Schutz gemeint. Sie ist nicht nur bei der Aushandlung von Gehältern, sondern auch zur Kontrolle der Arbeitsbedingungen und um Informationen zu den Arbeitsbedingungen oder den Auswirkungen von Arbeitsbestimmungen zu sammeln und auszuwerten.222 Einkommenssicherheit kann aber nicht allein durch nationale Armutsgrenzen definiert werden, wenn sie auch Teil dieser sind. Sie beinhaltet ein adäquates Einkommen und die Sicherheit, dass man dieses auch erhält. Das Einkommen muss sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und im Vergleich zum Einkommen anderer Menschen angemessen sein. Es muss zudem die Sicherheit geben, dass im Falle einer Krisensituation das Einkommen teilweise oder ganz ausfällt, die betroffene Person einen Ausgleich oder Unterstützung erhält. Der Begriff Einkommen ist dabei weder ausschließlich an Geld noch an Erwerbsarbeit festgemacht, sondern beinhaltet auch geldwerte Leistungen, wie freies oder subventioniertes Essen, Wohnen oder Transport, sowie bezahlte Freizeit, Krankenversicherungen und andere Leistungen von Arbeitgebern an ihre Beschäftigten. Außerdem gehören dazu Transfer- und Serviceleistungen des Staates. Es gibt also neben dem „Geldeinkommen“ noch ein „soziales Einkommen“. Dazu gehören auch Leistungen, die von den lokalen Autoritäten oder karitativen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen erbracht werden, auch öffentliche Güter, die allen zur Verfügung stehen.223

Auch wenn das Konzept der sozialen Sicherheit, wie man vielleicht meinen könnte, zu großen Teilen auf die miserablen Arbeitsbedingungen in den so genannten „Entwicklungs- und Schwellenländern“224 oder die Bedingungen in einigen Transformationsstaaten225 abzielt und es hier nicht abschließend dargestellt werden kann, zeigt sich, dass man hier in der Argumentation für gerechtere (Arbeits-) Gesellschaftsmodelle anknüpfen könnte. Sie könnten in Bezug auf Repressionen, denen Erwerbsarbeitslose z.B. momentan durch die „Reformen“ in Deutschland ausgesetzt sind, die Forderungen nach einem menschenwürdigen System unterstützen.

Das Recht auf Arbeit in seinem Bezug auf Erwerbsarbeit würde natürlich auch nach einer Aufwertung der anderen Formen nicht seinen Sinn verlieren. Denn ein Teil Erwerbsarbeit würde ja verbleiben und so müssten weiterhin alle Menschen einen Anspruch auf diese Arbeit haben. Für die Umsetzung dieses Rechtes sind die derzeitigen Mittel jedoch nicht geeignet und so wäre die Hauptaufgabe, die sich zurzeit stellt, das Recht auf Arbeit mehr in das öffentliche Bewusstsein zu rücken und einzufordern.

9. Soziale Arbeit und die neue Arbeitsgesellschaft

In den vorangegangenen Kapiteln wurde deutlich gezeigt, dass es vielfältige lokale, regionale und globale Ursachen für das Problem Erwerbsarbeitslosigkeit gibt. Auch wurden Modelle. die eine gerechtere (Arbeits-) Gesellschaft anstreben - wenn auch mit unterschiedlichen Mitteln und Vorstellungen über die Ausgestaltung - vorgestellt. Doch was für Konsequenzen ergeben sich daraus für die Soziale Arbeit?

Man muss im Bezug auf die Erwerbsarbeitslosigkeit von einem internationalen sozialen Problem sprechen. Die Verknüpfung von Individuum und anderen Teilsystemen der Weltgesellschaft besteht dabei unabhängig davon, ob der Einzelne dies wahrnimmt oder nicht. Die Einbeziehung des internationalen Kontexts bietet bezogenen auf die lokale Praxis neue Optionen einer Anwaltschaft für die Erwerbsarbeitslosen. Das Verstehen der dem lokalen Arbeitsmarkt und Arbeitsbedingungen übergeordneten Strukturen ist eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Ermächtigung der Betroffenen. Eine weitere ist eine Idee davon zu haben, was das Ziel sein könnte. Dabei kann es nicht darum gehen, dass auch noch kleinste Ressourcen von Klienten für die Gesellschaft bzw. den Markt nutzbar gemacht werden, sondern ihnen eine eigenständige, selbständige Lebensführung zu ermöglichen. Um dies zu erreichen sollte Soziale Arbeit sich mit Alternativen zum heutigen Erwerbsarbeitssystem beschäftigen, aber z.B. auch den internationalen professionellen Austausch suchen.226 Durch ein solches Vorgehen ergibt sich die Chance Handlungsspielräume neu auszuloten und Machtquellen zu erschließen, anstatt die eigene Ohnmacht gegenüber herrschenden sozialen Strukturen zu betonen und sich auf diese Position zurückzuziehen. Hierzu muss aber Soziale Arbeit auch selber eine starke Position haben und sich z.B. in Gewerkschaften oder Berufsverbänden organisieren. Denn „ Soziale Arbeit als Beruf fördert den sozialen Wandel und die Lösung von Problemen in zwischenmenschlichen Beziehungen, und sie befähigt die Menschen, in freier Entscheidung ihr Leben besser zu gestalten. Gestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse über menschliches Verhalten und soziale Systeme greift soziale Arbeit dort ein, wo Menschen mit ihrer Umwelt in Interaktion treten. Grundlagen der Sozialen Arbeit sind die Prinzipien der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit.“ (Definition Sozialer Arbeit der International Federation of Social Workers IFSW)

Diese hier in Bezug auf Erwerbsarbeitslosigkeit angeführten Ansprüche gelten natürlich auch für andere soziale Probleme, doch es soll noch einmal betont werden, dass in einer auf Erwerbsarbeit ausgerichteten Gesellschaft der Mangel an eben dieser ein zentrales soziales Problem darstellt, welches untrennbar mit anderen wie dem der Armut, verbunden ist.

Soziale Arbeit muss in ihrem konkreten Handeln Integrationsmöglichkeiten finden, um Menschen in produktive Abläufe einzubinden. Es geht darum etwas zu schaffen, das weder einer strikten ökonomischen Logik folgt, noch allein einer politischen Jurisdiktion gehorcht bzw. darum etwas zu schaffen, was über diese hinausgeht. Dazu müssten die Tätigkeiten, die außerhalb der bisher für bezahlungswürdig befundenen Arbeiten angesiedelt, gesellschaftlich aufgewertet werden.227

Diese Masterthesis will somit eine sozialpolitisch bewusste Soziale Arbeit unterstützten. Soziale Arbeit soll eine eigene Position zu sozialen Problemen und eigene Lösungsvorschläge haben. Denn dies ist eine weitere Vorbedingung, damit eine ernstzunehmende anwaltschaftliche Funktion für die von Erwerbsarbeitslosigkeit Betroffenen übernommen werden kann. Außerdem soll gezeigt werden, dass sich Soziale Arbeit auf den unterschiedlichen Ebenen - d.h. in der Annahme, dass wir in einer Weltgesellschaft leben, auf der Mikro-, Meso- und auf der Makroebene – engagieren kann (siehe die Tabelle auf S. 83).

Nach Staub-Bernasconi sind die Sozialarbeiter vor Ort diejenigen, die soziale Probleme schnell identifizieren könnten.228 Sie könnten also im nächsten Schritt diese, z.B. mit Mitteln der Sozialforschung, dokumentieren. Hier kann auch die Kooperation mit einer Fachhochschule gesucht werden, wenn die eigenen personellen Ressourcen nicht ausreichen. Sie hätten weiterhin die Aufgabe, mit empirischen Mitteln die Ursache-Wirkung-Relation sozialer Probleme aufzuzeigen und bekannt zu machen.229 Im nächsten Schritt kommt die für die Soziale Arbeit spezifische Handlungsorientierung hinzu, d.h. es müssen Ideen zur Behebung des Problems entwickelt werden. Dabei stehen die Bedürfnisse und Wünsche der betroffenen Menschen im Mittelpunkt.

In mehreren Feldern könnte die Soziale Arbeit dabei direkt wirken. In den nun folgenden Ausführungen werden sicherlich Dinge genannt, die schon im Einzelnen praktiziert werden, hier geht es jedoch auch um eine übergeordnete Strategie, die verschiedene Elemente verbindet. Dabei wird die Soziale Arbeit natürlich häufig mit anderen Berufsgruppen zusammenarbeiten. Dies soll erwähnt werden, damit nicht der Eindruck entsteht, hier würden vollkommen neue Ideen vorgestellt oder die Soziale Arbeit wäre die einzige Profession, die sich erfolgreich für Erwerbsarbeitslose einsetzen könnte.

Als erstes muss Soziale Arbeit den Menschen beratend zu Seite stehen. Dies muss sie in vielen Zusammenhängen leisten, aber auf jeden Fall in den Maßnahmen, in denen sie mit Erwerbsarbeitslosen in Kontakt kommt bzw. welche speziell für diese gedacht sind.230 Hier stellt sich natürlich die Frage, ob Sozialarbeitende überhaupt in Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit (BA) oder ARGEs231 tätig sein dürfen, da diese unter den momentanen Bedingungen dem eigentlichen Ziel der Sozialen Arbeit entgegenstehen. Sozialarbeitenden, die mit Erwerbsarbeitslosen arbeiten, könnte jedoch auch in diesen Zusammenhängen eine wichtige Rolle zufallen.

Die heutigen Maßnahmen der BA sind sicherlich nur bedingt tauglich, die Situation der Menschen zu verbessern. Hier muss auch noch einmal die Strategie, die mit Hartz IV gewählt wurde, kritisiert werden, denn es wird Druck auf Menschen ausgeübt, die auf dem Erwerbsarbeitsmarkt nahezu chancenlos sind. Dort wo sie qualifiziert werden, geschieht dies zum Teil unzureichend - wie etwa häufig bei den dreimonatigen Trainingsmaßnahmen - und in Berufen, die am Erwerbsarbeitsmarkt nicht gefragt sind. „Menschen für einen Job auszubilden, wenn es keine Jobs gibt, kommt dem Herausputzen einer Leiche gleich; letztendlich bleibt sie trotzdem eine Leiche.“ (Saul Alinsky, Anleitung zum Mächtigsein, S. 71) Die Mitarbeiter in solchen Maßnahmen müssen daher versuchen neue Handlungsspielräume zu gewinnen und Ideen für bessere Maßnahmen zu entwickeln. Im Umgang mit den Erwerbsarbeitslosen sollten sie, jenseits der vielleicht schlechten Rahmenbedingungen, nach Gestaltungsmöglichkeiten suchen und sich an den Bedürfnissen der Erwerbsarbeitslosen orientieren. „Es ist schließlich die Unmöglichkeit der Frage, ob nicht auch eine als «Alibi» institutionalisierte Soziale Arbeit aufgrund eigener Initiative Alternatives, Neues, Sinn- und Machtvolles tun kann?“ (Staub-Bernasconi, Silvia, Systemtheorie, soziale Probleme und Soziale Arbeit, S. 238) Eine Möglichkeit zur sinnvollen Umgestaltung solcher Maßnahmen wäre, die durchführenden Bildungsträger zu Häusern der Eigenarbeit umzugestalten, soweit diese nicht regional bereits bestehen. Bestünde bei Teilnehmern nach einer Maßnahme ein weiteres Interesse, so müsste es durch staatliche Förderung ermöglicht werden, dass auch finanziell schlechter gestellte Menschen gegen eine geringe Gebühr Dinge in Eigenarbeit herstellen können. Eine andere Möglichkeit besteht über eine Einbindung in Tauschringe, also dass die Menschen eigene Leistungen gegen Werkstattzeiten eintauschen. Eigenarbeit kann natürlich auch unabhängig von der Unterstützung der BA in Bildungsträgern realisiert werden. Genauso können sich diese Organisationen für eine Anerkennung der Erwerbsarbeitslosen in der Öffentlichkeit einsetzen oder diese in einer Form beraten, die ihnen nützt und nicht unbedingt der BA gegenüber opportun ist. Hier zeigen sich also Handlungsoptionen und Spielräume, die genutzt werden sollten. Ein Unterlassen solcher Hilfen macht Soziale Arbeit allerdings im Gegenzug zum Gehilfen der Repressionen, denen Erwerbsarbeitslose ausgesetzt sind. In diesem Fall wird Soziale Arbeit nach Staub-Bernasconi Teil von Behinderungsmacht232, sie sorgt dafür, dass die erwerbsarbeitslosen Menschen in ihrer schlechten Position verbleiben und hilft dabei, diese als rechtmäßig und alternativlos darzustellen. Hier hat Soziale Arbeit nicht nur einen Auftrag durch die hilfesuchenden Menschen und den jeweiligen Auftrag- bzw. Arbeitgeber, sondern auch einen Auftrag, der aus ihrer eigenen Zielstellung erwächst, sie hat also nach Staub-Bernasconi ein Tripple- und nicht nur ein Doppelmandat. Dass dies in Praxis oft schwer umzusetzen bzw. gegen den Arbeitgeber durchzusetzen ist, kann hier nicht weiter diskutiert werden, dieser Umstand entbindet jedoch die Soziale Arbeit nicht von dieser Verantwortung. „Der Dienst am Menschen steht laut Berufskodex höher als die Loyalität zur Organisation“ (Staub-Bernasconi, Silvia, Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession in Stimmer, Franz (Hg.), Lexikon der Sozialpädagogik und Sozialarbeit, S. 631)233

Die Arbeit in Bildungsträgern ist jedoch nur ein sehr kleiner Teil dessen, was getan werden kann. Für einen größeren Erfolg müsste der Blick auf das Gemeinwesen gerichtet werden. Zum einen muss auf dieser Ebene eine Vernetzung der verschiedenen Akteure stattfinden, die mit und für Erwerbsarbeitslose arbeiten. Zum anderen sollten auch andere Bereiche der Sozialen Arbeit, z.B. Vereine und soziale Einrichtungen, aber auch Schulen, wo es sinnvoll ist, stets Vernetzung und Zusammenarbeit im Gemeinwesen anstreben. Dies gilt natürlich auch für die Vertretung der Interessen von Erwerbsarbeitslosen und kann selbstverständlich über den Rahmen des Gemeinwesens hinausgehen. Hier sollte bei allen sozialen Einrichtungen die Einsicht bestehen, die schon zuvor für Wirtschaftunternehmen eingefordert wurde, dass sie „Organisationen-in-der-Gesellschaft“ sind und nicht als von der übrigen Welt „abgekapselte“ Inseln Dienstleistungen für ihre Auftraggeber erbringen dürfen.

Die Gemeinwesenarbeit birgt in sich schon diese Ansätze, denn „Gemeinwesenarbeit ist eine sozialräumliche Strategie, die sich auf den Stadtteil und nicht pädagogisch auf einzelne Individuen richtet. Sie arbeitet mit den Ressourcen des Stadtteils [also auch den dort angesiedelten Organisationen] und seiner Bewohner, um Defizite aufzuheben.“ (Oelschlägel, Dieter, Gemeinwesenarbeit in Stimmer, Franz (Hg.), Lexikon der Sozialpädagogik und Sozialarbeit, S. 258) Sie wurde schon seit den 70er, aber ausführlicher in den 80er Jahren bei Boulet/Kraus/Oelschlägel als Arbeitsprinzip der Sozialen Arbeit formuliert. Dieses geschieht auch hier in einer gewissen Form. Das Gemeinwesen wird als Ort betrachtet, an dem Soziale Arbeit, im direkten Kontakt mit den Menschen, am wirkungsvollsten Ansätze für eine gerechtere Arbeitsgesellschaft schaffen kann und dort die Bedarfe mit den Ressourcen des Gemeinwesens zusammengebracht werden können. Das heißt nicht, dass andere Ebenen jenseits des Gemeinwesens oder der Region ausgeblendet werden oder dort nicht ebenfalls wirkungsvoll Einfluss genommen werden kann. Zwar spricht auch Oelschlägel von der „Vermittlung zwischen Makro- und Mikroebene, d.h. zwischen Gesellschaft und Individuum“ (ebd., S. 262), es muss aber explizit betont werden, dass die Gesellschaft auf der Makroebene eben nur die Weltgesellschaft sein kann.234

Auf der Gemeinwesenebene kann Soziale Arbeit nun versuchen durch eine Vernetzung von Organisationen, wie z.B. Bildungsträgern und Stadteilzentren und das initiieren gemeinwesenökonomischer Prozesse Alternativen für Menschen zu schaffen die von der Erwerbsarbeitsgesellschaft ausgeschlossen sind. Es sollte also ein Schwerpunkt darauf liegen diesen Menschen die Möglichkeiten aufzuzeigen, die sich auf dieser Ebene bieten. Dies können kleinere Projekte wie Tauschringe oder Eigenarbeit sein, aber auch größere wie Stadtteilgenossenschaften oder andere regionale, bedarfs- und gemeinwohlorientierte Ökonomien, die versuchen Gewinne zu erwirtschaften, um diese ins Gemeinwesen zu investieren.235 In diesem Rahmen müssen auch gesellschaftlich nützliche Arbeiten eine große Rolle spielen. Dabei sollten alle möglichen Finanzierungswege beschritten werden, um solche Prozesse zu beginnen und zu erhalten.236 In diesem Rahmen können jedoch zurzeit nicht mehr als Nischen geschaffen werden und die bereits mehrfach geäußerten Zweifel (siehe Kapitel 7.4 und 7.8) bleiben. Doch es könnten sicherlich mehr Menschen in gemeinwesenökonomische Prozesse einbezogen, als dies momentan geschieht, und so eine breitere Basis für einen gesellschaftlichen Wandel und für eine „Ökonomie des ganzen Hauses“ geschaffen werden. Der Schlüssel bei allem liegt im Bedürfnis der Menschen nach sozialer Anerkennung für Leistungen, Funktionen oder Rang, wie im Kapitel 4.2 gezeigt wurde. Es geht also darum dieses Bedürfnis, da es für viele Menschen nicht mehr durch der Erwerbsarbeit befriedigt werden kann, in den anderen Feldern der Arbeit zu befriedigen. Die Menschen werden diese andern Felder Arbeit, mit der richtigen finanziellen Absicherung, sicherlich schneller nutzen als man allgemein vermuten mag. Schon heute sind Menschen in einem großen Maße bereit Zeit für Dinge aufzuwenden, die ihnen nicht entlohnt werden. Das Gemeinwesen kann also eine Struktur der Anerkennung sein, in der Menschen, die aus der Erwerbsarbeit ausgegrenzt sind, einer für das Gemeinwesen bedeutsamen Arbeit nachgehen können.

Eine anwaltschaftliche Funktion bei diesem sozialen Problem einzunehmen kann aber auch bedeuten, dass Sozialarbeitende Erwerbsarbeitslose lokal organisieren, die sich gegen die aktuelle Politik zur Wehr setzen möchten bzw. auf Politiker zugehen und Probleme ansprechen. Die Öffentlichkeit durch die Medien - besonders Kommunikationsmedien wie das Internet können dabei wichtige Mittel sein – zu informieren und sich ggf. an Aktionen und Arbeitsgruppen von Organisationen wie „Attac“ beteiligen, können weitere Wege sein. Anwaltschaft kann auch bedeuten, dass man innerhalb von Nichtregierungsorganisationen, wie Gewerkschaften oder Arbeitslosenorganisationen, tätig wird und sich auf höheren Ebenen für die Belange der Erwerbsarbeitslosen, die gleichberechtigte Anerkennung aller Formen der Arbeit und ein sozial und ökologisch nachhaltiges Wirtschaften einsetzt. „Allianzenbildung und Lobbyarbeit mit und innerhalb von Nichtregierungsorganisationen …. Die bekannte, aber immer noch wenig praktizierte Vorstellung des globalen Denkens und lokalen Handelns muß heute durch lokales Denken und globales Handeln ergänzt werden“ (Staub-Bernasconi, Silvia, Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession in Stimmer, Franz (Hg.), Lexikon der Sozialpädagogik und Sozialarbeit, S. 630) Dabei gilt es, die im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Menschenrechte einzufordern. Dies bedeutet hauptsächlich eine Beteiligung aller Menschen am produktiven Leben und somit an der Gesellschaft und eine ökonomische Sicherheit, die gleichzeitig die Würde der Menschen zum Ziel hat bzw. beachtet. Bei der Begründung dieser Menschenrechte kann sich Soziale Arbeit sowohl auf die Bedürfnisse der Menschen nach Anerkennung und Autonomie, als auch auf die moralischen Wertevorstellungen, auf denen unsere Gesellschaft gründet, stützen. Sie kann sich zudem auf bestehende Verträge und Abkommen berufen und ihre Umsetzung fordern und hat somit als Menschenrechtsprofession starke und anerkannte Argumente. Gemeinwesenökonomische Ansätze, die Forderung nach einer Grundsicherung, nach einer Anerkennung von Elternarbeit, Bildungszeit, Eigenarbeit oder gesellschaftlich nützlicher Arbeit ist dabei Teil eines Aushandlungsprozesses, in dem immer wieder neu festgelegt werden muss, wie diese Menschenrechte ausgefüllt werden. So entsteht eine Messlatte, die zur Erfüllung dieser Rechte übersprungen werden muss.237

Auch wenn politische Aktionen von vielen Sozialarbeitern immer noch als Tabu angesehen werden, sollte man diese nicht nur zum Einsatz bringen, wenn die eigene Stelle gekürzt wird. Es geht um die Gewinnung von Macht zur Durchsetzung der Ziele der betroffenen Personen.238 Die Frage muss mit Saul Alinsky lauten: „Heiligt dieser besondere Zweck jenes besondere Mittel?“ (Saul Alinsky, Anleitung zum Mächtigsein, S. 64)

Die Frage, die sich nun aufdrängt ist, ob die Sozialarbeitenden auf die komplexe Aufgabe, die sich ihnen stellt im Studium ausreichend vorbereitet werden und ihnen Wissen über Erwerbsarbeitslosigkeit vermittelt wird?

Ziele Sozialer Arbeit in Bezug auf die Lösung des Problems Erwerbsarbeitslosigkeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* was den Ansatz der Ebenen betrifft, so bleibt die Zuteilung natürlich unscharf und kann nur als grobe Orientierung gedacht sein.

Zur Zuordnung von Zielen und Ebenen muss gesagt werden, dass die Umsetzung der Ziele auf Makro- und Mesoebene auch auf den bzw. der Ebene darunter verfolgt werden kann. Die Ziele auf der Mikro- oder Mesoebene aber nur bedingt oder gar nicht in den bzw. der darüber liegenden Ebene.

10. Der Stellenwert des Themas Erwerbsarbeitslosigkeit in der Ausbildung von Sozialarbeitern/innen – Interviews mit Lehrenden

Welche Aktivitäten die Soziale Arbeit entfalten könnte, wurde im vorangegangenen Kapitel geklärt. In diesem Kapitel soll nun geklärt werden, inwieweit das Thema Erwerbsarbeitslosigkeit in die Ausbildung von Sozialarbeitern einfließt und ob sich dadurch bereits Projekte, z.B. im Bereich der Gemeinwesenökonomie, entwickelt haben. Dies geschieht in der Annahme, dass dies eben noch nicht der Fall ist und auch mit dem Thema Erwerbsarbeitslosigkeit unmittelbar verknüpfte andere Themen, wie z.B. Ökonomie, eher eine untergeordnete Rolle spielen. Zur Überprüfung dieser Hypothesen sollen Experten, also die Professorinnen und Professoren, an den Fachhochschulen über das soziale Problem Erwerbsarbeitslosigkeit befragt und herausgefunden werden, ob sich dieses in den Inhalten der Lehrveranstaltungen wieder findet. Da die Soziale Arbeit sich hauptsächlich auf der Gemeinwesenebene direkt und erfolgreich betätigen kann, sollen nach Möglichkeit Lehrende mit diesem Schwerpunkt befragt werden. Durch die Fragestellung und die Ziele der Untersuchung wird ein qualitatives Vorgehen favorisiert. Die Ansichten der Befragten hierbei sind nämlich das Ziel des Erkenntnisinteresses und diese sind am ehesten durch qualitative Methoden ermittelbar. Ein weiterer Aspekt war die Durchführbarkeit und die Auswertung der Interviews, im Rahmen dieser Masterthesis musste daher ein eher bescheidener lokaler und regionaler Rahmen gewählt werden und so ist an allen Ausbildungsstätten in Berlin und mit Hinblick auf das Brandenburger Umland auch an der Fachhochschule Potsdam nach Interviewpartnern recherchiert worden.239 Befragt werden sollten nach Möglichkeit jeweils zwei Lehrende der Alice-Salomon-Fachhochschule Berlin (ASFH), der Evangelischen Fachhochschule Berlin (EFB), der Katholischen Hochschule für Sozialwesen (KHS) und der Fachhochschule Potsdam (FHP). Um trotz des kleinen, lokalen Rahmens, in dem die Interviews durchgeführt werden, einen Vergleich zu einer anderen deutschen Region ziehen zu können, wurden auch Lehrende der Fachhochschule München (FHM) angefragt. Die Wahl fiel auf die FHM, da dort mit dem Masterstudiengang „Gemeinwesenentwicklung, Quartiermanagement und Lokale Ökonomie“ bereits ein Studiengang besteht, der die Themen lokale Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik, Gemeinwesenökonomie abdeckt. Dadurch kann ein Vergleich gewonnen werden, ob hier die Thematik schon stärker in den Vordergrund gerückt ist. Hier wurden zudem mit Susanne Elsen und Gerd Mutz zwei Personen angefragt, deren Modelle im Rahmen dieser Arbeit vorgestellt wurden und die damit über ein hohes Fachwissen verfügen.

10.1 Auswahl der Experten, Entwicklung eines Leitfadens für ein Experteninterview, Durchführung und Auswertung

Bei der Auswahl der Experten wurden, wie gesagt, je zwei Personen pro Fachhochschule angefragt, die Gemeinwesen bzw. soziale Ökonomie lehren bzw. als Schwerpunkt angegeben haben oder diese Themen explizit in ihre Vorlesungen einfließen lassen. Dieser Fokus ist wichtig gewesen, da Fachwissen im Bereich Gemeinwesen auch zur Beantwortung der im Interview gestellten Fragen nötig war. So gab es zum Beispiel eine Frage, bei der nach den Möglichkeiten der Gemeinwesenarbeit im Bezug auf das Problem Erwerbsarbeitslosigkeit gefragt wurde (siehe Interviewleitfaden S. 110). Ein Interview mit Professorinnen und Professoren zu anderen Schwerpunkten würde also nicht die gewünschten Informationen bringen. So war es bei Absagen auch nicht möglich ersatzweise Lehrende mit anderen thematischen Schwerpunkten zu befragen. Dies bedeutet, dass bei Absagen oder nicht erfolgten Rückmeldungen auch weniger als die angestrebten zwei Personen pro Fachhochschule interviewt wurden. Gleichzeitig schränkt dieser enge Fokus bei der Wahl der Interviewpartner natürlich das Ergebnis ein, denn es werden eben nur Lehrende interviewt, die sich mit Gemeinwesen auseinandersetzen und damit nur die Meinung einer bestimmten „Gruppe“ wiedergegeben. Es besteht zudem die Gefahr, dass gerade der eigene Fachbereich als zu wenig beachtet oder unterrepräsentiert betrachtet werden könnte. Auch können Interviews mit Lehrenden nicht die gleichen Ergebnisse bringen, wie z.B. eine Befragung der Studierenden der Fachhochschulen mit einem Fragebogen. Letzteres würde sicherlich zu repräsentativeren Ergebnissen führen, ist aber im Rahmen dieser Masterthesis nicht zu leisten gewesen. Diese Einschränkungen müssen, wenn später die Ergebnisse der Interviews vorgestellt werden, immer im Hinterkopf bleiben.

Die Lehrenden wurden über die entsprechenden Internetseiten der Fachhochschulen recherchiert und per Email für das Interview angefragt. Für die ASFH wurden Prof. Dr. Regina Rätz-Heinisch und Prof. Dr. Jürgen Nowak, für die EFB der Dipl. Sozialarbeiter und Sozialpädagoge Markus Runge (Lehrbeauftragter), für die KHS Prof. Dr. Rosemarie Karges und Prof. Dr. Leo Penta, für die FHP Prof. Dr. Gerhard Buck und für die FHM Prof. Dr. Susanne Elsen und Prof. Dr. Gerd Mutz interviewt.

In der Konstruktion des Leitfadens wurde hauptsächlich davon ausgegangen, dass das Ziel die Darstellung eines institutionellen Zusammenhangs ist, also hier nicht die interviewte Person und ihr Verhalten den Gegenstand der Analyse bildet. Die Lehrenden sind hier selbst Teil des untersuchten Gegenstandes. Sie tragen die Verantwortung für die Ausgestaltung der Lehrveranstaltungen, können also z.B. das Thema Erwerbsarbeitslosigkeit einfließen lassen oder eben nicht. Es soll also der Ist-Zustand aus erster Hand dargestellt werden.240 Die Interviewten sollen Aussagen über ihr eigenes Handlungsfeld tätigen und anhand der Ergebnisse sollen somit nicht die hier zuvor getätigten theoretischen Aussagen überprüft werden. Die Lehrenden sind also Repräsentanten ihrer Profession241 und sollen an einer wissenschaftlichen Arbeit mitwirken. Dabei wird nicht davon ausgegangen, dass es keine Subjektivität in der konkreten Interviewsituation gibt, sondern, dass Alter, professioneller Status, Erfahrungshintergrund und Geschlecht bzw. Doing Gender sehr wohl eine Rolle spielen242, aber eben erst thematisiert werden müssen, wenn ein Interview aus diesen Gründen nicht gelingt. Genauso wenig kann technisch oder methodisch beeinflusst werden, ob sich der Interviewte und der Interviewer auf den ersten Blick sympathisch oder eben unsympathisch sind. Ein Faktor, welcher bei der Kontaktaufnahme beachtet werden musste, ist die eventuell stattfindende negative Bewertung der in dieser Masterthesis vertretenen Auffassung, die sicherlich auch den Interviewverlauf beeinflussen würde. Auch eventuell ablehnende Reaktionen aufgrund des mit einem Interview verbundenen Zeitaufwandes mussten einkalkuliert werden.

Bei der Form fiel die Wahl auf den von Meuser und Nagel favorisierten (halb)offenen Leitfaden bzw. die Form des teilstandardisierten Interviews. Sie verwiesen darauf, dass durch die in die Entwicklung des Leitfadens investierte Arbeit vermieden wird, dass der Interviewer sich als inkompetenter Gesprächspartner präsentiert und durch den Leitfaden gesichert ist, dass das Interview sich inhaltlich am Erkenntnisziel orientiert.243 Eine schriftliche Befragung der Lehrenden wäre sicherlich auch möglich gewesen, da es aber auch darum geht sozusagen hinter die Kulissen der Fachhochschulen zu schauen und persönliche Einschätzungen zur Lehre an der Fachhochschule und zu den Studierenden zu erhalten, ist das halboffene Experteninterview die einzig praktikable Lösung.244

Die Leitfrage für die Interviews lautet: Wird in der Ausbildung der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und im Speziellen im Bereich Gemeinwesenarbeit das Problem der Erwerbsarbeitslosigkeit in einem Maß behandelt, dass sich die Absolventinnen und Absolventen in diesem Feld anwaltschaftlich für die Betroffenen engagieren können?

Inhaltlich sollten auf jeden Fall folgende Fragen beantwortet werden:

- Werden Erwerbsarbeitslosigkeit und ihre Ursachen in Forschung und/ oder Lehre thematisiert?
- Wie werden die aktuell dominanten ökonomischen Strömungen beurteilt und wie die in dieser Arbeit favorisierten Lösungskonzepte beurteilt?
- Hat Soziale Arbeit einen sozialpolitischen Auftrag und ist die Beschäftigung mit Erwerbsarbeitslosigkeit in diesem Sinne Aufgabe der Sozialen Arbeit?
- Gibt es schon Projekte, die sich mit Erwerbsarbeitslosigkeit und Alternativen zur jetzigen Arbeitsgesellschaft, wie sie z.B. auch mit der Gemeinwesenökonomie bestehen, beschäftigen?

Aus diesen Fragen wurde der Interviewleitfaden entwickelt (siehe Anhang S. 110). Die Interviews wurden zur Protokollierung aufgezeichnet.

Inwieweit vertiefende Fragen notwendig sind oder Ausschweifungen unterbrochen werden müssen, kann dabei nur ad hoc in der konkreten Interviewsituation entschieden werden.245 Die Zielsetzung des Interviews ist hierbei maßgebend, trotzdem soll Offenheit für die Perspektive der befragten Person für Neues, Ungereimtheiten, usw. bestehen bleiben. Dabei sollen die Interviews ca. eine halbe Stunde dauern. Die so ausgewählten Personen wurden, wie bereits erwähnt, per Email zu ihrer Bereitschaft sich interviewen zu lassen befragt. Dabei wurden der thematische Rahmen, die Art der Protokollierung, die geplante Interviewform und die voraussichtliche Dauer angegeben. Bei der Wahl des Ortes für das Interview wurde unter der Bedingung, dass in den vorgeschlagenen Räumlichkeiten ein ungestörtes Interview möglich ist, den Wünschen der Interviewten entsprochen.246 Der Interviewleitfaden wurde in einem Probeinterview getestet, welches, wie die späteren Interviews mit den Lehrenden, aufgenommen wurde. Für diesen Zweck wurde eine Person interviewt, die sich sowohl im Bereich Gemeinwesenarbeit als auch mit dem Problem der Erwerbsarbeitslosigkeit arbeitet bzw. umfangreiche Kenntnisse besitzt. So sollte die Möglichkeit geschaffen werden eventuelle Mängel (missverständlich formulierte Fragen, die von den Befragten nicht oder falsch verstanden werden, Reihenfolgeeffekte usw.) beseitigen zu können. Daraufhin wurde der Interviewleitfaden leicht modifiziert, da sich einige Fragen als zu komplex herausstellten. Diese Fragen wurden in mehrere Fragen aufgeteilt. Der Verlauf des Probeinterviews war jedoch insgesamt befriedigend, so dass inhaltlich keine Veränderungen notwendig waren.

Bei der Auswertung ging es darum im Vergleich der Äußerungen der einzelnen Professorinnen und Professoren z.B. „Aussagen über Repräsentatives, über gemeinsam geteilte Wissensbestände, Relevanzstrukturen, Wirklichkeitskonstruktionen, Interpretationen und Deutungsmuster zu treffen.“ (Meuser, Michael/ Nagel, Ulrike, ExpertInneninterviews in Garz, Detlef/ Kraimer, Klaus (Hg.), Qualitative Forschung, S.552) Es wird noch mal betont, dass eben Lehrende einer Fachhochschule interviewt werden und nicht die Personen, sondern die Texte Objekt der Interpretation sind. In diesem Rahmen wird nach Übereinstimmungen und Unterschieden gesucht und „typische Äußerungen“ dokumentiert.247 Hauptsächlich geht es in diesem Zusammenhang um die Erforschung des Systems Fachhochschule und auch bei Fragen die zu allgemeinen, nicht direkt die Fachhochschule betreffenden Themen, wie dem der Erwerbsarbeitslosigkeit, der Ökonomie oder dem Ansatz des Gemeinwesens, gestellt werden, geht es in erster Linie darum herauszufinden, welche Standpunkte und Meinungen zu diesem Thema von den Professorinnen und Professoren vertreten und somit an die Studierenden weitergegeben werden. Daher muss der Leitfaden als Vorversion der in der Auswertung relevanten Kategorien gesehen werden und die Fragen des Leitfadens bilden die Voraussetzung für die Interpretation.

Zur Auswertung und um die Möglichkeit zum Nachlesen zu haben, wurden sämtliche Interviews transkripiert. Dies erschien auch sinnvoll, da die übergeordneten Fragen allen Interviewten gestellt wurden und nur bei den Nachfragen auf einzelne verzichtet wurde, weil der Interviewte diese bereits von sich aus beantwortet oder die Fülle der Informationen bereits groß genug war. Auch erwiesen sich alle Interviewten als kompetente Gesprächspartner, was die Entscheidung für eine vollständige Transkription ebenfalls beeinflusst hat.248 Die Paraphrase erfolgt chronologisch und textgetreu, durfte aber, um den Größenrahmen der Masterthesis nicht zu sprengen, auch nicht zu ausführlich ausfallen. Es geht also um eine konsequente Verdichtung des Materials, die trotzdem nicht selektiv ist.249 Danach wurden die thematischen Schwerpunkte, vom Erkenntnisinteresse geleitet, gebildet. Es erfolgte quasi noch einmal eine Ordnung des bereits gesichteten und in der Paraphrase reduzierten Materials. So konnte schließlich nach vergleichbaren Textpassagen gesucht werden und Gemeinsamkeiten, um Unterschiede zwischen den einzelnen Professorinnen und Professoren herauszuarbeiten. Ein besonderes Augenmerk lag auf den Schlussfolgerungen, die aus den erhobenen Daten gezogen wurden. Wichtig war hierbei, „die Angemessenheit einer Verallgemeinerung, ihre Fundierung in den Daten, zu kontrollieren. In dieser Weise zeichnet [e] sich die Auswertung durch Rekursivität aus.“ Meuser, Michael/ Nagel, Ulrike, ExpertInneninterviews in Garz, Detlef/ Kraimer, Klaus (Hg.), Qualitative Forschung, S. 465)250

10.2 Zusammenfassung der Interviews

Die Zusammenfassung der einzelnen Interviews erfolgt hier in der Reihenfolge, in der sie geführt wurden. Hier wird die Terminologie der Interviewten aufgegriffen, ohne dies explizit durch Verweise oder Zitate zu belegen. Im Zweifelsfall wurde die Lesbarkeit des Textes jedoch höher bewertet als die originalgetreue Wiedergabe des gesagten.

Die Aussagen chronologisch wiedergegeben, eine Vergleichbarkeit mit dem tatsächlichem Interview bleibt somit möglich, selbst wenn die Inhalte stärker zusammengefasst werden mussten. Den übergeordneten Rahmen gibt der Interviewleitfaden, da sich jedes Interview im Inhalt und in seinem Aufbau auf den Leitfaden bezieht und somit auch die Zusammenfassungen mit dem Leitfaden im Hintergrund gelesen werden müssen.

Interview Nr. 1 mit Markus Runge (EFB)

Die Thematik der Erwerbsarbeitslosigkeit hat in der EFB - in der Gemeinwesenarbeit gibt es zwar eine Seminareinheit zu dem Thema - eine eher marginale Bedeutung. Anders sei dies eventuell in den sozialpolitischen Bereich, jedoch gibt Herr Runge an, diese Frage nur bedingt beantworten zu können, da er als Lehrbeauftragter nicht so einen weitgehenden Einblick hat. In seiner täglichen Arbeit im Nachbarschaftshaus Urbanstraße spielt die Thematik allerdings eine große Rolle, gerade im Bezirk Kreuzberg, in dem das Nachbarschaftshaus angesiedelt ist, mit seiner hohen Arbeitslosigkeit. Daher werden Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen und kleinere Honorartätigkeiten angeboten und dabei verschiedene Finanzierungswege genutzt.

Wirtschaftswachstum, Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse, Senkung der Lohn- und Lohnnebenkosten greifen als Maßnahmen, gerade im Bezirk Kreuzberg, überhaupt nicht und daher geht es darum den Menschen, die keine Perspektive haben in Arbeit zu kommen, andere Lebensperspektiven zu geben, sie beim tagtäglichen Überleben zu unterstützen und diese Menschen davor zu bewahren ins Abseits abzudriften.

Er sieht keine wirklichen Alternativen bei der eher steigenden Erwerbsarbeitslosigkeit. Das Nachbarschaftshaus bietet Qualifizierungen und Bildung an, diese Maßnahmen sind aber wahrscheinlich keine langfristige Perspektive, da der Arbeitsmarkt sich so entwickelt, dass er auf einen Großteil der Menschen verzichten kann. Daher geht es um ein Umdenken und andere Formen der Arbeit zu fördern z.B. im Freiwilligenbereich. Die Gesellschaft müsste neu gedacht werden in Richtung einer Tätigkeitsgesellschaft die Erwerbsarbeit, Bildungsarbeit, Familienarbeit, Bürgerschaftliches Engagement als Arbeit gleichberechtigt nebeneinander stellt und entsprechend fördert.

Eine Anwendung eines sozialpolitischen Verursacherprinzips findet er in den bei den aktuellen Beispielen aus den großen Konzernen interessant, findet aber, dass eher bei der Vernunft angesetzt werden müsste, da es widersinnig sei den Aktionären mehr zu gehorchen als dem Interesse der Arbeitnehmer.

Den Ansatz des Hauses der Eigenarbeit in München findet er sehr interessant, weil er in Kreuzberg sicherlich etwas sehr Fruchtendes wäre. Das Nachbarschaftshaus Urbanstraße betreibt auch bereits einen Tauschring und hat eine Holzwerkstatt.

Soziale Arbeit sollte sich nicht nur auf die Unterstützung bei sozialen Problemen im engeren Sinne beschränken, sondern auch gesellschaftlichen Veränderungen, die notwendig sind, als Aufgabe sehen, wie ja auch der Ansatz der Gemeinwesenarbeit sei. Sie sollte versuchen Arbeitsplätze und Perspektiven zu schaffen und sich gemeinwesenökonomisch betätigen und sich in diesem Rahmen auch durchaus für Sozialrechte einsetzen.

Gemeinwesenarbeit hat durchaus ein großes Potenzial zur Veränderung, dieses wird jedoch noch nicht erreicht. Der Schwerpunkt müsste bei der Bündelung der Ressourcen im Stadtteil liegen, gemeinwesenökonomischen Ansätze zu kommen, leider wird immer noch zu kleinräumig gedacht. Man sollte sich eher an der Idee des Community Organizing ansetzen und Bürgerplattformen schaffen.

Als Erfolgreiche aktuelle Ansätze wären für den Stadtteil der Tauschring auch als Versuchsfeld für eine Selbstständigkeit zu nennen und eine Initiative von mehrsprachigen Frauen, die Übersetzungsdienste anbieten. In Berlin sieht er noch das Kommunale Forum Wedding mit einer Stadtteilgenossenschaft, das versucht Arbeitsplätze zu schaffen, aber auch das Nachbarschaftshaus Urbanstraße hat in seiner Geschichte viele Arbeitsplätze geschaffen.

Gewerbetreibende, wie die Interessengemeinschaft Gräfe Kiez, die vom Nachbarschaftshaus unterstützt wird, sind wichtig für den Bezirk, bewirken aber gemeinwesenökonomisch nichts und schaffen auch keine neuen Arbeitsplätze.

Die zukünftigen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind auf diese Aufgaben nicht hinreichend vorbereitet. Stadtteilarbeit wird als Aufgabe der Sozialen Arbeit eher kritisch beäugt. Im Vordergrund steht die eigene unsichere Berufsperspektive.

Es bräuchte daher mehr Gemeinwesenentwicklungsbetonung und der Gemeinwesenansatz müsste als Arbeitsprinzip der Sozialen Arbeit gesehen werden. Die hauptamtlichen Dozenten müssten hierfür die Initiative ergreifen, aber auch die Studierenden müssten das Thema Erwerbsarbeitslosigkeit stärker einfordern.

Interview Nr. 2 Prof. Dr. Leo Penta (KHS)

Erwerbsarbeitslosigkeit ist im Bereich Gemeinwesenarbeit, Gemeinwesenökonomie ein Schwerpunkt, der durch eine Kollegin vertreten wird. Daher wurden und werden Praktika und Diplomarbeiten zu diesem Thema verfasst.

Für eine Arbeitslosigkeit gibt es kein Allheilmittel, Lösungsvorschläge müssen unter Bedingungen des Kapitalismus gesucht und dabei die Menschenwürde geschützt werden. Der Mensch darf nicht zum Kostenfaktor der Produktion hinuntergestuft werden. Eine Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse muss daher mit Ausgleichs- und Schutzmechanismen einhergehen. Dort sind Gewerkschaften immer noch gefragt, gerade innerhalb eines globalisierten Systems. In Deutschland braucht es auch ein gewisses Wirtschaftswachstum. Auf europäischer Ebene müsste überlegt werden, wie man in den jetzigen Wirtschaftszyklus eingreifen kann. Es hat aber auch viel mit Bildung und lebenslangem Lernen zu tun.

Ein Mittel wäre bessere Formen der Teilzeitarbeit, aber auch genossenschaftlich organisierte Formen der Arbeit zu ermöglichen. Dies hieße z.B. Social Enterprises als Nischenbereich, aber auch darüber hinaus zu etablieren und hat somit mit Gemeinwesenarbeit zu tun. Es ist somit durchaus ein großes Arbeitsfeld für die Soziale Arbeit, wenn sie das Verändern von Strukturen als ihre Aufgabe sieht. Allerdings ist diese Form des Wirtschaftens, zumindest unter den jetzigen Bedingungen, nur ein ergänzender Teil.

Die sozialen Sicherungssysteme müssen mittelfristig vom direkten Bezug auf den Arbeitsplatz abgekoppelt werden, da dies auf dem System des 19. Jahrhunderts basierte.

Zurzeit befinden wir uns in einer Phase der Aushandlung von neuen Beziehungen zwischen Staat, Markt und Zivilgesellschaft.

Im Bezug auf die Aufgabe der Sozialen Arbeit hält er sich an die Definition der International Federation of Social Workers. Sie muss, wie es eben der Ansatz der Gemeinwesenarbeit ist, auch gestalten. Zudem müssen neue Finanzierungswege gefunden werden und mehr Selbstständigkeit erreicht werden. Soziale Arbeit sollte sich als Dienst an der Zivilgesellschaft verstehen, mit der Aufgabe die Gesellschaft zu wandeln und nicht nur Dienste für den Staat auszuführen. Dies wird auch zu Mischformen in der Finanzierung bzw. Abhängigkeit von Zivilgesellschaft und Staat führen. Dabei muss aber von den „alten“ Formen der Gemeinwesenarbeit Abschied genommen werden, Soziale Arbeit muss selber die Initiative ergreifen, auf Menschen zugehen und Unternehmergeist zeigen.

Der Aufbau von Bürgerplattformen kann dabei im Rahmen von Stadtentwicklung zumindest mittelbar auch etwas gegen Erwerbsarbeitslosigkeit bewirken.

Ob die zukünftigen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter auf solche Aufgaben vorbereitet sein werden, hängt stark von ihrem Selbstbewusstsein und ihrem Berufshabitus ab. Dies ist noch relativ schwach entwickelt. Hier müssten die Studierenden noch mehr Projektarbeit und Projektstudium machen und auch lernen wie man öffentlich agiert. Sie müssten auch lernen Wirtschaft zu verstehen.

Dazu wäre es gut, wenn jede Fachhochschule einen Schwerpunkt in Gemeinwesenarbeit - Gemeinwesenökonomie einrichtet. Dies geschieht noch nicht im ausreichenden Maße.

Interview Nr. 3 mit Prof. Dr. Rosemarie Karges (KHS)

Erwerbsarbeitslosigkeit hat in ihrer Professur eine zentrale Rolle, denn sie wurde mit dem Schwerpunkt „Umgang mit Erwerbslosigkeit, Wohnungslosigkeit“ eingerichtet. Daher ist Erwerbsarbeitslosigkeit auch regelmäßig Thema von Diplomarbeiten, Forschungsarbeiten und Praktika.

Das Thema Erwerbsarbeitslosigkeit ist kein Happy-End-Thema. Es gibt keine allgemeingültigen Antworten, da die Krise der Erwerbsarbeit zu grundsätzlich ist. Zu versprechen, dass durch bestimmten Maßnahmen Vollbeschäftigung erreicht werden könnte, wäre daher demagogisch. Die Zeiten, in denen der Beruf die Identität bestimmt hat, sind vorbei und brüchige Erwerbsbiographien sind auch bei den Studierenden die Regel.

Auf den Umgang mit dieser Spannung sollte das Studium vorbereiten und dabei helfen Alternativen zu einem Leben zu finden, das nur aus Erwerbsarbeit besteht. Man muss sich eigene Arbeitsstellen stricken. Dies könnten nicht alle Menschen, aber diejenigen die dies könnten müssten nach Alternativen suchen und mit verschiedenen Finanzierungsmodellen und unter Kenntnis von Förderanträgen sich ihren Wünschen entsprechende Arbeitsplätze schaffen. Dies gelänge oft im Bereich Gemeinwesenarbeit und die Gemeinwesenökonomie ist ein idealtypisches Beispiel. Leider werden soziale Unternehmen in Deutschland lange nicht so gefördert und unterstützt wie Genossenschaften zum Beispiel wie in Frankreich, Italien, Spanien.

Jedoch ist nicht jeder Mensch ein geborener Genossenschafter und unter den Studierenden sind Schätzungsweise 10% für eine solch selbständige Form des Arbeitens geeignet.

Sicherlich ist eine Wertediskussion im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft wichtig, auf jedes Gesetz gibt es jedoch ein Schlupfloch. Gelingender wäre Unternehmen, die eine lokale Bindung haben, in das Gemeinwesen einzubeziehen. Im Sinne eines „guten Kapitalisten“.

Soziale Arbeit ist im Bereich Erwerbsarbeitslosigkeit schon gut soweit es um die Arbeit mit dem Einzelnen geht. Was zu wenig geschieht ist das Herstellen von Öffentlichkeit, das Einfordern der politischen Seite und ein Skandalisieren der Situation, also anwaltschaftliche Funktion und Lobbyarbeit für Erwerbsarbeitslose.

Gemeinwesenarbeit oder Stadtteilarbeit kann viel erreichen, es gibt aber nur wenige gelingende Projekte wie die Genossenschaft im Beutelweg in Trier. Meistens scheitern Projekte, wie z.B. das Quartiersmanagement, am kurzfristigen Ansatz. Erfolgsmöglichkeiten in der Gemeinwesenökonomie gibt es nur mit langfristigen Projekten.

Erfolgreiche Projekte wären z.B. die Schäferei-Genossenschaft Finkhof, die Krebsmühle. Der Ansatz von Frithjof Bergmann ist gut, weil er herausfinden will, was die Menschen wirklich wollen. Leider klappen alle Projekte nach seiner Idee in Deutschland nicht, weil sie mit ABM arbeiten und dadurch zu kurzfristig angesetzt sind. In Dänemark wird dies mit den dänischen Produktionsschulen besser umgesetzt. Für Berlin gibt es die Ufa-Fabrik, den Pfefferberg und das Kommunale Forum Wedding mit seiner Stadtteilgenossenschaft als interessanten Ansatz. Durch den Schwerpunkt Gemeinwesenarbeit wird an der KHS schon viel bewegt, jedoch wird noch zu wenig die anwaltliche Funktion gefördert. Der Anspruch sich mit dem Thema zu beschäftigen besteht zwar, aber die Einlösung ist schwierig, gerade bei der Fülle der Pflichtstunden.

Interview Nr. 4 mit Prof. Dr. Rätz-Heinisch (ASFH)

Erwerbsarbeitslosigkeit taucht im Fächerkanon der Fachhochschule nicht direkt auf, ist aber als Querschnittsthema vorhanden. Denn bei der Konzentration des Wohlfahrtsstaates auf die Erwerbsarbeit und bei in den Veränderungen in der Praxis der Sozialen Arbeit, die mit der heutigen Umbruchsituation in der Gesellschaft, mit Hartz IV verbunden sind, ist das Thema Erwerbsarbeitslosigkeit zumindest immer kopräsent. Auch bei Themen wie der Theoriegeschichte sozialer Arbeit, bei Kinder- und Jugendhilfe ist Erwerbsarbeitslosigkeit als Querschnittsthema, auch mit Blick auf die aktuellen Veränderungen, präsent.

Gesellschaftspolitisch ist die grundsätzliche Frage die der Verteilung von Ressourcen und wie ein menschenwürdiges Leben aussieht, das jedem Menschen zugestanden wird. Dabei ist die Tatsache, dass weiniger Leute gebraucht werden, um etwas herzustellen auch eine Chance. So werden theoretisch menschliche Kapazitäten frei für Bildung, für Kultur, für Soziales oder für die Beschäftigung mit ethischen Fragen. Denn für Westeuropa ist nicht die Ernährung der Menschen das Problem, sondern die Fokussierung auf Erwerbsarbeit bzw. das viele Arbeiten eben nicht bezahlt werden. Es bräuchte daher einen Paradigmenwechsel, das bedeutet einen Abschied von der Erwerbsarbeitsgesellschaft. Zu favorisieren wäre eine Grundabsicherung unabhängig von Erwerbsarbeit und eine Anerkennung von Tätigkeiten, die für das Zusammenleben, für das Gemeinschaftsleben, für die Kultur erbracht werden. In der DDR z.B. war zumindest die Frage nach Grundexistenz beantwortet. Dies sei jedoch kein Modell explizit aus dem sozialistischen oder kommunistischen Kontext, sondern ließe sich auch im amerikanischen Pragmatismus des letzten Jahrhunderts finden. Dort gab es die Idee der Bürgergesellschaft, der Gestaltung von Demokratie durch die Bürger selbst.

Das sozialpolitische Verursacherprinzip hält sie für schwierig, da es mit der Schuldfrage verknüpft ist und die Frage der Schuld grundsätzlich, aber in der Sozialen Arbeit sowieso, schwierig ist. Hier könnte die Schuld bei den Arbeitslosen gesucht werden und Probleme individualisiert werden, wie es auch gerade geschieht.

Soziale Arbeit sollte sich als Gestalterin von Lebenswelten verstehen und komplexe gesellschaftliche Probleme lassen sich nur durch komplexe Strategien lösen. Es gibt jedoch in der Sozialen Arbeit eine starke Verteilung von Aufgaben, diese Segmentierung müsste aufgehoben werden. Dies bedeutet eine Autonomie der sozialen Arbeit, die in der Expertenrolle analysiert, was soziale Probleme sind und z.B. im Gemeinwesen gemeinsam mit Bewohnern Lösungen findet. Hier können Sozialarbeiter helfen Ideen zu entwickeln, was im Gemeinwesen gebraucht wird. In diesem Rahmen spielt lokale Ökonomie eine Rolle - quasi als Synergie-Effekt. Dies ist ein sozialpädagogisches Verständnis von sozialer Arbeit, also was kann gelernt, was gemeinsam entwickelt werden und wie entstehen Prozesse, die dann auch Lösungen in Bezug auf Arbeitslosigkeit bringen. Dies ist der Urgemeinwesengedanke, wie man ihn von Jane Adams kennt. Es geht darum Orte schaffen für Kultur, für Bildung und an denen Bildungsprozesse stattfinden. Die Stärken der Menschen können sich nur in Bezug auf ein Gegenüber entwickeln und dieses Gegenüber kann Soziale Arbeit sein. Soziale Arbeit ist weniger Ausführerin sozialstaatlicher Leistungen, sondern hat einen Eigengestaltungsauftrag, ist eine Umwelt, um Prozesse in Gang zu setzen.

Eine advokatorische Funktion schließt dabei nicht die Zusammenarbeit mit dem bzw. die Finanzierung durch den Staat aus. Es geht um das Verhandeln zwischen staatlichen Institutionen und Sozialarbeit, darum, dass Bürger und soziale Träger autonom sind und im Dialog ein gemeinsames Projekt entsteht. Es geht um das Verständnis des sozialen Trägers als Gestalter von Gesellschaft im Dialog mit allen Beteiligten.

Als Beispiele für gelungene Projekte führt sie die sozialdiakonische Jugendarbeit Lichtenberg e.V. und das SOS-Mütterzentrum Salzgitter an, welches eine Mischung aus Gemeinwesenzentrum, Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Bildung und auch Pflege anbietet. Spannend sind auch Projekte die in strukturarmen Regionen z. B. in Mecklenburg-Vorpommern initiiert wurden, die eine Form des Zusammenlebens, von Kultur, von Bildung wollen.

Sie hofft, dass die zukünftigen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter auf ihre eigentlich komplexe Tätigkeit vorbereitet sind. Dabei ist nicht sicher, inwieweit man dies erzeugen kann. Die Hochschule kann jedoch dafür sorgen, dass sich im Studium ein Selbstverständnis entwickelt, dass davon ausgeht nicht an Einzelfällen rumzubasteln, sondern Gesellschaft zu gestalten. Die Studierenden sollten mitnehmen, dass soziale Arbeit nichts Feststehendes ist und die Suche nach Festem eigentlich viel mit Angst zu tun hat, weil man ständig Veränderungen ausgesetzt ist.

Interview Nr. 5 mit Prof. Dr. Jürgen Nowak (ASFH)

Die Thematik der Erwerbsarbeitslosigkeit taucht im normalen Studienprogramm relativ wenig auf und wird, wenn eher zufällig im Projektstudium aufgegriffen. Dies sei aber auch eine Frage von Angebot der Dozenten und Nachfrage durch die Studierenden. Insgesamt wird es jedoch zu wenig angeboten, dies sei aber die Realität der Studierenden. Reale Projekte werden dabei selten umgesetzt, sondern eher Diplomarbeiten verfasst, wobei das Thema, verglichen mit Bereichen wie Migration, Ethnizität oder dem psychosozialen Bereich, eher unterbelichtet ist.

Die eher neoliberalen Strategien der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik werden für eine Katastrophe gehalten, weil sie an den Menschen vorbeigehen. Dass Vollbeschäftigung wieder erreicht werden könnte, sei eine der Lebenslügen der Politik. Der Kapitalismus sei so produktiv, dass er durch computergesteuerte Produktion ähnlich wie bereits in der Landwirtschaft auf viele Menschen verzichten kann. Dies gelte auch für den Dienstleistungssektor. Er verweist in diesem Zusammenhang auf André Gorz und Jeremy Rifkin. Der einzige Bereich, der eventuell mehr Arbeitskräfte braucht, ist der Dienst am Menschen. Dieses bedeute, dass wir radikale Arbeitszeitverkürzung brauchen, da der Mensch zudem ein „Homo soziales“ und kein „Homo oeconomicus“ sei. Daher müsse auch in soziale Bedürfnisse und Bildung investiert werden. In der Wirtschaft sollte, obwohl es kein Allheilmittel gibt, eine nachfrageorientierte Politik nach Keynes verfolgt und die Binnennachfrage gesteigert werden. Generell müsste es einen Mix an Maßnahmen geben. Es müssten mehr Steuern erhoben werden, dies wäre auch durchsetzbar, wenn dadurch eine gute soziale Infrastruktur bezahlt werden könnte. Auf europäischer Ebene müssten die Steuersysteme harmonisiert werden. Es würden allerdings die qualifizierten Leute für diesen hochleistungsfähigen, produktiven Kapitalismus fehlen.

Insgesamt bräuchte es eine Umverteilung von oben nach unten und nicht umgekehrt.

Ein Kapitalist muss versuchen der Sieger zu sein, Profitorientierung ist eine wichtige Bedingung für unser Wirtschaftssystem. Unternehmen müssten allerdings in Deutschland Steuern zahlen, um Entlassungen durch Umschulungen und Ähnliches abzufedern. Wenn Menschen zum Arbeiten nach Deutschland kommen, sollten sie deutsche Mindestlöhne erhalten. Es bräuchte zudem eine europäische Wirtschaftssteuerpolitik, um die starke Konkurrenz zwischen Ländern, Regionen und Städten einzudämmen. Mit dem Euro wurde das Pferd von der falschen Seite aufgezäumt. Diese Maßnahmen wären sinnvoller als ein soziales Verursacherprinzip, obwohl höhere Steuern für Unternehmen, die Arbeiter entlassen, auch zu überlegen wären.

Die lokale Ökonomie muss ihre Nische zwischen Marktwirtschaft und Staat finden. Bürgerarbeit könnte bei Arbeiten, die der Staat nicht leisten kann und die für die Wirtschaft nicht rentabel sind, als Ergänzung zum schlanken Staat und dem produktiven Kapitalismus fungieren. Auch lokale Wirtschaftskreisläufe wären aus ökologischer Sicht sinnvoll.

Es ist auch nicht sinnvoll alles, wie z.B. die Post oder Eisenbahn, privatwirtschaftlich lösen zu wollen, zumal große Privatunternehmen auch nicht immer effizienter sind. Es gibt also Strategien, aber keine hundertprozentigen Lösungen. Höhere Steuern und z.B. Vermögenssteuern müssten auf jeden Fall eingeführt werden, aber da traut sich niemand ran.

Auch die Bedingungen für Familien, z.B. Kindergärten, die lange aufhaben, oder Ganztagsschulen sind in Deutschland unzureichend. Daher ist das Gerede über die Staatsquote auch nur bedingt richtig.

Sozialarbeiter können über Gemeinwesen und Gemeinwesenökonomie mithelfen Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Sie könnten neben Ökonomen, Soziologen durchaus eine Rolle spielen. Daher sind die Masterstudiengänge in Hamburg und München sinnvoll.

Sozialarbeit ist immer parteiisch, weil sie etwas Politisches ist. Allerdings fällt das Aufzeigen von Rechten und Pflichten Sozialarbeitern immer noch schwer.

Lokale Ökonomie wäre ein Mittel für Arbeitslose, die keine Aussicht haben wieder in Arbeit zu kommen. Dabei könnten auch Hilfsdienste geleistet werden, wenn sie ordentlich bezahlt werden. Hartz geht deshalb ins Leere, weil gefordert wird, ohne fördern bzw. Arbeit anzubieten zu können.

Soziale Arbeit ist die einzige Profession, die den Menschen als Ganzes sieht.

Sozialarbeitende müssen sich gewerkschaftlich organisieren, ökonomische Kenntnisse erwerben und sich dann für die Rechte der Menschen einsetzen. Daher macht die Idee von Sozialer Arbeit als Menschenrechtsprofession durchaus Sinn.

An konkreten Maßnahmen wird das Kommunale Forum Wedding mit seiner Stadtteilgenossenschaft genannt. Dadurch, dass sich alles ökonomisch tragen muss, ginge der soziale Anspruch jedoch leicht verloren und der lokale Ökonomiesektor, so der Eindruck, funktioniert nicht. Diese Initiativen müssten systematisch gefördert werden. Auch die Tauschbörse Kreuzberg mit fast dreihundert Teilnehmern sei erfolgreich. Ebenso ist Bürgerarbeit sinnvoll, alles muss jedoch organisiert und bezahlt werden und die Gesellschaft muss bereit sein zu bezahlen.

Für die diskutierten Dinge besitzen die Sozialarbeiter nur die Mindestqualifizierungen, insofern dass sie genug ökonomisches, soziales und sozialarbeitsmethodisches Denken gelernt haben, um sich einzuarbeiten. Diese Qualifizierungen könnten aber auch in Masterstudiengängen vertieft werden. Seit vier, fünf Jahren wird mit dem Fach Betriebswirtschaftslehre auch ökonomisches Denken an der ASFH vermittelt und von der Mehrheit der Studierenden gut angenommen.

Interview Nr. 6 mit Prof. Dr. Gerd Mutz (FHM)

Erwerbsarbeitslosigkeit ist in seiner ökonomischen Dimension erst vor drei, vier bis fünf Jahren als Thema und in den Fächerkanonen der Sozialen Arbeit aufgenommen worden, obwohl Erwerbsarbeitslosigkeit schon vorher als Problem der Sozialen Arbeit gesehen wurde. Die zweite Dimension ist in den letzten zwei Jahren die persönliche Betroffenheit der Sozialarbeiter, gerade auch in Anbetracht der sozialpolitischen Situation.

Nur wenige Studenten setzen sich mit dem Thema Erwerbsarbeitslosigkeit auch in Diplomarbeiten und in ihren Praktika auseinander, obwohl es in München eine Reihe von Einrichtungen gibt, die sich nicht nur helfend, sondern auch anwaltschaftlich mit dem Thema Arbeit oder Erwerbsarbeitslosigkeit auseinandersetzen. Dort gab es jedoch Berührungsängste seitens der Studierenden bzw. bislang keine Dozenten, die Kontakt hergestellt hätten, dies würde sich erst jetzt langsam ändern. Das Thema Arbeit wird in Bezug auf Praktika aber auch nicht richtig seitens der Studierenden gesucht.

Die angebotstheoretische Position ist ökonomisch gesehen die im Moment herrschende Richtung, obwohl es schon immer in der Volkswirtschaftslehre die Gegenseite gab, die auch die Nachfrage fördern wollte und den Sinn der Investition in die Gesellschaft sah. Gerade aus soziologischer Sicht müsste man aber sehr viel mehr Arbeit als nur die Erwerbsarbeit im Auge haben, da man sehen muss, dass das Volumen der Erwerbsarbeit in den westlichen Industriestaaten kaum mehr erhöht werden kann. Daher sind diese Argumentationen wie Kostenfragen und Wirtschaftswachstum zumindest strittig bzw. es gibt gute Gegenargumentationen.

Die Studierenden sollten nicht so leicht der öffentlichen Argumentation nachgeben, dass Sparen und ein Umbau des Sozialstaats notwendig sind. Hier müssten andere Sichtweise hineingebracht werden, in der sich Soziale Arbeit als Produktivkraft und nicht als ausgleichende, helfende Kraft sieht, die erst einmal sehen muss wieviel Geld da ist, aber auf jeden Fall sparen muss. Hier müssen sowohl die Volkswirtschaft als auch die Gesellschaft betrachtet werden, da sie miteinander verknüpft sind.

In der öffentlichen Diskussion müssen die Sichtweisen zurechtgerückt werden, die Deutschland hintendran sehen da zum Beispiel der Export gut funktioniert und nur die Binnennachfrage fehlt. Dies liegt auch an der unsicheren Situation, wir brauchen daher eine Wirtschaftspolitik, die die Nachfrage fördert und eine weitere Lohnspreizung verhindert.

Wir kommen aber auch nicht um die Frage herum, wie wir die Arbeit besser verteilen. Dies ist auch organisatorisch möglich und mit der Frage des Grundeinkommens verbunden, die ebenfalls diskutiert werden muss. Dabei müssen die Menschen bevorzugt, werden die sich bürgerschaftlich engagieren.

Einem sozialpolitischen Verursacherprinzip kann man grundsätzlich nur zustimmen, wo man wirklich nachweisen kann, dass durch Entlassungen ein Gewinn erzielt werden soll, der auch in seiner Höhe nicht begründbar ist und nicht etwa ein Unternehmen gerettet werden muss. Diesen Unternehmen sollten Steuererleichterungen oder öffentliche Forschungsgelder gestrichen werden. Dies löst jedoch nicht das Problem der Arbeitslosigkeit.

Gemeinwesenentwicklung aus dem amerikanischen Ansatz ist auch immer in ökonomische Prozesse eingebettet. Dabei sind im Rahmen von solchen Community-Development-Ansätzen auch neue Beschäftigungsformen und soziale Ökonomie, Gemeinwesenökonomie ein Thema, um Menschen Möglichkeiten der wirtschaftlichen Aktivität aufzuzeigen. Dies muss jedoch in eine größere Politik eingebettet sein und es müsste z.B. steuerliche Entlastungen bzw. überhaupt Steuergesetze geben, die soziale Ökonomie fördern.

Soziale Arbeit sollte und könnte dabei eine anwaltschaftliche Position für die Erwerbsarbeitslose einnehmen, müsste aber dafür ökonomische Prozesse kennen. Dies wird in der Ausbildung immer noch vernachlässigt.

In München gibt es gute Projekte, die sich mit Arbeit generell beschäftigen und nicht nur mit Erwerbsarbeitslosigkeit, wie das Haus der Eigenarbeit. Ein anderer guter Ansatz ist, die biographische Verarbeitung der bisherigen Bedeutung von Arbeit und Leben, um daraus Ansätze für die Zukunft für von Erwerbsarbeitslosigkeit bedrohte Menschen zu schaffen. Dies bietet ein Verein in München an, der vom Wirtschaftsreferat aber auch von Unternehmen unterstützt wurde.

An den Fachhochschulen müsste ein Einverständnis bestehen, dass sie ökonomische Kompetenz brauchen bzw. diese den Studierenden vermittelt werden muss, wie dies im Masterstudiengang Gemeinwesen und Gemeinwesenökonomie in München bereits geschieht. Zudem muss mehr von den Lehrenden und Studierenden geforscht werden, sie müssten Methoden der empirischen Sozialforschung nutzen, wenn sie die Bedürfnisse der Menschen erforschen wollen.

Interview Nr. 7 mit Prof. Dr. Susanne Elsen (FHM)

Das Thema Erwerbsarbeitslosigkeit spielt, durch die persönliche Betroffenheit der Studierenden, in allen Fachbereichen der FHM eine Rolle. Problematisch für den Fachbereich Soziale Arbeit ist, dass sich nur 3 von ungefähr 20 bis 25 Lehrenden explizit mit dem Thema Erwerbsarbeitslosigkeit und anderen zentralen sozialpolitischen Themen beschäftigen und Alternativen diskutieren. Es lässt sich nicht generell sagen, ob das Thema, bei der Vielzahl von parallel angebotenen Veranstaltungen, auch in den Praktika und Arbeiten der Studierenden auftaucht. Es kann aber abgewählt werden zu Gunsten von Themen, die mehr „handsome“ sind als Armut, soziale Ausgrenzung oder Erwerbsarbeitslosigkeit. Dies ist eine Frage auch des politischen Interesses der Studierenden.

Das Setzen auf Wachstumsprozesse bei der Bekämpfung von Erwerbsarbeitslosigkeit ist absurd, angesichts eines Wirtschaftswachstums, das nachweislich seit mehr als 20 Jahren Arbeitsplätze vernichtet. Arbeitslosigkeit wird immer wieder in Wellen thematisiert, aber erst langsam wächst das Bewusstsein, das wir ein Wirtschaftswachstum haben, welches die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört, aber keine Arbeitsplätze schafft. Leider ist aufgrund des Druckes der Wirtschaftslobby Repression gegen die Betroffen momentan die einzige Antwort. Jede Maßnahme, die nicht auf Repression setzt oder andere Arbeit vernichtet, wie dies zum Teil bei den 1-Euro-Jobs geschieht, bietet daher eine Alternative.

Die Gemeinwesenarbeit, die von staatlicher Seite organisiert wird, ist nur in ganz seltenen Fällen erfolgreich. Der Ergebnisdruck und der Einfluss des öffentlichen Trägers führen dazu, dass das Soziale, wie auch das Kulturelle zu einem Standortfaktor für die Wirtschaft gemacht und utilitaristisch gesehen wird. Es braucht also im Gemeinwesen Akteure, die die Bedürfnisse der Bewohner zur Kenntnis nehmen, um dann, wenn auch höchst bescheiden Rahmen, Prozesse in Gang zu setzen. Diese Prozesse sind gerade in städtischen Milieus, wo auch sozial Benachteiligte einbezogen werden, von höherer Bedeutung als man vielleicht meint. Der alternative ökonomische Bereich oder Basisgruppen bringen daher die innovativen Ideen im Community-Bereich. Susanne Elsen verweist in diesem Zusammenhang auf Hubert Campfens. Dieser Blick müsste mehr gestärkt und eine zivilgesellschaftliche Anbindung gewährleistet werden. Es werden natürlich immer Menschen außen vor bleiben und es gibt nie die Lösung für alle. Jedoch sind überall Selbstorganisationspotenziale vorhanden, auch in sozialpolitischen Brennpunkten, es braucht aber unterschiedliche Formen der Partizipation und dafür muss der Versuch unternommen werden soziale Probleme mit ökonomischen Mitteln zu lösen. Hierfür braucht es soziale Unternehmen, die ihre Gewinne ins Gemeinwesen investieren. Hier werden die Genossenschaft am Beutelweg in Trier und das Objectif Plein Emploi in Luxemburg als Beispiele genannt. Auch eine Verbindung mit Modellen wie dem der Tätigkeitsgesellschaft kann Sinn machen. Die Einbindung von Menschen mit einem großen Know-how ist für solche Unternehmungen wichtig, allerdings ist es besser auf die Selbstorganisationskraft von Bürgerinnen und Bürgern zu setzen, da diese gerne die dort vorhandenen Spielräume nutzen, die soziale Zielsetzung ist dabei vielen nicht fremd.

Als erstes hat Soziale Arbeit bei der Thematik Erwerbsarbeitslosigkeit die Funktion Aufklärungsarbeit, um den ideologischen Gehalt der Diskussion, Entdiskriminierung und Beratung bezüglich dessen, was möglich ist zu leisten. Außerdem müssten Good-Practice-Modelle herausgearbeitet werden. Auf keinen Fall darf sie bei der Repressionstaktik des Staates mitmachen, wie dies in den Maßnahmen der Bildungsträger geschieht. Gut wäre eine sozialpolitische Arbeit, die andere Lernformen, produktive Lernformen und Integrationsformen in den Beruf unterstützt. Zudem sollte sie sich für ein Genossenschaftsmodell einsetzen, das anerkennt, dass auch die Armen selbsthilfefähig sind. Die Soziale Arbeit müsste erkennen, dass wir andere Kreditformen und andere Geldströme für benachteiligte Stadtteile und deren Bewohner brauchen. Dieser Auftrag wird ihr aber wahrscheinlich nicht von einer Stadt oder Region gegeben, sondern zur Integration von benachteiligten Menschen muss sich Soziale Arbeit ihre Nischen suchen. Wichtig sind Projekte, die eine permanente Weiterentwicklung des Gemeinwesen und seiner Bewohner bewirken.

Beispielhaft ist Italien mit seiner pluralen Ökonomie, wo es in verschiedenen Bereichen, z.B. bei Selbstständigen oder kleinen und mittleren Unternehmen, Formen der kooperativen Zusammenarbeit gibt und so gesellschaftliche Aufgaben gelöst. Diese bilden, trotz der unterschiedlichen politischen Ausrichtungen, eine gemeinsame Lobby gegen den Staat und haben so Sonderstatuten für Sozialgenossenschaften auch im Produktivbereich erreicht. Sie befinden sich also an der Nahtstelle zwischen Markt und Zivilgesellschaft und sichern so auch für leistungsschwache Menschen eine Teilhabe an der Gesellschaft. Die Verfolgung sozialer Ziele mit ökonomischen Mitteln müsste anerkannt werden, dies ist aber in der EU schwer umsetzbar und die aktuelle Politik geht in die entgegengesetzte Richtung.

Diese hochkomplexe Aufgabe neue Lösungen im sozialen Bereich zu entwickeln, könnte am besten von Sozialarbeitenden mit Berufs- bzw. Lebenserfahrung bewältigt werden, die sich noch einmal gezielt dafür qualifizieren oder z.B. von Menschen, die sich neben ihrem eigentlichen Beruf noch einmal Community Development studieren. Den Studierenden, die nach sieben oder acht Semestern die FH verlassen traut, Susanne Elsen ein eigenständiges Agieren in diesem Bereich nur bedingt zu. Sie brauchen einen Blick für die Strukturen und dürfen z.B. nicht sozialtherapeutisch oder musisch fixiert sein. Es muss eine Orientierung auf empirische Sozialforschung, Sozialpolitik und internationale Modelle geben. Dies muss in einer kollegialen Auseinandersetzung an den Fachhochschulen erreicht werden.

Interview Nr. 8 mit Prof. Dr. Gerhard Buck (FHP)

Die Thematik Erwerbsarbeitslosigkeit hat einen relativ umfassenden Stellenwert an der FHP. Dabei liegt die Betonung auf der Anwendung von Instrumenten der Arbeitsförderung und beim Wissen bezüglich Arbeitsförderungsrecht (SGB III, SGB IX, SGB II). Herr Buck hat selbst im Feld der aktiven Arbeitsförderung geforscht und daher ist es in seiner jetzigen Tätigkeit zu den Schwerpunkten Arbeitsmarkt, Arbeitsmarktpolitik, berufliche Bildung und berufliche Rehabilitation gekommen. Diese Themen werden auch im europäischen Kontext beleuchtet. Die Studierenden können im Diplomstudium zwischen verschiedenen Schwerpunkten wählen, dabei gehört das Thema Erwerbsarbeitslosigkeit zum Schwerpunkt „sozialanwaltliche Beratung“ und teilweise auch zum Schwerpunkt „soziales Management“.

Beim neuen Bachelor für Soziale Arbeit werden ein Fernstudiengang und ein Direktstudium angeboten. Im Fernstudiengang wurden zwei Kurse berufliche Reha online durchgeführt und im Direktstudium ist jetzt ein größerer Einstieg in Arbeitsförderungsthemen geplant. Es wird von der FHP versucht, Praktika in diesem Bereich anzubieten. So wurden im Rahmen des alten Diplomstudienganges vor allem im Kontext der Jugendberufshilfe, aber auch bei Arbeitsämtern, LASA251 oder bei Bildungsträgern Praktika durchgeführt. Aber es wurde bei weitem nicht das Ausmaß wie in den klassischen Feldern der Sozialen Arbeit, also Jugendhilfe, Familienhilfe, Gesundheitshilfe, usw. erreicht. Im Hauptstudium gibt es auch Projekte in diesem Bereich, wie Analysen zum Casemanagement in den ARGEs in Berlin, zum Dritten Sektor und Ehrenamt oder zum § 33 des SGB III und die Möglichkeit zur Ausweitung der Berufsberatung auf die Schulen.

Die Positionen des „Mainstream“, z.B. die Texte der Bertelsmann Stiftung, die Position des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit oder wirtschaftsliberale Positionen werden in den Seminaren vermittelt. Die eigene Position, die eher eine traditionelle gewerkschaftsnahe, auch teilweise tradierte Sozialstaatsposition sei, wird ebenfalls versucht vorzustellen. Herr Prof. Buck verweist in diesem Zusammenhang auf die Position Offes, welcher eine soziale Grundsicherung für notwendig hält.

Eine Lösung wäre grundsätzlich Erwerbstätigkeit, Grundsicherung und gemeinnützige Arbeit in ein sinnvolles Verhältnis zu bringen, da der formelle Arbeitsbereich eher stagnieren wird. Die Beschäftigungsbrücken zwischen aktivem Arbeitsleben, Bildung, Familienphase müssten gesellschaftlich honoriert werden. Dies bedeute lebenslanges Lernen und eine Patchwork- Erwerbsbiographie, was jedoch kein Drama sei. Es müsste eine Flexicurity-Strategie geben, wie sie EU- und OECD- weit diskutiert wird, d.h., dass Flexibilität und Mobilität mit einer sozialen Absicherung einhergehen müssten. Dies sei machbar, erfordere aber Arbeitskräfte, die mental bereit seien und hohe Fähigkeiten besäßen. Diejenigen, die dies nicht erreichten, müssten wiederum sozial abgesichert werden. Dies spricht für eine Ausweitung der Sozialen Arbeit im Kontext Bildung und Arbeitsförderung sowie Zukunftsgestaltung jenseits und innerhalb der Erwerbsarbeit.

Im Sinne einer klassischen Sozialarbeit sollte den Betroffenen vermittelt werden, dass Erwerbsarbeitslosigkeit kein Drama ist und dafür sorgen, dass sie mit professioneller Hilfe einen Entwicklungsweg finden können. Die individuelle und zielgruppenbezogene Arbeit sei dabei im Vordergrund und dadurch die Entwicklung von Qualifizierungs- und Beschäftigungsprojekten. Deshalb sei ein Wissen über Förderrecht, Förderprogramme, Projektentwicklung, den Kontext der Zukunft der Arbeit, die Konzepte zum Umbau der Arbeitsmarktpolitik und der Umstrukturierung der Erwerbsarbeit wichtig. Sozialarbeiter müssen jedoch vor allem im Kontext Beratung Perspektiven aufzeigen und im Kontext Projekte Angebote aufbauen. Die Geschicklichkeit in der Anwendung der bestehenden Möglichkeiten ist dabei für die Sozialarbeiter am wichtigsten. Dabei sollten sie eine anwaltschaftliche Position einnehmen und auch, wenn sie als Fallmanager in der ARGE arbeiten, Sozialarbeiter bleiben.

Die betrieblichen und kommunalen Arbeitsförderungs- bzw. Beschäftigungsgesellschaften der Landesagentur und Bildungsträger seien die Basis für schlagkräftige Arbeitsförderungsprojekte. Die Arbeitloseninitiativen, Arbeitslosentreffs und -zentren seien ebenfalls wichtig, hätten aber in der Regel nicht so viel Know-how. Assessmenttraining für berufliche Reorganisation sei ebenfalls interessant.

An der FHP müsste eine Vertiefung der besprochenen Themen in einem Master- oder einem berufsbegleitenden Weiterbildungsangebot erreicht werden. Im Rahmen der Regelausbildung ist das Thema Arbeitsmarktpolitik wichtig aber nicht dominant, d.h. es muss nicht von den Studierenden gewählt werden. Dieser Rahmen sei im Prinzip auch ausreichend.

10.3 Ergebnisse der Interviews und Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse der Interviews lassen sich in zwei grobe Bereiche unterteilen. Der eine beschäftigt sich mit den zurzeit vorherrschenden ökonomischen Strategien und den Alternativen, auch aus Sicht der Sozialen Arbeit. Der zweite Bereich hat die Ausbildung und dort mit Präsenz des Themas Erwerbsarbeitslosigkeit im Blick und widmet sich der Frage, ob Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter hinreichend ausgebildet werden, um gemeinwesenökonomische Projekte umzusetzen oder sich anwaltschaftlich für Erwerbsarbeitslose einzusetzen.

Einschätzung der vorherrschenden ökonomischen Strategien und der Alternativen

Die Lösungsstrategien Wirtschaftswachstum, Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse und Senkung der Lohn- und Lohnnebenkosten werden in Bezug auf Erwerbsarbeitslosigkeit in jedem Fall als nicht ausreichend empfunden bzw. sind „diese Argumentationen … zumindest strittig und es gibt gute Argumente dagegen.“ (Mutz, Gerd, Anhang 2, S. 44 Zeile 71 u. 72) Die Mehrheit der Interviewten hält diese Strategien sogar explizit für falsch, zynisch oder absurd. Zum einen, weil sie nicht greifen und durch diese Strategien „unterstellt [wird], dass wir wieder Vollbeschäftigung erreichen“, was „eine Lebenslüge der politischen Klasse“ sei (Nowak, Jürgen, Anhang 2, S. 34, Zeile 48 u. 49). Zum anderen, weil diese Strategien sogar Arbeitsplätze und unsere ökologischen Ressourcen vernichten. Insgesamt ist Erwerbsarbeitslosigkeit kein Happy-End-Thema. Ein Punkt, „den man … immer wieder betonen muss ist, dass es keine Einzellösung gibt. Die Arbeitslosigkeit liegt auch an einer Vielfalt von Faktoren, deswegen müssen die Lösungen entsprechend vielfältig sein.“ (Penta, Leo, Anhang 2, S. 9, Zeile 37 u. 38). Zudem geht es aber bei der Thematik auch um die Einhaltung der Menschenwürde und somit auch um die Frage: „Was menschenwürdige Grundlagen sind, also welches Leben sozusagen jedem Menschen der Gesellschaft zugestanden wird unabhängig davon, ob er nun arbeitet oder nicht.“ (Rätz-Heinisch, Regina, Anhang 2, S. 22, Zeilen 94 – 96) Die wirtschaftsliberalen Positionen werden in den Seminaren ebenfalls vorgestellt, auch wenn persönlich eher eine „traditionelle gewerkschaftsnahe, auch teilweise tradierte Sozialstaatsposition“ (Buck, Gerhard, Anhang 2, S. 61, Zeile 116 u. 117) vertreten wird.

Eine Alternative zu dieser eher angebotsorientierten Wirtschaftspolitik wäre eine mehr nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik. Neue Erwerbsarbeitsplätze könnten jedoch allenfalls im Bereich der sozialen Dienste entstehen. Um diese soziale Infrastruktur zu finanzieren, müssten allerdings entsprechende Steuern gezahlt werden. Zudem müsste eine andere Verteilung der Arbeit vorgenommen werden. Dabei dürfe man sich nicht vom organisatorischen Aufwand, der durchaus zu bewältigen ist, abschrecken lassen und natürlich müsste überlegt werden, wie die Menschen trotz weniger Arbeit genügend Geld zur Verfügung haben. Hier wird u. a. eine Grundsicherung, z.B. in Form einer negativen Lohnsteuer gefordert. Andere Formen der Arbeit, wie „Bildungsarbeit, Familienarbeit, Bürgerschaftliches Engagement als Arbeit“ (Runge Markus, Anhang 2, S. 4, Zeile 76 u. 77) müssten zudem gleichberechtigt neben die Erwerbsarbeit gestellt werden. Ein Engagement im sozialen Bereich könnte sich dann wiederum bei der sozialen Grundsicherung positiv bemerkbar machen. Das sozialpolitische Verursacherprinzip wird zum Teil kritisch beurteilt, weil es mit der Schuldfrage verbunden bzw. schwer umzusetzen ist. Es macht auch keinen Sinn, Unternehmen die eh ums Überleben kämpfen, mit zusätzlichen Strafen zu belegen. Zumal Gesetze oft auch umgangen werden können bzw. dazu führen, dass Schlupflöcher gesucht werden. „ Gelingender fände ich zu gucken, wo gibt’s ein Gemeinwesen, Unternehmen, die eine lokale Bindung noch haben und die versuchen ins Boot zu holen.“ Karges, Rosemarie, Anhang 2, S. 16, Zeilen 153 – 155) Auch die Gemeinwesenarbeit und die Gemeinwesenökonomie können eine Alternative sein. Bedingung ist aber, dass man sich langfristig engagiert und an den Bedürfnissen der Bürger und nicht an den Interessen der Wirtschaft orientiert. Die Gemeinwesenökonomie wird unter den jetzigen Bedingungen jedoch eher als ergänzender Teil gesehen. Zumal soziale Unternehmen und Genossenschaften in Deutschland nicht genügend unterstützt werden. Besonders wenn es darum geht soziale Ziele mit ökonomischen Mitteln durchzusetzen. Gerade in den Problembezirken in den Großstädten sind gemeinwesenökonomische Ansätze, trotz ihres bescheidenen Rahmens, von höherer Bedeutung als man vielleicht glaubt. „…Du hast Menschen, die einerseits sozial benachteiligt sind, du hast andererseits auch die Nahtstellen hin zu Intellektuellen, kritischen Kreisen und bewegst etwas im Gemeinwesen, wohlwissend, du machst eine kleine Alternative zum Angebot des Supermarkts an der Ecke. Das scheint kaum wahrnehmbar, scheint auch keine Relevanz zu haben für die Soziale Arbeit, aber das sind für mich die Akteure, die im Moment eine große Rolle spielen in der Entwicklung von innovativen Strategien, die so an der Nahtstelle von sozialer und alternativer Ökonomie liegen.“ (Elsen, Susanne, Anhang 2, S. 53, Zeilen 124 - 130) Auf der Ebene der Sozialpolitik müsste eine „Flexicurity-Strategie“ geben, „ dass eben eine Flexibilität und eine Mobilität mit einer sozialen Absicherung verbunden ist.“ (Buck, Gerhard, Anhang 2, S. 61, Zeile 140 u. 141) Zudem müssten die Möglichkeiten im aktuellen System Arbeitsförderung ausgenutzt werden.

Bei der Frage nach erfolgreichen Projekten wird die Genossenschaft am Beutelweg in Trier gleich viermal genannt, wie auch das Kommunale Forum Wedding mit seiner Stadtteilgenossenschaft, welches zumindest teilweise aber Schwierigkeiten hat seine Ideen umzusetzen.

Alle Interviewten vertreten die Auffassung das Soziale Arbeit im Zusammenhang mit Erwerbsarbeitslosigkeit und anderen sozialen Problemen eine anwaltschaftliche Funktion für die Betroffenen einnehmen soll.

Im ersten Bereich gab es viele Übereinstimmungen, im folgenden Teil geht es verstärkt um den Vergleich zwischen den Fachhochschulen, daher werden die Aussagen diesen zugeordnet, soweit es sich nicht um Zitate handelt.

Die Thematik Erwerbsarbeitslosigkeit in der Lehre und die Qualifikation der zukünftigen Sozialarbeiter/innen

Die Thematik der Erwerbsarbeitslosigkeit spielt, soweit dies beurteilt werden kann, eine eher marginale Rolle (EFH). Sie ist jedoch in vielen Bereichen der Lehre „kopräsent“ (ASFH). Auch werden einige Hausarbeiten und Diplomarbeiten zu dieser Thematik verfasst. „Aber trotzdem ist dieses [Thema] vergleichsweise zu … Bereich [en] wie Migration, Ethnizität oder der ganze psychosozialen Bereich eher unterbelichtet, würde ich doch mal behaupten können.“ (Nowak, Jürgen, Anhang 2, S. 33, Zeilen 38 – 40).

Die ökonomische Dimension dieses Problems wird erst seit ein paar Jahren gesehen und nur wenige Lehrende beschäftigen sich explizit mit diesem und anderen wichtigen sozialpolitischen Themen (FHM).

Einzig die KHS hat einen Schwerpunkt im Bereich Gemeinwesenarbeit, in dem sie sich ausdrücklich mit Erwerbsarbeitslosigkeit beschäftigt bzw. eine Professur mit dem Schwerpunkt „Umgang mit Erwerbslosigkeit, Wohnungslosigkeit“ existiert. An der FHP wird durch Herrn Prof. Buck der Schwerpunkt „Beschäftigungsförderung, Erwachsenenbildung, berufliche und politische Bildung, Sozialmanagement“ vertreten und somit werden auch die Arbeitsmarktpolitischen Bedingungen und Möglichkeiten thematisiert.

An allen Fachhochschulen wird Erwerbsarbeitslosigkeit jedoch von den Studierenden in der Form als Problem wahrgenommen, dass die eigene berufliche Zukunft unsicher ist.

Die Studierenden sind oft sehr hilflos, wenn es darum geht zu sehen, was die Lösung sozialer Probleme mit Sozialer Arbeit zu tun hat, auch Stadtteilarbeit in einem größeren Sinne wird schon oft kritisch betrachtet (EFH).

Gemeinwesenarbeit - Gemeinwesenökonomie wird an vielen Fachhochschulen „immer noch sehr stiefmütterlich behandelt, also es wird ein bisschen als Nebending gemacht. Da brauchen wir einfach an den Hochschulen auch einen größeren Platz dafür.“ (Penta, Leo, Anhang 2, S. 13, Zeilen 261 – 263). Die anwaltschaftliche Funktion ist als Anspruch in der Lehre da, kann aber in der Praxis häufig nur eingeschränkt ausgefüllt werden. Generell seien von den 140 Studierenden, die jährlich neu beginnen, nur 10 bis 15 für die Gemeinwesenarbeit und Gemeinwesenökonomie und die damit verbundenen hohen Anforderungen geeignet (KHS).

Man kann nur hoffen, dass die Studierenden, wenn sie die Fachhochschule verlassen, auf die anspruchsvolle und komplexe Tätigkeit, die Soziale Arbeit ist, vorbereitet sind. Zumindest sollte das Bewusstsein dafür existieren, dass soziale Arbeit nichts Feststehendes ist. Auch wenn die Studierenden nicht das nötige ökonomische Wissen mitbringen, so haben sie im Studium jedoch meistens gelernt flexibel zu sein und können sich so in viele Bereiche einlernen (ASFH).

Neue Lösungen im sozialen Bereich können am besten von Sozialarbeitenden mit Berufs- bzw. Lebenserfahrung entwickelt werden, die sich dann für diese Zwecke z.B. in einem Masterstudiengang weiterqualifizieren. Den Studierenden, die nach sieben oder acht Semestern die FH verlassen, kann man diese Aufgaben meist nicht zutrauen. An den Fachhochschulen müsste jedoch zumindest ein Einverständnis bestehen, dass Sozialarbeitende ökonomische Kompetenzen brauchen. „Ich muss davon ausgehen, dass unsere Leute, wenn sie mit dem Studium fertig sind, die rechtlichen Rahmenbedingungen sozialer Arbeit kennen - bin ich sehr einverstanden. Sie müssen aber genauso gut die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kennen.“ (Mutz, Gerd, Anhang 2, S. 49 u. 50, Zeilen 383 – 386) Zudem muss mehr von den Lehrenden und Studierenden geforscht werden und Methoden der empirischen Sozialforschung genutzt werden. Dies muss in der kollegialen Auseinadersetzung der Lehrenden geschehen (FHM). Es müssten sich also einerseits die Lehrenden bei diesen Themen stärker einbringen, aber andererseits die Studierenden diese auch einfordern (EFH).

Für die Bereiche der Arbeitspolitik, des Förderungsrechts und der Arbeitsförderungsprogramme sind die Studierenden der FHP im Prinzip ausreichend vorbereitet, wenn sie die entsprechenden Schwerpunkte wählen. Denn „Sozialarbeiter müssen vor allen im Kontext Beratung Perspektiven aufzeigen und im Kontext Projektentwicklung Angebote aufbauen, das ist das Allerwichtigste.“ (Buck, Gerhard, Anhang 2, S. 62, Zeile 172 u. 173)

Sicherlich müssen die zu Beginn angeführten Einschränkungen, die Experteninterviews im Vergleich zu anderen empirischen Methoden mit sich bringen, bedacht werden, wenn man sich die Ergebnisse der Interviews anschaut. Eine Befragung oder Interviews mit Studierenden, sowie eine Recherche Diplomarbeitsthemen könnten sicherlich weitergehende Erkenntnisse bringen, jedoch gibt es frappierende Übereinstimmungen in den Aussagen der Lehrenden, so dass sich einige Schlussfolgerungen ziehen lassen.

Alle Interviewten sehen die advokatorische Funktion Sozialer Arbeit als gegeben und glauben, dass durch den Gemeinwesenansatz etwas bewirkt werden könnte. Eigentlich ausnahmslos wird die aktuelle eher neoliberal angelegte Wirtschaftspolitik kritisiert und es können und werden alternative Ideen, Modelle und Formen, in denen sich die Soziale Arbeit an der Lösung des Problems beteiligen kann, vorgestellt bzw. Lehrveranstaltungen mit diesem Inhalt angeboten. In einem Fall werden vor allem die Möglichkeiten, die unter den momentanen sozialpolitischen Rahmenbedingungen bestehen, ausgeleuchtet. Trotzdem kann die zuvor aufgestellte Hypothese als weitestgehend bestätigt angesehen werden, denn das Thema Erwerbsarbeitslosigkeit mit all seinen Faktoren, also die Beschäftigung mit den ökonomischen Ursachen und den möglichen Alternativen, ist in der täglichen Lehre an den Fachhochschulen nicht im ausreichenden Maße präsent. Es erreicht größtenteils nur die Studierenden, die sich explizit damit beschäftigen wollen und daher entsprechende Seminare wählen. Die sozialpolitische und ökonomische Dimension kommt dabei meistens zu kurz. Eine menschenrechtliche Dimension des Themas, nach der im Interview nicht ausdrücklich gefragt wurde, erwähnte nur eine der interviewten Personen. Auch ein Masterstudiengang „Gemeinwesenentwicklung, Quartiermanagement und Lokale Ökonomie“, wie er an der FHM besteht, ändert daran nicht zwingend etwas. Diese für eine wirksame Soziale Arbeit nötigen Kenntnisse können aber zumindest in solchen Studiengängen vermittelt werden. Jedoch sollte dies auch in der „Erstausbildung“ geschehen. Hier sind leider zum Teil Methoden, die auf das Individuum zielen, wie therapeutische Ansätze oder musische Fächer, stärker vertreten. Wenn Soziale Arbeit allerdings, auch im Sinne der Definition der International Federation of Social Workers, Sozialen Wandel gestalten will, muss mehr Wert auf die Vermittlung von ökonomischen und gemeinwesenökonomischen Kenntnissen und auf einen systemischen Blick auf die Welt gelegt werden. Dies bedeutet, dass auf ein Verständnis und ein Interesse für sozialpolitische Arbeit hingearbeitet werden muss, wie es auch Teil des Gemeinwesenansatzes ist. Hier gibt es anscheinend auch noch zu wenig Kooperation zwischen Projekten und Fachhochschulen und noch seltener werden Projekte aus den Fachhochschulen heraus initiiert. Die Studierenden müssen also lernen, dass es zum einen auf Vernetzung und Zusammenarbeit im Gemeinwesen ankommt und dort gut die Bedürfnisse der Menschen aufgespürt werden können, zum andern aber ökonomische Zusammenhänge, Sozialpolitik und alternative Modelle in einem globalen Rahmen verstanden und mitgedacht werden müssen. In ihrem eigenen Interesse sollten sie auch ihre eigenen, zum Teil schlechten Arbeitsbedingungen thematisieren bzw. verändern und sich nicht anpassen. Daher wäre zu überlegen, ob nicht Ökonomie, Sozialpolitik, empirische Methoden (auch in ihrer praktischen Anwendung) und der Gemeinwesenansatz zum Pflichtprogramm jedes Studierenden werden sollten oder zumindest alle Fachhochschulen dementsprechende Schwerpunkte bereithalten.

11. Fazit

Mit Blick auf die Entwicklung der letzten dreißig Jahre und der sich daraus ergebenen Prognose für die Zukunft, kann man mit großer Gewissheit davon ausgehen, dass sich der Erwerbsarbeitsmarkt nicht wieder erholen wird. Das heißt, die Phase, in der die Erwerbsarbeit die dominante Form der Arbeit war, ist zu Ende bzw. steht vor ihrem Ende. Die Ursachen dafür sind verschieden, die Hauptgründe sind jedoch die zurzeit vorherrschende auf Gewinnmaximierung ausgelegte neoliberale Wirtschaftsideologie und damit verbunden die immer effizienter werdenden Produktionsformen bzw. der Einsatz moderner Technologien in allen Bereichen unseres Lebens. Moderne Technologien, moderne Kommunikationsformen treiben auch den Prozess der Globalisierung in der heutigen Zeit voran und lassen unseren Planeten immer kleiner erscheinen. Die großen Konzerne, die „Global Players“ sind dabei Nutznießer und Initiatoren zugleich und setzen auf internationale Arbeitsteilung und Direktinvestitionen mit den bekannten Folgen für die von Erwerbsarbeit abhängigen Individuen. Entscheidend ist dabei sicherlich nicht zu diskutieren, wann der Prozess der Globalisierung begann, sondern, dass man die Zusammenhänge zwischen Globalisierung, neoliberaler Wirtschaftsideologie und bestehenden sozialen Problemen erkennt. Die Bedeutung der Nationalstaaten verschwindet zusehends und die Entscheidungen werden auf europäischer Ebene, bei den Treffen der weltweit führenden Wirtschaftsunternehmen und -nationen oder in Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Welthandelsorganisation (WHO) gefällt. Die Beschäftigung mit allen Ebenen der Weltgesellschaft ist daher wichtig, wenn man die Ursachen für soziale Probleme ausfindig machen will. Auch wenn die Gründe für Erwerbsarbeitslosigkeit vielfältig sind, kann man sagen, dass die gut 5 Millionen Erwerbsarbeitslosen in Deutschland und die mehr als 185 Millionen weltweit, sowie ca. 550 Millionen „working poor“ zu einem Großteil das Ergebnis dieser Entwicklungen sind. Das auf Erwerbsarbeit ausgerichtete soziale Sicherungssystem in Deutschland konnte diese Entwicklung ebenfalls nicht überstehen. Die neoliberale Wirtschaftstheorie setzt angesichts dieser Probleme jedoch weiter auf die alten Rezepte - Deregulierung und ein schlanker Staat, der die Freiheit der Wirtschaft garantiert aber sonst nicht weiter stören darf. Dies, so will man uns weismachen, sind die Vorbedingungen, unter denen der „Homo oeconomicus“ leben muss, mehr Wachstum entsteht und somit eine bessere Zukunft für alle Menschen möglich wird. Auch wenn einzelne Wirtschaftstheorien nie in Reinform anzutreffen sind, werden die Auswirkungen dieser Politik verheerend sein, sollte sie sich dauerhaft durchsetzen. Wir werden nicht nur unseren Planeten zerstören, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach unsere sozialen Probleme verstärken, anstatt sie zu beseitigen.

Nun, da die soziale Exklusion von Millionen von Menschen aus unserer Gesellschaft bereits Alltag ist und immer mehr Menschen von Armut bedroht sind, müssen wir also überlegen, welche Alternativen wir haben. Wir könnten uns für eine Ökonomie entscheiden, die unsere Gesellschaft und unsere Umwelt als Ganzes betrachtet und den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Wir müssen uns daher bei der Messung unserer Erfolge Systeme zunutze machen, die ebenfalls das Ganze im Blick haben. Einen weiteren Baustein könnte die Idee sozialpolitischen Verursacherprinzips liefern, die dafür sorgen könnte, dass z.B. durch Entlassungen entstandene Kosten wirklich solidarisch getragen werden. Dabei ist nicht wichtig, welche Maßnahmen tatsächlich realisierbar sind, sondern, dass eine Diskussion geführt wird mit dem Ziel, dass sich möglichst alle Wirtschaftsorganisationen ihrer Verantwortung bewusst werden, die sie in Bezug auf die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse haben. Die Frage lautet also nicht, wie die Menschen sein müssen, damit die Wirtschaft floriert, sondern wie die Wirtschaft sein muss, damit die Menschen aufblühen können.

Es gibt dabei genug Gründe, die für eine Integration aller Menschen in unsere Gesellschaft sprechen, denn die negativen Auswirkungen auf die biopsychosozialen Bedürfnisse der Erwerbsarbeitslosen sind enorm. Zwar ist die Frustration des Anerkennungsbedürfnisses das größte Problem und sollte als Argument genügen, jedoch sind die Betroffenen auch von psychischen Störungen, Krankheiten und einem höheren Mortalitätsrisiko bedroht. Hier zeigt sich die Existenz von sozialen Schichten in Deutschland auf eine besonders hässliche Weise. Wenn wir diese Zustände verändern wollen, müssen wir die in der Einleitung gestellte Frage, ob erwerbsarbeitslose Menschen nicht auch durch eine sinnstiftende, soziale, kulturelle oder individuell nützliche Arbeit in die Gesellschaft integriert werden könnten, daher zu einer Forderung umformulieren. Diese Forderung wird indirekt auch durch die Menschenrechte erhoben, die wiederum in den Bedürfnissen der Menschen und in den moralischen Wertmaßstäben, die sich unsere Gesellschaft gegeben hat, gründen. Die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte und hier das Recht auf Arbeit und die Rechte in der Arbeit können somit helfen der Forderung nach einer Integration aller Menschen mehr Gewicht zu verleihen. Dabei geht es nicht darum, eine gelähmte Gesellschaft ohne jeglichen Wettbewerb zu schaffen, sondern die Solidarität unter den Menschen wieder stärker zu fördern und Strukturen die Kooperation begünstigen zu schaffen. In diesem Sinne geht es um den Kampf „Homo oeconomicus“ versus „Homo cooperativus“ oder „Homo sozialis“ bzw. um die Erlangung der Einsicht, dass es den reinen „Homo oeconomicus“ nicht gibt.

Wer gerechte (Arbeits-) Gesellschaft will, in der alle Menschen einen Platz haben, muss wiederum Erwerbsarbeit, individuell nützliche und gesellschaftlich nützliche Arbeit gleichberechtigt nebeneinander stellen. Dies kann durch folgende Maßnahmen erreicht werden:

- eine geschlechterneutrale und gerechte Verteilung der existierenden Erwerbsarbeit
- eine angemessene und gerechte Entlohnung für alle Erwerbsarbeiten
- ein Bewusstsein dafür, dass die Erwerbsarbeit erst seit relativ kurzer Zeit unseren Lebensmittelpunkt darstellt und dass es Alternativen zur Erwerbsarbeit gibt
- eine Grundsicherung, die allen Menschen eine ökonomische Sicherheit gibt und ein würdevolles Leben ermöglicht
- eine Honorierung gesellschaftlich nützlicher Arbeit und eine Unterstützung von individuell nützlicher Arbeit
- rechtliche Rahmenbedingungen, die Organisationen mit sozialen Zielen unterstützen und die Verfolgung sozialer Ziele mit ökonomischen Mitteln ermöglichen.

Dabei könnte schon unter den jetzigen politischen Bedingungen eine konsequente Förderung von Elternzeit und Bildung Fortschritte bringen oder Ideen und Modelle, wie das der Tätigkeitsgesellschaft von Gerd Mutz und ähnliche, ein Aufbrechen des starren Zeitregimes der Erwerbsarbeit bewirken und eine mehr individuelle Gestaltung des Lebens befördern. Diese Maßnahmen würden jedoch eher die Menschen ansprechen, die sich in einer ökonomisch abgesicherten Situation befinden. Um ernsthafte Perspektiven für die „Überzähligen“ zu schaffen, müssen jedoch noch andere Wege beschritten werden. Hier kommt die Gemeinwesenökonomie ins Spiel, denn sie kann Rückzugsräume für diese Menschen schaffen. Diese „Nischen“ können viele Formen haben, es können Tauschringe, Häuser der Eigenarbeit, freie Bildungseinrichtungen oder (Stadtteil-) Genossenschaften sein. Genossenschaftlich arbeitende Betriebe können sich gegenseitig stärken, indem sie in regionalen Verbünden zusammenarbeiten. In diesem Rahmen können schon jetzt äußerst bedeutsame Prozesse für Gemeinwesen in Gang gesetzt werden, doch um in einem größeren Rahmen Dinge in Gang zu setzen, müssten, wie bereits erwähnt, andere steuerrechtliche Bedingungen, z.B. auf europäischer Ebene, geschaffen werden. „Der Schritt wäre ja der, dass die Verfolgung auch sozialer Ziele mit ökonomischen Mitteln bis zu einem gewissen Grad und … in Form von rechtmäßigem Tausch anerkannt wird. Das heißt: Steuervergünstigungen, das hieße auch bestimmte Vorteile in der Vergabe von Aufträgen und so weiter und so fort.“ (Elsen, Susanne, Anhang 2, S. 57, Zeilen 342 – 346)

Solange diese Ideen nicht umgesetzt werden, bleibt es bei den zuvor erwähnten „Nischen“. In diesem lokalen Rahmen kann sich auch die Soziale Arbeit und hier besonders die Gemeinwesenarbeit wirkungsvoll betätigen und mithelfen, gemeinwesenökonomische Ansätze zu verwirklichen. Andere Mittel, die ihr zur Verfügung stehen, sind politische Lobbyarbeit in der Politik und bei Nichtregierungsorganisationen auf allen Ebenen der Weltgesellschaft, wissenschaftliche, empirische Arbeiten, z.B. zum Aufzeigen der Ursache-Wirkung-Relation bei sozialen Problemen, Öffentlichkeitsarbeit, Beratung von Erwerbsarbeitslosen oder ehrenamtliches Engagement fördern und organisieren.

Um all dies wirklich leisten zu können, müssen Sozialarbeitende gut durch das Studium auf diese komplexen Aufgaben vorbereitet werden. Leider ist das Problem Erwerbsarbeitslosigkeit mit all seinen Ursachen in der täglichen Lehre an den Fachhochschulen nicht im ausreichenden Maße präsent. Es wird nur wenigen Studierenden überhaupt direkt als eines der großen sozialen Probleme unserer Zeit vermittelt. Die sozialpolitischen und ökonomischen Dimensionen werden noch seltener zum Thema gemacht. Die hochkomplexe Aufgabe, Lösungen für das Problem Erwerbsarbeitslosigkeit, aber auch zu anderen sozialen Problem zu entwickeln, kann aber nur gelingen, wenn dies geschieht. Es muss ein Blick für die lokalen, regionalen und globalen Strukturen vermittelt werden und nicht gelernt werden, wie man am Individuum kosmetische Korrekturen vornimmt und es für den Markt tauglich macht. Diese Fähigkeiten sollten nicht nur in Masterstudiengängen, sondern auch schon in Diplom- bzw. Bachelorstudiengängen vermittelt werden. Sozialarbeitende brauchen auch ökonomische Kompetenz und müssen, wenn sie ernst genommen werden wollen, wissenschaftlich arbeiten und z.B. Methoden der empirischen Sozialforschung nutzen, um die Bedürfnisse der Menschen zu erforschen.252

Hält man diese Anforderungen für überzogen, wird man, wenn man im Titel dieser Masterthesis von Transformationsmöglichkeiten in eine gerechtere (Arbeits-) Gesellschaft liest, dies vielleicht als „anmaßend“ oder als ein zu hochgestecktes Ziel für die Soziale Arbeit und somit für unrealistisch befinden. Doch wenn Soziale Arbeit sozialen Wandel und die Lösung von Problemen fördern und die Menschen befähigen will, in freier Entscheidung ihr Leben besser zu gestalten, wenn sie sich den Menschenrechten und der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet fühlt, wie es die Definition der International Federation of Social Workers vorsieht, muss sie sich auch mit solchen Themen auseinandersetzen und eine Vorstellung davon haben, wie eine gerechtere Gesellschaft aussehen könnte. Dabei dürfen auch utopisch erscheinende Ziele nicht gleich verworfen werden, wenn man den z.B. von Erwerbsarbeitslosigkeit Betroffenen wirklich helfen will. Dies bedeutet natürlich auch, dass man bereits unter den gegebenen Bedingungen aktiv wird, Perspektiven für die Hilfesuchenden entwickelt und anwaltschaftlich einsetzt. Die Sozialarbeitenden müssen sich dabei immer wieder bewusst machen, dass, wenn sie den zuvor formulierten Zielen der Sozialen Arbeit gegenüber loyal sind, sie sich im Zweifelsfall gegen Auftraggeber oder Arbeitgeber und für den Hilfesuchenden entscheiden müssen. „Eine Bedingung hierzu ist, daß sich Sozialarbeitende auf ein weltweit geteiltes Professionsverständnis stützen können, das nicht die ideale Gesellschaft oder den vollkommenen Menschen vorschreibt, sondern – bescheidener – eine weniger ungerechte Gesellschaft mit unvollkommenen Menschen anstrebt.“ (Staub-Bernasconi, Silvia, Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession in Stimmer, Franz (Hg.), Lexikon der Sozialpädagogik und Sozialarbeit, S. 630) Soziale Arbeit sollte versuchen, diese „weniger ungerechte Gesellschaft“ sowohl in lokalen als auch in globalen Zusammenhängen anzustreben.

Wenn diese Einstellung sich durchsetzen könnte, würde uns eine gerechtere (Arbeits-) Gesellschaft vielleicht als ein weniger unrealistisches Ziel erscheinen.

12. Anhang (Interviewleitfaden)

1. Einstieg:

Begrüßung, Dank, kurze Vorstellung der Zielstellung, Erlaubnis für Aufnahme erbitten.

Aufnahmegerät einschalten!

2. Einstiegs-/Aufwärmfrage:

- Erwerbsarbeitslosigkeit ist immer wieder ein die Öffentlichkeit beherrschendes Thema, welchen Stellenwert hat die Thematik der in der Ausbildung an Ihrer Fachhochschule?

ggf. nachfragen: - im Lehrplan

- den Praktika
- der Forschung
- der täglichen Arbeit

3. Folgefragen:

- Bei der Lösung des Problems wird auf

Wirtschaftswachstum, Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse, Senkung der Lohn- und Lohnnebenkosten (Billiglohnsektor)

gesetzt.

wie sind diese Strategien Ihrer Meinung nach zu bewerten? ggf. nachfragen:

- Werden sie erfolg haben?
- speziell aus dem Blickwinkel der Sozialen Arbeit/ GWA

- welche Alternativen, auch in Anbetracht weiter steigender Erwerbslosigkeit, haben wir?

- Es existieren ja bereits alternative Modelle wie z.B. das der

- Tätigkeitsgesellschaft
- Gemeinwesenökonomie
- Eigenarbeit
- soziales Verursacherprinzip

Was halten Sie (z.B.) von diesen Modellen?

- Welche Funktion sollte die soziale Arbeit im Bezug auf das Problem Erwerbsarbeitslosigkeit übernehmen?

ggf. nachfragen:

- wie sollte sie sich verhalten wo sie mit Erwerbsarbeitslosen in Kontakt kommt oder arbeitet
- Ergibt sich daraus ein eigener sozialpolitischer Auftrag z.B. bei der Umsetzung sozialer Rechte (Recht auf Arbeit, Recht auf soziale Sicherheit) mitzuwirken oder diese einzufordern?
- Warum halten Sie es für richtig/verkehrt, dass sich Soziale Arbeit/GWA in diesem Feld engagiert?
- Soll das Thema den Gewerkschaften und der Politik überlassen bleiben?
- Kommt der GWA eine besondere Funktion oder Rolle diesbezüglich zu?
- Hat die Soziale Arbeit auf Gemeinwesenebene bzw. hat die Gemeinwesenökonomien das Potential wirklich im großen Stil etwas zu bewirken?
- erreichen solche Projekte genug Menschen?
- Kennen Sie Initiativen oder Projekte die sich (auf Gemeinwesenebene bzw. an Ihrer Hochschule) mit Erwerbsarbeitslosigkeit beschäftigen?
- sind die zukünftigen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter hinreichend ausgebildet (um für soziale Rechte eintreten zu können)?
nein → was fehlt (Lehre, Praktika, Projekte) und wer müsste die Initiative ergreifen?

3. Abschluss des Interviews, Dank für das Interview!

Das Recht auf Arbeit

1961

Teil I (1) Jedermann muss die Möglichkeit haben, seinen Lebensunterhalt durch frei übernommene Tätigkeit zu verdienen.

Teil II

Artikel 1

Um die wirksame Ausübung des Rechts auf Arbeit zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien,(1) zwecks Verwirklichung der Vollbeschäftigung die Erreichung und Aufrechterhaltung eines möglichst hohen und stabilen Beschäftigungsstandes zu eine ihrer wichtigsten Zielsetzungen und Aufgaben zu machen;(2) das Recht des Arbeitnehmers wirksam zu schützen seinen Lebensunterhalt durch eine frei übernommene Tätigkeit zu verdienen;...”

(Europäische Sozialcharta, Menschenrechte, Dokumente und Deklarationen, Bundeszentrale für politische Bildung S. 384)

1965

“Artikel 1

1. Um das wirtschaftliche Wachstum und die wirtschaftliche Entwicklung anzuregen, den Lebensstandard zu heben, den Arbeitskräftebedarf zu decken sowie die Arbeitslosigkeit und die Unterbeschäftigung zu beseitigen, hat jedes Mitglied als eines der Hauptziele eine aktive Politik festzulegen und zu verfolgen, die dazu bestimmt ist, die volle, produktive und frei gewählte Beschäftigung zu fördern.

2. Diese Politik muss zu gewährleisten suchen,

a) dass für alle Personen, die für eine Arbeit zur Verfügung stehen und Arbeit suchen, eine solche vorhanden ist;...

c) dass die Wahl der Beschäftigung frei ist...”

(Übereinkommen 122 der International Labour Organisation,

www.ilo.ch/ilolex/german/docs/gc122.htm im Mai 2003)

1966

“Artikel 6

(1) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht auf Arbeit an, welches das Recht jedes einzelnen auf die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch frei gewählte oder angenommene Arbeit zu verdienen, umfaßt, und unternehmen geeignete Schritte zum Schutz dieses Rechts.”

(Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Menschenrechte, Dokumente und Deklarationen, Bundeszentrale für politische Bildung S. 61)

2003

Artikel II-15: Berufsfreiheit und Recht zu arbeiten

(1) Jeder Mensch hat das Recht, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben…

Artikel II-16: Unternehmerische Freiheit

Die unternehmerische Freiheit wird nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt.

(Entwurf eines Vertrags über eine Verfassung für Europa, Dokumentation Nr. 3, EU- Nachrichten S. 27)

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2. "Made in China"-Aufdruck auf Glühlampenfassung Quelle : http://www.pixelquelle.de/details.php?image_id=21034
3. Metallwerkstatt im Haus der Eigenarbeit, München
4. Zentrale der Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg Quelle: http://www.arbeitsagentur.de/vam/vamController/CMSConversation/anzeigeContent?navId=23959&rqc=2&ls=false&ut=0#Anchor4

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[...]


1 Immer wieder wird in der öffentlichen Diskussion der Zusammenhang von Wirtschaftswachstum und neuen Arbeitsplätzen hergestellt. Vgl. z.B.: http://www.stern.de/campus-karriere/arbeit/?id=525074 am 15.12.2004. Dass dieser Zusammenhang so nicht generell besteht, wird später noch ein Thema sein.

2 Der Begriff „Bedürfnisse“ in diesem Zitat ist etwas irreführend, da Unternehmen keine Menschen sind und in diesem Sinne auch keine Bedürfnisse haben.

3 Zempel J./ Bacher, J./ Moser, K., Negatives psychisches Befinden als Wirkung und Ursache von Arbeitslosigkeit in Erwerbslosigkeit, Ursachen, Auswirkungen und Interventionen, S.17 und Paul, K./ Moser, K., ebd. S.84 ff.

4 Die International Labour Organisation z.B. hat eine für ihre Veröffentlichungen gültige Definition ebenso wie die Bundesagentur für Arbeit. Siehe unter http://www.ilo.org/public/english/bureau/stat/download/res/ecacpop.pdf und unter http://www.pub.arbeitsamt.de/hst/services/statistik/000200/html/sgb2/arbeitslosenbegriff_unter_sgb_2_und_sgb_ 3.pdf am 25.02.05

5 Vgl. Obrecht, W., Individuum und Weltgesellschaft, S. 29

6 Das tägliche Transaktionsvolumen auf den Devisenmärkten ist um ein Vielfaches höher als das für Dienstleistungen und Güter, siehe auch: Atlas der Globalisierung, S. 32 u. 33

7 Aguiton, Christophe, Was bewegt die Kritiker der Globalisierung, S. 24

8 Vgl. hierzu http://www.unhchr.ch/development/globalization-01.html am 04.03.05

9 In dieser Zeit emigrierten 61 Millionen Europäer vgl. W. Obrecht, Individuum und Weltgesellschaft, S. 47

10 Ghose, Ajit K., Jobs and incomes in a globalizing world, S. 7 und zur Globalisierung ebenda, S. 5- 8

11 Schmid, Günther, Wege in eine neue Vollbeschäftigung, S. 33

12 Vgl. auch Atlas der Globalisierung, S. 26

13 Vgl. http://www.chancenfueralle.de/Lexikon/G/Globalisierung.html am 04.03.05

14 Aguiton, Christophe, Was bewegt die Kritiker der Globalisierung, S. 34 u. 47 ff. u. Staub- Bernasconi, Konzepte der Weltgesellschaft, Modul A 2 Der Washington Consensus

15 Ebd. S. 39 ff. und Chang, Ha-Joon, Was der Freihandel mit einer umgestoßenen Leiter zu tun hat, „Le Mond diplomatique“, Juni 2003, S. 13

16 Die “Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der BürgerInnen” – wurde 1998 in Frankreich gegründet und gilt als eine der stärksten globalisierungskritischen Kräfte, siehe https://www.attac.de/material/selbst.php am 28.05.05

17 Siehe unter: http://www.bpb.de/publikationen/CN8NA5,4,0,Halbierung_der_absoluten_Armut:_die_ entwicklungspolitische_Nagelprobe.html am 06.05.05

18 Vgl. auch http://www.greenpeace.de/deutschland/fakten/umwelt_und_wirtschaft/wto/weltbank-und-internationaler-waehrungsfonds?print=1#reform und http://www.attac.de/wto/jahresschwerpunkt.php am 06.05.05

19 Obrecht, W., Individuum und Weltgesellschaft, S. 26

20 Wobbe, Theresa, Weltgesellschaft, S. 15

21 Ebd. S.16 ff.

22 Ebd. S. 20, vgl. hierzu auch Obrecht, Werner, Individuum und Weltgesellschaft, S. 48 u. 49

23 Wobbe, Theresa, Weltgesellschaft, S. 24

24 Ebd. S.27

25 Ebd. S. 28 ff.

26 Ebd. S. 40 u. 41.

27 Ebd. 43 ff.

28 Ebd. 45 ff.

29 Arbeitslosenquoten im Bundesgebiet (1948 – 2003) Quelle: http://www.pub.arbeitsamt.de/hst/services/statistik/detail/d.html am 15.12.04

30 http://www.pub.arbeitsamt.de/hst/services/statistik/detail_2004/d.html und http://www.pub.arbeitsamt.de/hst/services/statistik/aktuell/iiia4/zr-alob.xls am 06.03.05

31 http://statistik.arbeitsamt.de/statistik/index.php?id=D am 06.03.05

32 Schmid, Günther, Wege in eine neue Vollbeschäftigung, S. 28

33 Die Zeit, 22.12.03, S. 28

34 World employment report 2001, 1. Global employment trends, 1.1 Recent developments and critical issues

35 Global employment trends, S. 1

36 O’Higgens, Niall, Youth unemployment and employment policy, S. 9 u. 10

37 Gemeint sind hier die absolut Armen, die weniger als einen Doller am Tag zur Verfügung haben, http://www.un.org/millenniumgoals am 05.12.03

38 Global employment trends, S. 1

39 Ebd. S. 2 u. 5

40 Die Zeit, 22.12.03, S. 19

41 World employment report 2004-05, S. 9, 24 u. 25

42 Momentan leben offiziell 6 453 628 000 Menschen auf der Welt, siehe http://esa.un.org/unpp/p2k0data.asp am 19.02.05

43 Ghose, Ajit K., Jobs and incomes in a globalizing world, S. 2 u. 3

44 Ebd. S. 15, 16 u. 18

45 Ebd. S. 37

46 Ebd. S. 73

47 Ebd. S. 92 u. 113

48 Ebd. S. 76 u. 114

49 Ebd. S.75 u. 76, S. 111 ff.

50 Klein, Naomi, No Logo, S. 215

51 Rifkin, Jeremy, Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft, S. 19

52 Ebd. S. 99

53 Siehe den Artikel „Kapitalismus brutal“ unter http://www.stern.de/wirtschaft/unternehmen/index.html?id=536633&q=Stellenabbau am 06.05.05

54 Symbolanalytiker sind laut Rifkin hochbegehrte und -bezahlte Fachkräfte, die im Zeitalter weltweiter Kommunikation mit ständig erneuertem Fachwissen den ökonomischen Prozess am Laufen halten.

55 Rifkin, Jeremy, Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft, S. 156 ff.

56 Vgl. Der Spiegel 35, 2000, S.92

57 Thome, Rainer, Arbeit ohne Zukunft?, S. 139

58 Opaschowski, Horst W., Wir werden es erleben, S. 59 u. 60

59 Castel, Robert, Metamorphosen der sozialen Frage, S. 19 u. 348 ff.

60 IAB Kurzbericht, Nr. 9 /28.6.2000, Von der Massenarbeitslosigkeit zum Fachkräftemangel, S 17

61 OECD Employment Outlook, Statistical Annex, S. 315

62 Vgl. Obrecht, Werner, Umrisse einer biopsychosozialen Theorie sozialer Probleme, S. 20

63 Alle Bedürfnisse seiner Theorie hat Prof. Werner Obrecht im Rahmen jahrelanger, umfangreicher Forschungen entwickelt, die leider noch auf ihre Veröffentlichung warten. Es gibt aber z.B. Forschungen, die belegen, dass Kooperation mit anderen Menschen vom Gehirn dadurch belohnt wird, dass man sich gut fühlt. Vgl. zu den Bedürfnissen auch Obrecht, Werner, Umrisse einer biopsychosozialen Theorie sozialer Probleme, S. 31 u. 32 und Individuum und Weltgesellschaft, S. 17 ff.

64 Vgl. Paul, K./ Moser, K. Negatives psychisches Befinden als Wirkung und Ursache von Arbeitslosigkeit in Zempel J./ Bacher, J./ Moser, K. (Hg.), Erwerbslosigkeit, Ursachen, Auswirkungen und Interventionen, S.84- 108

65 Vgl. Iori, M./ Wolfer, M., Cool, easy und voll im Trend! S. 11

66 Vgl. hierzu auch Obrecht, Werner, Umrisse einer biopsychosozialen Theorie sozialer Probleme, S. 33. Hier hat Obrecht selbst Entlassungen als Beispiel für das Zustandekommen sozialer Probleme verwandt.

67 Vgl. Stelzer-Orthofer, C., Erwerbslosigkeit und Armutsrisiko in Zempel J./ Bacher, J./ Moser, K. (Hg.), Erwerbslosigkeit, Ursachen, Auswirkungen und Interventionen, S. 165 u. 166

68 Als ein extremes Beispiel seien hier die „glücklichen Arbeitslosen“ genannt, die sogar ein Manifest herausgegeben haben. Siehe : http://www.diegluecklichenarbeitslosen.de/dieseite/seite/rahmen.htm am 24.02.05

69 Vgl. hierzu auch Sen, Amartya, Ökonomie für den Menschen, S. 33

70 Vgl. zu diesem Kapitel auch Kositza, Martin, Frustration von Bedürfnissen durch Arbeitslosigkeit – individuelle Probleme und globale Determinanten, S. 5, S. 7 und S. 12-17

71 Vgl. Obrecht, Werner, Umrisse einer biopsychosozialen Theorie sozialer Probleme, S. 32-34

72 Schmid, Günther, Wege in eine neue Vollbeschäftigung, S. 57 u. 59

73 Robert-Koch-Institut, Statistisches Bundesamt, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 13, S. 16

74 Schmid, Günther, Wege in eine neue Vollbeschäftigung, S. 63 - 65

75 Robert-Koch-Institut, Statistisches Bundesamt, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 13, S. 12

76 Ebd. S. 60 - 62

77 Ebd. S. 67

78 Die Form, in der die Bibelstellen in diesem Kapitel genutzt werden, stellt natürlich eine starke Vereinfachung dar, denn im theologischen Sinne stehen hochkomplexe Aussagen hinter den zitierten Stellen.

79 Ribolits, Erich, Produktiver Müßiggang statt Erziehung zur Arbeit

80 Castel, Robert, Die Metamorphosen der sozialen Frage, S. 65 - 71

81 Allerdings löst sich dieses Problem Mitte des 14. Jahrhunderts durch die Schwarze Pest wieder auf. Vgl. Castel, Robert, Die Metamorphosen der sozialen Frage, S. 75

82 Ebd. S. 79 - 85

83 Kocka, Jürgen, Thesen zur Geschichte und Zukunft der Arbeit, S.8

84 Castel, Robert, Die Metamorphosen der sozialen Frage, S. 149

85 Ebd. S. 154 – 162 und Arendt, Hannah, Vita activa, S. 119

86 Weber, Max, Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus, S. 19 ff

87 So gab es 1848 ein Manifest der Geheimgesellschaft, vgl. Castel, Robert, Die Metamorphosen der sozialen Frage, S. 239

88 Ebd. S. 237

89 Ebd. S. 276 ff.

90 Ebd. S. 283 u. 284, Castel nennt für Frankreich eine Zahl von 82% und das zu einer Zeit als Arbeitslosigkeit quasi keine Rolle spielte.

91 Hier findet sich wieder eine Anspielung auf den Taylorismus und auch wenn der reine Fließbandarbeitsplatz natürlich nie die Regel, sondern immer eher ein kleiner Teil bzw. die Ausnahme war, lässt sich hier ein gültiges Muster erkennen. Denn die vorherrschenden Arbeitsorganisationsformen funktionieren in fast allen Bereichen der Wirtschaft nach ähnlichen Mustern. Man denke nur an Großraumbüros oder das Protokollieren der Tätigkeiten während des Arbeitstages, wie sie im sozialen Bereich praktiziert wird. Auf der anderen Seite gibt es im Dienstleistungsbereich massenhaft Arbeitsplätze, die geringe Anforderungen an die Arbeiternehmer stellen und diese somit austauschbar machen.

92 Vgl. Nolte, Paul, Unsere Klassengesellschaft

93 Vgl. Castel, Robert, Metamorphosen der sozialen Frage, S. 286 - 297

94 Vgl. Nolte, Paul, Unsere Klassengesellschaft

95 Nach Obrecht bedeutet Schichtung (vertikale Differenzierung) ungleiche Verteilung einer relevanten, knappen Ressource bzw. eines Gutes unter den Mitgliedern eines sozialen Systems. Solche Güter sind z.B. Vermögen, Arbeit, Einkommen, Bildung, Berufsprestige. Alle Menschen in sozialen Systemen sind sozialen Normierungen ausgesetzt. Es wird also eine bestimmte Menge an Statuspositionen (z.B. eigenes Einkommen, bestimmter Bildungsgrad, Familie) als verbindlich angesehen. Die Summe dieser als verbindlich angesehenen Statuspositionen nennt man Statuskonfiguration. Da jedes Individuum sozial anerkannt und vollständiges Mitglied eines sozialen Systems sein will, können ungleichgewichtige Konfigurationen, auch Statusungleichgewichte genannt, Spannungen erzeugen (z.B. niedriges Einkommen/ hohe Bildung). Auch bei einer ausgeglichenen Statuskonfiguration kann es zu Spannungen kommen, wenn man sich auf einem niedrigen gesellschaftlichen Rang befindet. Vgl. zu Schichtung und soziale Probleme auch Obrecht, W., Umrisse einer biopsychosozialen Theorie sozialer Probleme, S. 34 u. 35 und Individuum und Weltgesellschaft, S. 29 ff.

96 Man nehme nur die Ergebnisse der PISA- Studie, die belegen, dass Kinder aus Familien mit niedrigen Bildungsniveaus auch am ehesten wieder einen Hauptschulabschluss oder eben keinen Abschluss erwerben. Auf der anderen Seite gibt es im Bereich des Topmanagements Verhältnisse, die es mehr als schwer machen in derartige Positionen vorzustoßen, wenn nicht auch schon die Eltern derartige Positionen bekleiden. Vgl. auch Offe, Claus, Kapital für alle in Böll Thema, S. 30

97 Kocka, Jürgen, Thesen zur Geschichte und Zukunft der Arbeit, S.10

98 Weber, Max, Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus, S. 16

99 Ebd. S. 15 und S. 28., Weber zeigt noch einmal deutlich, dass es nicht nur einen Weg zu unserem heutigen Arbeitsverständnis gab. Der Verweis auf ihn dient somit auch als Beleg der diesbezüglich zuvor erwähnten parallel verlaufenden Prozesse.

100 Vgl. hierzu auch Horkheimer, Max / Ardorno, Theodor W., Dialektik der Aufklärung S. 129 u. 142. Sie nennen dieses Phänomen den „Zwangscharakter der sich selbst entfremdeten Gesellschaft“ (ebd. S. 129)

101 Vgl. http://www.bundesregierung.de/artikel-,413.710041/Grundideen-der-Agenda-2010.htm am 29.05.05

102 Das "Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" ist seit dem 1. Januar 2005 in Kraft und wird meist Hartz IV genannt. Es soll durch "Fördern und Fordern" die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Erwerbsarbeitsmarkt bewirken.

103 Das tägliche Transaktionsvolumen auf den Devisenmärkten ist um ein Vielfaches höher als das für Dienstleistungen und Güter, siehe auch: Atlas der Globalisierung, S. 32 u. 33

104 Vgl. http://www.einblick.dgb.de/archiv/9818/gf981805.htm am 04.03.05

105 Sicherlich kann dieser Exkurs, trotz seines Umfangs, das Thema nur unzureichend beleuchten. Ein wesentlicher Teil meiner Ausführungen bezieht sich auf das Buch von Robert Castel „Die Metamorphosen der sozialen Frage“. Ihm verdanke ich sozusagen dieses Kapitel und ich kann sein Buch zur vertiefenden Lektüre nur empfehlen.

106 Vgl. http://www.offizin-verlag.de/aufsaetze/39aea9fe6f105/1.phtml und http://de.wikipedia.org/wiki/Neoklassische_%C3%96konomie am 08.05.05

107 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Neoliberalismus und http://tiss.zdv.uni-tuebingen.de/webroot/sp/barrios/themeA2a-dt.html am 08.05.05

108 Dieser Thomas Hobbes zugeschriebene Satz geht eigentlich auf den Dichter Plautus (aus Asinaria 495, siehe z.B.: http://www.thelatinlibrary.com/plautus/asinaria.shtml am 14.05.05) zurück. Hobbes hat diese Redewendung aufgenommen und zum Leitsatz seines Leviathan gemacht.

109 “So in the nature of man we find three principall causes of quarrel. First, Competition; Secondly, Diffidence; Thirdly, Glory. … Hereby it is manifest, that during the time men live without common Power to keep them all in awe, they live under condition which is called Warre [war] ; and such a warre, as is of every man, against every man.” (Hobbes, Thomas, Leviathan, S. 185)

110 Nowak, Jürgen, Soziale Ökonomie und Soziale Arbeit, Soziale Arbeit, April 2005, 54. Jahrgang, S. 126

111 Schmid, Günther, Wege in eine neue Vollbeschäftigung, S. 36 - 42

112 In einer Befragung der KfW Bankengruppe und der Deutschen Industriebank wurde als wichtigster Standortnachteil Deutschlands von fast allen Unternehmen die zu hohen Löhne bzw. Lohnnebenkosten genannt (94 %). Aber auch der Kündigungsschutz, die Steuerbelastung und die Arbeitszeitregelungen wurden als bedeutende Standortnachteile eingestuft. Quelle: http://www.kfw.de/DE/Research/PDF/Unternehmensbefragung%20KfW%20IKB.pdf am 05.03.05

113 Kleinknecht, Alfred/ Naastepd, C.W.M., Schattenseiten des Niederländischen Beschäftigungswunders in WSI Mitteilungen 6/2002, S. 319 – 324. Kleinknecht wird zu den Neo-Schumpeterianern gezählt. Nach Schumpeter wollen Unternehmer, im Gegensatz zu Kapitalisten, Innovation, durch die Wirtschaftswachstum erzeugt und sozialer Wandel vorangetrieben wird. Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Alois_Schumpeter am 14.05.05

114 Siehe Eurostat Euroindikatoren, Pressemitteilungen, 32/2005 – 4.März 2005 unter: http://epp.eurostat.cec.eu.int/pls/portal/docs/PAGE/PGP_PRD_CAT_PREREL/PGE_CAT_PREREL_YEAR_2005/PGE_CAT_PREREL_YEAR_2005_MONTH_03/3-04032005-DE-BP.PDF am 05.03.05

115 Schmid, Günther, Wege in eine neue Vollbeschäftigung, S. 46 u. 47

116 Vgl. Kooths, Stefan, Wachstum durch Wissenschaft, Giarini, Orio/ Liedtke, Patrick M., Wie wir arbeiten werden, S. 88 und Scheule, Rupert M., Die Zukunft der Arbeit und die sehr große Ratlosigkeit

117 Flassbeck, Heiner, Jobless growth ohne growth? In Deutschland zieht die Wirtschaftspolitik alle Register – doch leider sitzt sie an der falschen Orgel, Financial Times Deutschland, 25. März 2004

118 Vgl. Kapitel 3.2 und zur Kritik daran Malik, Fredmund, Muss der Kapitalismus vor den Kapitalisten gerettet werden? http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,druck-353623,00.html am 08.05.05

119 http://www.nachhaltigkeit.aachener-stiftung.de/110073694054034/Definitionen/Meadows%20et%20al.%20(1992).htm am 04.03.05

120 Wilmes, Frank, Chinas Wachstum macht die Umwelt krank, http://www.wams.de/data/2004/08/15/319360.html am 04.03.05

121 http://www.rprogress.org/newpubs/2004/footprintnations2004.pdf

122 Vgl. http://www.betterworld.com/BWZ/9610/learn.htm (am 05.03.05) und Kliche, Florian, Der „Genuine Progress Indicator“ (GPI) als Alternative zum Bruttosozialprodukt (BIP) http://www.ufu.de/sites/aktuelles/infobrief/infobrief_54%20-%20gpi.pdf am 05.03.05

123 Vgl. http://www.dematerialisierung.de/cms.php?id=180 und http://www.nachhaltigkeit.aachener-stiftung.de/110061597328136/Ziele/Die%20Grenzen%20des%20Wachstums.htm oder http://www.fona.de/ (am 04.03.05)

124 Staub-Bernasconi, Silvia, Systemtheorie, soziale Probleme und Soziale Arbeit, S. 366

125 Die Ontologie erklärt die Beschaffenheit der Wirklichkeit bzw. beschäftigt sich mit dem Sein, dem Seienden als solchem. Der Ausdruck Ontologie leitet sich aus dem griechischen „on“ (Seiendes) ab. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Ontologie am 29.04.05 und Staub-Bernasconi, Silvia, Systemtheorie, soziale Probleme und Soziale Arbeit, S. 372 u. 376 ff.

126 Staub-Bernasconi, Silvia, Systemtheorie, soziale Probleme und Soziale Arbeit, S. 376 - 379

127 Ebd. S. 398

128 Piñeiro, Esteban/ Wallimann, Isidor, Sozialpolitik anders denken, S. 12 - 14

129 Ebd. S. 20 – 22 u. 36, 38 u. 40

130 Vgl. auch Staub -Bernasconi, Silvia, Systemtheorie, soziale Probleme und Soziale Arbeit, S.248 u. 249

131 Vgl. Piñeiro, Esteban/ Wallimann, Isidor, Sozialpolitik anders denken, S. 35, 40, 43 u. 44

132 Ebd. S. 103 - 114

133 Ebd. S. 122

134 Bergmann, Frithjof, Neue Arbeit, Neue Kultur, S. 217

135 Ebd. 264 ff u. 275

136 Ebd. S. 131

137 In Deutschland gibt es verschiedene Projekte, die man auf der Internetseite http://www.newwork-newculture.net/projekte.html finden kann.

138 Bergmann, Frithjof, Neue Arbeit, Neue Kultur, 134 ff

139 Ebd. S. 313 u. 314

140 Bergmann, Frithjof, Neue Arbeit, Neue Kultur, S. 272

141 Mutz, Gerd u.a., Eigenarbeit hat einen Ort, S.13 ff

142 http://hei-muenchen.de/kurse/index.html im Dezember 2004

143 Mutz, Gerd u.a., Eigenarbeit hat einen Ort, S. 24.

144 siehe http://www.lets-muenchen.de/

145 Ebd. S. 30

146 Ebd. S. 86 u. 87

147 Mutz, Gerd u.a., Eigenarbeit hat einen Ort, S. 17 u. 89-94

148 Mutz, Gerd, Strukturen einer Neuen Arbeitsgesellschaft, S. 2, 3, 8 u. 9

149 Mutz, Gerd, Tätigkeitsgesellschaft, S. 59 und Strukturen einer neuen Arbeitsgesellschaft S. 7

150 Mutz, Gerd, Tätigkeitsgesellschaft in Mutz, Gerd, Modul A4: Sozialökonomie, Sozialpolitik und Sozialökologie Reader S. 754 u. 758

151 Mutz, Gerd, Tätigkeitsgesellschaft in Politische Ökonomie, S.59 u. 60

152 Mutz, Gerd, Strukturen einer Neuen Arbeitsgesellschaft, S. 10 ff

153 http://www.bmwa.bund.de/Redaktion/Inhalte/Pdf/dw-bab-10-2003,property=pdf.pdf am 15.12.04

154 Der Begriff Gemeinwesen bezieht sich auf das englische Wort community oder local community und bezeichnet die Zugehörigkeit oder das Zugehörigkeitsgefühl zu einem bestimmten Wohngebiet bzw. ist aus dem Verantwortungsgefühl für ein Dorf, eine Stadt oder sogar einem Land abgeleitet. Er liegt also begrifflich zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft. Vgl.: Birkhölzer, K. (2000): Formen und Reichweite lokaler Ökonomien. In: Ihmig, H. (2000): Wochenmarkt und Weltmarkt. Kommunale Alternativen zum globalen Kapital (Kleine-Verlag, Bielefeld), http://www.stadtteilarbeit.de/index.html?/Seiten/Theorie/birkhoelzer/formen_lokaler_oekonomien.htm am 23.03.05

155 Siehe auch http://www.hullhouse.org/about.asp am 25.03.05

156 Elsen, Susanne, Gemeinwesenökonomie, S. 81 u. 82

157 Ebd. S. 17 - 22

158 Ebd. S. 52 - 53

159 Ebd. S. 62 u. 64

160 Ebd. S. 92 ff u. 114 u. 115

161 Ebd. S. 129 ff

162 Siehe unter http://www.viavia.ch/wiki/pmwiki.php/~BonNetzBon/Portrait/VereinSozialeÖkonomie und Netzwerk lokale Ökonomie NRW unter http://www.lokaleoekonomie.de/

163 Zum Dritten Sektor zählen Organisationen, die weder dem Staat noch dem Markt eindeutig zuzuordnen sind. Er wird allgemein als von Markt, Staat und Gesellschaft bzw. Familie abhängige Variable betrachtet. Dazu gehören Organisationen mit folgenden Merkmalen: formal strukturiert, organisatorisch unabhängig vom Staat, nicht gewinnorientiert, keine Zwangsverbände und z.T. von Freiwilligen getragen, eigenständig verwaltet. Vgl. Priller, Eckhard/ Zimmer, Anette (Hg.), Der Dritte Sektor international, S. 9

164 Elsen, Susanne, Gemeinwesenökonomie, S. 161 - 168

165 Ebd. S. 257 - 259

166 Ebd. S.272 ff

167 Als Beleg für diese Befürchtung ließen sich in Berlin die Bezirke Friedrichshain, Kreuzberg, Prenzlauer Berg oder Schöneberg anführen, die eine ausgeprägte Gemeinwesenstruktur haben und der Bezirk Neukölln als ein Bezirk ohne eine solche. Abschließend lässt sich diese Befürchtung jedoch im Rahmen dieser Masterthesis weder verifizieren noch falsifizieren. Dazu wäre eine genaue Untersuchung notwendig.

168 Giarini, Orio/ Liedtke, Patrick M., Wie wir arbeiten werden, S. 19 - 21

169 monetarisieren: in Geld umwandeln, einen finanziellen Nutzen aus etwas ziehen oder hinsichtlich des finanziellen Faktors beurteilen (Wörterbuch der deutschen Sprache)

170 Giarini, Orio/ Liedtke, Patrick M., S. 139, 144 u. 145, 149 ff.

171 Ebd. S. 231 ff.

172 Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung, S. 14 - 18

173 Ebd. 18 - 20

174 Ebd. S. 25 – 29 u. 159 ff.

175 Ebd. S. 29 – 33 u. S. 255

176 Ebd. 33 - 37 u. S. 332 ff

177 Ebd. 37 – 41 u. 344 ff u. 350 ff.

178 Schmid, Günther, Wege in eine neue Vollbeschäftigung, S. 218 - 238

179 Ebd. S. 321

180 Ebd. S. 264 - 322

181 Ebd. 379

182 Ebd. 441 u. 442

183 In der jüngeren Vergangenheit wurde z.B. eine mit massiv gesenkten Gewerbesteuern erkaufte Verlagerung des Pharmakonzerns Sandoz von Wien in den Großraum München als Erfolg gefeiert. In Deutschland lässt sich als Beispiel der Umzug der Deutschland-Zentrale des weltgrößten Musikkonzerns Universal von Hamburg nach Berlin anführen. Vgl. http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/10/51958/ und http://www.faz.net/s/RubC8BA5576CDEE4A05AF8DFEC92E288D64/Doc~E2D9E6F63B2BC4DAB8642787AAAD17DF7~ATpl~Ecommon~Scontent.html am 15.05.05

184 Die so genannte Tobinsteuer beinhaltet die Einführung einer Steuer auf internationale Finanztransaktionen. Sie wurde bereits 1972 von dem US-Ökonomen und Nobelpreisträger James Tobin vorgeschlagen und nach ihm benannt. Zweck dieser Steuer ist es, kurzfristige oder spekulative Kapitalbewegungen zu bremsen. Dies soll erreicht werden, indem sämtliche Umsätze auf dem Devisenmarkt mit einem einheitlichen Steuersatz belegt werden. Sie wurde zuletzt vom französische Präsident Jacques Chirac auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos gefordert und sogar der Bundeskanzler Gerhard Schröder unterstützt diese mittlerweile. Vgl. http://www.taz.de/pt/2005/01/29/a0141.nf/text und http://www.faz.net/s/Rub28FC768942F34C5B8297CC6E16FFC8B4/Doc~E47550D85225B40D6AC372A704B45F3E8~ATpl~Ecommon~Scontent.html 15.05.05

185 Vgl. auch Nullmeier, Frank, Wie viel Ungleichheit ist gerecht? in Böll Thema, S. 22

186 Vgl. Staub-Bernasconi, Silvia, Systemtheorie, soziale Probleme und Soziale Arbeit, S. 246 u. 248 ff. und auch Kositza, Martin, Frustration von Bedürfnissen durch Arbeitslosigkeit, S. 33 - 36

187 Die Begrifflichkeit „gesellschaftlich nützliche Arbeit“ ist mit Sicherheit etwas kompliziert, aber der alternative Begriff „gemeinnützig“ beschreibt in Deutschland zumeist einen rein steuerrechtlichen Tatbestand. Er ist in § 52 der Abgabenordnung definiert und hat neben der Förderung von Wissenschaft und Forschung, Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur sowie des Sports unter anderem ausdrücklich auch die "Förderung des Modellflugs und des Hundesports" zum Ziel. Er ist somit wenig geeignet.

188 Siehe Begriff der Arbeitslosigkeit in der Statistik unter SGB II und SGB III unter http://www.pub.arbeitsamt.de/hst/services/statistik/000200/html/sgb2/arbeitslosenbegriff_unter_sgb_2_und_sgb_3.pdf am 25.02.05

189 Hier gewährt das „Gesetz eine Steuervergünstigung, weil eine Körperschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke (steuerbegünstigte Zwecke) verfolgt…“. (AO 1977 § 51 Allgemeines), siehe auch AO 1977 § 55 Selbstlosigkeit unter http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/ao_1977/index.html am 16.05.05

190 Dies geschieht bereits, jedoch ohne eine Verknüpfung mit Maßnahmen der BA, siehe http://www.eigenarbeit-aachen.de/index.html am 16.05.05

191 Körner, Marita, Das internationale Menschenrecht auf Arbeit, S. 14

192 Vgl. auch Craven, Matthew, The International Convent on Economic, Social and Cultural Rights, S. 221

193 Bundeszentrale für politische Bildung, Menschenrechte, Dokumente und Deklarationen, S. 59

194 Vgl. hierzu unter anderem Körner, Marita, Das internationale Menschenrecht auf Arbeit, S. 5

195 Vgl.: Eibe Riedel in Bundeszentrale für politische Bildung, Menschenrechte, Dokumente und Deklarationen, S. 14

196 Craven, Matthew, The International Convent on Economic, Social and Cultural Rights, S. 167, 168 u. 213

197 Ebd. S. 198

198 Ebd. S. 116 u. 137

199 Ebd. S.42 ff. und 213

200 Ebd . S. 57

201 Körner, Marita, Das internationale Menschenrecht auf Arbeit, S. 27 u. 28

202 Der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat seit 1989 vierzehn General Comments zu WSK- Rechten und Berichtsverfahren des Sozialpakts vorgelegt. So zum Recht auf angemessenes Wohnen, dem Recht auf angemessene Ernährung und dem Recht auf Bildung und dem Recht auf Gesundheit. Siehe http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/aussenpolitik/menschenrechte/mr_inhalte_ziele/mrb6/teil_a/6/6_1_html am 04.03.05 und Eibe Riedel, S. 18, siehe auch Craven, Matthew, The International Convent on Economic, Social and Cultural Rights, S. 89 ff.

203 IAO Verfassung unter http://www.ilo.org/public/german/region/eurpro/bonn/ilo_verfassung.htm am 04.03.05

204 Vgl. zum Recht auf Arbeit in internationalen Verträgen auch: Kositza, Martin, Recht auf Arbeit

205 Dieser Artikel verlangt, dass der Gebrauch von Eigentum dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll.

206 Vgl. Polikeit, Georg, Mit schönen Worten rückwärts wandern, S. 6 u. 7

207 Cassen, Bernard, Die fehlende Hälfte der EU- Verfassung, „Le Mond diplomatique“, Juli 2003, S. 18, siehe dazu auch die Debatte um die Bolkenstein-Richlinie und den starken Widerstand seitens der Arbeitnehmervertreter z.B. http://www.verdi.de/0x0ac80f2b_0x01932244 am 23.05.05

208 Cassen, Bernard, Immer Ärger mit der Verwandtschaft, „Le Mond diplomatique, Januar 2004, S 15

209 siehe http://www.attac.de/eu-verfassung/ am 23.05.05

210 Der Tagesspiegel vom 30.05.05

211 Vgl. Schachtschneider, Karl Albrecht, in Zempel Jeanette/ Bacher, Johann/ Moser, Klaus (Hrsg.), Erwerbslosigkeit, S. 369 - 371

212 Vgl. Hesselberger, Dieter. Das Grundgesetz, Kommentar für die politische Bildung, S. 176 und 177

213 Vgl. Schachtschneider, Karl Albrecht, in Zempel Jeanette/ Bacher, Johann/ Moser, Klaus (Hrsg.), Erwerbslosigkeit, S. 373 - 374

214 Ebd. S. 377

215 Ebd., S. 367 u. 368 und Hesselberger, Dieter. Das Grundgesetz, Kommentar für die politische Bildung, S.177

216 Vgl. zu diesem Kapitel auch Körner, Marita, Das internationale Menschenrecht auf Arbeit, S. 16 u. 17

217 Hier findet sich übrigens auch das Recht auf Arbeit. Näheres bei Körner, Marita, Das internationale Menschenrecht auf Arbeit, S. 29 u. 30

218 Die IAO hat bereits Minimalstandards festgelegt, von denen nur nach oben abgewichen werden soll, vgl. Körner, Marita, Das internationale Menschenrecht auf Arbeit, S. 14

219 Economic security for a better world, S. xvii u. 5

220 Ebd. S. 5

221 Die anderen Formen der Sicherheit sind: Arbeitsmarktsicherheit (adäquate Arbeitsmöglichkeiten, „niedrigschwelliger“ Zugang zum Arbeitsmarkt), Sicherheit in der Beschäftigung (Schutz vor willkürlicher Entlassung, vertraglich gesicherte Arbeit in stabilen Unternehmen), Arbeitssicherheit, Die Sicherheit Fähigkeiten reproduzieren zu dürfen (die Möglichkeit Kompetenzen durch Arbeit zu erwerben, zu erhalten und zu erweitern), Jobsicherheit („Nischen“ im produktiven Leben finden zu dürfen, Schutz vor Diskriminierung und das Gefühl der persönlichen Entwicklung und der Befriedigung durch Arbeit). Zu den Details siehe Economic security for a better world, chapter 5 - 9

222 Economic security for a better world, S. 247 ff.

223 Ebd. S. 55 u. 56

224 Diese Begriffe wurden verwendet, da sie allgemein verständlich sind, obwohl sie nicht unproblematisch sind. Zur Diskussion bzw. Kritik siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Entwicklungsl%C3%A4nder#Die_Einteilungen_der_UNO am 24.05.05

225 „Als Transformationsstaaten werden Staaten bezeichnet, die Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre den Übergang von einer kommunistisch-marxistisch orientierten Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zu einer kapitalistisch, freiheitlich ausgerichteten Ordnung eingeleitet haben. Bei diesen Übergängen handelt es sich um langfristige Prozesse, die in vielen betroffenen Staaten noch nicht abgeschlossen sind.“ (Quelle: http://www.wissenschaft-weltoffen.de/Glossar/t01_html)

226 Vgl. hierzu Staub- Bernasconi, Papiere zum Modul A2, Weltgesellschaft und Soziale Arbeit, Master of Social Work 2003. Staub- Bernasconi zeigt mögliche Zusammenhänge zwischen Welt und Weltorientierung auf und stellt Lynne M. Healys Buch „International Social Work“ vor.

227 Castel, Robert, Metamorphosen der sozialen Frage, S. 17 u. 18 u. Mutz, Gerd, Tätigkeitsgesellschaft, S. 59

228 Staub-Bernasconi, Silvia, Systemtheorie, soziale Probleme und Soziale Arbeit, S. 369

229 Piñeiro, Esteban/ Wallimann, Isidor, Sozialpolitik anders denken, S. 13

230 Zum Thema Beratungsstellen siehe im Internet auch http://www.tacheles-sozialhilfe.de/, http://www.berliner-arbeitslosenzentrum.de/sozibera.htm oder http://www.erwerbslos.de/

231 In Deutschland können bei der Verwaltung von Leistungen nach dem 2. Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitssuchende, Arbeitslosengeld II), Arbeitsagenturen und kommunale Träger Arbeitsgemeinschaften nach privatem oder öffentlichem Recht bilden, die als ARGE bezeichnet werden. Rechtgrundlage dazu bildet § 44 b des SGB II

232 Behinderungsmacht als negatives Gegenstück der bereits im Kapitel 7.8 eingeführten Begrenzungsmacht. Vgl. Staub-Bernasconi, Silvia, Systemtheorie, soziale Probleme und Soziale Arbeit, S. 247 u. 248

233 Vgl. hierzu auch die berufsethischen Prinzipien des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit (DBSH) unter http://www.dbsh.de/html/publikationen.html am 28.05.05

234 Oelschlägel, Dieter, Gemeinwesenarbeit in Stimmer, Franz (Hg.), Lexikon der Sozialpädagogik und Sozialarbeit, S. 261 u. 262

235 Als Berliner Beispiel für einen funktionierenden Tauschring sei hier Kreuzberger Tauschring genannt (http://www.kreuzberger-tauschring.de/) und als Beispiel für eine Stadtteilgenossenschaft die Stadtteilgenossenschaft im Wedding (http://www.stadtteilgenossenschaft-wedding.de/)

236 Neben eigenen Mitteln können dies z.B. Mittel des Europäischen Sozialfonds, der BA, von regionalen Stellen (Quatiersfondsgelder, Wohnumfeldmaßnahmen) sein.

237 Vgl. zum Thema Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession Staub-Benasconi, Silvia, Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession in Stimmer, Franz (Hg.), Lexikon der Sozialpädagogik und Sozialarbeit, S. 626 - 632

238 Vgl. hierzu auch Alinsky, Saul, Anleitung zum Mächtigsein, S. 73 ff.

239 Dies wäre zudem auch der Rahmen in dem sich nach Susanne Elsen lokale Gemeinwesenökonomien vernetzen könnten.

240 Meuser, Michael/ Nagel, Ulrike, ExpertInneninterviews in Garz, Detlef/ Kraimer, Klaus (Hg.), Qualitative Forschung, S. 442 u. 443

241 Vgl. auch Flick, Uwe, Qualitative Sozialforschung, S. 113

242 Bührmann, Andrea, Rezension zu: Bogner, Alexander/ Littig, Beate/ Menz, Wolfgang (Hrsg.), Das Experteninterview und Meuser, Michael/ Nagel, Ulrike, ExpertInneninterviews in Garz, Detlef/ Kraimer, Klaus (Hg.), Qualitative Forschung, S. 451

243 Meuser, Michael/ Nagel, Ulrike, ExpertInneninterviews in Garz, Detlef/ Kraimer, Klaus (Hg.), Qualitative Forschung, S. 448

244 Ebd. 448 u. 449

245 Flick, Uwe, Qualitative Sozialforschung, S. 143

246 Zu den Möglichkeiten des Misslingens von Experteninterviews siehe Meuser, Michael/ Nagel, Ulrike, ExpertInneninterviews in Garz, Detlef/ Kraimer, Klaus (Hg.), Qualitative Forschung, S. 449 - 451

247 Meuser, Michael/ Nagel, Ulrike, ExpertInneninterviews in Garz, Detlef/ Kraimer, Klaus (Hg.), Qualitative Forschung, S. 452 - 455

248 Ebd. S. 455 u. 456

249 Ebd. S. 456 u. 457

250 Siehe hierzu Meuser, Michael/ Nagel, Ulrike, ExpertInneninterviews in Garz, Detlef/ Kraimer, Klaus (Hg.), Qualitative Forschung, S. 457 - 462

251 Landesagentur für Struktur und Arbeit (LASA) Brandenburg GmbH

252 Vgl. hierzu auch die Schlussfolgerungen der Interviews in Kapitel 10.3 oder das Interview Nr. 6 (Prof. Gerd Mutz), Anhang 2, S. 49 u. 50, Zeilen 358 – 389 und das Interview Nr. 7 (Prof. Susanne Elsen), Anhang 2, S. 58, Zeilen 404 - 418

Ende der Leseprobe aus 119 Seiten

Details

Titel
Ende der Erwerbsarbeitsgesellschaft - Beginn der Tätigkeitsgesellschaft?
Untertitel
Eine Analyse des globalen Problems Arbeitslosigkeit und seiner individuellen Auswirkungen, sowie des Erwerbsarbeitssystems und seiner Transformationsmöglichkeiten in eine gerechtere (Arbeits-) Gesellschaft
Hochschule
Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
119
Katalognummer
V1066599
ISBN (eBook)
9783346509710
ISBN (Buch)
9783346509727
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aus dem Gutachten: Herrn Kositza hat eine exzellente Arbeit vorgelegt, die über die Aufarbeitung vorhandener Literatur und über die Darstellung von Ansätzen zur Überwindung der Erwerbsarbeitsgesellschaft weit hinausreicht. Mit Interviews werden wichtige methodische Instrumente eingesetzt, um Antworten auf neu aufgeworfene Fragestellungen zu finden. Hervorzuheben sind die konstruktiven Ansätze und Überlegungen, welche Rolle Soziale Arbeit und die Ausbildung in diesem Bereich für die Bewältigung von Erwerbsarbeitslosigkeit leisten kann.
Schlagworte
Arbeitslosigkeit, Soziale Arbeit, Tätigkeitsgesellschaft, Erwerbsgesellschaft
Arbeit zitieren
Master of Social Work (MSW) Martin Kositza (Autor:in), 2005, Ende der Erwerbsarbeitsgesellschaft - Beginn der Tätigkeitsgesellschaft?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1066599

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