Boot Camps - Eine Alternative?


Hausarbeit, 2002

10 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. EINLEITUNG

II. GESCHICHTE

III. BOOT CAMP KRITERIEN

IV. HINTERGRUND

V. METHODEN

VI. KONTRA EINER MILITÄRISCHEN ERZIEHUNG

VII. ZUSAMMENFASSUNG

VIII. LITERATURVERZEICHNIS

I. Einleitung

Die vorliegende Arbeit berücksichtigt eine Recherche von mehreren Monaten im Internet über ein Medium, das hier in Europa fast gänzlich unbekannt ist.

- Das Boot Camp -

Neben Boot Camps, die sich als Weiterbildungskurse mit Themen wie bzw. Computer, Wirtschaft usw. beschäftigen, gibt es sie auch in Form von Militärcamps in den USA.

Meine Begeisterung für dieses Thema wurde durch verschiedene Filmdokumentationen der Fernsehsender „Pro7“ und „Phoenix“ geweckt. Wie der eingeschränkte Blick der Presse dokumentierte, ging es bei den dargestellten Boot Camps ausschließlich um Jugendcamps, wo straffällige und verhaltensauffällige Teenager zu „besseren Menschen“ gemacht werden sollten.

Erst in Durcharbeit von diversen Aufsätzen, Homepages von Menschenrechtsvereinigungen im Internet, Presseartikeln in verschiedenen deutschen Zeitungen, einer Menge Leserbriefen und dem ersten deutschen Buch zu diesem Thema, ist es mir nun möglich, eine Hausarbeit über dieses Thema zu verfassen.

II. Geschichte

Ein eigentliches Ur-Boot Camp gibt es nicht. Das erste wurde in Oklahoma 1983 eröffnet und entstand in Anlehnung an die militärische Ausgestaltung des Jugendstrafvollzuges im 19. Jahrhundert und verschiedenen „Schockprogrammen“ in den siebziger und achtziger Jahren in den USA.

Heutige Boot Camps existieren auf einer Vielzahl von politischen Ebenen von der Bundesstaatlichen Ebene, über die Bezirkscamps (County, sogenannte Jail Boot Camps), den Boot Camps der Bundesstrafvollzugsbehörde bis hin zu den privaten Anbietern in den USA.

III. Boot Camp Kriterien

Bevor ich einzelne Kriterien erläutere, möchte ich kurz bemerken, das ich aufgrund der Kürze der Seiten nicht alle Merkmale jedes Boot Camps in 32 Bundesstaaten aufzählen kann und somit einen Durchschnitt dokumentiere. Wer sich genauer über die jeweiligen Programme informieren möchte, sollte sich mit dem Buch „Boot Camp-Programme in den USA“ von Norbert Gescher näher befassen.

Boot Camps zur Resozialisierung Jugendlicher sind in der Minderheit, das Durchschnittsalter in den meisten Camps beträgt zwischen 24 - 35 Jahren. Aufgenommen werden meist männliche Straftäter ohne Vorstrafen. Straftäter, die aufgrund von Gewaltdelikten verurteilt werden, sind von der Teilnahme an Boot Camp Programmen oft ausgeschlossen. „Ein zweiter wichtiger Ausschlußgrund ist die Verurteilung wegen einer Sexualstraftat, “1Worüber man sicherlich streiten könnte, dass gerade die Menschen, die in Form von Gewalttaten auf sich aufmerksam machen, keine Chance verdienen, anhand von neuen Werten, Normen, Strukturierung und Lebensplanung in die Gesellschaft wieder eingegliedert zu werden, anstatt im Gefängnis die Zeit abzusitzen. Denn in Boot Camps werden verschiedene Methoden angewandt, bei Straftätern ein Gewissen zu erzeugen und damit eventueller Rückfälligkeit vorzubeugen. Wie das im Einzelnen vorgenommen wird und wie wirksam diese Methoden wirklich sind, werde ich im Fortlaufenden beschreiben. Im Ansatz ist diese Idee meiner Meinung nach nicht schlecht.

Je nach Bundesstaat erstrecken sich die Programme über einen Zeitraum von 90 - 120 Tagen. Die maximale Programmdauer liegt bei 180 Tagen und wird in acht Bundesstaaten als zeitlicher Rahmen zugrunde gelegt.2„Das wichtigste verbindende Merkmal aller Boot Camp- Programme ist die gemeinsame militärische Grundstruktur“3, die die Strafgefangenen ab dem Augenblick des Ankommens im Camp bis zur Entlassungsfeier mit militärischen Ehren nicht mehr losläßt. Alle Gefangenen befinden sich eine Stufe unter dem Drill instructor (Boot Camp Personal), der mit „verbalen Ausfällen, Beleidigungen und animalischem Gebrüll“4versucht, die „Freude an der persönlichen Grenzüberwindung“ zu lehren. Strammstehen, Patroullieren, Marschieren, „Yes, Sir“ und „No, Sir“ gehören zum Alltag eines jeden Boot Camp Insassen. Der militärische Alltag ist perfekt.

IV. Hintergrund

Bei der Suche nach der Antwort auf die Frage: Warum gibt es die Boot Camps überhaupt, stellt sich eine weitere Frage nach dem Strafsystem in den USA.

Hier ein paar Zahlen. „1996 lag die Zahl der in Bundes- und Staatsgefängnissen inhaftierten Strafgefangenen pro 100.000 Einwohner in den USA bei 420.“5Diese Zahl ist übrigens sechsbis zehnmal so hoch wie in den Europäischen Ländern. Nach einer anderen Quelle aus dem Internet ist die Zahl im Jahr 2000 auf durchschnittlich 725 Inhaftierte gestiegen.6Wie Loic Wacquant so schön schrieb: „Selbst das Apartheidregime in Südafrika brachte weniger Menschen hinter Gitter als die Vereinigten Staaten.“7

Strafgesetze, z. b. „Three Strikes Laws“ (Begriff aus dem Baseball Sport entnommen) - die nach der dritten Verurteilung eine lebenslängliche Inhaftierung des Straftäters vorsehen, gehören zum juristischen Alltag in den USA. Im Hinblick auf die schwerwiegende Sanktionsfolge ist es vor allem bedenklich, daß viele gewaltfreie Straftatbestände und Drogendelikte unter die „Three Strikes Laws“ fallen. „So werten etwa sechzig Prozent der Bundesstaaten Diebstahl... und fünfundzwanzig Prozent beziehen auch Drogendelikte mit ein.“8Angesichts der großen Zahl von Straftaten in diesen Deliktsbereichen ist daher zu befürchten, das viele Straftäter zu einer lebenslänglichen Freihheitsstrafe verurteilt werden. Was mich in diesem Zusammenhang, abgesehen von der Todesstrafe, sehr schockiert hat, ist die Tatsache das 1995 die „chain gangs“ wiedereingeführt wurde. Das ist körperliche Schwerstarbeit von Strafgefangenen, die mit Ketten aneinander gefesselt sind. Für mich hat dies nichts mehr mit Strafe zu tun, sondern nur noch mit Rache. Die Demütigung der Straftäter für ihre Tat, die sie im Sinne der Rechtspolitik der USA vielleicht nicht an einem Einzigen verübt haben, sondern an der Gesamtheit des amerikanischen Volkes, welches sich letztendlich dafür rächt. Diese Art der Sanktionierung und die der Boot Camp Programme wird jedoch von kleinen Teilen der Bevölkerung gefordert und vom großen Rest toleriert. Die öffentliche Zustimmung ist enorm.

Durch diese Gesetze kam es in den letzten Jahren zu einem gigantischen Gefängnisboom. Der chronischen Gefängnisüberfüllung wollte man anhand unkonventioneller Sanktionsmaßnahmen schnell Herr werden und entwickelte die Boot Camps. In der Ausgangssituation vor der Einweisung in ein Boot Camp werden die Teilnehmer von den Vollzugsbeamten folgendermaßen charakterisiert: „Beeinflußbarkeit der Insassen aufgrund ihres geringen Alters, ... Mangel an sozialen Fertigkeiten, Disziplin, Selbsteinschätzung und Verantwortungsbewußtsein der Insassen.“9 Dem gegenüber stehen die Zielsetzungen der Camp Programme, die zu erreichen sind.

V. Methoden

Die Boot Camps haben sich mit staatlicher Finanzierungshilfe enorm schnell im Land verbreitet, da die Programme staatlich gefördert werden und die Inhaftierungskosten in den meisten Fällen unter denen im normalen Strafvollzug liegen.

Dies ist aber nur der Fall, wenn sich an die Programme keine Nachbetreuungs- und Folgemaßnahmen für die Boot Camp Teilnehmer anschließen. Geschieht dies doch, übersteigen die Kosten die definierte Grenze.

Festgenommene Straftäter, die dem oben genannten Profil entsprechen, werden mit der Entscheidung konfrontiert, ob sie ihre Strafe im Gefängnis oder in einem Boot Camp absitzen wollen. Da sie selbst entscheiden können, welche Strafform sie wählen, wird dieses Prinzip auch Freiwilligkeit (auch nicht überall, Ausnahmen: Oklahoma, Texas,...) genannt.

Diese sogenannte Freiwilligkeit möchte ich mit einem kleinen Beispiel verdeutlichen:

„An meinem 18. Geburtstag wurde ich wegen Körperverletzung verhaftet. Ich war 3 Monate gefangen. Mein Verteidiger versucht mich dazu zu überreden, mich schuldig zu bekennen und zu einem Boot Camp zu gehen, dann würde ich Bewährung bekommen. Ich sagte nein, ich möchte vor Gericht gehen. Er sagte mir, wenn ich vors Gericht gehen wollte, wäre es nicht vor Neujahr. Das wären sechs Monate Ich konnte also damit rechnen, wenn ich vor Gericht gehen würde, würde ich meinen Job verlieren und meine Schwester brauchte mich Zuhause, um ihr mit den Zwillingen zu helfen, so ging ich den Deal ein.“20

Viele Menschen sehen sich aufgrund ihrer Situation, der langen Wartezeiten auf die Gerichtsverhandlung und die wesentlich längere Inhaftierungszeit im normalen Strafvollzug genötigt in ein Boot Camp zu gehen. Doch mit Unterschrift der Aufnahmeanträge geben die Straftäter dem Betreiber der Boot Camps einen Freibrief für die sogenannten „summery punishment“. Das sind psychische sowie physische Bestrafungen ohne gerichtliche Anweisung, nur auf Einschätzung der Drill instructors (Boot Camp Personal).

Nur um einen kleinen Überblick über die „summery punishment“ zu geben, möchte ich einige Beispiele nennen, die zur Bestrafung gern angewendet werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„Die ... befragten Beamten der zuständigen Departments of Corrections aus acht Bundstaaten sehen eine ausreichende rechtliche Grundlage in der freiwilligen Teilnahme der Insassen an den Programmen. Dadurch würden die Insassen auf ihr Recht auf ein förmliches Verfahren vor der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme verzichten.“10

Leider führt eine solche Übermacht des Vollzugspersonals, wie anzunehmen ist, auch zu mißbräuchlichen Taten. Etliche Todesfälle sind seit 1983 zu beklagen und haben immer wieder für Aufsehen gesorgt:

- Juli 1999 Tod der 14 - jährigen Gina Scora im Boot Camp in South Dakota

„Die mehr als 110 kg schwere Gina war an einem warmen Sommertag zu einem 4,5 - Kilometer-Lauf gezwungen worden, ein üblicher Teil der „körperlichen Ertüchtigung“. Als sie bereits nach 100 Metern stehen blieb, wurde sie von den Aufseherinnen angebrüllt, weiterzulaufen. Als sie wenig später erschöpft umfiel, rissen sie sie hoch und schoben sie förmlich weiter.

Kurz vor dem Ziel brach Gina erneut zusammen. Die Aufseherinnen ließen sie einfach liegen und hinderten die anderen, ihr zu helfen: „Die spielt ja nur etwas vor.“ Drei Stunden später war das Mädchen gestorben. Ihre Körpertemperatur betrug 42 Grad.“11

- 2001 Tod eines 14- Jährigen in Arizona (USA)

„Laut einer Meldung der Zeitung Arizona Republic starb der Junge in der Wüste, nachdem er Schmutz erbrochen hatte. Vertreter dieses Lagers, das zur „America`s Buffalo Soldiers Re-enactors Association“ gehört und in der Nähe von Buckeye, Arizona, liegt, erklärten der Mutter des Jungen, Melanie Hudson, ihr Sohn habe Schmutz gegessen und sich geweigert, Wasser zu trinken. Der Junge nahm seit einer Woche an einer Maßnahme teil die im ganzen fünf Wochen dauern sollte.“12

Anfang Juli wurde das Boot Camp geschlossen, die fünfzig verbliebenen Kinder nach Hause geschickt, nach dem ehemalige Drillmeister des Lagers ausgesagt hatten, daß die Jungen regelmäßig geschlagen und gezwungen werden, Schlamm zu essen.13

24.09. 2001 Spiegel online

„Laut Angaben der New York Times sind seit 1980 in elf Staaten mindestens 30 Teenager in Boot Camp ums Leben gekommen.“14 Zu erwachsenen Opfern kann ich leider keine Aussagen treffen, da ich diesbezüglich weder Informationen, noch empirischen Daten gefunden habe. Aber sie existieren - das ist sicher!

VI. Kontra einer militärischen Erziehung

In einem Land wie Amerika, in dem die Freiheit des Menschen als wichtigstes Gut in der Verfassung deklariert ist, möchte ich meinen, daß keine Drillcamps zur Erziehung ihrer Bürger benötigt werden. Die zu vermittelnden Werte von Respekt und Achtung vor dem Nächsten und dessen Eigentum, Autoritätsbewußtsein gegenüber dem Staat und dessen Vertreter werden mit diesen Methoden meiner Meinung nach nur für kurze Zeit erreicht. Denn die Programmdauer von 3 - 4 Monaten und die militärische Struktur sind nicht geeignet, die Persönlichkeit eines Menschen im Kern zu ändern. Sie dienen eher dazu Aggressionen aufzubauen, wie wir anhand der Experimente von Lewin erkennen. Dies waren Pionierforschungen in den 30er und 40er Jahren, die klären wollten, wie sich der Führungsstil „autoritär, demokratisch und laisser-faire“ auf das Verhalten von Schulkindern auswirkt. Im Gegensatz zu den demokratisch geführten Kindern, die immer wieder angeregt wurden eigene Meinungen zu äußern und Vorschläge zu unterbreiten, setzte der autoritäre Führer seinen Kindern durch destruktive Kritik zu. Die Kinder zeigten dem autoritären Führer gegenüber apathisches sowie aggressives Verhaltensmuster.

Meist äußerte sich die angespannte Stimmung der Kinder in Aggression auf fremde Personen und gleichrangige Klassen und teils der Kinder gegeneinander.

Beziehen wir diesen Fall auf die Wirkung der Boot Camp Methoden auf ihre Insassen.

Gewaltsamer psychischer sowie physischer Druck, die harte körperliche Arbeit, die nur zum Zwecke der Strafe dient, gehören nicht in ein Rehabilitationsprogramm. Und das ist es doch, wenn es auf eine Veränderung im Verhalten der Straftäter abzielt. Die angewandten Methoden sind nicht dazu geeignet, auf ein Leben außerhalb des Stacheldrahtes vorzubereiten und die „eingetrichterten“ neuen Werte können im amerikanischen Alltag nicht lange überleben. Denn dieser verläuft nach ganz anderen Regeln. Draußen in der Welt sagt keiner mehr, was, wann und wie etwas getan werden muß. Keiner steht vor der Person und brüllt ihr Befehle ins Gesicht und sanktioniert Fehler mit sofortiger Wirkung.

Es kommt vielmehr auf den Menschen selbst an - auf das was er von sich weiß, wie er mit sich und den anderen umgeht - wie er sich in die Regeln der Gesellschaft einfügen kann - ob vorherrschende Werte und Normen ihm bekannt sind und akzeptiert werden oder nicht. Hier genügt kein stereotypisches Verhaltenskonzept, das völlig unterschiedlichen Mensch übergestülpt wird.

Der Tod der 30 Jugendlichen ist entsetzlich. Aufgrund dessen bin ich der Meinung, dass die Regierung hier zur Wahrung der Menschenrechte, Boot Camps genauer unter die Lupe nehmen und beständig Kontrollen durchführen muss. Hier sind Gesetze nötig, um den Rahmen für solche Unternehmungen abzustecken, und Menschen, die keine Kenntnis von den Methoden in Boot Camps haben, vor übereilten Entschlüssen zu schützen.

Im Land des Wirtschaftsliberalismus und der unbegrenzten Möglichkeiten hängt der Staat sich nicht in die Angelegenheiten von privaten Personen und Unternehmen. Meines Erachtens sind die verhältnismäßig hohen Inhaftierungszahlen in der USA schreckliche Folgen der „Politik der ruhigen Hand“. Keinerlei staatlichen Eingriffe, das heißt auch keine soziale Verantwortung des Staates gegenüber dem Bürger. Die letzten Jahre haben die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert und zu einer sogenannten „Kriminalisierung der Armut“15 geführt.

„...äußert der Anstaltsleiter Bedenken gegen den zunehmenden Trend zum Einsperren in den USA. Ein Drittel der Bevölkerung sitze ungefähr im Gefängnis, ..., ein weiteres Drittel paßt auf das erste Drittel auf und das letzte Drittel lebt irgendwie von diesem Mechanismus, entweder als Angehöriger, Zulieferer oder als im Rechtssystem (im weiteren Sinne) Beschäftigter.“16 Immer mehr soziale Ungerechtigkeit ist auch ein Grund für mehr Kriminalität und somit mehr Inhaftierungen. Doch wer sich von den Boot Camps eine Verbesserung verspricht, wird enttäuscht.

Anhand empirischer Studien, die in den letzten Jahren in allen Bundesstaaten durchgeführt wurden, gelangte Norbert Gescher zu folgenden Ergebnissen.

Im Vergleich mit den restlichen Strafformen läßt sich „allenfalls ein sehr geringer Einfluß der Boot Camp Programme auf die Rückfälligkeit der ehemaligen Boot Camp Insassen feststellen. In den Bundesstaaten Texas, Oklahoma, Florida und South Carolina läßt sich kein positiver Effekt auf die Rückfälligkeit nachweisen Nur in den verbleibenden Bundesstaaten Illinois, Louisiana und New York gibt es Anzeichen für einen positiven Effekt der Boot Camp Programme Es fällt jedoch auf, daß in diesen Staaten den rehabilitativen Programmelementen wesentlich mehr Zeit eingeräumt wird als in den anderen Bundesstaaten...“17

Dies beweist, das die Programme keinen nennenswerten Erfolg aufweisen, solange sie nicht mit einer Vielzahl an Rehabilitierungsmaßnahmen, wie z. B. Berufsausbildung, schulischen Bildungsmaßnahmen, sozialem Training und Sport verknüpft sind.

Gerade aufgrund der Defizite der Straftäter in punkto sozialen Fertigkeiten und Disziplin usw., ist der Staat doch in der Verpflichtung statt konzentrierter Strafe, das Werkzeug zu vermitteln den richtigen Weg in der Gesellschaft auf eigene Faust zu finden. Leben ohne Gewalt und Unterdrückung anderer oder in Konflikt mit dem geltenden Recht. Aggressionen durch Drill instructors erzeugen im Camp - Insassen natürlich auch Aggressionen, die später mit großer Sicherheit wieder herausgelassen werden.

Während der Rehabilitierungsmaßnahmen merkt aber der Insasse, das hier Menschen auf ihn persönlich eingehen. Es wird eine menschliche Beziehung zwischen dem Straftäter und dem Behandlungsanbieter aufgebaut. Hier kann menschliche Wärme existieren, die Menschen dringend für vertrauenswürdige Gespräche benötigen. Dafür sind die Drill instructors ungeeignet. Meist werden Vollzugsbeamte aus dem normalen Strafvollzug innerhalb von mehreren Wochen in Militärcamps auf ihre Aufgabe als Drill instructors in den Boot Camps vorbereitet. Ich denke, das hierfür Sozialarbeiter und Psychologen besser geeignet wären, um auf einzelne einzugehen, ihnen Wege aus dem Chaos aufzeigen und individuell auf sie einzugehen. Ich lehne das militärische Habitus nicht völlig ab, da der Hauptcharakter der Camps in der Bestrafung der Insassen liegt. Aber die momentane Art und Weise zeigt, dass die Camps so keine vernünftigen Ergebnisse erzielen und ihre Struktur überdacht werden muss.

Am wichtigsten an der ganzen Sache sind die Nachfolgemaßnahmen im Anschluss an das Programm, um die Straftäter wieder in bestehende Strukturen außerhalb des Camps einzuführen. Ihnen zur Seite zu stehen, damit die Verarbeitung der Camp Erfahrungen auch gelingt. Ihnen Möglichkeiten zur Jobsuche anzubieten oder für einen gewissen Zeitraum mit regelmäßigen Treffen von verschiedenen ehemaligen Insassen den Wechsel in den Alltag einfacher zu gestalten.

Sicherlich sprengt dies den vorgegebenen finanziellen Rahmen der Boot Camps und ließe sich bei breiten Teilen der Öffentlichkeit nicht gut verkaufen. Aber die verringerte Rückfälligkeit spart eine Menge an neuen Verwaltungskosten und somit Steuergelder, wenn beide Faktoren miteinander verrechnet werden. Zusätzlich gehen die Inhaftierungszahlen zurück.

Ich persönlich hoffe für Deutschland, dass wir uns der ausbreitenden Amerikanisierung entgegenstellen und diesen Trend der Verbreitung der Boot Camps nicht zu uns herüber „schwappen“ lassen. Glücklicherweise wären solche Programme in Deutschland gar nicht möglich, da unser Grundgesetz, eine derartige Behandlung von Menschen schon im Art. 1 GG „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“18untersagt. Gestolpert bin ich bei meinen Recherchen über eine Äußerung des baden-würthembergischen Justizminister Prof. Dr. Ulrich Goll auf einer Kundgebung der FDP am 06. Januar 2000 über die Jugend Deutschlands. Boot Camps in Amerika hätten wohl eine positive Wirkung auf die Jugendlichen, doch sei paramilitärischer Drill bei uns an der falschen Adresse. Es wird in den nächsten Jahren ein neues unkonventionelles Modellprojekt zur Diskussion stehen, wo der Täter - Opfer - Ausgleich im Vordergrund steht. Dem jugendlichen Täter wird ein ehrenamtlicher Begleiter oder ein älterer Gefangener an die Seite gestellt und vermehrt auf soziale Integration und Rehabilitation gesetzt.19

Noch habe ich von dieser Diskussion nichts weiter mitbekommen, möchte aber abschließend anregen, weiter über neue Formen für den Jugend- und auch für den Erwachsenenstrafvollzug nachzudenken. Dieser Weg zeigt neues Format und wäre sicherlich eine Bereicherung für unsere Vollzugslandschaft. Wir können nur hoffen und dafür eintreten, daß Konzepte wie die der Boot Camp Programme Europa verschonen. Meine Auffassung macht deutlich, dies ist keine würdige Alternative!

VII. Zusammenfassung

Boot Camps - militärische Drill Camps in den USA - werden von der dortigen Bevölkerung als letzter Ausweg für einen straf- und verhaltensauffälligen jungen Menschen gesehen. Nur das Camp kann den Menschen im Kern seiner Persönlichkeit ändern. Dieser verbreiteten Meinung stelle ich meine Recherchen entgegen und zeige auch anhand von Ursachenforschung, dass dieses System nicht dementsprechend funktioniert.

VIII. Literaturverzeichnis

Buch:

Gescher, Norbert (1998): Boot Camp-Programme in den USA, Ein Fallbeispiel zum Formenwandel in der amerikanischen Kriminalpolitik

Lukesch, Helmut (1975): Erziehungsstile, Stuttgart

Grundgesetz (23.05.1949): Artikel 1, Absatz 1, Satz 1

Fernsehreportage:

Beate Müller-Blattau (14.2.2001):,,Gnadenloser Jugendknast - Boot Camps in den USA"; ProSieben Reportage, ProSieben

Zeitung / Zeitschrift:

Der Tagesspiegel (26.April 2000): „Tod im Erziehungslager“, Seite 15

Loic Wacquant (08.07.1998): „Kriminalisierte Armut“, Artikel aus „le monde diplomatique“

Internet:

MacKenzie (2001): „Programming in Georgia`s Boot Camp“, 04.04.2002,

www.kci.org/publication/bootcamp/docs/nij/correctional_Boot_camps/chpt5.htm#keenan#keenan, Spiegel Online(24.09.2001): „Tod im amerikanischen Gulag“, 13.03.2002; www.spiegel.de; Blant, Morice (25.03.2002): „Jail Voice“, 13.03.2002, unter www.hausarbeiten.de

Kinderrechtliche News (12.12.2000): „Klage gegen Boot Camp nach Tod einer 14-jährigen“,

29.03.2002, unter www.kinderrechtliche-news.de

Rede Minister Prof. Dr. Ulrich Goll ( 06.01.2000): 26.03.2002, unter www.nospank.org.htm

David Walsh (15.08.2001): „Das jüngste Opfer der „Boot-Camps“, 09.03.2002, unter

www.wsws.org/de/2001/aug2001/boo1-a15.shtml

[...]


1 N. Gescher, 1998, Seite 33

2 vgl. N. Gescher, 1998, Seite 56

3 N. Gescher, 1998, Seite 58

4 vgl. Spiegel Online, 13.03.02; Seite 1

5 N. Gescher, 1998, Seite 34

6 vgl. Jail Voice, 25.03.02, Seite 10

7 Loic Wacquant, 1998, Seite 1

8 N. Gescher, 1998, Seite 32

9 N. Gescher, 1998, Seite 12

10 N. Gescher, 1998, Seite 68 - 69

11 Kinderrechtliche News, 2000 - 2001, 02.03.02

12 N. Gescher, 1998, Seite 12

13 vgl. N. Gescher, 1998, Seite 3

14 Spiegel Online, 13.03.02; Seite 2

15 Loic Wacquant, 1998, Seite 1

16 Jail Voice, 25.03.02, Seite 9

17 N. Gescher, 1998, Seite 174

18 Grundgesetz, 1949, S. 1

19 vgl. Rede Prof. Dr. Ulrich Goll, 06.01.00, Seite 6

20 Willie Shannon, 2000, Seite 3

Ende der Leseprobe aus 10 Seiten

Details

Titel
Boot Camps - Eine Alternative?
Autor
Jahr
2002
Seiten
10
Katalognummer
V106663
ISBN (eBook)
9783640049400
Dateigröße
404 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Hat mir viel Spaß gemacht, diese Arbeit zu verfassen und ich möchte diese Infos mehr Leuten zur Verfügung stellen.
Schlagworte
Boot, Camps, Eine, Alternative
Arbeit zitieren
Anke Brückner (Autor:in), 2002, Boot Camps - Eine Alternative?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106663

Kommentare

  • Julia Spatz am 26.10.2010

    Hallo Anke,
    da ich eine Hausarbeit über Erziehungscamps und deren positiven und negativen Aspekte schreiben will, wollte ich mal fragen, ob du wüsstest, welche Quellen ich heranziehen könnte?
    Liebe Grüße Julia

  • Gast am 2.10.2008

    nicht schlecht.

    guter Beitrag-thx

  • Gast am 14.11.2003

    Quellen.

    Hallo,
    ich habe vor ein Internetprojekt zum Thema Boot Camps anzufertigen. Kannst du mir eventuell Tipps für Quellen und Hinweise geben? Am Besten wären natürlich Bücher etc.
    Deine Arbeit ist übrigens sehr informativ!!!

    Da ich sie nicht einfach kopieren will suche ich nach weiteren Quellen!

    Würde mich auf eine Antwort freuen,

    MfG Janek

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Titel: Boot Camps - Eine Alternative?



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