Karl Moor (Schiller - Die Räuber) und Jaromir von Borotin (Grillparzer - Die Ahnfrau): Vergleich zweier Räubergestalten im Hinblick auf ihre Moral und ihr Verhältnis zum Wort


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

21 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Zielsetzung

2 Hintergrund der beiden Dramen
2.1 Friedrich Schiller: Die Räuber
2.2 Franz Grillparzer: Die Ahnfrau

3 Karl Moor
3.1 Hintergrund der Figur Karl Moor
3.2 Die Moral der Figur Karl Moor
3.2.1 Karl Moor der Gesellschaftskritiker
3.2.2 Karl Moor als Räuber mit positiver Moral
3.2.3 Karl Moor als Räuber mit negativer Moral
3.3 Karl Moors Verhältnis zum Wort

4 Jaromir von Borotin
4.1 Hintergrund der Figur Jaromir von Borotin
4.2 Die Moral der Figur Jaromir
4.2.1 Jaromir als sensibler Charakter
4.2.2 Jaromir als opportunistischer Charakter
4.2.3 Jaromirs Verhältnis zur Schuld
4.3 Jaromirs Verhältnis zum Wort

5 Zusammenfassender Vergleich

6 Literaturverzeichnis

1 Zielsetzung

Das Ziel dieser Arbeit ist es, die beiden Charaktere Karl Moor aus Schillers “Die Räuber” und Jaromir v. Borotin aus Grillparzers “Die Ahnfrau” in Bezug auf ihr Moralverständnis und ihr Verhältnis zum gegebenen Wort zu vergleichen.

Dazu untersuche ich die Hintergründe der beiden Figuren und leite daraus die Umstände ab, unter denen sie zum Räuberwesen gelangt sind. Ausgehend von diesen unterschiedlichen Wegen zum Räubertum untersuche ich die Art und Weise wie die beiden Figuren das Räuberhandwerk ausüben und welches Moralverständnis sich darin widerspiegelt.

Um zu ermitteln welches Verhältnis die beiden Figuren zu dem von ihnen gegebenen Wort haben, untersuche ich die Stellen an denen explizit Versprechen gegeben werden und leite anhand der Tatsache, ob das Wort gebrochen oder gehalten wurde, das Verhältnis der Figuren zum Wort ab. Die Umstände, unter denen das Wort gegeben wurde, und die Umstände, die ein Halten oder Brechen beeinflussen, werde ich dabei berücksichtigen.

Aus dem individuellen Moralverständnis und Verhältnis zum Wort ergibt sich der individuelle Umgang der beiden Figuren mit ihrer Schuld. Der Umgang mit Schuld ist jedoch nicht das Kernthema dieser Arbeit. Daher beziehe ich den Komplex der Schuldbewältigung nur dann mit ein, wenn er in direktem Verhältnis zur Moral der Figur steht bzw. die Art und Weise wie Schuld bewältigt wird, eine direkte Folge der Moralauffassung ist.

Eine Zusammenfassung meiner Ergebnisse findet sich in Kapitel 5, Zusammenfassender Vergleich, S. 17.

2 Hintergrund der beiden Dramen

2.1 Friedrich Schiller: Die Räuber

Das Erstlingswerk Schillers “Die Räuber” wurde am 13. Januar 1782 in Mannheim am Nationaltheater uraufgeführt. Dieser Aufführung ging ein anonym erschienener Druck voraus, der 1781 erstmals veröffentlicht wurde (vgl. Friedrich Schiller Werke und Briefe in zwölf Bänden, Bd. 2. S. 883ff).

Die Aufführung dieses Stückes wurde für den bis dahin noch unbekannten Dichter zum großen Erfolg. Es war gleichsam der Grundstein für Schillers Aufstieg zu einem der bedeutendsten Vertreter der deutschen Klassik (vgl. Lorenz, Frieder. S. 79f).

2.2 Franz Grillparzer: Die Ahnfrau

Die Anregung zur Ausführung des Konzepts zur “Ahnfrau” erhielt Grillparzer von seinem damaligen Gönner Joseph Schreyvogel, dem “heimlichen Direktor des Burgtheaters” (s. Lorenz, Frieder. S. 81). Dieser gab ihm den für sein erstes Drama entscheidenden Hinweis, das Schicksalhafte dieser Tragödie stärker herauszuformen und die Gestalt der Ahnfrau stärker in die Familie zu integrieren.

Die Uraufführung der “Ahnfrau” fand am 31. Januar 1817 im Theater an der Wien statt. Diese erfolgreiche Aufführung war der Beginn einer heftigen Kontroverse um die Gattung des Schicksalsdramas (vgl. Franz Grillparzer Werke in sechs Bänden. Bd. 2. S. 703ff).

3 Karl Moor

3.1 Hintergrund der Figur Karl Moor

Karl Moor ist der Sohn des Maximilian Moor, dem regierenden Grafen von Moor. Er hat einen Bruder, Franz, der ihm schaden will und ihn beim Vater verleumdet.

Den Grundstein dafür, daß der Vater Gehör für Franzens Verleumdung findet, hat Karl selbst gelegt. Aus dem verständigen Jungen, der sich in die gesellschaftlichen Normen fügen wollte, wurde ein erklärter Gegner der Traditionen und Erwartungen seines Vaterhauses1.

“Spiegelberg. [zu Karl Moor]

Geh, geh! Du bist nicht mehr Moor.

Weißt du noch, wie tausendmal du, die Flasche in der Hand, den alten Filzen hast aufgezogen und gesagt: Er Soll nur drauflos schaben und scharren, du wolltest dir da- für die Gurgel absaufen. - Weißt du noch? he? [...]”

(s. I., 2., V. 25 - 29, S. 22)

Während sich Karl Moor dem freien, ausschweifenden Leben hingibt, das er als Opposition zur Verlogenheit der Gesellschaft versteht (vgl. I., 2., S. 20; III., 2., S. 80), bereitet Franz alles vor, um Karl dauerhaft der Vergebung seines Vaters zu entziehen. Die Motivation, seinen Bruder derart hinterlistig von der Familie zu verstoßen, liegt in Rachegefühlen begründet. Der zweitgeborene Franz ist nach seiner Ansicht in seinem sozialen Rang und seinem Äußeren gegenüber Karl zurückgesetzt.

“Franz. [...]

Ich habe große Rechte, über die Natur ungehalten zu sein, und bei meiner Ehre! ich will sie geltend machen. - War-um bin ich nicht der erste aus dem Mutterleib gekrochen? War- um nich der einzige? Warum mußte sie mir diese Bürde

von Häßlichkeit aufladen? Gerade mir? [...]” (s. I., 1., V. 29 - 34, S. 16)

Dieses Gefühl scheint teils subjektiv, teils objektiv zu sein. Auch Karl nennt Franz “eine unglückliche Physiognomie” (s. IV., 2., V. 31, S. 91).

Als sich Karl dazu entschließt, der Stimme seines Herzens zu folgen, und den Vater um Verzeihung und um Wiederaufnahme in das soziale Gefüge der Familie bittet, hat Franz seine Stellung bereits so weit untergraben, daß er dem Vater leicht einreden kann, Karl nicht zu verzeihen. Karl gibt sich also in der Runde seiner Freunde einer falschen Hoffnung hin, sein Vergebungsgesuch sei bereits positiv beantwortet auf dem Rückweg zu ihm.

“Moor.

[...] Schon die vorige Woche hab ich meinem Vater

um Vergebung geschrieben, hab ihm nich den kleinsten Umstand verschwiegen, und wo Aufrichtigkeit ist, ist auch Mitleid und Hilfe. [...] Die Post ist angelangt.

Die Verzeihung meines Vaters ist schon innerhalb dieser Stadtmauern.”

(s. I., 2., V. 35 - 42, S. 24)

In der Verzweiflung über den versperrten Weg zurück zur Familie, beschließt Karl Moor, dem Vorschlag seiner Freunde zu folgen, und einer Räuberbande vorzustehen.

“Moor.

[...] Mörder, Räuber! - mit diesem Wort war das Ge-setz unter meine Füße gerollt - Menschen haben Mensch- heit vor mir verborgen, da ich an Menschheit appellierte,

- Ich habe keinen Vater mehr, ich habe keine Liebe mehr, und Blut und Tod soll mich vergessen lehren, daß mir je- mals etwas teuer war![...]”

(s. I., 2., V. 4 - 10, S. 33)

Karl Moor gelangt also aus freiem Entschluss zur Räuberbande. Mit diesem Schritt möchte er das an ihm verübte Unrecht rächen.

“Moor.

[...] Sag ihnen, mein Handwerk ist Wiedervergeltung- Rache ist mein Gewerbe.”

(s. II., 3., V. 15 - 16, S. 73)

“Räuber Moor.

[...] - Dein eigen allein ist die Rache. Du be- darfs nicht des Menschen Hand. [...]”

(s. V., 2., V. 1, S. 139)

Diese Einstellung, empfundenes Unrecht an Menschen zu rächen, die nicht daran schuld sind, entspricht der Einstellung seines Bruders Franz. Karls Maßnahme erlittenes Unrecht zu rächen, fällt also ebenso unglücklich aus wie im Falle von Franz.

3.2 Die Moral der Figur Karl Moor

3.2.1 Karl Moor der Gesellschaftskritiker

Als Kind konnte sich Karl Moor mit den Gesetzen der Gesellschaft, die ihn umgab, identifizieren und strebte an, zu einem angesehenen Mitglied dieser Gesellschaft aufzusteigen.

“Moor. Da ich noch ein Bube war - wars mein Lieblings- gedanke, wie sie zu leben, zu sterben wie sie. - (Mit ver- bißnem Schmerz) Es war ein Bubgengedanke!”

(s. III.,2., V. 5 - 7, S. 81)

Irgendwann begann Karl Moor, diese Art des Lebens zu hinterfragen und zog für sich den Schluss, daß diese Lebensform für ihn doch nicht die richtige ist.

“Moor. [...] ich habe die

Menschen gesehen, ihre Bienensorgen, und ihre Riesen- projekte - ihre Götterpläne und ihre Mäusegeschäfte, das wunderseltsame Wettrennen nach Glückseligkeit; [...] [...] Es ist ein Schauspiel, Bruder, das Trä-

nen in deine Augen lockt, wenn es dein Zwerchfell zum Gelächter kitzelt.”

(s. III.,2., V. 27 - 37, S. 80)

Nach einer gewissen Zeit des Widerstandes möchte Karl zu seiner Familie zurückkehren und sich in die Gesellschaft integrieren. Dieser Rückweg wird ihm jedoch, wie oben geschildert, von Franz versperrt.

Problematisch für Karl ist, daß er sein Umfeld bewusst verlassen und somit die ablehnende Haltung ihm gegenüber provoziert hat. Somit ist er an dem Unrecht, das an ihm verübt wird, nicht völlig unschuldig. Karl erkennt diesen Umstand durchaus an.

“Räuber Moor. [...] Ich habe

nicht gewollt, da er mich suchte, izt, da ich ihn suche, will

er nicht, was ist billiger? [...]” (s. V., 2., V. 1ff, S. 137)

Die Konsequenz, die Karl zieht, lässt sich nicht mit dem Moralverständnis der Gesellschaft verbinden, die Karl ablehnt. Der Beitritt zu einer Räuberbande ist somit die gesteigerte Form seines Widerstandes gegen die Gesellschaft.

Innerhalb dieser Räubergesellschaft, die an sich ein amoralisches System darstellt, versucht Karl Moor bürgerliche Wertmaßstäbe zu etablieren. Dieser Versuch wirkt unglaubwürdig. Die Schuld, die sein Bruder Franz auf sich geladen hat, versucht Karl zu vergelten, indem er sich seinerseits Schuld auflädt. Dieses Konstrukt hat etwas Anstößiges.

Im folgenden lege ich dar, welche Moralansprüche Karl Moor an seine Räuberbande stellt.

[...]


1 Die Textstellen in diesem Kapitel sind nach folgender Quelle zitiert: Friedrich Schiller: Die Räuber. Stuttgart 1999 (RUB 15)

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Karl Moor (Schiller - Die Räuber) und Jaromir von Borotin (Grillparzer - Die Ahnfrau): Vergleich zweier Räubergestalten im Hinblick auf ihre Moral und ihr Verhältnis zum Wort
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Das Schicksalsdrama im 19. Jahrhundert
Note
2
Autor
Jahr
2000
Seiten
21
Katalognummer
V106696
ISBN (eBook)
9783640049721
Dateigröße
446 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Karl Moor (Schiller - Die Räuber) und Jaromir von Borotin (Grillparzer - Die Ahnfrau): Vergleich zweier Räubergestalten im Hinblick auf ihre Moral und ihr Verhältnis zum Wort
Schlagworte
Karl, Moor, Räuber), Jaromir, Borotin, Ahnfrau), Vergleich, Räubergestalten, Hinblick, Moral, Verhältnis, Wort, Schicksalsdrama, Jahrhundert
Arbeit zitieren
Christof Stotko (Autor:in), 2000, Karl Moor (Schiller - Die Räuber) und Jaromir von Borotin (Grillparzer - Die Ahnfrau): Vergleich zweier Räubergestalten im Hinblick auf ihre Moral und ihr Verhältnis zum Wort, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106696

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