I. Einleitung
Ein Problem bei der Arbeit mit Epochen der Geschichte ist das der ge- nauen Abgrenzung. Das Festlegen auf genaue Jahreszahlen für be- stimmte Epochengrenzen ist oftmals nicht möglich. Nicht immer sind historische Ereignisse so klar an politische oder gesellschaftliche Ereig- nisse gebunden, wie beispielsweise 1919.1 Damals wurde mit der Ver- abschiedung einer neuen Verfassung in Weimar die erste demokratische Republik auf deutschem Boden ausgerufen. Eine gänzlich neue Epoche setzte an.
Aber gerade bei Zeitabschnitten des Mittelalters oder der frühen Neuzeit werden Grenzen anhand von gesellschaftlichem Wandel festgemacht und eher selten an konkreten Zahlen. So manifestierte sich dieser Übergang zum Beispiel am Wandel der Reichsritterschaft vom Lehens- reiter hin zum Offizier in einem stehenden Heer eines Fürsten. Der Be- rufswandel ist somit die Folge des gesellschaftlichen und politischen Wandels. Feuerwaffen und überalterte Kampftechniken waren Gründe für die Ritter, ihre alte Aufgabe zu beenden und sich in neuen Bereichen der Gesellschaft einzubringen. Damit standen sie exemplarisch für eine gewandelte Gesellschaft und damit eine neue Epoche.
Deshalb soll sich die nun vorliegende Arbeit exemplarisch mit der Fragestellung:
Wie vollzog sich der Wandel des Adelsbildes vom Landadel zum Höfling?
beschäftigen. Anhand des Funktionswandels des Niederadels soll auch der Epochenwandel dargestellt werden.
Die Arbeit beschreibt zwar einen Übergang, doch passierte dieser nicht einhundertprozentig. Also nicht alle Adligen gingen an den Hof. Die Arbeit soll eine grundlegende Tendenz im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen aufzeigen. Selbstverständlich gab es auch immer regionale, temporäre und qualitative Unterschiede, diese sollen hierbei außer Acht gelassen sein. Es sollte eine allgemeine Darstellung erstellt werden. Die Arbeit basiert außerdem auf den von NEUHAUS definierten temporalen Grenzen der frühen Neuzeit (1495 - 1806).2
II. Hauptteil
1. DER ADEL
1.1. Die Entstehung des Adels
PARAVICINI beschreibt die Entstehung und Entwicklung des Adels in zwei Phasen. Die erste Phase, vom 11. bis 13. Jahrhundert, war die Phase des Aufstiegs und der Dominanz dieses Standes. Vom 13. bis 15. Jahrhundert dann schloss sich die Phase der Krise und Renaissance an.3
Am Anfang gab es eher lose diffuse sippenhafte Zusammenschlüsse. Der Adel setze sich dadurch ab, dass er seit dem 10. Jahrhundert die Bauern sich untertänig machte, sie waren der Strenge des Herrn unter- worfen, durften keine Waffen besitzen und hatten kein Jagdrecht. Der Adel war der heute klassischgewordene Wehrstand oder Kriegerstand. Er hatte das Monopol zum legalen Waffenbesitz und Ausübung der Ge- walt. Er hatte die finanziellen Mittel, um sich die Rüstung, das Pferd und die Waffentechnik zu leisten. Bis zum 11./12. Jahrhundert war der Adel klar vom Rittertum dominiert. Dies änderte sich, als sich eine innere Differenzierung des Adels herausbildete. Nun gab es den niederen Adel (Reichsritter), die edelfreien Grafen und Herren und als Oberhaupt die Fürsten. Seit dieser Zeit ist der soziale Stand eines Adligen auch erblich.
Die einmal erlangte Position wurde somit gefestigt.
Eng damit verbunden ist auch die Herausbildung des Familienbewusstseins. Diese Zusammengehörigkeit sollte den Stand der Familie wahren und wurde bildlich in der Sesshaftigkeit des Adels. Ritterburgen wurden bezogen, die Orte der Herrschaftssitze wurden namensgebend.4 Und nicht nur die Position wurde vererbt, sondern auch der Besitz. Lehen waren an Familien gebunden und wurden vererbt.
Auch das unterschied den Adel von Anderen. Nur wer adlig war, konnte Lehensnehmer und Verwalter werden. Für Schutz und Unterhalt leistete der Adlige dem Fürsten Dienst und Gehorsam. Bürgerliche, Bauern, Frauen und Kleriker konnte keine Lehen direkt übernehmen. Im späten 14. und 15. Jahrhundert dann zog es den Adel an die fürstli- chen Höfe. Genau belegt ist der Begriff der Höflinge, der curienses, seit 1336. Dieser Übergang steht mit dem Wandel des Regierungssystems vom Personal- zum Territorialprinzip und mit der Verschiebung der Auf- gaben vom Lehen zum Amt im engen Zusammenhang.
1.2. Die Entwicklung des Adels
Um 1300 setzte sich der Fürstenstaat im Reich durch. Die Ritter, die den Stand erst ausmachten, wurden nun zu einer Berufsgruppe innerhalb des Standes. Durch wirtschaftliche Schwierigkeiten, Missernten und Pest war der Niederadel stark geschwächt worden. Entweder, er lebte nun von der Grundrente, band sich stärker an den Hochadel oder sank in der Bedeutungslosigkeit ab. Immer mehr wurde der Verlust der eigentlichen Aufgabe, die des Wehrstandes, sichtbar.
Mit der weiteren Stärkung des Königtums wurde um 1400 das Ende der Selbstständigkeit des Adels eingeleitet.
Um 1500 entwickelte sich aus der ritterlich-höfischen Kultur dann gänz- lich eine höfische Kultur. Mit dem Landfrieden 1495 wurden letzte Auf- gabenfelder des Adels beschnitten und gleichzeitig die Staatsautorität gestärkt. Der niedere Adel teilte sich nun in Reichsritterschaft und landsässige Niederadlige.
Auch den endgültigen Verlust der Wehraufgabe konnte der Adel nur mit dem Gang an den Hof kompensieren. Dort war er nicht mehr Herr sei- ner Untertanen, konnte im Amt eines Offiziers aber weiterhin militärisch tätig sein. Daher sollte der Wandel des Adels auf militärischer Basis un- tersucht werden.
2. DER WANDEL
2.1. Der militärische Wandel
Im Mittelalter hatten sich die 3 Stände und ihre Aufgaben klar herauskristallisiert. Der unterste Stand der Bauern (und später auch der Bürger) war der Nährstand, der Klerus war für Bildung (Lehrstand) und der Adel für die Landesverteidigung (Wehrstand) zuständig. Denn nur der Adel hatte das Wehrprivileg, nur er konnte sich die aufwendige Waffentechnik und Ausrüstung leisten. Dazu gehörten neben Pferden, Panzerung und Knappen auch deren Versorgung. Dies konnten nur sehr wenige Menschen im Mittelalter finanzieren und so war es ein Privileg. Der Adel hatte auch das Waffenmonopol.
Ritter hatten sich dann im Laufe der Zeit eine besondere Stellung unter den niedrigen Adligen erworben. Sie waren nicht an ihren Territorialherrscher gebunden. Sie waren nur dem Kaiser unterworfen. Ab 1262 organisierten sie sich in der Reichsritterschaft (als Zwangsverband) und zahlten keine Steuern an die Gebietsfürsten. Sie waren nur an den Kaiser gebunden, der regelmäßige freiwillige Zahlungen (Charitativsubsidien) bekam und sich im Bedarfsfall auf die Bereitstellung von Truppen verlassen konnte. Sie waren reichsunmittelbar, aber nicht wie die Reichsstädte im Reichstag als einzelner Stand vertreten. Ihre besondere Stellung machten sie 1542 besonders deutlich, als sie ihre Ablehnung des „gemeinen Pfennigs“ durchsetzen konnten.
Obwohl längst nicht mehr alle niedrigen Adligen Ritter waren, blieb der Name, weil „ der Erwerb der Ritterwürde den neuen Rang ehemals be- gründet hat[te] “ 5. Denn ab 1300 gab es ein rapides Abnehmen der Zahl der „wirklichen“ Ritter. Dieses Phänomen hatte mehrere Gründe. Der wohl entscheidenste war, dass die Kampftechnik, aber auch die an- gewandten Waffen der Adligen nicht mehr zeitgemäß waren. Durch das Aufkommen der Fern-, Feld- und Feuerwaffen konnten die Lehens- reiterheere leicht geschlagen werden. Es war nicht von Nöten, das kom- plizierte Kampfhandwerk zu erlernen, um mit den neuen Waffen Erfolge zu erreichen. Deshalb setzten sich Landsknechthaufen und stehende Heere, aus Bauern und Bürgern zusammengestellt, durch. Adlige wollten sich diesem System nicht anpassen, denn die neuen Waf- fen entsprachen nicht ihrer Ehre und waren unritterlich. Da sie jedoch in vielen Schlachten nun unterlagen, zogen sich viele Adlige aus dem Kampf zurück. Einige wurden landsässig, andere Militärunternehmer, wie zum Beispiel Albrecht W. E. von Wallenstein.
Ein anderer Grund war eine weitere Einschränkung in die Funktion des Wehrstandes. Als 1495 mit dem „Ewigen Landfrieden“ in Worms die Fehde verboten wurde, war dies das Ende der adligen Privilegien auf Selbstjustiz. Denn diese Kleinkriege waren ein weiteres Feld, dass der Adel besetzte. Auch als Stellvertreter für höhere Herrscher, wie Götz von Berlichingen dies betrieb, „arbeiteten“ die Ritter im Fehdewesen. Doch 1495 wurde der kämpfende Adel nicht nur um eine Aufgabe be- raubt, vielmehr gewann die Obrigkeit auch an Staatsautorität. Durch das Reichskammergericht, dass nun die Streitfälle behandeln sollte, ü- bernahm der Staat die Verteilung des Rechtes gänzlich.
Um den Ehrverlust auszugleichen, der mit dem Wegfall der Fehde ver- bunden war, wurde das Duell zum immer stärker werdenden Ausdruck des adligen Ehrenkodexes. Beruflich gesehen hatte der Adel aber wenig Alternativen. So war zu beobachten, dass ehemalige Ritter nun Offiziere am fürstlichen Hofe wurden und die Heere anführten. Oder sie wurden als Militärunternehmer für wechselnde Herrscher tätig und kämpften für Geld. Andere ehemalige Kämpfer zogen an die Höfe und wurden in der Verwaltung tätig. Eines war aber immer zu beobachten: Aus ehemals freiwilligen Diensten entstanden Ämter.
2.2. Der gesellschaftliche Wandel
Auf die Verdrängung aus der eigentlichen gesellschaftlichen Aufgabe des Adels wurde im vorherigen Abschnitt schon ausführlich eingegangen. Dieser Verlust ist natürlich auch unter gesellschaftlichem Gesichtspunkt zu verstehen. Aber auch andere Punkte sollten nicht unerwähnt bleiben. So prägte mit der Säkularisierung der Gesellschaft eine neue Art Herr- scher das Reich. Es standen nicht mehr Enthaltung und Frömmigkeit an oberster Stelle der Werteskala der Fürsten, sondern eher Luxus, Presti- ge, Repräsentation, Jagd, Tanz, Feste und Unterhaltung.6 Dies zeigte sich an den durch Italien und Frankreich geprägten neuen luxuriösen Schlössern und Stadtvillen, die im 16. Jahrhundert die alten Burgen und Wehranlagen ersetzen. Auch stiegen bestimmte Berufsgruppen der „Un- terhaltungsindustrie“ in neue Ränge auf: Die Hofnarren und Herolde. Außerdem entstanden neue Ämter am Hofe, mit deren Titeln man sich als Adliger gut schmücken konnte. Alles dies steigerte die Attraktivität für niedere Adlige, an den Hof zu kommen und am Luxus teilzuhaben. Auch der neue Glanz und die Größe bestimmter Fürstenhäuser beein- druckte und Adlige wollten davon profitieren, indem sie sich in der Nähe aufhielten. Außerdem war es wegen der Standesehre nicht erlaubt, am neuen Reichtum des Bürgertums teilzuhaben. Die Kommerzialisierung der Landwirtschaft oder der Handel gingen somit am Adel vorbei. Damit gewannen das Bürgertum und die Städte größeres Selbstbewusstsein und ökonomische Macht. Gegen diese Tendenz konnte nur ein Zusam- menhalten der Aristokratie einen Machtverlust verhindern. Diese neue gemeinsame Identität des Adels drückte sich auch darin auch, an einen Fürstenhof zu ziehen. Denn die Gunst des Herrschers konnte man am besten erlangen, indem man am Hofe gesehen wurde.
Dabei verließen nicht alle Adligen den väterlichen Hof. Meist waren es nur die Zweit- oder Drittgeborenen, die so auch ihre Existenz und gleichzeitig die Standesehre wahrten, denn so mussten sie keine unehr- baren bürgerlichen Berufe annehmen. Denn nur mit einem Hofamt konnte der Adel seine soziale Position halten. Lieber verzichtete er auf seine ständischen Freiheiten und genoss die kulturellen, sozialen und ökonomischen Attraktionen.
2.3. Der wirtschaftliche Wandel
Die „Nahrung“ des Landadligen basierte auf dem Besitz, der Verpach- tung und Bewirtschaftung einer Grundherrschaft, eines Grundbesitzes. Auf der einen Seite war dies seine wirtschaftliche Quelle, auf der ande- ren Seite manifestierte sie die gesellschaftliche Stellung des Adligen. Er herrschte über seine Untertanen auf einem geerbten und seiner Familie gehörenden Land. Doch durch schlechtes Wirtschaften und dem Ver- schließen gegenüber Neuem (Standesehre) konnten ihn die Erträge ab dem 16. Jahrhundert nur noch schlecht ernähren. Bürgerliche Grundbe- sitzer drückten die Marktpreise durch cleveren Handel und marktwirt- schaftliche Führung ihres Gutes. Außerdem sank das Renteneinkommen der Adligen. So kam es dazu, dass viele Adlige zur Versorgung Ihrer Nachkommen auf die „Versorgungsanstalt“ Kirche (zum Beispiel Stifts- adelsfamilien) oder eben den Hof angewiesen waren. Der Hof sorgte für Diätenzahlungen, Versorgung anderer Familienmitglieder und Unterstüt- zerzahlungen. MÜLLER meint dazu, dass es so zu einer „ Monopolisie- rung derökonomischen Chancen “ 7 gekommen war. Für arme Adlige war der Hof die einzige Chance, den Fortbestand der Familie zu sichern.
MÜLLER bezeichnet die Versorgung als „ Dauerfinanzierung von Hochbü- rokratie und Militär “ 8
2.4. Der politische Wandel
Der „normale“ Adlige lebte, wie erwähnt von Grundherrschaft. Über die- se hatte ausschließlich er Verfügungsrechte. Über seine von ihm abhän- gigen Bauern, die Frondienste leisteten, besaß er die Gerichtsbarkeit, die Polizeigewalt, Herrschafts- und Hoheitsrechte, legte die Lehrer und Pastoren fest, hatte den Kirchenweihschutz, Forsthoheit, bestellte Vor- mundschaften und legte das Pflastergeld fest. Er war sozusagen der Herr über sein Gebiet und lebte als Herr, Graf oder Ritter ziemlich selbstständig und frei. Demgegenüber stand der Hof eines Herrschers. Dieser hatte die Landeshoheit. Diese Fürstenhöfe konnten sich ab dem 11./12. Jahrhundert neben den Königs- und Kaiserhöfen etablieren. Die landesherrschaftlichen Höfe wurden entweder von Geistlichen (zum Bei- spiel Fürstbischöfe) oder weltlichen Herrschern (Herzöge, Fürsten) ge- führt. Anfänglich waren diese Höfe noch ziemlich grob gegliedert und die verschiedenen Ämter am Hofe waren wenig differenziert, so dass- Hofverwaltung und Staatsverwaltung noch in Personalunion ausgeführt wurden. Im Spätmittelalter kam es dann zu einer „ Funktionserweiterung - und differenzierung der Administration “ 9. Die Herrscher reisten weni- ger und blieben dauerhaft an einem Hauptsitz, der sich dann auch als Regierungssitz zum Machtzentrum des Fürstentums herausbildete. Der Hof wurde so zu dem entscheidenden Merkmal eines Herrschers gegen- über dem zu beherrschenden Land. Er stellte Repräsentanz, Verwal- tungsorgan und das Zentrum der Machtkämpfe dar. Mit der „ Verdich- tung des Reiches “ 10 , wie es MORAW ausdrückt, gewinnt der Hof als poli- tische Institution an Bedeutung.
Der höhere Adel und der Klerus siedeln sich in der Zeit des 15. Jahr- hunderts in der Nähe der Residenzen an und es entwickeln sich frühneuzeitliche Residenzlandschaften mit Parks und Gärten, die heute noch als Hauptstädte der Bundesländer zu erkennen sind. Dies sind Städte, wie Dresden, Potsdam oder München.
Aber nicht nur durch die Zentralisierung und damit verbundene Territo- rialisierung des Reiches konnten die Fürsten ihre Macht ausbauen, auch durch die Beherrschung der Landstände zogen die Landesherren alle politische Macht an den Hof. Die Landstände waren das Gremium der Städtebürger, Landadligen, Ritter und Geistlichen. Diese Versammlung, die vom Landesherrn einberufen werden musste, war das klassische Machtmittel der Adligen im Dualismus der Aristokratie mit der Monar- chie im adligen Reich. Denn die Landstände konnten auf diesen Ver- sammlungen politische Entscheidungen des Herrschers „erkaufen“. Sie mussten nämlich Steuererhöhungen zustimmen (Steuerbewilligungs- recht). Das taten die Landstände nur, wenn sie als Gegenleistung mitentscheiden durften. So „erkauften“ sich die Stände Mitbestim- mungsrechte über Kriege (und deren Kosten), Gesetzte, Verwaltungs- angelegenheiten, Kirchenfragen, Schule und natürlich Steuerpolitik. Der Landesherrscher war auf sie angewiesen, da er die steigenden Lebens- haltungskosten (Luxus, Feste) und Kriege finanzieren musste. SCHU- BERT erwähnt in diesem Zusammenhang das damalige Sprichwort „ Landtage sind Geldtage “ 11. Doch im 17.Jahrhundert gelang es den Fürsten in weiten Teilen des Reiches, dieses Gremium auszuschalten, indem sie mit einem stehenden Heer, strenger Verwaltung und domi- nanter Regierung die Stände unter Druck setzte und die Landständever- sammlung einfach nicht mehr einberiefen (Sequestierung). Der Dualis- mus zwischen Adel und Landesherrn war entschieden. Und spätestens ab 1648 mit der „Souveränitätserhebung“ des Westfälischen Friedens12 wurde alle politische, ökonomische und militärische Macht am Hofe kon- zentriert. Alle zentralen Ämter der Landesverwaltung befinden sich jetzt am Hofe. Auch durch eine fehlende Kooperation zwischen den Ständen gingen dem Adel alle politischen Rechte verloren.
Ab jetzt spricht man nicht mehr vom Dualismus, sondern vom Absolu- tismus im deutschen Reich. Der Herrscher könnte ohne Mitbestimmung der Stände regieren. Doch ohne den Adel ging dies natürlich auch nicht. Zum einen konnten dem Adel nicht alle Rechte genommen werden, dass der Gerichtsbarkeit über „seine“ Bauern hatte er immer noch, und zum anderen brauchte der Fürst den Adel für das immer komplexer werden- de System der Ämter.
Und so musste der Adel seine Territorien verlassen, seine letzten stän- dischen Freiheiten aufgeben und zog an den Hof. Die Macht lag jetzt in den Territorien und der Adel verwaltete diese. Es entstanden frühneu- zeitliche Flächenstaaten. Auch die Hofverwaltung selbst änderte sich. Spätestens seit dem 16. Jahrhundert hatte sich die Trennung von Hof- verwaltung und Staatsverwaltung durchgesetzt. Die früheren 4 Ämter des Kämmerer, Truchsess, Mundschenk und des Marschalls, die auch als Ehrenämter geführt wurden, gab es nicht mehr. Es bildeten sich fes- te Ressorts heraus, wie Hofrat, Geheimer Rat oder Hofgericht, die nur für die Staatsverwaltung zuständig waren. Andere Ämter entstanden, die allein für die Versorgung des Herrschers zuständig waren. Die Ämter wurden erblich und gaben nicht selten Auskunft über die gesellschaftli- che Stellung des Adligen und die seiner Familie. Auch zeigten Ämter, wie gut die Beziehung des Adligen/seiner Familie zum Herrscher selbst war, denn Ämter wurden nicht nach Leistung vergeben, sondern nach Vertauen. So meint ENDRES sogar, dass „ nicht das Amt, die Person, sondern die Person das Amt entscheidend [ge]prägte.“13
Es wandelte sich damit auch der Adel selbst. Aus dem feudalen Geburtsadel wurde nun ein moderner Dienstadel. Mit den Dienstämtern bekam der Adel wieder einige politische, militärische und staatsrechtliche Privilegien zurück.
Der Hof war aber auch ein Ort an dem sich die Adligen untereinander verbunden waren, sich trafen, er war ein Ort der adligen Ausbildung geworden und nicht zuletzt ein Platz der Heiratspolitik und Vermittlung. Neben der Wiedererlangung von Macht konnte der Adel am Hofe auch den Herrscher kontrollieren. Der Adel hatte Einfluß auf das Handeln des Herrschers und konnte regionale Interessen geltend machen. Gleichzei- tig war die Einbindung des Adels auch für den Fürst von Bedeutung, da er ihn so in die aktuelle Politik integrierte und damit domestizierten und disziplinieren konnte. Die Adelseinbindung war für ihn eine Sicherung seiner Macht auf weite Sicht hin. Der Hof diente ihm sozusagen als In- strument der Adelsbeherrschung und gleichzeitig Abgrenzung zum auf- kommenden Bürgertum.
So kam es, dass am Fürstenhof 10 bis 25% der damaligen adligen Be- völkerung lebten. Die 4 Säulen des Adels waren nun, nach VON KRUE- DENER das Heer, das Beamtentum, das Finanzsystem und die Hofver- waltung.14
III. Schluss
Zusammenfassend kann man sagen, dass es nicht den EINEN Grund gab, warum Adlige ihre alte Profession verließen und an die Fürstenhöfe zogen. Vielmehr wurde mit dieser Arbeit versucht, die Verschiedenheit der Gründe zu erklären.
Auch ist es zu einfach, nur immer einen Grund zu sehen, vielmehr hat es sich bei den meisten Fällen um ein Zusammentreffen der verschieden Gründe gehandelt. Ein Ritter wird in den Offiziersdienst eingetreten sein, weil er sich militärisch als einzelner Lehensreiter nicht durchsetzen konnte und weil er dadurch verarmt war. Eine mehrdimensionale Sicht ist also angeraten.
Hauptgründe der „Verhöflichung des Adels“ sind nach Sicht des Autors im politischen Kontext zu suchen. Der Machtverlust des Adels in den Reichständen wird wohl darunter ein wichtiger Grund gewesen sein.
IV. Literatur
Burke, Peter, Der Höfling, in: Garin, Eugenio (Hg.), Der Mensch der Renaissance, 1990 Frankfurt, New York, S. 143-175.
Boockmann, Hartmut, Geschäfte und Geschäftigkeit auf dem Reichstag im späten Mittelalter, (= Schriften des Historischen Kollegs, Vorträge 17), München 1988.
Endres, Rudolf, Adel in der frühen Neuzeit, (= Enzyklopädie der deutschen Geschichte, Bd. 18), München 1993.
Kruedener, Juliane Freifrau von, Die Rolle des Hofes im Absolutismus, Stuttgart 1973.
Landon, Else R., In der Gunst der Kaiserin, Karrieren unter Maria Theresia, Wien 1997.
Moraw, Peter, Deutscher Königshof, Hoftag, Reichstag, Sigmaringen 1995.
Müller, Rainer A., Der Fürstenhof in der frühen Neuzeit, (= Enzyklopädie der deutschen Geschichte, Bd. 33), München 1995.
Neuhaus, Helmut, Das Reich in der frühen Neuzeit, (= Enzyklopädie der deutschen Geschichte, Bd. 42), München 1997.
Paravicini, Werner, Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters, (= Enzyklopädie der deutschen Geschichte, Bd. 32), München 1994.
Press, Volker, Der deutsche Fürstenhof des 17. Und 18. Jahrhunderts, in: Bach-Tage-Vorträge, Berlin 1990, S. 95-101.
Press, Volker, Kaiser und Reichsritterschaft, in: Endres, Rudolf (Hg.), Adel in der Frühneuzeit. Ein regionaler Vergleich, Wien 1991, S. 163- 195
Rösener, Werner, Hofämter an mittelalterlichen Fürstenhöfen, in: DA 45, 1989, S. 485-550.
Rössler, Hellmuth, Deutscher Adel 1430-1555, Bündinger Vorträge 1964, (= Schriften zur Problematik der deutschen Führungsgeschichte in der Neuzeit, Bd. 1),Darmstadt 1965.
Rössler, Hellmuth, Deutscher Adel 1555-1740, Bündinger Vorträge 1964, (= Schriften zur Problematik der deutschen Führungsgeschichte in der Neuzeit, Bd. 2),Darmstadt 1965.
Schubert, Ernst, Fürstliche Herrschaft und Territorium im späten Mittel- alter, (= Enzyklopädie der deutschen Geschichte, Bd. 35), München 1996.
[...]
1 Mit der Ausrufung der Weimarer Republik 1919 wurde auch gleichzeitig die Macht des Adels in Deutschland, durch die Einführung einer Demokratie, beendet.
2 Helmut Neuhaus, Das Reich in der frühen Neuzeit, ( = Enzyklopädie der deutschen Geschichte, Bd. 42), München 1997.
3 Werner Paravicini, Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters, ( = Enzyklopädie der deutschen Geschichte, Bd. 32), München 1994.
4 Mit der Einführung der Zweigliedrigkeit des Namens, setze sich der Name eines Adligen aus seinem alten Vornamen, dem Kürzel „von“, „de“ oder „van“ und dem Namen des Gebietes, über das er herrschte, zu- sammen.
5 Werner Paravicini, Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters (= Enzyklopädie der deutschen Geschichte, Bd. 32) München 1994, S.4.
6 Zumindest vorwiegend in den weltlichen Fürstentümern.
7 Rainer A. Müller, Der Fürstenhof in der frühen Neuzeit, (Enzyklopädie der deutschen Geschichte, Bd. 33), München 1995.
8 Rainer A. Müller, Der Fürstenhof in der frühen Neuzeit, (Enzyklopädie der deutschen Geschichte, Bd. 33), München 1995, S. 33.
9 Rainer A. Müller, Der Fürstenhof in der frühen Neuzeit, (Enzyklopädie der deutschen Geschichte, Bd. 33), München 1995, S. 3.
10 Peter Moraw, Deutscher Königshof, Hoftag, Reichstag, Sigmaringen 1985.
11 Ernst Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium im späten Mittelalter, (= Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 35), München 1996, S. 44.
12 Der westfälische Friede besiegelte das Endes des Dreißigjährigen Krieges in Europa.
13 Rudolf Endres, Adel in der frühen Neuzeit, ( = Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 18), München 1996, S. 47.
14 Juliane Freifrau von Kruedener, Die Rolle des Hofes im Absolutismus, Stuttgart 1973.
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