Der Text ,,Schlafes Bruder" von Robert Schneider stellt die Lebensgeschichte des unglücklichen Liebenden und genialen Musikers Johannes Elias Alder dar. Dieser lebt vollkommen selbstverständlich mit der künstlerisch einzigartigen Gabe, geradezu intuitiv und in virtuoser Weise mit Musik umgehen zu können, ohne sich ihrer jemals als etwas Besonderes oder gar Geniales bewußt zu werden, geschweige denn sie zur Professionalität ausbilden zu können.
Daran gehindert wird er vor allem dadurch, daß die Bewohner des Dorfes Eschberg, in dem er sein Leben verbringt, sich nur mit sich selbst und ihren eigenen Problemen beschäftigen. Sie haben nie gelernt, sich anderen Menschen mitzuteilen, weshalb das gesamte Dorf durch extreme Kommunikationsarmut gekennzeichnet ist. Humanistisch-intellektuelle Aufklärung und Industrialisierung haben Eschberg niemals erreicht. Es herrschen immer noch die gleichen rauhen, archaischen Sitten, die strengen gesellschaftlichen Konventionen, der dogmatische gleichzeitig aber auch pragmatische Gottesglaube und die rohe und rücksichtslose Art, miteinander umzugehen, wie seit eh und je. Alles zeichnet sich dadurch aus, daß keinerlei Entwicklung stattfindet. Weder bei den Dorfbewohnern, noch in bezug auf die Geschichte des Dorfes selbst. Alle Ereignisse, Handlungen und Aussagen wiederholen sich immer und immer wieder. Statt Entwicklung findet nur ein ewiger Kreislauf statt.
In diesem Umfeld von Ignoranz, Neid, Unverständnis und allgemeiner Unreflektiertheit, scheint Elias, der sich von allen anderen Figuren unterscheidet und dem es durch seine geniale musische Schöpferkraft möglich sein sollte, sich aus diesem Kontext zu lösen, erst recht zum Scheitern verurteilt zu sein. Er ist einerseits zu genial, um in diesem Dorf existieren zu können, andererseits jedoch zu sehr durch die Umstände und seine grenzenlose, unglückliche Liebe zu seiner Cousine Elsbeth determiniert, um sich daraus lösen zu können.
Im folgenden Text werde ich den Fragen nachgehen, ob der Tod des Elias als unumgängliches Scheitern eines psychisch völlig verwirrten Menschen gesehen werden muß, der keine eigene Entscheidungskraft mehr hatte, oder ob dies vielleicht eher der Ausdruck von Selbstfindung und konsequentem, selbstbestimmten Handeln war. Dazu werde ich zunächst den Kontext des Protagonisten, also das Dorf mit seinen Bewohnern analysieren und anschließend genauer untersuchen, wie Elias durch sein Umfeld beeinflußt und determiniert ist und auf welche Weise er damit umgeht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Dorf Eschberg
- Inzestschäden
- Mangel an Reflexionsfähigkeit und Gesellschaftliche Zwänge
- Verdrängung von Ängsten und Ersatzhandlungen
- Rauhe Umgangsformen
- Die Figur Elias
- Kindlicher Wunsch nach Anpassung und menschlicher Nähe
- Musik als Zuflucht und entwicklungsförderndes Moment
- Musik als unzureichendes Ausdrucksmittel
- Unbewußtsein über Genie als Hinderungsgrund
- Kunst als Mittel zum Zweck
- Gott als Vorwand für Passivität
- Verdrängung, Ersatzhandlungen und Depression
- Erlösung durch selbstbestimmtes Handeln
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Figur Elias im Roman „Schlafes Bruder“ von Robert Schneider. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob Elias' Tod als unvermeidliches Scheitern eines psychisch kranken Menschen zu interpretieren ist oder als Ausdruck von Selbstfindung und selbstbestimmtem Handeln. Die Analyse konzentriert sich auf den Einfluss des Dorfes Eschberg und seiner Bewohner auf Elias' Entwicklung und Handlungsfähigkeit.
- Der Einfluss von Inzest und Isolation auf die Bewohner von Eschberg.
- Der Mangel an Reflexionsfähigkeit und Kommunikation im Dorf.
- Elias' musikalisches Genie als Mittel zur Selbstfindung und Ausdruck seiner inneren Konflikte.
- Die Rolle von Verdrängung und Ersatzhandlungen im Leben Elias'.
- Die Frage nach Selbstbestimmung und Determination im Leben Elias'.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die zentrale Frage nach der Interpretation von Elias' Tod dar: Scheitern oder Selbstbestimmung? Das Kapitel über das Dorf Eschberg beschreibt die isolierte und von Inzest geprägte Gemeinschaft, die durch mangelnde Kommunikation und Reflexionsfähigkeit gekennzeichnet ist. Die Bewohner reagieren auf Konflikte mit Gewalt und Verdrängung. Die Analyse der Figur Elias beginnt mit seinem kindlichen Wunsch nach Anpassung und Nähe, der durch Ausgrenzung und Ablehnung vereitelt wird. Seine Musik dient ihm als Zuflucht, zeigt aber gleichzeitig die Grenzen seiner Ausdrucksfähigkeit auf.
Schlüsselwörter
Robert Schneider, Schlafes Bruder, Elias, Eschberg, Inzest, Isolation, Kommunikation, Reflexionsfähigkeit, Musik, Genie, Selbstbestimmung, Verdrängung, Ersatzhandlungen, psychische Erkrankung.
- Arbeit zitieren
- Luise Eklau (Autor:in), 2001, Elias in "Schlafes Bruder". Selbstbestimmtes Handeln oder Wahnsinn?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106820