Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Kritik an der Weltbankgruppe
2. Entstehung, Aufbau, Aufgaben und Organe der Weltbank
3. Die erste Phase der Strukturanpassungspolitik 1979-1985
3.1. Die Verschuldungskrise
3.2. Die Initiierung der Strukturanpassungsmaßnahmen
3.3. Kritik an den SAPs und Beispiele für die soziale Dimension
4. Die zweite Phase der Strukturanpassungspolitik 1985-1996
4.1. Erkenntnisse über die sozialen Kosten
4.2. Die Sozialprogramme
4.3. Erfolgsbilanz der SAPs
5. Die dritte Phase der Strukturanpassungspolitik 1996-2002
5.1. Entschuldungsinitiative HIPC
5.2. Nationale Armutsstrategien PRSP
5.3. Alternative Evaluierung SAPRI
6. Schlussbemerkung
7. Literaturverzeichnis
0. Einleitung
Gegenstand dieser Seminararbeit sind die Reaktionen der Weltbankgruppe auf die Kritik an der sozialen Dimension ihrer in den 80er Jahren initiierten Strukturanpassungsmaßnahmen. Die Analyse der drei historischen Phasen der Strukturanpassungsprogramme (SAPs) soll zeigen, dass die Entwicklungspolitik der Weltbank bis heute hauptsächlich unter rational- ökonomischen und nicht unter solidarischen Prämissen betrieben wird. Die zentrale These muss also lauten:
Die Weltbank reagierte von den 80er Jahren bis heute nur verhalten und zögerlich auf die ambivalente Kritik an den sozialen Auswirkungen ihrer Strukturanpassungspolitik (SAP) in den Entwicklungsländern. Die frühzeitig initiierten Sozialprogramme und selbst aktuelle Entschuldungsinitiativen (HIPC) oder Projekte zur unabhängigen Evaluierung der Strukturanpassung (SAPRI) wurden nicht konsequent genug betrieben, da das primäre Interesse der Weltbankgruppe nach wie vor dem Effizienzkriterium, dem Primat der Schuldentilgung und dem Erhalt der Kreditwürdigkeit in den Entwicklungsländern gilt.
Zur Verifizierung und Falsifizierung der These ist es unumgänglich, zunächst die allgemeinen Kritikpunkte und den organisationalen Aufbau sowie die Aufgaben der Weltbankgruppe einführend zu umreißen.
Danach ist die erste Phase der Initiierung der SAPs, ausgelöst durch die Verschuldungskrise, und deren soziale Auswirkungen näher zu betrachten.
Anschließend soll die zweite Phase der Strukturanpassungspolitik der Weltbank mit den ersten Reaktionen in Form von Sozialprogrammen beschrieben und eine Erfolgsbilanz gezogen werden.
Ein aktueller Bezug zum Thema wird mit den Ausführungen zur dritten Phase der SAPs, gekennzeichnet durch die Entschuldungsinitiative HIPC und Formen alternativer Strategien und Evaluierungen, hergestellt.
Die Auswahl der Quellen zum Thema erfolgte hauptsächlich nach den Kriterien der Aktualität und der Kontextbezogenheit zur speziellen These. Als besonders ergiebig erwies sich dabei auch das Internet.
Die Auseinandersetzung mit der Materie reizte mich sehr, da besonders die Institution der Weltbank Kritik, Verurteilung und Hoffnung der internationalen Entwicklungspolitik in all ihren Facetten auf sich zieht.
1. Kritik an der Weltbankgruppe
Die Weltbank ist kritische Fragen bezüglich ihrer Existenzberechtigung gewöhnt.
In Anbetracht andauernder Armut, wachsender Schuldenlast vieler Länder und globaler Umweltprobleme wurde und wird ihr Entwicklungsbeitrag immer wieder in Frage gestellt. Seit Anfang der achtziger Jahre entzündete sich die Kritik an der „zentralen Triebkraft der Globalisierung“ vor allem an folgenden Problembereichen:
- ihre Rolle als einseitiges finanzielles und ordnungspolitisches Disziplinierungsinstrument des Nordens in der Verschuldungskrise des Südens;
- den sozialen und wirtschaftlichen Folgen der vom IWF (Internationaler Währungsfonds) und der Weltbankgruppe implementierten Strukturanpassungspolitik (SAP) in den Schuldnerländern;
- den Machtstrukturen, der mangelnden demokratischen Legitimität bei Entscheidungs- und Abstimmungsprozessen und der fehlenden öffentlichen Kontrolle
- den negativen Auswirkungen zahlreicher Projekte und Sektorpolitiken auf die Umwelt und die menschlichen Lebensgrundlagen
- dem institutionell verankerten Mangel an Demokratie in den Entscheidungsstrukturen, wie er im Missverhältnis zwischen Nord und Süd ebenso zum Ausdruck kommt wie im Missverhältnis zwischen dem Einfluss der Staaten und der Finanzwelt einerseits und der Ohnmacht der Zivilgesellschaft andererseits
Dazu kommt der Verweis auf die unkontrollierte Machtfülle und Intransparenz der scheinbar omnipotenten Institution Weltbank.
Daher forderten vor allem die NGOs (Nichtregierungsorganisationen) die Einbeziehung von betroffenen Menschen und engagierten NGOs in die Planung und Überwachung von Projekten und Strukturanpassungsprogrammen.
„Es ist eine Glaubensfrage, daß Strukturanpassung einem Land auf jeden Fall nützt. Beweise für das Gegenteil werden unterdrückt oder ignoriert oder einfach für theoretisch unmöglich erklärt.“ (George, 1995, S.64)
Die Debatte um die sozialen Auswirkungen dieser von IWF und Weltbank verordneten wirtschaftspolitischen Reformmaßnahmen ist so alt wie die Programme selbst.
Einige der wesentlichen Kritikpunkte, die insbesondere von Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen, aber auch von UN-Organisationen vorgebracht wurden, sind:
- Die SAP-Maßnahmen haben die Lebensbedingungen armer Menschen direkt verschlechtert. In den Fällen, wo positive Wachstumserfolge zu verzeichnen sind, sind diese zumeist den bereits privilegierten Gruppen zugute gekommen. Einkommensungleichheiten, Ausmaß und Intensität von Armut wurden weiter verstärkt.
- Die Schulden bei ausländischen Gläubigern, vor allem bei IWF und Weltbank, sind vielfach weiter gestiegen. Der Ressourcenabfluss für den Schuldendienst stellt damit weiterhin eine schwere Belastung für die öffentlichen Haushalte der Länder dar.
- Armutsbekämpfung und die Förderung sozialer Grunddienste sind nachgeordnete Ziele geblieben, die den harten makroökonomischen Auflagen des IWF, etwa der Inflationsbekämpfung und dem Abbau des Haushaltsdefizits, untergeordnet werden. (vgl.: Hoering, 2000, S.6)
Die ambivalente Kritik führte seit Mitte der achtziger Jahre zu ersten organisatorischen und programmatischen Reformversuchen. Die organisatorischen Veränderungen sollten größere Transparenz und Mitsprache, mehr Effizienz und bessere Qualität herbeiführen. Schwerpunkt künftiger Aktivitäten sollten die Armutsbekämpfung, Umwelterhaltung, Frauenförderung und Sicherung der Bildung und Gesundheit sein. (vgl.: Hoering, 1999, S.7- 10/57/90)
2. Entstehung, Aufbau, Aufgaben und Organe der Weltbank
Die Weltbankgruppe ist eine multilaterale Institution und Sonderorganisation der Vereinten Nationen, sie operiert allerdings autonom und unterliegt nicht der UN-Kontrolle. Die Weltbank wurde zusammen mit ihrer Zwillingsinstitution, dem Internationalen Währungsfond (IWF) 1944 auf der Konferenz von Bretton Woods ins Leben gerufen (Bretton-Woods-Institution), Hauptsitz der Weltbank sollte Washington D. C. sein. Die Gründung der Weltbank geht zurück auf amerikanische Pläne, die auf eine Neuordnung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen in der Nachkriegszeit mit dem Ziel größtmöglicher Kooperation und Integration gerichtet waren. Die Bank wurde hauptsächlich im Hinblick auf den für die Nachkriegszeit erwarteten großen Bedarf an langfristigem Kapital für den Wiederaufbau und die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Mitgliedsländer geschaffen, um Kredithilfe zu leisten. Nach dem Beginn der amerikanischen Wirtschaftshilfe für den Wiederaufbau Europas konnte sie sich ab Ende der 40er Jahre auf die armen Staaten der Erde, die Entwicklungsländer konzentrieren. (vgl.: Woyke, 2000, S.513f.)
Die Weltbankgruppe umfasst die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA), die Internationale Finanz- Corporation (IFC), die Multilaterale Investitions-Agentur (MIGA) und das Internationale Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten. (ICSID). Die IBRD mit 181 Mitgliedsländern vergibt Kredite an „reichere“ Entwicklungsländer, wie Osteuropa. Ihre Zinsen orientieren sich am Markt und die Darlehen müssen innerhalb von 15-20 Jahren zurückgezahlt werden. Die IDA leiht seit 1960 Darlehen an Länder mit weniger als 925 US-$ Pro-Kopf-Einkommen. Die zinsfreien Kredite werden mit einer Bearbeitungsgebühr von 0,75% belegt und müssen innerhalb von ca. 40 Jahren zurückgezahlt werden, wobei die Tilgung nach 10 Jahren beginnt. Die IFC gibt Investitionshilfen für private Projekte in Entwicklungsländern. (vgl.: Kaiser, 1991, S.245ff.) Die Weltbank-Institutionen mit ihren insgesamt ca. 11000 Mitarbeitern verfolgen das gemeinsame Ziel, die wirtschaftliche Entwicklung in den weniger entwickelten Mitgliedsländern durch finanzielle Hilfen, Beratung und technische Hilfe auch als Katalysator für Dritte zu fördern.
Verbunden sind die Institutionen durch verwaltungsmäßige Verflechtungen und durch den gemeinsamen Weltbankpräsidenten. Dies ist seit 1995 James D. Wolfensohn, traditionell wie alle seine Vorgänger US-Amerikaner. (vgl.: Deutsche Bundesbank, 1997, S.68) Wichtige Grundentscheidungen werden vom obersten Organ der Weltbank, der einmal jährlich tagenden Gouverneursversammlung getroffen, in der jedes Mitglied in der Regel durch den Finanzminister (BRD durch den Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit) vertreten ist.
Das inzwischen aus 24 Mitgliedern bestehende Exekutivdirektorium ist für bedeutende laufende Entscheidungen zuständig. Die fünf Länder mit dem größten Kapitalanteil stellen je einen eigenen Exekutivdirektor. (Rangfolge 1999: USA 16,5%, Japan 7,9%, Deutschland 4,8%, Frankreich 4,6%, Großbritannien 4,6% Kapitalanteil) Die übrigen Länder bilden primär nach regionalen Gesichtspunkten zusammengestellte Gruppen, welche jeweils einen Exekutivdirektor wählen. Da für wichtige Entscheidungen 70 beziehungsweise 85 Prozent der Stimmen erforderlich sind, haben die USA und die EU praktisch ein Vetorecht. Die Weltbank verwendet bis heute bei ihren Abstimmungen das kritikwürdige gewichtete Stimmrecht, will heißen es gilt nicht das Prinzip „Ein Land - eine Stimme“ wie in den Vereinten Nationen. Stattdessen hat jedes Land zusätzlich zu 250 Basisstimmen weitere Stimmen entsprechend seinem Kapitalanteil, somit dominieren die westlichen Industrieländer die Abstimmungen. (vgl.: Woyke, 2000, S.514) Obwohl die Weltbank nach außen antibürokratische Werte und freie Marktwirtschaft propagiert, bildet sie jedoch zusammen mit dem IWF die größte und teilweise undurchsichtigste Bürokratie der Welt. (vgl. Hoering, 1999, S.16)
3. Die erste Phase der Strukturanpassungspolitik 1979-1985
Als Antwort auf die Schuldenkrise wurden Anfang der achtziger Jahre die „klassischen“ Strukturanpassungsprogramme (SAPs) konzipiert, welche vor allem makroökonomische Ziele anpeilten. Über den Abbau des Haushaltsdefizits und der Inflation, eine Abwertung der Währung, die Öffnung der Waren- und Kapitalmärkte, eine Steigerung der Exporte und Privatisierungen sollten wirtschaftliche Stabilität hergestellt, Wirtschaftswachstum angekurbelt und ein gesicherter Schuldendienst erreicht werden. Soziale Härten, etwa durch Entlassung von Staatsangestellten und den Abbau von Subventionen für Grundnahrungsmittel, wurden als kurzfristig in Kauf genommen. Es wurde davon ausgegangen, dass langfristig der prognostizierte Wirtschaftsaufschwung einen Abbau der Armut bringen würde. (vgl.: Hoering, 2000, S.5)
3.1. Die Verschuldungskrise
Die Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer betrug 1970 etwa 62 Mrd. US-$, bis Ende der 90er Jahre war sie auf über 2,5 Billionen US-$ angewachsen.
Die Ursprünge der Verschuldungskrise reichen bis in die 1960er und 1970er Jahre zurück. Viele Entwicklungsländer verfolgten eine Strategie importsubstituierender Industrialisierung. Sie nahmen hohe Auslandskredite auf um über mehr Güter verfügen zu können.
Diese Inanspruchnahme und der erhöhte Bedarf externer Kredite durch den zweiten Ölpreisschock von 1979/80 verteuerte die Importe vieler Entwicklungsländer. Staaten ohne eigene Ölförderung mussten bei gleichen Preisen mehr exportieren oder auf weitere Kredite zurückgreifen, um die gestiegene Ölrechnung zu bezahlen. Zusätzlich nahmen die Devisenerlöse der primärgüterproduzierenden EL durch sinkende Rohstoffpreise ab. (vgl.: Nohlen, 2001, S.547f.) Die Preise für Importprodukte der EL stiegen stärker als die Preise für ihre Exportprodukte. So musste zum Beispiel Tansania 1984 mehr als die doppelte Menge Baumwolle gegenüber 1975 produzieren, um ein und denselben Traktor kaufen zu können. Die Hochzinspolitik der USA verteuerte zudem die Aufnahme neuer und die Bedienung bestehender Kredite mit variablen Zinsen und der wachsende Protektionismus der Industrieländer im Zuge der weltwirtschaftlichen Rezession hemmte die Absatzmöglichkeiten der EL auf dem Weltmarkt. Den Staaten der Dritten Welt wurde immer wieder nahegelegt, die Industrialisierung voranzutreiben, also Halb- und Fertigprodukte herzustellen und zu exportieren.
Die Industrieländer allerdings machten ihren Markt für diese Produkte nahezu dicht. Diese Umstände wuchsen sich zur Verschuldungskrise aus, als die Schuldnerländer nicht mehr in der Lage waren die Tilgungen und Zinszahlung termingerecht zu leisten. Im August 1982 erklärte sich Mexiko für zahlungsunfähig und läutete damit den offiziellen Ausbruch der Schuldenkrise ein. (vgl.: Hoering, 1999, S.22-23)
3.2. Die Initiierung der Strukturanpassungsmaßnahmen
SAPs sind eng mit der Anfang der 80er Jahre beginnenden Schuldenkrise der Dritten Welt verknüpft. IWF und Weltbank begannen damals, eine zentrale Rolle im Schuldenmanagement zu spielen und ihren Einfluss auf die Länder des Süden erheblich auszubauen. Strukturanpassungsprogramme wurden zur Vorbedingung von neuen Krediten der beiden Institutionen und von Umschuldungsmaßnahmen. Der Einfluss von IWF und Weltbank ging aber weit über die Höhe der von ihnen zur Verfügung gestellten Mittel hinaus, denn auch die Regierungen der Industrieländer, regionale Entwicklungsbanken und private Banken gewährten den Ländern des Südens Kredite nur dann, wenn diese ein Anpassungsabkommen mit den Bretton Woods Institutionen befolgten. (vgl.: www.erlassjahr.de/07_sap/07_einfuehrung.htm) Ab 1980 sollte „the bank“ im Interesse westlicher Geldgeber die Wirtschaftspolitik der kreditnehmenden und hochverschuldeten Staaten korrigieren. Die Entwicklungshilfe wurde an die Bedingung der Zusammenarbeit mit dem IWF und der Weltbank gekoppelt. Die Mehrzahl der Länder der „Dritten Welt“ hatten in den siebziger Jahren auf Anraten der Weltbank hohe Kredite aufgenommen und litten nun unter steigenden Zinsraten, niedrigen Warenpreisen und fehlenden Investitionen. Neben den externen Faktoren, wie Ölpreisschocks und Verschlechterung der Terms of Trade, wurde zunehmend die verfehlte Wirtschaftspolitik zahlreicher Entwicklungsländer als wichtige Ursache für Zahlungsbilanzdefizite und andere wirtschaftliche Probleme erkannt.
„Es wurde aber bald einmal klar, dass die Entwicklungsländer in der Weltwirtschaftslage nach 1979 ausgedehnte Programme für interne Reformen benötigten, um auf veränderte Weltmarktpreise, verschlechterte Handelsbedingungen und den verminderten Zufluss an ausländischem Kapital überhaupt reagieren zu können. Das Hinausschieben solcher Reformen hat vielen Ländern ein Krankheitsbild beschert, das sich aus starken Preisverzerrungen, einem Übermaß an staatlichen Vorschriften, aus Unfähigkeit der öffentlichen Dienste, einer rückläufigen Spartätigkeit und aus Kapitalinvestitionen mit geringem Ertrag zusammensetzte. (Cassen, 1990, S.128)
Die ungünstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gefährdeten darüber hinaus in zunehmenden Maße die Erfolgsaussichten der traditionell von der Weltbank finanzierten Einzelprojekte.
Auf diese Entwicklung reagierten IWF und Weltbank durch eine Änderung ihrer Strategie gegenüber den in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Entwicklungsländern. Es lag deshalb auf der Hand, zusätzliche langfristige Mittel zur Verfügung zu stellen, um es einer Regierung zu ermöglichen, die nötigen Reformprogramme durchzuführen. Eine Alternative zur bedingungslosen Kooperation mit der Weltbank gab es ob der Schuldenkrise nicht. In Washington wurden regulierende Maßnahmen in Form von Importreduktion, Währungsfreigabe, Verkauf staatlicher Betriebe und Drosselung der öffentlichen Ausgaben veranlasst. Damit sollten sich die nationalen Wirtschaften innerhalb weniger Jahren erholen.
„The Bank desclared that adjustment for any country would require no more than five loans and would be completed within three to five years - in another two years the country would also have a sustainable balance of payments. Then, with adjustment behind it, the country could resume the task of long-term development, this time with more chance of success.” (Caufield, 1996, S.146)
Die haushalts-, finanz-, handels- und arbeitsmarktpolitischen Vorgaben, die sogenannten Konditionalitäten der Programme, stellten allerdings weitreichende Eingriffe in die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Strukturen der kreditnehmenden Länder dar. Die SAPs des IWF und der Weltbank setzten auf die Anwendung marktwirtschaftlicher Prinzipien. Wirtschaftliche Stabilisierung und Wachstum sollte über die Stärkung der Privatwirtschaft, die Einbindung in den Weltmarkt und über ausländische Direktinvestitionen erreicht werden.
Mit den wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen, der im Zeichen des Neoliberalismus und der neoklassischen Ökonomie stehenden Strukturanpassungsprogramme des IWF und der Weltbank sollten die Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit in den von der Verschuldungskrise betroffenen Dritte-Welt-Länder wiederhergestellt werden.
Im weitesten Sinne meint Strukturanpassung die Angleichung bestehender wirtschaftlicher, sozialer oder politischer Systeme an sich ändernde Rahmenbedingungen, wobei der Zusatz „Struktur“ auf substanzverändernde, tiefgreifende Maßnahmen hinweist. Bezogen auf die Nord-Süd-Beziehungen bedeutet Strukturanpassung die gewünschte Politik eines Schuldnerstaates, seine volkswirtschaftlichen Ausgaben auf ein langfristig finanzierbares Niveau zur Vermeidung künftiger Haushalts- und Zahlungsbilanzdefizite abzusenken.
Die Rückgewinnung von Kreditwürdigkeit und die Abwehr von Schocks war die primäre, defensive Bedeutung der Strukturanpassungspolitik. (vgl.: Tetzlaff, 1996, S. 123)
Die Strukturanpassungskredite bestanden aus zwei Elementen: Erstens den internen Eigenanstrengungen der Entwicklungsländer, ihre Wirtschaft zu reformieren und zweitens dem externen Beitrag der Weltbank durch analytische und finanzielle Unterstützung. Durch diese Reformen sollte die Wirtschaft der Entwicklungsländer so umstrukturiert werden, dass sie mittelfristig ihre Zahlungsbilanzdefizite abbauen und ihre Schulden zurückzahlen können. Die entwicklungspolitische Leitlinie der McNamara-Ära "redistribution with growth" d.h. Umverteilung mit Wachstum wurde so durch die Formel "stuctural adjustment" sprich Strukturanpassung in den Entwicklungsländern ersetzt. Dabei zielte die Politik von Weltbank und IWF vorrangig auf die ökonomische Stabilisierung der Schuldnerländer ab, um so den Schuldendienst der EL an die privaten Banken sicherzustellen. (vgl.: Sandner, 1992, S.107) Die Weltbank unter ihrem damaligen Präsidenten Tom Clausen (1981-1986) forcierte interne Reformen und zwang die verarmten Staaten quasi zur Implementierung folgender Maßnahmenbündel, die im „Washington-Konsens“ festgelegt wurden:
- Stabilisierung der Staatsfinanzen und Verminderung der öffentlichen Schulden durch Einsparungen im Haushalt z.B.: Personalentlassungen im öffentlichen Dienst, Abbau von Subventionen, Kürzung der Sozialausgaben im Bildungs- und Gesundheitsbereich und staatlicher Investitionen sowie Erhöhung der Preise für öffentliche Dienstleistungen (Transportwesen, Energie, Bildung, Gesundheit)
- Umfangreiche Privatisierungen bisher staatlicher Unternehmen, Liberalisierung und Deregulierung der Märkte (Aufhebung von Preiskontrollen, weniger staatliche Kontrolle), deutliche Senkung der Inflationsrate
- Öffnung der nationalen Wirtschaft für den Weltmarkt, Einführung realistischer Wechselkurse durch Abwertung der einheimischen Währung, Lockerung der Import- und Kapitalverkehrskontrollen, Steigerung der Exportleistungen, Schaffung von Investitionsanreizen vor allem für ausländische Kapitalgeber durch Zinserhöhungen
Die Strukturanpassungsprogramme der Weltbank sollten die klassischen projektbezogenen Darlehn jedoch nicht vollständig ersetzen. Ziel war es vielmehr, durch eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Wirksamkeit der einzelnen Projekte zu erhöhen. Im Zeitraum von 1983 bis 1986 schwankten die Mittel, die als Anpassungsdarlehen verliehen wurden, zwischen 11% und 19% der gesamten Kreditvergabe der Weltbank. Die restlichen Mittel gingen weiter in einzelne Projekte. Zwischen 1980 und 1994 vergaben IWF und Weltbank 343 Anpassungskredite an 74 Länder. Aus den IWF-Mitteln für die ärmsten Länder (ESAF) wurden zwischen 1996 und 1998 96 SAPs finanziert, die meisten davon in Afrika. Seit Beginn der 90er Jahre fließen Anpassungskredite in zunehmenden Maße auch nach Osteuropa.
Die sogenannten Regulierungen des Fonds und der Weltbank hatten verheerende Auswirkungen. Preisanstieg, Lohnsenkungen und Arbeitslosigkeit ohne jegliche soziale Absicherungen, veranlassten die Bank Hilfsprogramme aufzustellen. Diese und andere Nebenwirkungen des unkontrollierten Wirtschaftsliberalismus ließen die Investitionen der Weltbank als soziale, politische aber auch wirtschaftliche Fehlschläge enden. Die Anzahl der Projekte mit „gravierenden Problemen“ stieg von 1981 bis 1991 von 11 auf 20 Prozent, die Zahl derer „ohne befriedigendem Abschluss“ von 15% auf 37%. Zudem wurde seitens der Entwicklungsländer beklagt, die Bank sei ein „schlechter Zuhörer“ und nicht dialogbereit.
„Die Ärzte kamen in ihren luftigen Sommeranzügen, richteten sich in klimatisierten Büros ein und verabreichten ihre Medizin. Der Patient starb fast daran.“ (Hoering, 1999, S.13)
3.3. Kritik an den SAPs und Beispiele für die soziale Dimension
Trotz der abzusehenden sozialen Kosten und heftiger Vorschusskritik initiierten IWF und Weltbank ihre Darlehen zur Strukturanpassung (structural adjustment loans) Anfang der achtziger Jahre. Zwar wurde damit in der Regel das makroökonomische Gleichgewicht und das wirtschaftliche Wachstum aktiviert, doch zugleich verarmten große Teile der Bevölkerung und mussten empfindliche Einbußen im Lebensstandard erleiden.
Die Schere zwischen Arm und Reich wurde noch größer, da mit dem Wachstum auch eine Einkommenskonzentration und damit soziale Ungleichheit einherging. (vgl.: Nohlen, 2001, S.501)
Primär sollte ein am freien Markt, an Konkurrenz und Individualismus orientiertes Ethos gefördert werden, was in den USA als Reaganomics und in Großbritannien als Thatcherismus bekannt wurde. IWF und Weltbank wurden zu den neuen missionarischen Institutionen, über die den armen Ländern - welche oftmals auf Kredite und Zuwendungen angewiesen waren - das Strukturanpassungskonzept aufgenötigt wurde.
Der Ex-Chefökonom der Weltbank Joseph Stiglitz ist der Ansicht, dass die beiden Organisationen den Ländern alternative Lösungskonzepte für einige ihrer Transformations- und Entwicklungsprobleme hätten anbieten können und so möglicherweise die demokratischen Prozesse gestärkt worden wären. Doch Weltbank und IWF waren lediglich Erfüllungsgehilfen des kollektiven Willens der G7, insbesondere deren Finanzminister. Allzu oft verweigerten sich diese einer lebendigen demokratischen Debatte über alternative Strategien. (vgl.: Stiglitz in: Stern, 7.3.2002, S.36)
Die Weltbankgruppe hat die Strukturanpassung und alle damit einhergehenden Maßnahmen (z.B. die engere Anbindung nationaler Ökonomien an den Weltmarkt) ins Zentrum ihrer Interessen gestellt. Doch die Geschichte der Strukturanpassung seit 1982 ist durchaus keine Geschichte ununterbrochenen Ruhmes. Die Aufmerksamkeit der Weltbank gegenüber Fragen der Gerechtigkeit erwies sich seit 1982 vielmehr als leere Geste.
Die Warnungen des ehemaligen Weltbankpräsidenten McNamara von 1980 über die Notwendigkeit einer Beachtung und Einbeziehung der Armen in den Prozess der Strukturanpassung sind selbst innerhalb der Weltbank nicht ausreichend beachtet worden. (vgl.: George, 1995, S.22/177f.) Die sozialen Folgen von ökonomisch gerechtfertigten Sparmaßnahmen für die „höchst verwundbaren Gruppen“ und Fragen der Versorgung und gerechter Verteilung wurden bei der Durchführung von Strukturanpassungsmaßnahmen schlichtweg vernachlässigt.
Auch die Kohärenz zwischen den kurzfristigen Anpassungs- und langfristigen Entwicklungszielen ließ zu wünschen übrig. Trotzdem glaubte die Weltbank mit einer gewissen Naivität an die Wirksamkeit von voll entwickelten Marktkräften und das Potential der Privatisierung von Staatsbetrieben. (vgl.: Tetzlaff, 1996, S. 133f.)
Die wirtschaftspolitischen Leitlinien des „Washington Konsens“ mit den drei Säulen der fiskalischen Austerität, Privatisierung und Marktöffnung wurden von der Weltbank und dem IWF als Selbstzweck betrachtet.
Die Privatisierungen sollten schnell und um jeden Preis durchgeführt werden. So wurde zum Beispiel an der Elfenbeinküste die Telefongesellschaft privatisiert, bevor angemessene aufsichts- und wettbewerbsrechtliche Rahmenvorschriften erlassen worden waren. Ein französisches Unternehmen kaufte die Staatsfirma und überredete den IWF und die Regierung ihm eine Monopolstellung bei den Telefon- und Mobilfunkdiensten zu verschaffen. Das Privatunternehmen erhöhte die Preise so stark, dass sich zum Beispiel Studenten keine Internetverbindungen mehr leisten konnten.
Diese allerdings wären nötig, damit sich die ohnehin schon große digitale Kluft zwischen Arm und Reich nicht noch vergrößert. (vgl.: Stiglitz in: Stern, 07.03.2002, S.37f.)
Auch das Beispiel Mexikos wird häufig als Indikator für die Sinn- und Nutzlosigkeit der Strukturanpassungspolitik der Weltbank verwendet.
Die mexikanische Nichtregierungsorganisation Equipo PUEBLO belegte mit ihrer 1995 veröffentlichten Studie über die Auswirkungen der SAPs, warum die Achtziger für Lateinamerika als „verlorenes Jahrzehnt“ gelten:
- Die Handelsliberalisierung führte zu einem Handelsdefizit von 23 Milliarden US-$ (1993) und zerstörte viele einheimische Industrien, die mit den billigen Importen nicht mithalten konnten.
- Besonders die Bauern litten unter der strikten Kreditpolitik, da die Darlehen für die Landwirtschaft von 1980 bis 1988 um ein Drittel gekürzt wurden.
- Die Privatisierungen und Deregulierungen verstärkten die Konzentration des Reichtums.
- Die Lebenshaltungskosten stiegen zwischen Dezember 1987 und Mai 1994 fast dreimal schneller als der Mindestlohn (4,42 US-$ am Tag)
- Zwischen 1980 und 1992 verdreifachte sich die Kindersterblichkeit und lag damit höher als in den siebziger Jahren
Für Viele blieb der einzige Ausweg die Flucht in die USA und damit die Hoffnung auf Arbeit. In Ghana wirkten sich besonders die Reformen und Kürzungen im Gesundheitswesen negativ auf die Bevölkerung aus.
Das neue System forderte von den Patienten Barzahlung vor der Behandlung, was sich die meisten nicht leisten konnten. So förderte das im Zuge der Strukturanpassungsmaßnahmen eingeführte Barzahlungssystem die Unmenschlichkeit und soziale Ungerechtigkeit. (Hoering, 1999, S.81)
4. Die zweite Phase der Strukturanpassungspolitik 1985-1996
Aufgrund der breiten und heftigen Kritik an den negativen sozialen Auswirkungen der Strukturanpassungsprogramme wurden im Laufe der Jahre, verstärkt seit Anfang der neunziger Jahre, flankierende und kompensierende Maßnahmen entwickelt. Sozialprogramme und Beschäftigungsmaßnahmen sollten nun die sozialen Härten für einzelne Bevölkerungsgruppen abfedern, Ausgaben im Bildungs- und Gesundheitsbereich gegen Haushaltskürzungen geschützt werden. Der IWF sprach zunehmend von einer Orientierung seiner Anpassungsprogramme auf ein ökonomisch und ökologisch tragfähiges Wachstum, das Chancengleichheit fördert und zur Reduzierung der Armut beiträgt. Während in den frühen Programmen auf eine Begrenzung staatlicher Aufgaben gedrängt wurde, spielte nun die Förderung institutioneller Kapazitäten eine zunehmende Rolle. Sektoranpassungsprogramme sollten umfassende Reformen in einzelnen Sektoren voranbringen. Ausgehend vom Konzept des Humankapitals verstärkte die Weltbank auch ihr Engagement im Bildungssektor. (vgl.: Hoering, 2000, S.5)
4.1. Erkenntnisse über die sozialen Kosten
Zu Beginn der Strukturanpassungspolitik dachten die Verantwortlichen der Weltbank nicht über etwaige negative Effekte der Programme auf die gewöhnliche Bevölkerung nach. Sie gingen davon aus, dass jeder von einer verbesserten Wirtschaft im Land profitieren würde. 1985 forderte der damalige US-Finanzminister Baker auf der gemeinsamen Jahrestagung von IWF und Weltbank in Seoul für die kommenden drei Jahre von den privaten- und Entwicklungsbanken insgesamt rund 29 Mrd. US-Dollar an Krediten für 15 hochverschuldete Länder der 3. Welt. Grund dafür war vor allem der Widerstand der Entwicklungsländer gegen ihre finanzpolitische Ausbeutung durch die Gläubiger. Der Baker-Plan zielte darauf ab, die Schuldner zu beruhigen, neuen Optimismus unter den Entwicklungsländern zu verbreiten und somit ihre politischen Initiativen zu stoppen. Bakers Plan sah drei zentrale Elemente vor:
1. Für die Bewilligung neuer Darlehen an die Schuldner sei ein Anpassungsprogramm mit folgenden Maßnahmen Voraussetzung:
- Steuerreform
- Stärkung des privaten Sektors
- Förderung ausländischer Direktinvestitionen
- Handelsliberalisierung
- Inflationsbekämpfung
- Reduzierung des Haushaltsdefizits
2. Die zentrale Rolle des Internationalen Währungsfonds stärken und eine vermehrte Kreditvergabe der Weltbank und der restlichen internationalen Entwicklungsbanken für strukturelle Maßnahmen in die Tat umsetzen
3. Die Anpassungsmaßnahmen mit Krediten von Privatbanken stützen
Damit war eine Kapitalaufstockung und gleichzeitig eine Verlagerung von Krediten weg von armutsorientierten Projekten vorprogrammiert. (vgl.: Sandner, 1992, S.110)
„But the sorts of economic changes called for in World Bank adjustment programs can make life harder for a good part of the population - at least in the short term.“ (Caufield, 1996, S.160)
Die Implementierung der Anpassungen in den 80er und 90er Jahren hat in vielen Ländern die Armut und Verzweiflung noch verschlimmert und zusätzlich auch zu einer Art Erschöpfung potentieller oppositioneller Kräfte geführt. (vgl.: George, 1995, S.54)
Schon 1987 veröffentlichte UNICEF eine vernichtende Studie über die sozialen Auswirkungen der Anpassungsmaßnahmen, worin aufgezeigt wurde, dass die Anzahl der Bevölkerung in Armut in vielen „sich anpassenden“ Ländern anstieg.
Die Verfügbarkeit von Nahrung pro Person sank in mehr als der Hälfte der Staaten, die zwischen 1980 und 1987 Strukturanpassungsdarlehen erhielten.
Zwei Jahre später bezeichnete UNICEF die achtziger Jahre in ihrem Jahresbericht als „Dekade der Verzweiflung“. Die Anpassungsprogramme wurden scharf kritisiert und als hauptursächlich für die steigende Armut angesehen.
Zahlreiche Studien und UN-Berichte belegten weiterhin, dass die Armen - speziell die Frauen - durch sinkende Einkommen, Arbeitslosigkeit, schlechtere Gesundheit und größere Arbeitsbelastung für die Strukturanpassungsprogramme bezahlten.
„Gradually the Bank began to acknowledge that adjustment does indeed have serious drawbacks” (Caufield, 1996, S.162)
Auch die Weltbank untersuchte die sozialen Folgen der von ihr verordneten Programme. 1990 bemerkte sie in ihrem World Development Report, dass einige der Armen im kurzen Lauf der Anpassung möglicherweise nicht mitkommen würden und zog selbst ein Resümee der sozialen Kosten, die im Zusammenhang mit ihrer Strukturanpassung auftraten. Danach musste die ländliche Bevölkerung oft Lohneinbußen hinnehmen, da Inflation über deren Einkommenszuwächsen lag. Die Löhne der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wurde in jedem Land, das structural adjusment loans erhielt, eingefroren. Die Preise für Grundnahrungsmittel, den öffentlichen Nahverkehr oder Strom stiegen überproportional, was besonders die Armen hart traf. (vgl.: Sandner, 1992, S.107f.)
Die Weltbank reagierte „schon“ Ende der achtziger Jahre mit einer Neuauflage der armutsorientierten Politik als Antwort auf die Anschuldigungen bezüglich der unsozialen SAPs. Es sollte mehr Geld für die Ausbildung, die Infrastruktur und für die langfristige Entwicklung von politischen und gesellschaftlichen Institutionen eingesetzt werden.
Soziale Sicherheitsnetze wie Nahrungsmittelsubventionen, die Rücknahme von Gebühren im Gesundheits- und Bildungswesen und Beschäftigungsprogramme sollten die unschönen Nebenwirkungen der SAPs abfedern. (vgl.: Hoering, 1999, S.84/103)
Der Chefökonom für Lateinamerika Sebastian Edwards gab 1993 zu, dass die Strukturanpassungen in einigen Ländern sehr kostenintensiv und gleichzeitig einkommensmindernd waren, doch die Kosten einer Nichtdurchführung von SAPs auch hoch wären. (Caufield, 1996, S.160-162)
Die Weltbank versuchte, die genannten Kritikpunkte in die Konzeption von neuen Programmen mit einfließen zu lassen. In den 90er Jahren wollte sie laut ihrem Jahresbericht von 1993 die Forschungskapazitäten auf die Schwerpunkte „Armut, Gerechtigkeit und soziale Wohlfahrt mit einer zunehmenden Betonung von Umweltanalysen und der Entwicklung menschlicher Ressourcen“ konzentrieren. (vgl.: George, 1995, S.181f.)
In einem Aufsatz der Weltbank über ihre Erfahrungen mit den Anpassungsprogrammen wird auf folgende Änderungen der Konzeption in neueren Programmen verwiesen:
- Einbezug sozialer Dimensionen um die negativen Auswirkungen auf die armen Bevölkerungsschichten zu reduzieren
- Stärkere Zusammenarbeit mit dem IWF, um die Programme aufeinander abzustimmen.
- Aufbau von Länder- und Sektorinformationssystemen mit dem Ziel, spezifischerere Strategien zu entwickeln
- Verstärkte Publikation von Erfahrungen und Ergebnissen der Programme, um ein breiteres Verständnis in der Öffentlichkeit und in dem Empfängerländern zu erreichen
- Die Bank sollte in der Lage sein, flexibler auf Kostenänderungen während der Laufzeit der Programme zu reagieren.
- Die Planung und die Informationsbasis der Programme sollte verbessert werden, um auf landes- und sektorspezifische Gegebenheiten besser eingehen zu können. Es sollten weniger, aber genauer fokussierte Konditionalitäten an die Programme gebunden werden.
- Die ökologische Auswirkung der Programme müssen stärker berücksichtigt werden, um Umweltschäden zu vermeiden.
- Die Zusammenarbeit mit anderen bi- und multilateralen Geberinstitutionen und NGOs sollte ausgebaut werden. Außerdem sollten Vorschläge und Wünsche der Empfängerländer stärker berücksichtigt werden.
- Die Verwaltungen und Behörden der Empfängerländer sollten gestärkt werden, um die Umsetzung der Maßnahmen zu verbessern.
(vgl.:www-wds.worldbank.org/servlet/WDSServlet?pcont=details&eid=000178830_98101911514070 S.20)
Um die sozialen Folgen und die Armut einzudämmen, leiteten die nationalen Regierungen zusammen mit der Weltbank die SDA-Programme (Social Dimensions of Adjustment Programs) ein.
Mittels dieser kompensatorischen Sozialmaßnahmen sollte die qualitativ-soziale Dimension des Wachstums akzentuiert werden. (vgl.: Nohlen, 2001, S.501)
4.2. Die Sozialprogramme
Linke Kritiker werfen der Weltbank vor, den EL den Kapitalismus aufzuzwingen und den Interessen des multinationalen Kapitals in die Hände zu spielen. Die heftigste Kritik bezieht sich aber auf den Anspruch der Weltbank, die Bank der Armen zu sein, den sie durch die Gründung der IDA und die Soziale Dimension der Strukturanpassung zu untermauern versuchte.
Aber dieses Programm erreichte bestenfalls nur punktuell die Armutsgruppen. So räumte die Weltbank in ihrem 94er Jahresbericht selbst ein, dass zur Linderung der Armut wohl noch so manche Aufgabe zu lösen sei. Mehr Selbstkritik ist vom „Meister der Selbstdarstellung“ kaum zu erwarten. (vgl.: Nuscheler in: Grundwissen Politik, 1997, S.505)
Auch durch eine Studie des UN-Forschungsinstituts für soziale Entwicklung (UN-RISD) 1995 konnte den Sozialprogrammen der Weltbank nur minimaler Erfolg bescheinigt werden. So betrug der Anteil der Nutznießer von den Weltbank-Sozialnetzen in Ghana nur 0,3 Prozent der Gesamtbevölkerung, in Ägypten 0,5%. Die tatsächlichen Ergebnisse der sozialen Ausgleichsmaßnahmen stünden damit in keinem Verhältnis zu ihren verkündeten Zielen. Die UNRISD-Studie regte bezüglich der Unwirksamkeit die Überdenkung der gesamten Strukturanpassungspolitik an. (vgl.: Hoering, 1999, S.103)
In den 90er Jahren war das immer dringender werdender Problem der Weltbank dasselbe, mit dem die Weltbank schon in den 60er und 70er Jahren konfrontiert war: Was tun mit den Armen? Immer mehr wurden sie als hemmendes, und die politische Stabilität bedrohendes Element determiniert. (vgl.: George, 1995, S.132)
4.3. Erfolgsbilanz der SAPs
Die Weltbank bezeichnete die im Zuge ihrer Strukturanpassungspolitik auftretenden sozialen Komplikationen als temporäre Probleme und erklärte, dass ohne die Anpassungskredite alles nur noch schlimmer aussehen würde. (vgl.: Sandner, 1992, S.109) Den konkreten Erfolg der Struktur- und Sektoranpassungsprogramme zu bestimmen ist allerdings methodisch recht schwierig, da man einerseits keinesfalls genau sagen kann, wie sich die Länder ohne Anpassungsprogramme entwickelt hätten, und es andererseits während des Programmablaufs zu externen Schocks, wie dem weltweiten Steigen der Zinsen und einer weiteren Verschlechterung der Terms of Trade gekommen ist.
Die Weltbank selbst beurteilt den Erfolg der Programme als eher „moderat“. Eine im Geschäftsjahr 1986 erstellte Studie über 15 Programme in 10 Ländern kam zu folgenden Ergebnissen:
- Keines der Länder konnte das Programm in der vorgesehenen Zeit umsetzen.
- Die Maßnahmen zur Exportliberalisierung sowie erhoffte Exportsteigerungen ließen sich nur begrenzt verwirklichen.
- Nur zwei von zehn Ländern gelang es, ihr Haushaltsdefizit zu reduzieren.
- Es wurden Erfolge bei der Effizienzsteigerung der öffentlichen Institutionen und bei der Stillegung von wenig profitablen Staatsunternehmen erzielt. Gerade die ärmeren Schichten der städtischen Bevölkerung hatten unter den sozialen Folgen der Programme zu leiden.
Ein späterer Bericht der Weltbank von 1992 zeichnet folgendes Bild:
- Für den Erfolg der Programme sei es wichtig, dass es den Volkswirtschaften gelingt, sich von Produktionsformen mit geringen "Added Value" auf solche mit hohen "Added Value", sprich Industrieproduktion, umzustellen. Die dafür notwendigen privaten Investitionen seien nicht geflossen, da es den Länder nach Meinung der Weltbank nicht gelungen ist, den Kapitaltransfer zu liberalisieren.
- Aufgrund von externen Schocks, wie der Verschlechterung der Terms of Trade griffen in vielen Ländern die Strukturanpassungsprogramme nicht.
Die Länder lassen sich nach ihrem Erfolg in zwei Kategorien einordnen. Erstens in Länder, die schon vor den Programmen über eine entwickelte Infrastruktur, ein ausgebautes Bildungssystem und ein funktionierendes Verwaltungssystem verfügten. In diesen Ländern griffen die Programme und das Wachstum wurde angekurbelt.
Bei der zweiten Gruppe, größtenteils wenig entwickelten Ländern, griffen die Anpassungsmaßnahmen nicht, und die Länder blieben weiterhin im Zyklus weniger Ersparnisse, weniger Investitionen und wenig Wachstum gefangen.
Dies legt die Vermutung nahe, dass sich monetäre Anpassungsstrategien, wie sie die Weltbank praktiziert, eher für Schwellenländer, als für die sehr armen Entwicklungsländer eigneten.
(vgl.:www-wds.worldbank.org/servlet/WDSServlet?pcont=details&eid=000178830_98101911514070 S.20f.)
Die Erfahrungen bei der Implementierung der Anpassungsprogramme der Weltbank zeigen, dass sich in Ländern mit entwickelter Verwaltung und Infrastruktur, wie etwa die asiatischen Tigerstaaten, durch Strukturanpassungen durchaus Erfolge erzielen lassen. Bei weniger entwickelten Ländern überwiegen allerdings die negativen sozialen Auswirkungen der Programme.
Auch wenn sich aus den Erfahrung der ostasiatischen Länder kein Patentrezept ziehen lässt, ist erkennbar, dass eine längerfristige Vision, ein funktionierendes Staatssystem und eine verstärkte Investition in Humankapital wichtige Faktoren für Entwicklung sind. Diese längerfristige Vision und die Investitionen in Bildungsprojekte lassen die Programme der Weltbank, die hauptsächlich auf einen Ausgleich der Zahlungsbilanz ausgerichtet sind, vermissen.Beachtlich ist immerhin, dass die Weltbank kaum mehr als ein Jahrzehnt benötigte, um die Strukturanpassungen nahezu auf der ganzen Welt einzuführen. Und in nur einem Jahr, nämlich 1987, reorganisierte sie sich zum Zweck der Ausrichtung auf die neue, alles durchdringende Doktrin der Strukturanpassung selbst. (vgl.: George, 1995, S.122)
Die Lageberichte des IWF und der Weltbank vermitteln den Eindruck, dass nur Afrika südlich der Sahara von der zu Beginn der 90er Jahre einstzenden weltwirtschaftlichen Dynamik abgekoppelt sei. In Asien und Lateinamerika dagegen habe sich nach dem „verlorenen Jahrzehnt“ der 80er Jahre ein „Jahrzehnt der Hoffnung“ angeschlossen. Einige Kommentatoren verurteilten gar die Schwarzmalerei kritischer und weniger optimistischer Berichte wie die des UNDP oder des Worldwatch Institute. Es wurde auf die Verbesserungen in vielen Lebensbereichen der Dritten Welt hingewiesen und den Kritikern eine falsche Diagnose des Gesamtzustandes der Entwicklungsländer vorgeworfen. Allerdings gründen sich diese Gegendarstellungen der Optimisten auf aggregierte Durchschnittswerte, welche die regionalen Verschlechterungen der Lebensbedingungen kaschieren. Sie übersehen die Gleichzeitigkeit von beeindruckenden Wachstumsraten und einem Verelendungswachstum, da das Wachstum nur rudimentär zu den Armutsgruppen durchsickerte. Solche vermeintlichen Erfolgsmeldungen ignorieren die Ungleichheit der Lebensbedingungen zwischen Stadt und Land, sozialen Schichten und Geschlechtern. Damit lassen sie das Armutsproblem unauffällig verschwinden, wobei es die Ursache für Bevölkerungsexplosion, Migration, armutsbedingte Umweltzerstörung und dem Erstarken fundamentalistischer Strömungen bildet. (vgl.: Kaiser/Schwarz, 2000, S.126)
5. Die dritte Phase der Strukturanpassungspolitik 1996-2002
Mit dem Konzept nationaler Armutsstrategiepapiere (Poverty Reduction Strategy Papers, PRSP), gekoppelt mit der Schuldenerlassinitiative des Kölner Weltwirtschaftsgipfels 1999, erfolgte nach eigener Aussage der Bretton-Woods-Institutionen eine grundlegende Reform der Strukturanpassungsprogramme. SAPs sollen zukünftig nicht mehr nur auf makroökonomische Ziele, sondern explizit auch auf unter anderem soziale Ziele ausgerichtet werden.
Im Sinne einer verstärkten „ownership“ sollen Regierungen, unter Beteiligung der Zivilgesellschaft, umfassende Strategien zur Armutsbekämpfung als Grundlage zukünftiger Anpassungsprogramme erarbeiten. Dadurch sollen sowohl die soziale Ausrichtung als auch die Umsetzung der Programme, ihre Akzeptanz und Effizienz, verbessert werden. (vgl.: Hoering, 2000, S.6) Immerhin meint der US-Politikwissenschaftler Benjamin Barber im Februar 2002 resümierend, die Weltbank habe „große Fortschritte dabei gemacht, sensibler für die Situationen in den Nehmerländern zu werden.“ (Barber in: OZ, 09./10.02.2002, S.III)
5.1. Entschuldungsinitiative HIPC
Zum 50jährigen Bestehen von Weltbank und IWF 1994 enthüllten Kritiker die bisher unterbewertete Rolle der beiden Bretton-Woods-Organisationen als unerbittliche Gläubiger und Mitverantwortliche an der andauernden Überschuldungskrise. Daraufhin initiierten Nichtregierungsorganisationen eine internationale Kampagne für einen multilateralen Schuldenerlass.
Diese Aktion erscheint durchaus sinnvoll, wenn man bedenkt, dass Afrikas Staaten südlich der Sahara Anfang der achtziger Jahre 84 Milliarden US-$ und 1997 schon 173 Milliarden US-$ Auslandsschulden tragen mussten. So gibt Uganda - ein Musterschüler der Strukturanpassung - jährlich nur drei US-Dollar pro Einwohner für sein Gesundheitswesen, aber 17 Dollar für Zinsen und Schuldentilgung aus. Trotzdem beharrten Weltbank und IWF auf ihre Kreditwürdigkeit und behielten Gewinne und Goldreserven lieber für sich. Erst ein internes Weltbank-Papier von 1995 brachte Bewegung in die unnachgiebige Haltung. Darin wurde die Unerträglichkeit der Verschuldungssituation in zahlreichen Entwicklungsländern und die Erfolglosigkeit des bisherigen Krisenmanagements eingestanden. Auf der 51. Jahrestagung 1996 einigten sich Weltbank und IWF auf ein spezielles Hilfsprogramm, um den ärmsten und hochverschuldeten Ländern (Heavily Indebted Poor Countries - HIPCs) zu helfen. (vgl.: Hoering, 1999, S.113-116) Mit der von der Weltbank 1996 lancierten Entschuldungsinitiative HIPC, beschlossen die Geberregierungen, Schuldenerlasse an die Durchführung eines sechsjährigen Strukturanpassungsprogramms mit dem IWF zu knüpfen. Erst wenn die Länder diese Auflage erfüllt hatten, konnten sie auf einen Teilerlass ihrer Schulden hoffen. Dies war auch Bestandteil der 1999 in Köln beschlossenen Erweiterungen der HIPC Initiative zur Armutsbekämpfung, basierend auf nationalen Plänen. Die Koppelung von Schuldenerlassen an Strukturanpassungsprogramme war allerdings ein verheerender Schlag für viele Entwicklungsländer, da SAPs aus bereits erwähnten Gründen hochproblematisch und für die Masse der Bevölkerung eher armutsfördernd sind.
Die im Zuge der neuerlichen SAPs verlangte umfangreiche Öffnung der Märkte, die einseitige Förderung der Exportwirtschaft und die umfassende Aufhebung staatlicher Regulierungen hatten wiederum nur geringe und ungleich verteilte Wachstumserfolge aufzuweisen, an deren ökonomischer und vor allem ökologischer Nachhaltigkeit zudem gezweifelt werden muss. Gleichzeitig aber stieg der Schuldenstand der Länder weiter. Als Strategie, um zur Schuldenrückzahlung möglichst schnell Devisen erwirtschaften zu können, wurde den Ländern von Weltbank und IWF empfohlen, den Export von Rohstoffen auszubauen. Das Ziel der „nachhaltigen Entwicklung“ rückte dabei gänzlich in den Hintergrund. Neben den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fehlentwicklungen der SAPs brachten die Programme aber auch politische Probleme mit sich. Die zahllosen und zum Teil sehr detaillierten Vorgaben der SAPs beschnitten die Regierungen der kreditnehmenden Länder in ihren Möglichkeiten, Außenwirtschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik usw. zu gestalten. Damit untergruben sie das Vertrauen der Bevölkerung in die politischen Strukturen der Länder.
„Even the Bank admits that with adjustment lending its ,role in a country tends to become more politicized.’” (Caufield, 1996, S.195)
Letztlich handelte es sich auch um eine direkte Interessenpolitik der industrialisierten Länder gegenüber den Entwicklungsländern, denn die Industrieländer hatten und haben in den Entscheidungsgremien von IWF und Weltbank das Sagen. (siehe ebd. S.7) Oft genug wurden dadurch Programme mit Maßnahmen wie Marktöffnung und Privatisierung durchgesetzt, welche vorrangig im Interesse des Nordens liegen. (vgl.: www.erlassjahr.de/07_sap/07_einfuehrung.htm) Dieses Interesse, so zeigt das Festhalten der Weltbank an den Strukturanpassungsmaßnahmen auch in Verbindung mit der Entschuldungsinitiative, besteht primär in der Wiederherstellung der Schuldendienstfähigkeit und in der Protektion des Einflusses der Gläubigerländer auf die Schuldnerstaaten. (vgl.: Hoering, 1999, S.119)
5.2. Nationale Armutsstrategien PRSP
Auch die Verantwortlichen gestehen mittlerweile ein, dass die bisherige Anpassungspolitik reformierungswürdig ist. Im Zusammenhang mit den schweren Finanz- und Wirtschaftskrisen am Ende der 90er Jahre mehrte sich die Kritik an den SAPs auch von offizieller Seite. Vom Koalitionsvertrag der rot-grünen Regierung bis hin zum ehemaligen Chefökonom der Weltbank Joseph Stiglitz wurde gefordert, die enge makroökonomische Ausrichtung von SAPs um soziale und ökologische Ziele zu erweitern.
Eine externe Evaluierung der Strukturanpassungsprogrammen des IWF (1998) bescheinigte das Versagen der Konditionalitätenpolitik und machte fehlende nationale Identifikation mit den harten Reformmaßnahmen und die Flut an Vorgaben, die mit SAPs verknüpft sind, für die geringen Erfolge der Programme verantwortlich. Im Zusammenhang mit den in Köln 1999 vereinbarten Schuldenerleichterungen für die 41 als arm und hoch-verschuldet eingestuften HIPC-Länder, präsentierten IWF und Weltbank dann einen neuen Ansatz: Zukünftig sollen SAPs auf Armutsstrategien aufbauen, die von den Regierungen der kreditnehmenden Länder selbst unter Einbeziehung ihrer Zivilgesellschaften entwickelt werden sollen. Die Reduzierung der Armut soll herausragendes Ziel aller Reformbemühungen werden.Die HIPC-Länder müssen dennoch auch weiterhin erst IWF-SAPs durchführen, bevor der Schuldenerlass gewährt wird, die aber jetzt auf den nationalen Armutsstrategien (PRSP = Poverty Reduction and Growth Facility) aufbauen sollen.
Der neue Ansatz der PRSP bedeutet aber kaum einen wirklichen Neuanfang in der Anpassungspolitik, denn die PRSP müssen dem IWF und der Weltbank vorgelegt und von diesen genehmigt werden. Beide Institutionen haben in diesem Zusammenhang gewarnt, dass nur solche Pläne akzeptiert werden, die „vernünftigen wirtschaftspolitischen Grundsätzen“ verpflichtet sind. Was als vernünftig gilt, wird dabei weiterhin in Washington entschieden. Da es sich die hochverschuldeten und sehr armen Länder der HIPC-Initiative nicht leisten können, auf die zugesagten Schuldenerleichterungen zu verzichten, ist zu befürchten, dass sie in vorauseilendem Gehorsam Papiere vorlegen, die kaum von den bisher üblichen Strategien abweichen.
Mittlerweile haben fünf Länder ein vollständiges PRSP vorgelegt und eine weitere Reihe von Ländern haben sogenannte Zwischenpapiere erarbeitet. Die nationalen Prozesse gestalten sich schwierig und besonders die zivilgesellschaftliche Partizipation hinkt in den meisten Ländern hinter den Erwartungen zurück. Auch in der inhaltlichen Gestaltung von SAPs hat sich wenig verändert: Zum Teil haben Weltbank und IWF noch kurz vor dem Abschluss der PRSP-Prozesse mit den Ländern neue SAPs abgeschlossen, anstatt erst einmal das Ergebnis der nationalen Prozesse abzuwarten. Seit es die HIPC-Initiative gibt hat sich der Schuldendienst der HIPC-Gruppe gerade einmal um 1,1 Mrd. US-Dollar reduziert. Im gleichen Zeitraum haben die HIPC-Länder 35 Mrd. US-Dollar Schuldendienst an die nördlichen Gläubiger überwiesen. Für Länder wie Mali, Guinea, Niger oder Ruanda hat sich der Schuldendienst zwischen 1998 und 1999 sogar weiter erhöht. Viel zu viele Länder müssen immer noch zuviel aus ihren jeweiligen Haushalten in den Schuldendienst statt in die Armutsbekämpfung oder Infrastrukturentwicklung stecken.
Selbst Weltbank und IWF gestehen mittlerweile ein, dass die ärmsten hochverschuldeten Länder weiterhin mit einer großen Schuldenlast konfrontiert sein werden, und auch die Bundesregierung selbst ist von einer dauerhaften Entschuldung keineswegs überzeugt.
(vgl.: Unmüßig, 2001, S.6) Trotzdem haben Weltbank und IWF trotz anderslautender Versprechen bisher kaum Anstrengungen unternommen, den Zusammenhang von makroökonomischen und strukturpolitischen Reformen auf soziale Auswirkungen zu überprüfen. Wenn aber künftig alle Elemente von Wirtschaftsprogrammen dem Ziel der Armutsbekämpfung dienen sollen, müssen auch Reformmaßnahmen unvoreingenommen hinsichtlich ihrer Armutswirkungen analysiert werden. Die bisherigen Anpassungsprogramme haben das eindeutig nicht geleistet. (vgl.: www.erlassjahr.de/07_sap/07_einfuehrung.htm) Das Schuldenproblem bleibt trotz HIPC für die überwiegende Mehrheit der Entwicklungsländer weiterhin ein schwerwiegendes Entwicklungsproblem, da der hohe Schuldendienst den entwicklungspolitischen Handlungsspielraum einengt und besonders die Sozialhaushalte begrenzt. Darum besteht eine unübersehbare Kohärenz zwischen dem Schulden- und Armutsproblem. (vgl.: Kaiser/Schwarz, 2000, S.129)
5.3. Alternative Evaluierung SAPRI
Bereits Mitte 1995 machten NGOs aus dem Weltbankpräsidenten James Wolfensohn den Vorschlag, die von der Weltbank seit den achtziger Jahren verfolgten Strukturanpassungsprogramme einer gründlichen Auswertung zu unterziehen, wobei die betroffenen Bevölkerungsgruppen selbst zu Wort kommen sollten. Ziel sollte eine systematische Bestandsaufnahme der SAPs „von oben und unten“ sein, die zugleich Richtungen für Reformen der Strukturanpassungspolitik aufzeigt. Im Laufe längerer Verhandlungen wurden Methodendiskussionen geführt, Richtlinienpapiere erstellt und Länder ausgesucht, deren SAPs es auszuwerten gelte. Gleichzeitig verbreiterte sich das Spektrum der beteiligten nichtstaatlichen Akteure und umfasste schon bald über 1200 Organisationen wie Gewerkschaften, Frauengruppen, Menschenrechtsinitiativen, Entwicklungs- und Umwelt-NGOs oder Verbände von kleinen und mittelständischen Unternehmen aus 65 Ländern. Im Juli 1997 wurde dann die Structural Adjustment Participatory Review Initiative (SAPRI) gemeinsam von der Weltbank und dem genannten Zusammenschluss nichtstaatlicher Organisationen offiziell in Washington eröffnet. Letztere haben sich mittlerweile zum Structural Adjustment Participatory Review International Network (SAPRIN) zusammengeschlossen, um in der Auswertung der SAPs dem organisatorischen „Moloch“ Weltbank entschlossen entgegentreten zu können.
SAPRIN hat einen ca. 40-köpfigen internationalen Vorstand, in dem die nichtstaatlichen Organisationen aus dem Süden mit zwei Drittels, die aus dem Norden mit einem Drittel vertreten sind. (vgl.: www.berlinet.de/blue21/SAPRIN-Artikel.htm) Im Rahmen des SAPRI- Prozesses haben sich in sieben Ländern zivilgesellschaftliche Organisationen gemeinsam mit Regierungen und der Weltbank mit den Folgen von SAPs auseinandergesetzt.
Die Initiative für eine partizipatorische Überprüfung der Strukturanpassung begann 1997 mit der Evaluierung von Anpassungsprogrammen in sieben Ländern (Bangladesh, Ecuador, Ghana, Ungarn, Mali, Uganda und Simbabwe). In einer Reihe von anderen Ländern bzw. Regionen (Argentinien, Brasilien, Kanada, Mexiko, Philippinen und Zentralamerika) wurden in den folgenden Jahren Wirkungsanalysen ohne Beteiligung der Regierungen und/oder der Weltbank begonnen.
Allen Prozessen ist gemein, dass auch die Erfahrungen der „normalen Bevölkerung“ in die Auswertungen einfließen sollen. Entsprechend wurden eine Reihe von Foren in den beteiligten Ländern durchgeführt, an denen Vertreter verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen teilnahmen. Darüber hinaus einigte man sich auf eine „partizipative Methode“ für die durchzuführenden Feldstudien. Im September 2001 wurden länderbezogene sowie sektorübergreifende Ergebnisse der Initiative auf einem internationalen Forum in Washington, DC präsentiert. Obwohl es sich bei dem SAPRI-Prozess um einen mehrjährigen, gemeinsamen Prozess zwischen der Weltbank, Regierungen und zivilgesellschaftlichen Gruppen handelt, scheint es, als sei die Weltbank nicht bereit, die Ergebnisse zu akzeptieren und daraus Lehren für ihre zukünftige Anpassungspolitik zu ziehen. Die vom Weltbank-Präsidenten vielbeschworene Partizipation und ownership droht damit zu einer Farce zu werden. Nach fünfjähriger Arbeit liegen jetzt die Ergebnisse der Initiative für eine partizipatorische Überprüfung der Strukturanpassung vor.
Auf zahlreichen Länderforum, durch unabhängige nationale SAPRI-Teams, auf Distrikt-, Provinz- und Regionaltreffen trugen Vertreter zivilgesellschaftlicher Gruppen (insbesondere Gewerkschaften, Assoziationen von Gewerbetreibenden, Bauern, indigene Gruppen, Umwelt-, Menschenrechts-, Frauen- und Jugendorganisationen usw.) Material und Erkenntnisse zusammen, die in die zehn Fallstudien Eingang fanden. Nicht in allen Fällen konnte die angestrebte Durchführung unter Beteiligung der Weltbank, der nationalen Zivilgesellschaft und der jeweiligen Regierung realisiert werden. Vor allem die Weltbank ging in dem auf Distanz als deutlich wurde, dass grundlegende Veränderungen in ihrer Politik notwendig wären, würde sie SAPRI ernsthaft betrieben wollen.
(vgl.: www.weedbonn.org/we/wesd0102.htm)
6. Schlussbemerkung
Die internationale Entwicklungspolitik verfehlte trotz einiger makroökonomischer Erfolge ihr Ziel, die Massenarmut zu bekämpfen und das Nord-Süd-Gefälle abzubauen, da sie sich für kommerzielle, ökonomische und außenpolitische Ziele zweckentfremden ließ. (vgl.: Kaiser/Schwarz, 2000, S.135) Die Bearbeitung der eingangs aufgestellten These zeigt, dass die Weltbank an diesem Misserfolg in hohem Maße partizipierte, da sie auf die Warnungen der Kritiker und auf interne Erkenntnisse bezüglich der sozialen Folgen ihrer Strukturanpassungspolitik auf unzureichende, und für die sich entwickelnden Länder auf zum Teil verheerende Art und Weise reagierte. Gründe für die, in den Augen der Weltbankkritiker, ungenügende Reaktion sind unter anderem die organisational verhärteten, bürokratischen Strukturen innerhalb der Institution Weltbank, vor allem aber das auch heute noch vorhandene - wenn auch im Wandel begriffene - programmatische Leitbild einer makroökonomisch effizienten und rationalen Entwicklungspolitik gegenüber der sog. Dritten Welt. Die Weltbank war und immer primär darum bemüht, die Schuldendienstfähigkeit und Kreditwürdigkeit der Entwicklungsländer zu erhalten, was besonders die ersten beiden Phasen ihrer Strukturanpassungspolitik unterstreichen. Doch auch wenn man der Weltbank im zeitlichen Verlauf der Programme eine sukzessiv gestiegene Sensibilität für sie sozial- politischen Auswirkungen ihrer SAPs zugestehen muss, bleibt ihr Blick für die Probleme der Ärmsten getrübt. Sogar neuere Projekte, wie die Entschuldungsinitiative werden an die Implementierung von SAPs verknüpft, und alternative Evaluationsprogramme lassen eine aktive, selbstkritische Partizipation der Weltbank vermissen. Die Strukturanpassungsmaßnahmen mögen aus volkswirtschaftlicher Perspektive sinnvoll erscheinen, unterminieren aber jegliche solidarisch-selbstlosen Absichten zur Unterstützung der Entwicklungsländer und bewirkten bewiesenermaßen oft nur oberflächliche und makroökonomische Quasi-Verbesserungen in den betroffenen Staaten.
Die metaphorische Forderung der rational-ökonomischen Neoliberalisten, man solle den Armen nicht einen Fisch zum Stillen des Hungers, sondern eine Angel geben, verkommt zur Farce angesichts des vorherrschenden Protektionismus, der ungleichen Zugangsmöglichkeiten und des Technologievorsprungs der Industrienationen auf dem „Weltmeer“ des globalen Marktes. Die Weltbank hat es bisher nahezu versäumt, die wirklichen Probleme der armen Menschen dieser Erde zu bekämpfen. Oder mit den Worten des großen mexikanische Schriftsteller Octavio Paz: „Ich erfuhr, dass Politik nicht nur Handlung, sondern auch Teilnahme ist; es geht nicht darum, Menschen zu verändern, sondern darum, sie zu begleiten, einer von ihnen zu sein.“
Literaturverzeichnis
Monographien:
Cassen, Robert: „Entwicklungszusammenarbeit“,
Bern, Stuttgart 1990
Caufield, Catherine: „Masters of Illusion: The World Bank and the poverty of nations”, New York 1996
Deutsche Bundesbank: „Weltweite Organisationen und Gremien im Bereich von Währung und Wirtschaft“,
Frankfurt a. M. 1997
George, Susan und Fabrizio Sabelli: „Kredit und Dogma: Ideologie und Macht der Weltbank“, Hamburg 1995
Hoering, Uwe: „Zum Beispiel IWF & Weltbank“,
Göttingen 1999
Kaiser, Karl und Hans-Peter Schwarz (Hrsg.): „Weltpolitik im neuen Jahrhundert“, Bonn 2000
Kaiser, Martin und Norbert Wagner: „Entwicklungspolitik:
Grundlagen - Probleme - Aufgaben“,
Bonn 1991
Nohlen, Dieter (Hrsg.): „Kleines Lexikon der Politik“,
München 2001
Nuscheler, Franz: „Das Nord-Süd-Problem“ in: Grundwissen Politik,
Bonn 1997
Sandner, Paul und Michael Sommer: „IWF-Weltbank Entwicklungshilfe oder finanzpolitischer Knüppel für die ‚Dritte Welt’? “,
Stuttgart 1992
Tetzlaff, Rainer: „Weltbank und Währungsfonds - Gestalter der Bretton-Woods-Ära“,
Opladen 1996
Woyke, Wichard (Hrsg.): „Handwörterbuch Internationale Politik“,
Bonn 2000
Zeitungen/Zeitschriften:
Barber, Benjamin in: Ostsee-Zeitung, 09./10.02.2002
Stiglitz, Joseph: „Die Schatten der Globalisierung” in: Stern, Nr.11, 07.03.2002
Online-Publikationen:
Hoering, Uwe: „Strukturanpassung, Armutsbekämpfung und Grundbildung in Sambia und Uganda“ Duisburg 2000
www.weedbonn.org
Unmüßig, Barbara und Peter Wahl: „Stückwerk oder konsequente Reform?
Weed Stellungnahme zum Papier des Bundesfinanzministeriums“,
Bonn 2001
www.weedbonn.org
Internet:
http://www.erlassjahr.de/07_sap/07_einfuehrung.htm
Autor: unbekannt
Last modified: 01-04-2002
http://www.berlinet.de/blue21/SAPRIN-Artikel.htm
Autor: Philipp Hersel
Last modified: 01-04-2002
http://www.weedbonn.org/we/wesd0102.htm
Autor: unbekannt
Last modified: 01-04-2002
http://www-wds.worldbank.org/servlet/WDSServlet?pcont=details&eid=000178830_98101911514070 “Structural and sectoral adjustment: World Bank experience, 1980-92, Operations Evaluation Study”
Autor: World Bank
Last modified: 01-04-2002
- Arbeit zitieren
- Benjamin Kunde (Autor:in), 2001, Kritik und Reaktion: Die soziale Dimension der Strukturanpassungsprogramme der Weltbank seit den 80er Jahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106828
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