Die Hauptvertreter des Föderalismusgedankens in Deutschland von der Neuzeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts


Hausarbeit (Hauptseminar), 1997

23 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Föderalismusdiskussion in der frühen Neuzeit: Föderalismus oder Souveränitätslehre
2.1 Der Föderalismusgedanke im Werk des Johannes Althusius
2.1.1 Biographische Skizze
2.1.2 Der Entwurf der ”Politica methodice digesta“
2.1.3 Der Gegensatz zur Souveränitätslehre Bodins

3 Föderalismus und Machtkontrolle - Föderalistische Entwürfe der Aufklärungsepoche
3.1 Die Argumente der ”FederalistPapers“
3.2 Supranationaler Föderalismus und Friedenssicherung - Die Utopie Kants

4 19.Jahrhundert: Föderalismuskonzepte im Spannnungsfeld von sozialer und nationaler Frage
4.1 Karl Gerog Winkelblech
4.2 Constantin Frantz
4.2.1 Kurzbiographie
4.2.2 Deutschland als mitteleuropäische Föderation
4.2.3 Ständischer Föderalismus statt repräsentative Demo-kratie

5.Schlußbetrachtung

1 Einleitung

In dieser Arbeit soll anhand einiger ausgewählter Vertreter die Entwicklung der Föderalismusidee im politischen Denken von der Neuzeit bis zum 19. Jahrhundert nachgezeichnet werden.

Unter Föderalimus wird heute ein Staatsstrukturprinzip verstanden, nach welchem ein Gesamtstaat regional in Gliedstaaten unterteilt ist, wobei sowohl auf Gesamtstaatsebene als auch auf Gliedstaatsebene wesentliche Elemen- te der Staatlichkeit vorkommen. Heute wird der Föderalismus scharf vom Korporationismus unterschieden, bei dem die Glieder Stände oder Berufsge- nossenschaften sind. Allerdings hat sich dieser moderne Föderalismusbegriff erst mit der Zeit herausgeschält, und deshalb ist es wohl berechtigt, wenn in dieser Arbeit ausführlich auch solche Konzepte dargestellt werden, die man heute eher als Ständestaat bezeichnen würde. Daraus, daßFöderalis- mus im wesentlichen ein Staatsstrukturprinzip ist und keine ”großepolitische Idee“ ergibt sich bereits, daßder Föderalismus in der politischen Diskussion häufig eher ein Anhängsel bildet zu den großen Fragen der Zeit. So stellt sich denn die Frage von föderalistischem oder zentralistischem Staatsaufbau im16./17.Jahrhundert im Zusammanhang mit dem Problem des staatlichen Machterhalts im Zeichen konfessioneller Spaltung. In der Aufklärung wird Föderalismus dann (unter anderem) als ein Mittel zu dem Zweck gesehen, die staatliche Macht im Inneren zu zähmen oder kriegerische Aggressionen zwischen Staaten einzudämmen. Bei einigen Denkern des19.Jahrhundert wie- derum spielt der Föderalismus im Zusammenhang mit dem Problem sozialer Gerechtigkeit eine wichtige Rolle. Es wird versucht, in dieser Arbeit solche Zusammenhänge zu verdeutlichen. Daher wurden vor allem solche Vertreter des Föderalismusgedankens ausgewählt, die in gewisser Weise represäntativ für eine Strömung ihrer Epoche sind, und in deren Werk der Föderalismus eine zentrale Rolle spielt. Auch kam es vor allem darauf an, dem Föderalis- mus in der politischen Ideengeschichte nachzuspühren und nicht die staats- rechtliche Entwicklung des Föderalismus in Deutschland zu verfolgen. Für die Aufklärungsepoche weicht diese Arbeit davon ab, nur deutsche Vertreter zu besprechen. Die wesentlichen Impulse zur Weiterentwicklung des Födera- lismusgedankens kamen zu dieser Zeit von John Locke, David Hume und Montesqieu. Viele ihrer Argumente finden sich gebündelt wieder in den ”Fe- deralist papers“. Um nun nicht diese Autoren einzeln darzustellen und auch wegen der großen Bedeutung der ”FederalistPapers“wirddeshalbandie- ser Stelle eine knappe Darstellung der wichtigsten Gedanken der ”Federalist Papers“ gegeben.

An Literatur wurden soweit wie möglich die Werke der besprochenen Autoren verwendet, daneben ausgewählte Sekundärliteratur und historische Standardwerke.

2 Föderalismusdiskussion in der frühen Neu- zeit: Föderalismus oder Souveränitätslehre

2.1 Der Föderalismusgedanke im Werk des Johannes Althusius

Föderalistische Auffassungen vom Aufbau der Gesellschaft und des Staa- tes waren unter den Denkern des ausgehenden Mittelalters durchaus ver- breitet. Sie standen meist im Zusammenhang mit bestimmten theologischen Ideen, insbesondere mit der Vorstellung des Weltganzen als eines hierar- chisch gerodneten, vielfach geschichteten Kosmos. Durch die Reformation erhielt der Föderalismusgedanke - vertreten vor allem durch die Gruppe der Föderaltheologen - wesentlichen Auftrieb, mußten sich doch die reformierten Fürstentümer des deutschen Reiches gegenüber der katholischen kaiserlichen Oberhoheit behaupten. Aber auch in der politischen Wirklichkeit des 16.Jahr- hunderts spielte der Föderalismus eine bedeutende Rolle. Nicht zuletzt baute der Augsbuger Religionsfrieden 1555 mit dem Prinzip des cuius regio eius re- ligio bei gleichzeitiger Anerkennung der beiden Hauptkonfessionen im Reich auf der faktisch vorhandenen föderlistischen Struktur des deutschen Reiches auf. Dieser in die ständische Gesellschaftsordnung des 16.Jahrhunderts einge- bette Föderalismus wie er im Deutschen Reich herrschte, ist es, den Johannes Althusius in seinem politiktheoretischen Hauptwerk, der digesta“, ebensowohl empirisch beschreibt wie propagiert.

2.1.1 Biographische Skizze

Johannes Althusius wurde im Jahre1557in Diedenhausen, einem kleinen westfälischen Dorf, geboren. Möglicherweise ein uneheliches Fürstenkind er- hielt Johannes Althusius eine optimale Föderung durch seinen Landesherren, den Grafen von Sayn und Wittgenstein. Er ermöglichte Althusius Rechtswis- senschaften zu studieren, zunächst in Köln, dann in Basel und Genf. Insbe- sondere die Aufenthalte in den letzteren beiden Städten vermittelten Althu- sius prägende Bildungseinflüsse durch den neuzeitlichen Humanismus sowie durch den Calvinismus. Unmittelbar nach Abschlußseines Studiums im Jah- re1586wurde er an die Universität Herborn berufen, wo er rasch aufstieg. In der folgenden Zeit verfasste er zahlreiche, meist juristische Schriften. Der Durchbruch gelang ihm jedoch mit seinem zuerst im Jahre1603erschienen umfassenden politikwissenschaftlichen Werk: ”Politica methodice digesta et exemplis sacris et profanis illustrata“, welches Althusius weithin bekannt machte und ihm schließlich 1604 das Amt eines Syndikus der calvinistischen Stadt Emden einbrachte. Der Magistrat erhoffte sich durch die Berufung von Althusius eine wirkungsvollere Vertretung gegenüber der ostfriesischen Landesherrschaft. Althusius enttäuschte die emdener Ratsherren nicht. Es gelang nach zähen Verhandlungen entgültige Vereinbarungen zwischen der Stadt Emden und dem Grafen von Ostfriesland zu erzielen. Bis zu seinem Tod im Jahre 1638 blieb Althusius - tortz lukrativer Angebote aus anderen Städten - in Emden, wo er weiterhin sowohl politisch als auch wissenschaft- lich tätig war. Im Jahre 1617 veröffentlichte er mit den ”Dicaeologicaelibri tres totum et universum jus“ ein umfassendes Kompendium der Rechtslehre seiner Zeit1.

2.1.2 Der Entwurf der ”Politica methodice digesta“

Obwohl Althusius ein ausgebildeter Jurist war, bestand er doch darauf, daßdie Politikwissenschaft neben der Rechtswissenschaft und auch neben an- deren Wissenschaften, wie Theologie oder Philosophie einen eigenständigen Platz einnehmen müsse. Im Unterschied zur Rechtswissenschaft beschreibt die Politikwissenschaft nach Althusius’ Auffassung die Lebenssachverhalte, deren normative Regelung die Jurisprudenz behandelt. In diesem Sinne einer (eher) empirischen, die Wirklichkeit beschreibenden Wissenschaft ist auch Althusius ”Politica“ zu verstehen2.

Was für eine große Rolle der Föderalismus in Althusius Werk spielt, wird schon daran deutlich, daßAlthusius nicht mit einer Darstellung der zentralen und wichtigsten Institutionen des Staates beginnt, sondern daßer zunächst beschreibt, wie die einzelnen Individuen kleine Gemeinschaften bilden, wie diese Gemeinschaften sich zu größeren Einheiten zusammenfügen, und wie sich zu guter Letzt über mehrere Zwischenstufen hinweg aus solchen Ein- heiten schließlich der Staat konstituiert. Die aus natürlichen Gemeinschaften auf eine gewissermaßen organische Weise zusammengestzte Gesellschaft be- zeichnet Althusius als consociatio symbiotica. An der untersten Stelle stehen dabei die einfachen und privaten Lebensgenossenschaften, womit Althusius vor allem Familie und Hausgemeinschaften meint. Sie sind nach Althusius naturgegeben und ihr Zusammenhalt beruht auf gegenseitigem Vertrauen und Hilfsbereitschaft.3 Daneben enstehen privatrechtliche Genossenschaften, die freiwillig und unter Umständen auch nur auf bestimmte Zeit geschlos- sen werden. Zu diesen gehören vor allem die Berufsgenossenschaften. Die privatrechtlichen Genossenschaften verfügen über eigenes Recht und eigenes Eigentum. Durch gemeinsames Handeln und Erleben, sowie Einmütigkeit (concordia) und gegenseitiges Wohlwollen wird die Verbundenheit der weit- gehend gleichberechtigten Mitglieder dieser Genossenschaften hergestellt. Es gibt nun verschiedene Klassifizierungen dieser Genossenschaften. Unter an- derem können sie den Ständegruppen von Adel, Klerus oder drittem Stand zugeordnet werden4.

Über den einfachen Lebensgenossenschaften und den privatrechtlichen Genossenschaften stehen die besonderen und allgemeinen politischen Ge- meinschaften. Die politischen Gemeinschaften umfassen stets ein bestimm- tes Territorium und schließen alle privatrechtlichen Genossenschaften und Lebensgemeinschaften dieses Territoriums in sich ein. Anders als die privt- rechtlichen Genossenschaften bestehen die politischen Gemeinschaften zu- mindest prinzipiell zeitlich unbegrenzt, und die Mitgliedschaft in ihnen ist nicht freiwillig, denn sie beruht auf einem Bund (pactus), was ausschließ- lich Gegenseitigkeit von Garantien und Verpflichtungen meint, und nicht auf einem Vertrag (contractus), der freiwillig geschlossen werden kann. Die po- litischen Gemeinschaften unterteilt Althusius wiederum in besondere bzw. engere und allgemeinere politische Gemeinschaften. Der wesentliche Unter- schied zwischen diesen beiden Gemeinschaftstypen besteht darin, daßdie en- geren politischen Gemeinschaften (zu denen Dörfer, Gemeinden und Städte zählen) unmittelbar von den einzelnen Bürgern gebildet werden, während in den allgemeineren politischen Gesellschaften die Bürger nur mittelbar als Angehörige besonderer Gemeinschaften vertreten sind.5 Die allgemeinste po- litische Gemeinschaft ist der Gesamtstaat.

Der Gesamtstaat setzt sich sowohl aus politischen Gemeinschaften als auch aus privatrechtlichen Genossenschaften zusammen. (Insbesondere die Ständeversammlungen spielen hierbei eine große Rolle). Die Herrschaftsge- walt (potestas universalis imperandi) in der allgemeinsten politischen Ge- meinschaft wird von ihren Gliedern getragen. Hieren stellt sich Althusius in bewußten Gegensatz zur Souveränitätslehre Bodins,6 nach der die Her- schaftsgewalt allein dem Monarchen bzw. der Majestät zukommt. Althusius schließt sich jedoch insoweit der Souveränitätslehre an, als auch er von der Unteilbarkeit dieser Gewalt ausgeht. Auch erlaubt Althusius die Delegation der Herrschatfsgewalt an eine Vertretung, doch warnt er ausdrücklich davor die gesamte Macht einer einzelnen Person in die Hände zu legen.7 Diejeni- gen, welche die Herrschaftsgewalt ausüben, bleiben an die Grenzen der ihnen übertragegenen Vollmachten gebunden. Überschreiten sie diese, so erlischt damit automatisch der Gerhorsamsanspruch gegenüber den Untertanen.8

Würdigung Es wäre müßig darauf hinzuweisen, daßder theoretische Ansatz des Althusius, der von der Ständegesellschaft des ausgehenden Mittelalters bzw. der frühen Neuzeit ausgeht, den heutigen Politikvorstellungen nicht mehr entspricht. Dennoch gibt es einige Aspekte, die seinen Ansatz nach wie vor beachtenswert erscheinen lassen.

Einmal kommt Althusius’ Begriff der consociatio symbiotica und des föderlistisch gegliederten Staates dem Subsidiaritätsprinzip sehr nahe. Althu- sius hebt immer wieder deutlich hevor, daßdie kleineren Gemeinschaften und insbesondere die privatrechtlichen Genossenschaften ihre inneren Verhältnis- se selbst regeln. Weiterhin erscheint dieser Begriff unter legitimatorischen Gesichtspunkten interessant. Indem Althusius nämlich den gewissermaßen vorstaatlichen Gesellschaftsaufbau in den Staatsaufbau einbezieht, werden Loyalitäten und Gruppenidentitäten unterhalb der Gesamtstaatsebene auto- matisch mitberücksichtigt. Dadurch kann die Interessenstruktur der Gesell- schaft wahrscheinlich akkurater wiedergegeben werden als durch eine politi- sche Repräsentation allein auf Gesamtstaatsebene. In diesem Punkt scheint Althusius’ Politikauffassung gegenüber manchen Gesellschaftsvertragstheo- rien überlegen, die von abstrakten Individuen ausgehen. Andererseits darf nicht vergessen werden, daßdie consociatio symbiotica des Althusius eine Gesellschaft von Ungleichen beschreibt. Zwar gibt es keinen unmittelbaren Widerspruch zum Gedanken der Gleichheit der Menschen, aber die normative Forderung nach gleichberechtigter politischer Partizipation aller Individuen läßt sich aus dem System des Althusius nicht ganz zwanglos ableiten.

Die wesentliche mit Althusius föderlistischer Konzeption verbundene Frage ist jedoch, ob ein solcher föderal gegliederter Staat lebensfähig und stabil sein kann. Sie soll im folgenden im Vergleich mit der etwa zur selben Zeit entstandenen Souveränitätslehre Bodins erörtert werden.

2.1.3 Der Gegensatz zur Souveränitätslehre Bodins

Jean Bodin (1529-1596) hatte bereits 27 Jahre, bevor Althusius seine ”Po- litica“ veröffentlichte, mit den ”six levres de la République“ einstaatstheo- retisches Werk geschaffen, dessen Grundsätze auf einen strikten Antiföder- lismus hinausliefen. Unter dem Eindruck der französischen Religionsunruhen im 16 .Jahrhundert fordert Bodin in diesem Werk, daßdie höchste Macht im Staat ungeteilt und unbeschränkt seien müsse.9 Diese unbeschränkte und ungeteilte Staatsmacht, die Bodin als souverainité bezeichnet, sieht er als de- finierendes Wesensmerkmal des Staates an. Insbesondere schließt für Bodin die Souveränität eines Staates aus, daßeinzelne Gruppen innerhalb des Staa- tes über eigene Herrschaftsmacht verfügen, da sonst der Bürgerkrieg droht.10

Bodins Theorie setzte sich mit dem Siegeszug des Absolutismus in der europäischen Staatenwelt auch unter den Staatstheoretikern durch, während Althusius in Vergessenheit geriet. Es stellt sich die Frage, inwieweit dies zu Recht geschah, d.h. ob Althusius föderalistische Konzeption unter den Be- dingungen der konfessionellen Spaltung in der Tat nicht tragfähig war.

Betrachtet man die historische Entwicklung des deutschen Reiches in der Zeit zwischen dem Augsburger Religionsfrieden 1555 und dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges, so springt als einer der wesentlichen Vorgänge, die zum Dreißigjährigen Krieg geführt haben, der Prozeßder schleichenden Säku- larisierung zahlreicher Kirchengüter ins Auge, in welchem protestantische Fürsten - meist mit sanftem Druck - diese Güter in die Hand ihrer Famili- en brachten. Zu Beginn des 17.Jahrhunderts hatte sich die Situation schon soweit zugespitzt, daßein Kompromißnur noch unter schwierigen Bedingun- gen möglich gewesen wäre, denn ein Nachgeben hätte für die katholische Seite bedeutet, auf ihre im Augsburger Religionsfrieden wohlverbrieften Rechte zu verzichten, für die protestantischen Fürsten aber geheißen, Güter, in deren Besitz sie nun schon seit einer geraumen Zeit waren, wieder aufzugeben. Die dadurch entstehende Konfliktlage wurde durch das Ausfallen zentraler Ent- scheidungsinstanzen11 zusätzlich verschärft. Einen Kompromiß- ohne Krieg - zu erzwingen, war der Habsburger Kaiser nicht mächtig genug12.

Im Ausbruch des Dreißigjährigen Kriges kann geradezu eine Bestätigung von Bodins Befürchtungen gesehen. Gleichzeitig offenbart dieser geschichtli- che Vorgang eine entscheidende Schwäche von Althusius Theorie: Althusius hatte den föderalen Staat statisch konzipiert. Seine Stabilität beruht letzlich auf dem Machtgleichgewicht der unterschiedlichen Gruppen und auf der Ein- haltung der Rechte. Was geschehen soll, wenn eine der Großgruppen ständig an Stärke zunimmt, so daßsich die andere schließlich vital bedroht fühlen muß, dafür ist aus Althusius’ ”Politica“keinRatzuholen.Innerhalbvon Bodins Ansatz stellt sich dieses Problem dagegen nicht, da es für Bodin von Anfang an darauf ankommt, der souveränen Majestät alle Macht zu sichern, so daßbei einem inneren Streit die Majestät in jedem Fall entscheiden kann.

3 Föderalismus und Machtkontrolle - Föderalistische Entwürfe der Aufklärungsepoche

3.1 Die Argumente der ”Federalist Papers“

Das Vorbild der vereinigten Staaten und die ”Federalist Papers“,diegewis- sermaßen die politische Philosophie zum amerikanischen Bundesstaat liefern, haben - wenn auch mit erstaunlicher Verzögerung - einen erheblichen Einflußauf das politische Denken in Europa ausgeübt. Der heutige Föderalismus- begriff entspricht im wesentlichen dem Föderalismuskonzept das in den ”Fe- deralist Papers“ beschrieben wird. Wegen der außerordentlichen Bedeutung der ”FederalistPapers“fürdieseEntwicklungdesFöderalismusgedankens soll daher kurz auf die wichtigsten Argumente dieses Werkes eingegangen werden.

Die ”Federalist Papers“ enstanden in den Jahren 1787/1788 im Vorfeld der Bildung des amerikanischen Bundesstaates. Sie bestehen aus einer Se- rie von Zeitungsartikeln, in denen ihre Autoren Alexander Hamilton, Ja- mes Madison und John Jay, für die Bildung eines echten amerikanischen Bundesstaates mit gestärkter Zentralgewalt warben.13 Während ein Teil der Artikel speziell die amerikanischen Verhältnisse betrifft, behandelt ein ande- rer Teil der Artikel die verschiedenen Aspekte eines föderalistischen Staates in grundsätzlicher Weise. Die wesentlichen Merkmale eines föderalistischen Staates (im Vergleich zu einem Staatenbund) sind dabei folgende:

- Außenpolitische Vorteile: Ein Bundesstaat ist nach außen hin mächtiger und geschlossener. Er kann daher die (prinzipell gleichgerichteten) sicherheits- und handelspolitischen Interessen der Gliedstaaten erfolgreicher wahrnehmen, als dies die Einzelstaaten alleine oder innerhalb einer losen, gegenüber den Spaltungsbemühungen äußerer Mächte anfälligen Konföderation leisten könnten.14
- Friedenspolitische Vorzüge: Die Aufgabe der einzelstaatlichen Sou- veränität bewirkt den Abbau von Drohpotentialen und gegenseitiger Gefährdung der Einzelstaaten. Dadurch werden außerdem die Verteidi- gungsausgaben gesenkt, und die Einzelstaaten gewinnen einen weniger militaristischen Charakter. Im Vergleich zu einem Vertrags- und Bünd- nissystem von Einzelstaaten garantiert ein Bundesstaat die größere Sta- bilität.15 (Dies ist vor allem deshalb interessant, weil die Möglichkeit einer stabilen Zwischenlösung zwischen Staatenbund und Zentralstaat oft geleugnet worden ist.)
- Zusätzliche Machtkontrolle durch vertikale Gewaltenteilung: Der ein- zelne Bürger ist sowohl vor der Machtanmaßung oder sogar dem Machtmißbrauch sowohl des Einzelstaates als auch des Bundesstaates geschützt, da die jeweils andere Ebene ein Gegengewicht bilden kann. Der Föderalismus erscheint damit neben der funktionalen Gewalten- trennung im Staat als ein zusätzliches Mittel um die Gewaltenteilung zu implementieren.16
- Umittelbare Beziehung des Bürgers zum Bundesstaat als Hauptwesens- merkmal: Die Autoren des ”Federalist“gehenrechtausführlichauf zahlreiche Einzelheiten der Kompetenzverteilung zwischen Bundesstaat und Gliedstaaten ein. Ein entscheidendes Merkmal ist, daßder einzel- ne Bürger in unmittelbare Beziehung zum Gesamtstaat tritt, indem er unmittelbar die Bundesregierung wählt und sich umgekehrt die Maß- nahmen der Bundesregierung und die Gesetzgebung des Bundesstaa- tes unmittelbar auf die einzelnen Bürger anstatt ausschließlich auf die Gleidstaaten beziehen. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu vie- len älteren Föderalismuskonzeptionen, nach denen die Glieder nur als Kollektive in der zentralen Einheit vertreten sind.17

3.2 Supranationaler Föderalismus und Friedenssiche- rung - Die Utopie Kants

Der Gedanke, daßdie Bildung eines föderalen Staates militärische Aggressio- nen zwischen den Gliedstaaten verhindern kann, spielt in Immanuel Kants18 1795 erschienener Schrift ”Zum ewigen Frieden“19 einezentraleRolle.Kant sieht nämlich in der Bildung eines Weltstaatenbundes die einzige realistische Möglichkeit, um den Frieden zwischen den Staaten dauerhaft zu sichern.

Bei seiner Argumentation für den Weltstaatenbund mußKant zwei (theo-retische) Probleme bewältigen. Einmal scheint das Konzept eines Weltstaa-tenbundes der völkerrechtlichen Forderung nach Unabhängigkeit und Selbst-bestimmung der souveränen Einzeltaaten zu widersprechen. Mit welchem Recht könnte daher Bildung eines Weltstaates gefordert werden, wenn dies nur unter Einschränkung elementarer völkerrechtlicher Prinzipien möglich ist? Die zweite Schwierigkeit besteht darin zu zeigen, daßdie Bildung ei-nes Weltstaates überhaupt herbeiführbar ist, da nun einmal die bestehenden Staaten kaum freiwillig ihre Souveränität abgeben werden.

Das erste Problem ist moralischer Natur. Kant beantwortet es, indem er darauf besteht, daßdie Freiheit der Staaten sich nicht auf das Recht zu zügellosem Gewaltgebrauch erstreckt. Zügelloser Gewaltgebrauch kann aber allein durch freiwillige Selbstkontrolle eines souveränen Staates nicht effektiv verhindert werden. Daher sind die Staaten moralisch verpflichtet, aus dem anarchischen Naturzustand, in welchem sie sich untereinander befinden, her-auszutreten, was durch die Bildung eines Gesamtstaates geschehen könnte. Diese Verpflichtung der Staaten, einen dauerhaften Friedenszustand zu schaf-fen, ähnelt Kant zufolge der moralischen Vepflichtung einzelner Menschenen, die in einem Hobbeschen Naturzustand leben, durch die Bildung eines Staa-tes einen Rechtszustand zu schaffen.20

Für das zweite Problem bietet sich als Königsweg der Föderalismus an. Ein Welteinheitsstaat würde zwar das Friedensproblem in idealer Weise lösen, aber ein solcher Staat ist unrealistisch und auch nicht unbedingt wünschens- wert, da die Eigenständigkeit der Völker auch bei Kant durchaus einen hohen Wert darstellt. Ein Weltstaatenbund würde jedoch bei den einzelnen Staaten auf weniger Widerstand stoßen. Denkbar wäre, daßeine einzelne und sehr mächtige Republik dazu die Initiative ergreift, denn Republiken sind nach Kants Auffassung naturgemäßweniger angriffslustig21 und würden daher ei- ne Eigenständigkeit, die sich positiv in der Möglichkeit erschöpft, Kriege vom Zaun zu brechen, weniger hoch schätzen als etwa Monarchien. Diese Repulik könnte dann das Zentrum eines sich nach und nach ausbreitenden Weltstaa- tenbundes abgeben.22

Kant geht nicht näher auf die technischen Details eines solchen Weltföderalismus ein. Dies ist verständlich, denn eine wesenliche Vorausst- zung für diese erhoffte Entwicklung bestand für Kant darin, daßsich die re- publikansiche - heute würde man sagen ”demokratische“-Staatsformdruch- setzten müßte, was zu seiner Zeit in Europa und in der Welt nur für die we- nigsten Staaten galt. Daher lag für Kant auch der in einiger Ferne. Wie ist die Kantsche Utopie eines ”Weltstaatenbund“noch ”Weltstaatenbundes“je- doch heute zu bewerten, nachdem die Demokratie sich inzwischen in einigen Teilen der Erde durchgesetzt hat?

Zwei Faktoren fallen unmittelbar auf, die Kants Annahmen zu widerspre- chen scheinen. Einmal hat sich gezeigt, daßauch Demokratieen sich sehr stark gegen die Aufgabe ihrer Souveränität sträuben. Dies erschwert die Bildung supranationaler Föderationen selbst bei ausschließlicher Beteiligung von De- mokratien. Zum zweiten hat sich erwiesen, daßsich Demokratien zumindest gegenüber nicht-demokratischen Staaten oft nicht weniger aggressiv verhal- ten als autokratisch geführte Staaten23. Dies ist ein Faktor, der der Bildung eines Weltstaatenbundes entgegensteht, da ein solcher Bund unterschiedliche Staatssysteme umfassen müßte. Dennoch zeigen Prozesse, wie die Entste- hung der Vereinigten Staaten von Amerika oder die Europäische Integration, die beide mit einer weitgehend erfolgreichen inneren Befriedung verbunden waren, daßKants Grundidee der Friedensstiftung durch Bildung einer Föderation eine realistische Grundlage hat.

4 19.Jahrhundert: Föderalismuskonzepte im Spannnungsfeld von sozialer und nationaler Frage

4.1 Karl Gerog Winkelblech

Eng mit den sozialen Fragen seiner Zeit verknüpft ist das Föderalismus- konzept von Karl Georg Winkelblech.24 Bei Winkelblech gewinnt das Wort Föderalismus eine umfassende Bedeutung. Er bezeichnet damit eine politi- sche, wirtschaftliche und soziale Ordnung. Den Ausgangspunkt seiner Überle- gungen bildet die föderale Eigentumsordnung. Dieser Begriff bezieht sich auf das Eigentum an natürlichen Resourcen (Naturkräfte). Die föderale Eigen- tumsordnung erlaubt jedem Menschen genau soviel Besitz an natürlichen Re- sourcen wie er mit seiner eigenen Arbeitskraft verwerten kann. Winkelblech grenzt diese Eigentumsordnung von der liberalen und kommunistischen Ei- gentumsordnung ab. Der liberalen Eigentumsordnung wirft Winkelblech vor, daßsie es Einzelnen erlaubt ihr Eigentum an den natürlichen Resourcen unbe- grenzt zu erweitern. Dies führt, da die menschliche Arbeitskraft ohne natürli- che Resourcen völlig nutzlos ist, zu einer geradezu sklavischen Abhängigkeit. Die föderale Eigentumsordnung betrachtet Winkelblech als ein Ideal, welches zwar nie ganz verwirklicht werden kann, an das aber eine Annährung möglich ist und - dies fordert die christliche Gerechtigkeit - angestrebt werden muß.

Dieses Ziel soll bei Winkelblech im Rahmen einer demokratischen po- litischen Ordnung verwirklicht werden. Das Regierungssystem teilt sich in gesetzgebende und Regierungskörperschaften, wobei die vollziehenden Or- gane den gesetzgebenden Organen untergeordnet sind. An der Spitze der Regierung steht ein Wahlkaiser, der für begrenzte Zeit aus dem Kreise ei- nes Verdienstadels gewählt wird. Das gesamte politische System ist föderali- stisch gegliedert, neben die Reichskammer treten Provinzialkammern, die in die Reichsgesetzgebung eingebunden sind.

Winkelblech betont ausdrücklich, daßes keine Trennung zwischen poli- tischer und sozialer Ordnung geben dürfe, womit er vor allem meint, daßPrivatwirtschaft und Privateigentum nicht völlig sakrosant seien dürfen und durch interventionsstaatliche Maßnahmen angetastet werden können. Win- kelblech skizziert in seinem Werk auch ein in hohem Maße interventions- staatliches Wirtschaftsmodell, in dem manche Bereiche ausschließlich öffent- lich bewirtschaftet werden, und in dem die privatwirtschaftlichen Bereiche in Zünften gegliedert sowie durch eine Erwerbsordnung genau geregelt sind. Die Erwerbsordnung legt unter anderem Grenzen fest, bis zu denen private Betriebe wachsen dürfen.25

Winkelblechs Vorschläge sind nie in die Tat umgesetzt worden. Die Ar- beiterbewegung, auf die er vor allem hatte Einflußnehmen wollen, tendierte eher in eine rein sozialistische Richtung. Ob die Umsetzung seiner Ideen die sozialen Probleme der Mitte des 19.Jahrhunderts wirksam hätte bekämpfen können, kann deshalb bestenfalls hypothetisch entschieden werden. Es wäre die Frage zu stellen, ob Winkelblechs zünftliche Wirtschaftsordnung ebenfalls jene Entwicklungsdynamik entfaltet hätte, durch die der Industriekapitalis- mus mit seiner raschen Kapazitätsausweitung nach der Jahrhundertmitte den Pauperismus als das drängenste soziale Problem schließlich zum Verschwin- den brachte.26

4.2 Constantin Frantz

4.2.1 Kurzbiographie

Ebenso wie Karl Georg Winkelblech und wie viele andere bedeutende Int- elektuelle seiner Zeit ging Constantin Frantz aus einem protestantischen Pfarrhaus hervor. Er wurde 1817 zu Oberbörnecke in der Nähe von Halb- erstadt in der preußischen Provinz Sachsen geboren. Im Jahre 1836 begann Frantz an der Universität Halle Mathematik und Physik zu studieren. Obwohl er schließlich über ein mathematisches Thema promovierte, scheint ihn die Beschäftigung mit der exakten Naturwissenschaft nicht wesentlich geprägt zu haben. Dafür hörte Frantz, nachdem er 1839 nach Berlin gewechselt war, nebenher mit großem Interesse philosophische und historische Vorlesungen - letztere bei Leopold Ranke.27 In philosophischer Hinsicht hat ihn, nach einer kurzen hegelianischen Phase, am nachhaltigsten die religiös gefärbte Gedan- kenwelt Schellings28 beeinflußt. Etwa zur selben Zeit begann Frantz damit, kleinere Schriften und Zeitungsartikel zu Themen der Politik und Philoso- phie zu schreiben. Durch eine philosophische Schrift auf ihn aufmerksam geworden, stellte ihn 1844 der preußische Kultusminister Eichhorn im Mini- sterium ein. Seitdem hoffte Frantz auf eine politische Karriere. Diese schien sich zunächst auch recht günstig zu entwickeln und Frantz blieb - abgesehen von einer kleinen Unterbrechung durch die Revolution - bis 1862 im preußi- schen Staatsdienst. Während dieser Zeit publizierte Frantz unermüdlich und brüskierte, obwohl seine Schriften von durchaus konservativem Geist waren, durch seine eigenwilligen Meinungen immer wieder Vorgesetzte un Gönner. Dies und die Tatsache, daßdie ihm angebotenen Posten oft nicht seinen ehr- geizigen Erwartungen entsprachen, trugen 1862 mit zu seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst bei. Seitdem hielt sich Frantz als freier Publizist über Wasser. Mit seinen politischen Ansichten geriet Frantz mehr und mehr in ei- ne Außenseiterposition, zumal er als strikter Befürworter einer großdeutschen Lösung das 1871 entstandene Bismarckreich entschieden ablehnte. Constan- tin Frantz starb 1891 in einem kleinen Ort in der Nähe von Dresden.29

Unter den zahlreichen Publikationen von Constantin Frantz sind beson- ders hervorzuheben: Seine beiden Denkschriften land“(1848) und ”Polen,Preussen,Deutsch- ”VonderdeutschenFöderation“( 1850 erJahre),worin Frantz sein deutschlandpolitisches Konzept einer mulitnationalen, mitteleuropäischen Födertion entwirft; das 1859 entstandene Werk ”Untersuchungen über das europäische Gleichgewicht“, worin er sich mit dem Zerfall des europäischen Gleichgewichtssystems auseinandersetzt und die Zunkunftsvision eines Systems von vier Weltmächten (Amerkia, Rußland, England, Frankreich) entwirft; schließlich Frantz’ 1879 entstandenes Werk ”Der Föderalis- mus, als das leitende Prinzip für die soziale, staatliche und internationale Or- ganisation [...]“, in welchem Frantz den Begriff des Föderalismus als ein um- fassendes, Staat, Gesellschaft und Wirtschaft prägendes Prinzip bestimmt30.

Auch wenn Frantz’ Schriften sich fast immer auf aktuelle politische Vorgänge bezogen, soll im folgenden weniger die Gedankenentwicklung von Constantin Frantz und die historische Porblematik seiner Entwürfe themati- siert werden, sondern es wird versucht, die mehr oder weniger gleich bleiben- den Grundideen seines Föderalismuskonzeptes darzustellen unter der Fra- gestellung, ob sich daraus möglicherweise Anknüpfungspunkte für die ge- genwärtige Diskussion ergeben. Einer zeitgemäßen Interpretation von Frantz stellen sich jedoch einige Schwierigkeiten in den Weg, die vor allem auf Frantz’ Denk- und Argumentationsstil beruhen. So sind Frantz’ Schriften durchsetzt mit Romantizismen31 und gelegentlich durch einen entschiedenen Antisemi- tismus stark verunziert.32

4.2.2 Deutschland als mitteleuropäische Föderation

Mehrfach hat Frantz Entwürfe für die staatliche Zukunft Deutschlands vor- gelegt, denen allen gemeinsam ist, daßDeutschland darin als eine offene mitteleuropäische Föderation beschrieben wird. So empfielt Frantz etwa in der 1860 erschienen Denkschrift ”DreiunddreißigSätzeüberdendeutschen Bund“33 einen deutschen Staat zu bilden, in welchem Preußen, Österreich und die restlichen Bundesgebiete als drei gleichberechtigte Partner vertreten seien sollten. Dieser Staat sollte jedoch nicht als nach außen abgeschlossener Nationalstaat entstehen (ohnehin würde er bereits mehrere Nationalitäten umfassen), sondern es sollte zumindest kleineren Nachbarstaaten ermöglicht werden, sich dieser Föderation ebenfalls anzuschließen.34

Schon in früheren Schriften hatte Frantz - damals allerdings noch stärker aus preußischer Sicht - Vorschläge zu einer deutsche-österreichisch- preußischen Föderation vorgelegt.35 Bemerkenswert sind insbesondere seine Denkschriften zur Polenfrage, worin er die Bildung einer preußisch-polnischen Föderation empfiehlt. Frantz sieht in einer solchen Föderation eine Möglich- keit die berechtigten nationalen Ansprüche der polnischen Bevölkerung (frei- lich nicht die demokratischen Ansprüche der polnischen Freiheitsbewegung) zum beiderseitigen Vorteil mit den Interessen Preußens zu versöhnen.36

Daßder Föderalismus für Frantz nicht bloßein Mittel zur Lösung politischer Gestaltungsfragen in Mitteleuropa sondern auch Selbstzweck ist, geht besonders daraus hervor, daßFrantz auch nach der Reichsgründung entschieden an seinen föderalistischen Plänen für Deutschland festhielt und das Bismarcksche Reich unter diesem Aspekt scharf kritisierte.37

Aus den verschiedenen Föderalismus-Entwürfen lassen sich in etwa folgende wesentliche Merkmale herausfiltern:

- Der Föderalismus soll das Nationalitätenproblem lösen, da in einer Föderation jede ihr angehörende Nationalität durch das föderale Prin- zip ihre Eigenständigkeit bewahren kann. Frantz erkennt sehr deut- lich die Ungerechtigkeiten und das Konfliktpotential, welches demge- genüber der Rückgriff auf das Nationalstaatsprinzip heraufbeschwört38.
- Ein föderaler Großstaat bietet gegenüber kleineren nach außen hin ab- geschlossenen Nationalstaaten große wirtschaftliche Vorteile, die sich aus der gegenseitigen Ergänzung der in ihm vereinten unterschiedli- chen Wirtschaftsregionen ergeben. Für Frantz bildet Deutschland in geographischer, historischer und wirtschaftlicher Hinsicht eher ein Netz- werk interdependenter Regionen. Diesem organischen Gebilde würde ein föderaler Staat eher entsprechen als ein vermeintlich gewaltsam konstruierter zentralistischer Staat.39
- Weiterhin geht Frantz davon aus, daßeine große mitteleuropäische Föderation sich gegenüber den Nachbarn Rußland und Frankreich so- wie auch auf internationaler Bühne besser behaupten kann. Gleichzeitig unterstellt Frantz, daßeine solche Föderation von Natur aus weniger aggressiv ist und deshalb weniger Argwohn unter den anderen Staa- ten hervorrufen wird. Das Letztere erscheint nicht unbedingt plausibel, und es stellt sich daher die Frage, ob die Frantzsche Föderation, die immer noch scharf gegen Rußland und Frankreich abgegrenzt bleibt, wirklich eine bessere friedenspolitische Perspektive geboten hätte als der Bismarcksche Machtstaat.40
- Über diesen mitteleuropäischen Föderalimus hinausgehend malt sich Frantz noch einen föderalen Weltvölkerbund aus. Seine eng an Novalis41 anknüpfenden Ideen, die auf eine Art christlicher Zwangsbeglückung der Welt unter deutscher Führung hinauslaufen, sind allerdings ebenso unrealistisch wie indiskutabel.42

Abgesehen von seinen Ausflügen in die politische Romantik erscheinen Frantz Gedanken in mancherlei Hinsicht zukunftsweisend. Dies gilt beson- ders für seine Relativierung der Bedeutung des Nationalstaates und auch für den von ihm nahegelegten Politikstil, welcher - im Gegensatz zum rein egoistischen Machtstaatsdenken - bei vernünftiger Berücksichtigung des Ei- geninteresses die Rechte anderer anerkennt (was am deutlichsten in seinen Schriften zur Polenfrage zum Ausdruck kommt). Dieser Eindruck relativiert sich jedoch wieder, wenn man untersucht, wie Frantz sich den inneren Aufbau seines föderalen Staates denkt.

4.2.3 Ständischer Föderalismus statt repräsentative Demokratie

Man würde zweifellos ein falsches Bild von Konstantin Frantz bekommen, sähe man in ihm nur den Visionär einer europäischen Friedenslösung. Abge- sehen davon war Konstantin Frantz nämlich ein entschiedener Reaktionär. Bereits 1846 hatte er - damals ein Angestellter des preußischen Kultusmi- nisteriums - ein scharfes Pamphlet gegen die “Constitutionellen” verfasst. Unter den konservativen Theoretikern seiner Zeit war es üblich Liberalis- mus und Demokratie als eine verschärfte Form von Staatsabsolutismus zu betrachten und dementsprechend zu brandmarken. Auf dieser Schiene fährt auch Konstantin Frantz, wenn er den gesellschaftlichen Föderalismus als heil- sames Prinzip dem demokratischen Repräsentativsystem entgegenstellt.

In seinem späten Werk zum Föderalismus weitet Frantz diesen Begriff zu einem umfassenden, die soziale wie die staatliche und internationale Ord- nung umfassenden Prinzip aus. Frantz Ideen zur internationalen Ordnung wurden bereits dargestellt. Seine Vorschläge zur Gestaltung einer sozia- len Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung lehnen sich an Winkelblech an und werden daher hier nicht noch einmal besprochen. Bleibt die Frage, wie Frantz sich das föderale politische System denkt. Die wichtigsten grundsätzli- chen Kritikpunkte,43 die Constantin Frantz gegen das repräsentative System anführt sind:

1. Echte Repräsentation ist unmöglich, da der Volkswille ohnehin nicht delegiert werden kann. Frantz untermauert dies durch eine Rechnung, die zeigen soll, daßbei Entscheidungen eines Repräsentativorganes in der Regel nur eine Minderheit des Volkes ihren Willen erhält.
2. Die gesetzgebenden Organe werden von Leuten gewählt, die nichts von der Gesetzgebung verstehen (nämlich vom Volk). Aus diesem Grund hat eine Volkswahl auch höchstens innerhalb der kleinsten Einheiten (Städte, Gemeinden) sinn.
3. Das Volk stellt beim Wahlakt keinen lebendigen Körper (d.h. keine durch organisierte Körperschaften strukturierte Gemeinschaft) mehr da, sondern einen bloßen Menschenhaufen. Dieser könne aber weder sinnvoll ein Repräsentationsorgan wählen noch durch den Wahlakt eine glaubhafte Legitimation bereitstellen. Die Vertreter sollten nach Frantz aus der Mitte von Körperschaften hervorgehen, da die Körperschaften über einen einheitlichen Geist verfügen, der auch ihre Vertreter durch- dringt.

Constantin Frantz empfiehlt aus all diesen Gründen ein mehrstufiges Sy- stem, bei welchem die Vetretungsorgane der umfassenderen Ebenen von Deli- gierten der jeweils niedrigeren Ebene gebildet werden. Nur auf Kreis- oder Ge- meindeebene sollen Wahlen stattfinden. Außerdem schlägt Constantin Frantz eine zweite Kammer vor, die sich aus Vertretern der Stände und Berufsge- nossenschaften zusammensetzten soll. Nach Frantz’ Vorstellung von Födera- lismus ist der Staatsbürger also nicht Bürger zweier Staaten (Gliedstaat und Gesamtstaat), sondern steht zumindest hinsichtlich seiner politischen Parti- zipationsrechte nur zur untersten Einheit des mehrstufigen Staates in unmit- telbarer Beziehung.44

Es erübrigt sich, im Einzelnen gegen diese Auffassungen nun den Ka- talog von Standardargumenten für die repräsentative Demokratie und das allgemeine Wahlsystem herunterzubeten. Auffällig ist, wie gering Constantin Frantz die politische Mündigkeit des einzelnen Bürgers veranschlagt. Auch ordnet Frantz den Bürger völlig dem Kollektiv von Gemeinde bzw. Berufsge- nossenschaft unter, so als wäre mit dieser Zugehörigkeit auch der politische Standpunkt schon vorgegeben. Mit diesem autoritären und kollektivistischen Zug erinnert Frantz ständischer Föderalismus nicht wenig an Althusius. Nur klingen solche Vorstellungen am Ende des 19.Jahrhunderts nicht so plausibel wie zu Beginn des 17.Jahrhunderts, weshalb denn auch Frantz empört forden muß, was Althusius noch mit gelassender Selbstverständlichkeit beschreiben konnte.

5 Schlußbetrachtung

An welche der hier dargestellten Werke könnte oder sollte die heutige Födera- lismusdiskussion auf der Suche nach historischen Vorbildern anknüpfen?

Am ehesten bieten sich hierfür ohne Zweifel die Federalist Papers an. Ein- mal entsprechen sie, da sie den Föderlismus in Verbindung mit der liberalen Demokratie zum Gegenstand haben, am meisten der heutigen Situation. Zum zweiten lassen sich zahlreiche der Argumente der Federalist Papers fast un- mittelbar auf die gegenwärtige Lage der Europäischen Union übertragen.

Aber auch Althusius Theorie trägt einige Züge, die ihn heute noch oder wieder interessant erscheinen lassen könnten. Althusius anthropologische Auffassung, daßder Mensch sich nur in einer Gemeinschaft mit anderen Men- schen verwirklichen könnte, und daßein natürlicher Altruismus existiert, der zumindest innerhalb kleinerer Gruppen für das Gemeinschaftsleben nutzbar gemacht werden kann, erinnert nicht wenig an heutige kommunitaristische Ideen.

Weniger als Vorbild geeignet erscheint dagegen Constantin Frantz. Seine politischen Entwürfe tragen immer einen gewissen autokratischen Zug. Man gewinnt bei Frantz öfters den Eindruck, als wolle er den Betroffenen ihre Rollen zuweisen, ohne ihnen zu erlauben, ihre Interessen und Ziele selbst zu definieren.

Literatur

1 Johannes Althusius: Politica. Faksimiledruck der 3.Auflage. Herborn 1614, Meisenheim am Glan 1961.
2 Jean Bodin: Les six Livres de la Republique avec lApologie de R.Herjin. Faksimiledruck der Ausgabe Paris 1583, o.O. (Meiesnheim am Glan?) 1961.
3 Constantin Frantz: Über die Gegenwart und Zukunft der preussischen Verfassung. Neudruck der Ausgabe Halberstadt 1846, Siegburg 1975.
4 Constantin Frantz: Polen, Preussen und Deutschland. Ein Beitrag zur Reorganisation Europas. Faksimiledruck der Ausgabe Halberstadt 1848, Siegburg 1969.
5 Constantin Frantz: Von der deutschen Föderation, Siegburg 1980. (Neu-druck der Ausgabe Berlin 1851).
6 Constantin Frantz: Der Föderalismus als das leitende Prinzip für die sociale, staatliche und internationale Organisation, unter besonderer Bezugnahme auf Deutschland, Mainz 1879.
7 Constantin Frantz: Deutschland und der Föderalismus, Hellerhau 1917.(Auszug aus dem zuvor genannten Werk, hrsg. von Franz Blei)
8 Alexander Hamilton / James Madison / John Jay: Die Federalist Pa-pers. Übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Barbara Zehnpfennig, Darmstadt 1993.
9 Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf,Stuttgart 1991. (Erscheinungsdatum der Erstausgabe: 1795)
10 Novalis (Georg Philipp Friedrich von Hardenberg): Die Christenheit oder Europa. Und andere philosophische Schriften, Köln 1996.
11 Karl Georg Winkelblech (alias Karl Marlo): Untersuchungen über die Organisation der Arbeit oder System der Weltökonomie. Erster Band, Kassel 1850, Zweiter Band, Kassel 1857.
12 Erik Wolf (Hrsg.): Johannes Althusius. Grundbegriffe der Politik. Aus ”Politicamethodicedigesta“.1603,Frankfurt/M1948.
13 Ernst-Otto Czempiel: Kants Theorem. Oder: Warum sind Demokratien (noch immer) nicht friedlich, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen (ZiB), 3.Jahrgang (1996), Heft 1, S.79-101.
14 Ernst Deuerlein: Föderalismus. Die historischen und philosophischen Grundlagen der föderativen Prinzips, München 1972.
15 Carl Joachim Friedrich: Johannes Althusius und sein Werk im Rahmen der Entwicklung der Theorie von der Politik, Berlin 1975.
16 Otto v. Gierke: Johannes Althusius und die Entwicklung der natur-rechtlichen Staatstheorien. Nachdruck der 3.Auflage von 1913, Meisenheim am Glan 1958.
17 Paulus Franciscus Hermanus Lauxtermann: Romantik und Realismus im Werk eines politischen Außenseiters, Utrecht 1979.
18 Heinrich Lutz: Das Ringen um die deutsche Einheit und die krichliche Erneuerung. Von Maximilian I. bis zum westfälischen Frieden, Berlin 1983.
19 Golo Mann: Deutsche Geschichte des 19. und 20.Jahrhunderts, Frank-furt /M 1992.
20 Eugen Stamm: Ein berühmter Unberühmter. Neue Studien über Kon-stantin Frantz und den Föderalismus, Konstanz 1948.
21 Hans-Ulrich bf Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Zweiter Band.Von der Reformära bis zur industriellen und politischen ”Deutsche Doppelrevolution“.1815-1845/49, München1987.
22 Peter Jochen Winters: Die ¿¿Politik¡¡ des Johannes Althusius und ihre zeitgenössischen Quellen. Zur Grundlegung der politischen Wissenschaft im16. und beginnenden17.Jahrhundert, Freiburg im Breisgau1963.

[...]


1 Zur Biographie von Althusius vgl. Carl Joachim Friedrich 15: Johannes Althusius und sein Werk im Rahmen der Entwicklung der Theorie von der Politik, Berlin 1975. - Vgl. Erik Wolf (Hrsg.) 12: Johannes Althusius. Grundbegriffe der Politik. Aus ”Politica methodice digesta“.1603, Frankfurt/M 1948, S.42-44.

2 Vgl. die Eineitung von Althusius, in: Wolf (Hrsg.) 12, a.a.O., S.3-12.

3 Vgl. Wolf(Hrsg.) 12, a.a.O., S.18ff.

4 Vgl. Wolf(Hrsg.) 12, a.a.O., S.25ff.

5 Vgl. Johannes Althusius 1: Politica. Faksimiledruck der 3.Auflage Herborn 1614, Meisenheim am Glan 1961, Cap. 9, Rn 5, S.168.

6 Vgl. Althusius, a.a.O., Cap. 9, Rn 20, S.170.

7 Vgl. Althusius, a.a.O., Cap. 9, Rn 19, S.170.

8 Vgl. Althusius, a.a.O., Cap. 18, Rn 41, S.289. - Zum Staats- und Gesellschaftsaufbau bei Althusius vgl. auch: Peter Jochen Winters: Die ¿¿Politik¡¡ des Johannes Althusius und ihre zeitgenössischen Quellen. Zur Grundlegung der politischen Wissenschaft im 16. und im beginnenden 17.Jahrhundert, Freiburg im Breisgau 1963, S.170ff. - Vgl. Otto v. Gierke 16: Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien. Nachdruck der 3.Auflage von 1913, Meisenheim am Glan 1958, S.226-263.

9 Vgl. Jean Bodin 2: Les six Livres de la République avec l’Apologie de R.Herjin. Faksimiledruck der Ausgabe Paris 1583, o.O. (Meisenheim am Glan?), 1961, Livre Premièr, Chap. VIII, S.122ff.

10 Vgl Bodin 2, a.a.O., Livre Quatrième, Chap. VII, S.634ff.

11 So wurde die Entscheidung des Reichskammergerichtes im sogenanten ”Vierkloster- streit“ von protestantischer Seite schließlich nicht mehr anerkannt, was allerdings nur einer der Kulminationspunkte des länger schwelenden und langsam exkalierenden Streits war. Vgl. Heinrich Lutz[[18]]: Das Ringen um die deutsche Einheit und die krichliche Erneuerung. Von Maximilian I. bis zum westfälischen Frieden, Berlin 1983, S.362-363.

12 Zur Vorgeschichte des Dreißigjährigen Krieges vgl. Heinrich Lutz 18, a.a.O., S.358ff.,S.393ff.

13 Zur Geschichte der ”FederalistPapers“vgl.dieEinleitungvonBarbaraZehnpfennig in: Alexander Hamilton / James Madison / John Jay[[8]]: Die Federalist Papers. Übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Barbara Zehnpfennig, Darmstadt 1993, S.1ff.

14 Vgl. Hamilton / Madison / Jay 8, a.a.O., Nr.3, S.61ff., Nr.4, S.64ff., Nr.5, S.69ff., Nr.11, S.100ff.

15 Vgl. Hamilton / Madison / Jay 8, a.a.O., Nr.7, S.78ff., Nr.8, S.83ff., Nr.10, S.93ff.

16 Vgl. Hamilton / Madison / Jay 8, a.a.O., Nr.45, S.289ff., Nr.51, S.319ff.

17 Vgl. Hamilton / Madison / Jay 8, a.a.O., Nr. 15, S.122ff.

18 Zur Biographie: Immanuel Kant (1724-1804) verbrachte fast sein ganzes Leben in Königsberg. Nachdem er 1781 sein philosophisches Hauptwerk Kritik der reinen Vernunft veröffentlicht hatte, verfasste er auch wieder verstärkt wissenschaftliche und politische Schriften. Unter seinen politischen Schriften sind außer der hier dargestellten Friedensschrift noch die Ideen zu einer Geschichte in Weltbürgerlicher Absicht (1784) und die Metaphysik der Sitten (1797) hervorzuheben.

19 Immanuel Kant 9: Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf, Stuttgart 1991.

20 Vgl. Kant 9 , Zweiter Definitivartikel zum ewigen Frieden. Das Völkerrecht soll auf einem Föderalism freier Staaten gegründet sein, S.16-18.

21 Vgl. Kant 9, Erster Definitivartikel zum ewigen Frieden. Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein, S.10-15.

22 Vgl. Kant 9, S.19-21.

23 Vgl. Ernst-Otto Czempiel 13: Kants Theorem. Oder: Warum sind Demokratien (noch immer) nicht friedlich, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen, 3.Jahrgang (1996), Heft 1, S.79-101. - Czempiels eigene Hypothese zur Erklärung dieses (empirisch ziemlich gesichert festgestellten) Phänomens läuft darauf hinaus, daßauch in den heutigen Demo- kratieen noch keine genügende Kongruenz zwischen denjenigen, die die Kreigslasten zu tragen haben, und denjenigen, die eine Kriegsentscheidung beeinflussen, besteht.

24 Zur Biographie: Winkelblech wure 1810 in Ensheim bei Wörstadt in Rheinhessen geboren. Er studierte Pharmazie und Chemie. Sein Interesse an sozialen Fragen wurde geweckt als er 1843 in Norwegen bei einem Fabrikbesuch mit dem Elend der Arbeiter konfrontiert wurde. Winkelblech beschäftigte sich daraufhin intensiv mit sozialen und wirtschaftlichen Fragen. In den Jahren 48/49 versuchte er (allerdings ohne allzu großen Erfolg) Handerwerker und Arbeiter für seine Ideen zu gewinnen. Winkelblech starb im Jahre 1865. - Vgl. Ernst Deuerlein: Föderalismus. Die historischen und philosophischen Grundlagen der föderativen Prinzips, München 1972, S.102-106.

25 Vgl. Karl Georg Winkelblech (alias Karl Marlo) 11: Untersuchungen über die Organisation der Arbeit oder System der Weltökonomie. Ersten Bandes erste Abteilung. Historischer Teil, Kassel 1850, S.347-383.

26 Zum Pauperismus vgl. Hans-Ulrich Wehler 21: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Zweiter Band. Von der Reformära bis zur industriellen und politischen ”DeutschenDop- pelrevolution“. 1815-1845/49, München 1987, S.281-296.

27 Leopold v. Ranke(1795-1886), einer der bekanntesten deutschen Historiker, entickelte eine empirisch-quellenkritische Historiographie mit staatsfreundlich konservativer Tendenz. Zu seinen Grunddogmen gehörte das Individualitätsprinzip, nach welchem jeder Staat und jede Epoche ihren eigenen Gesetzen gehorcht, die nicht übertragbar sind. Dieser Gedanker findet sich auch bei Frantz wieder.

28 Schelling (1775-1854) ist neben Fichte und Hegel einer der Hauptvertreter der philosophischen Schule des Deutschen Idealismus. Er erfand die Identitätsphilosophie nach welcher Natur und Geist eins sind. In seiner zunehmend religiös verbrämten Spätphilosophie, von der Frantz offenbar stark beeinflußt worden ist, deutet er die menschliche Geschichte als Heilsprozeß, in welchem sich Gott mit den Menschen vereinigt.

29 Zur Biographie vgl.: Eugen Stamm 20: Ein berühmter Unberühmter. Neue Studien über Konstantin Frantz und den Föderalismus, Konstanz 1948, S.143-157. - Vgl.: Paulus Franciscus Hermanus Lauxtermann 17: Romantik und Realismus im Werk eines politischen Außenseiters, Utrecht 1979, S.9-21.

30 Zu den wichtigsten Schriften von Frantz mit ausführlichen Zitaten: Lauxtermann 17, a.a.O.

31 Dazu gehören bei Frantz’ unter anderem: Der Rückgriff auf ein mythisch verklärtes Mittelalter, vor allem auf ein idealisiertes heiliges römisches Reich deutscher Nation; die Vorstellung, daßalle Völker bzw. Nationen ein je eigenes Prinzip verkörpern und einen je eigenen und nur sehr bedingt wandelbaren Wesenscharakter haben; der Glaube, daßjeder Staat eine besondere Idee verkörpert bzw. verkörpern soll, was letzten Endes auf eine Sa- kralisierung der Politik hinausläuft; das organische Staatsdenken mit seiner deskriptiven wie normativen Überbetonung von geographischen und historischen Bestimmungsfakto- ren; schließlich der Glaube an einen christlichen Missionsauftrag des Abendlandes und insbesondere Deutschlands.

32 Der Antisemitismus von Constantin Frantz, der leider nicht auf das zu seiner Zeit auch unter Gebildeten durchaus geläufige Ressentiment beschränkt bleibt sondern - religiös be- gründet - mit seiner Theorie vom christlichen Missionsauftrag Deutschlands in plausiblem Zusammenhang steht, soll hier nicht weiter breit getreten werden. Zur Kostprobe im- merhin: Constantin Frantz 6: Der Föderalismus als das leitende Prinzip für die sociale, staatliche und internationale Organisation, unter besonderer Bezugnahme auf Deutsch- land, Mainz 1879, S.352ff.

33 Vgl. Lauxtermann, a.a.O., S.58ff. - Frantz zog mit dieser Schrift ebenso wie mit den zuvor erschienen ”UntersuchungenüberdaseuropäischeGleichgewicht“dieKonsequenzen aus dem Krimkrieg, der für ihn den Zerfall des pentarchischen Gleichgewichtssystems markierte.

34 Ob allerdings Belgien oder die Schweiz begeistert gewesen wären sich als Juniorpartner einer deutschen Föderation anzuschließen ist fraglich. Auch wäre die von Frantz angebote- ne Alternative zum Deutschen Reich wohl wesentlich schwieriger zu verwirklichen gewesen als das Bismarckreich. Vgl. Lauxtermann 17, a.a.O., S.66-78. - Vgl. auch Golo Mann 19: Deutsche Geschichte des 19. und 20.Jahrhunderts, Frankfurt /M 1992, S.392f.

35 Vgl. Constantin Frantz 5: Von der deutschen Föderation, Siegburg 1980 (zuerst Berlin 1851).

36 Constantin Frantz 4: Polen, Preussen und Deutschland. Ein Beitrag zur Reorganisa- tion Europas. Faksimiledruck der Ausgabe Halberstadt 1848, Siegburg 1969. - Constan- tin Frantz: Betrachtungen über den Polonismus im Großherzogtum Posen und die damit zusammenhängenden politischen Verhältnisse, abgedruckt ebda., S.61ff. - Frantz Polen- Schrift mußfreilich vor dem Hintergrund der Zeit interpretiert werden, in welcher neben einer nur sehr kurzlebigen Polenbegeisterung bei den Liberalen die Politik der preußischen Regierung durch den rücksichtslosesten Interessenegoismus bestimmt wurde. Heutzutage würde eine solche Schrift wegen der darin immer noch deutlich zum Ausdruck kommenden ÜberheblichkeitEmpörung hervorrufen.

37 Vgl. Constantin Frantz 6: Der Föderalismus als das leitende Prinzip für die sociale, staatliche und internationale Organisation, unter besonderer Bezugnahme auf Deutschland, Mainz 1879, S.220ff.

38 Vgl. Frantz 5: Von der deutschen Föderation, a.a.O., S.87-122.

39 Vgl. Constantin Frantz 7: Deutschland und der Föderalismus, Hellerhau 1917, S.38ff.

40 Vgl. Lauxtermann 17, S.58ff.

41 Vgl. Novalis 10: Die Christenheit oder Europa. Und andere philosophische Schriften, Köln 1996, S.23-43.

42 Vgl. Frantz 7: Deutschland und der Föderalismus, a.a.O., S.154-216.

43 Frantz entwickelt seine Kritik am politischen System des Kaiserreichs gegen das er ei- nige sehr treffende Einwände erhebt (z.B.: Unausgewogenheit des Föderalismus durch die preußische Dominanz, ungenügende politische Kontrolle des Militärs). Hier sollen aller- dings nur Frantz’ prinzipielle Vorstellungen vom Design des politischen System dargelegt werden.

44 Vgl. Constantin Franz 7: Deutschland und der Föderalismus, a.a.O., S.7-37.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Hauptvertreter des Föderalismusgedankens in Deutschland von der Neuzeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Veranstaltung
Hauptseminar: Legitimationsprobleme des Föderalismus am Beispiels traditionsreicher Bundesstaaten
Note
2
Autor
Jahr
1997
Seiten
23
Katalognummer
V106905
ISBN (eBook)
9783640051809
Dateigröße
489 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In diesem kleinen Aufsatz werden einige Stationen der Geistesgeschichte des bundesdeutschen Förderalismus beleuchtet. Wer schon immer wissen wollte, was Althusius in Emden zu suchen hatte, obwohl er kein Ostfriese war, oder wie Constantin Frantz über Europa und das Bismarckreich dachte, der kann hier fündig werden.
Schlagworte
Hauptvertreter, Föderalismusgedankens, Deutschland, Neuzeit, Ende, Jahrhunderts, Hauptseminar, Legitimationsprobleme, Föderalismus, Beispiels, Bundesstaaten
Arbeit zitieren
Eckhart Arnold (Autor:in), 1997, Die Hauptvertreter des Föderalismusgedankens in Deutschland von der Neuzeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/106905

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