Horizontale Vereinbarungen im EG-Kartellrecht


Seminararbeit, 2002

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Formen der Zusammenarbeit
2.1 Normadressaten des Art 81 EG-Vertrag
2.2 Kartellfreie Kooperationen
2.3 Von Art. 81 erfasste horizontale Kooperationsformen
2.3.1 Forschung und Entwicklung
2.3.2 Zusammenarbeit in der Produktion
2.3.3 Einkaufsvereinbarungen
2.3.4 Verkaufsvereinbarungen
2.3.5 Gemeinschaftliche Regelung von Preisen, Quoten u.a. Konditionen

3 Aktuelle und zukünftige Herausforderungen
3.1 Die veränderten Rahmenbedingungen
3.2 Elektronische Marktplätze
3.3 Neue kartellrechtliche Herausforderungen bei virtuellen Unternehmen

1 Einleitung

In dieser Seminararbeit wird die Problemstellung horizontaler Vereinbarungen zwi- schen Unternehmen unter Gesichtspunkten des EG-Kartellrechts erörtert. Eine ho- rizontale Zusammenarbeit liegt dann vor, wenn Unternehmen, die auf derselben Marktstufe tätig sind, Vereinbarungen schließen oder ihre Verhaltensweise aufein- ander abstimmen. Eine solche Zusammenarbeit kann unter anderem in den Berei- chen der Forschung und Entwicklung, Einkauf, Vertrieb und Produktion erfolgen.

Horizontale Vereinbarungen können erheblichen wirtschaftlichen Nutzen erbringen und aufgrund sich immer schneller ändernder Rahmenbedingungen wird es für Unternehmen immer attraktiver, gegenseitige Zusammenarbeitsvereinbarungen zu treffen. Somit können Risiken geteilt, Kosten gespart, sowie Know-how gebündelt werden. Besonders Mittelstandsunternehmen stehen somit Möglichkeiten zur Ver- fügung, die sie ohne die Zusammenarbeit mit ihren Wettbewerbern nicht hätten erreichen können.1

Solche Kooperationen können jedoch auch zu erheblichen Wettbewerbsproblemen führen. Dies ist dann der Fall, wenn die an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen gemeinsam die Preise oder Produktionsmengen festsetzen oder sich gar die Märkte untereinander aufteilen. Wettbewerbsnachteile können z.B. negative Auswirkungen bei der Entwicklung von Innovationen, den Preisen der Produktion oder der Vielfalt und Qualität der Produkte sein.

Art. 81 des EG-Vertrags stellt den rechtlichen Rahmen für die Beurteilung horizon- taler Vereinbarungen dar. Hierbei ist zu beachten, dass stets die negativen Aus- wirkungen auf den Wettbewerb dem wirtschaftlichen Nutzen gegenüberzustellen und gegeneinander abzuwägen sind. Allerdings verwirklicht Art 81 EGV noch strik- ter das Verbotsprinzip als dies im deutschen Kartellrecht der Fall ist.2 Verboten, da „mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar“, sind nach Art. 81 Abs. 1 „alle Verein- barungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen“. Diese Vereinigungen müssen nach Art 81. Abs. 1 weiter dazu geeignet sein, „den Handel zwischen den Mit- gliedsstaaten zu beeinträchtigen“, sowie dazu in der Lage sein, den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu verhindern, einzuschränken oder zu ver- fälschen. Normadressaten von Art. 81 Abs. 1 sind somit die „Unternehmen“ im weitesten Sinne. Eine genauere Betrachtung des Unternehmensbegriffes erfolgt in Kapitel 2. Des Weiteren werden die verschiedenen Arten der Zusammenarbeit ge- nauer dargestellt. Ein hingegen ungeschriebenes Kriterium in Art. 81 ist das der Spürbarkeit. Nach der neuen Bagatellbekanntmachung der EU vom 15.10.19973 fallen Vereinbarungen zunächst nicht unter das Kartellverbot, wenn der erzielte Marktanteil der Vereinbarung unter 5% liegt. Allerdings wurden auf einer sog. „schwarzen Liste“ besonders wettbewerbsschädliche Klauseln zusammengefasst, die eine Vereinbarung unter das Kartellverbot fallen lassen. Somit kann die Kom- mission auch bei Vereinbarungen, deren relativer Marktanteil unter 5% liegt, tätig werden.

Abschließend werden in Kapitel 3 die Probleme angeschnitten, vor denen das EG- Kartellrecht vor allem in Zukunft aufgrund des rasanten Wandels der Wirtschaft stehen wird. Neue und einfachere Möglichkeiten der Kommunikation, die ausge- prägte Kurzlebigkeit virtueller Unternehmen sowie die immer schwerer werdende Nachweisbarkeit, dass es tatsächlich zu Absprachen zwischen Unternehmungen kam, stellt das EG-Kartellrecht vor ganz neue Herausforderungen. Hier ist die Fra- ge zu stellen, ob die bisherigen Regelungen des EG-Kartellrechts ausreichen, um den Wettbewerb in der gewünschten Intensität auch in Zukunft aufrecht zu erhal- ten.

2 Formen der Zusammenarbeit

2.1 Normadressaten des Art. 81 EG-Vertrag

Art. 81 Abs. 1 bezieht sich auf Unternehmen und Unternehmensvereinbarungen. Der Unternehmensbegriff ist hier umfassend und weit zu verstehen, womit sicher- gestellt wird, dass der Kreis der Normadressaten möglichst groß und die Wirkung der Vorschrift möglichst weitreichend ist, was im Interesse des gemeinsamen Marktes steht. Eine möglichst weite Definition des Unternehmensbegriffs wird er- reicht, indem man als Unternehmen „jede, eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben- de Einheit“ bezeichnet. Dabei ist ihre Rechtsform, Gewinnerzielungsabsicht sowie ihre Art der Finanzierung irrelevant.4 Entscheidend ist hier vielmehr nur die selb- ständige Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit.5 Auf die wirtschaftliche Größe eines Unternehmens kommt es ebenfalls nicht an, womit auch Einzelkaufleute den Wettbewerbsregeln unterliegen. Ferner wird bei den Wettbewerbsregeln auch nicht unterschieden, ob es sich um private oder öffentliche Unternehmen handelt.6 Weiter muss die unternehmerische Tätigkeit von einer gewissen Dauer sein.7 Un- ternehmen im Sinne des Art. 81 können außerdem alle natürlichen und juristi- schen Personen sein, außerdem Gesellschaften und Körperschaften, die gesetzlich behandelt werden, als hätten sie eine eigene Rechtspersönlichkeit.8 Als Beispiele seien hier lediglich Buchführungsgesellschaften, Fußballvereine und -verbände so- wie urheberrechtliche Verwaltungsgemeinschaften genannt. Auch Banken sind Unternehmen im Sinne von Art 81 EGV und unterliegen somit ebenfalls den Wett- bewerbsregeln.9

Art. 81 Abs. 1 EGV richtet sich nicht nur an Unternehmen an sich, sondern auch an Unternehmensvereinigungen. Unter dem Begriff der Unternehmensvereinigung sind vor allem Arbeitgeberverbände, Wirtschaftsverbände und Berufsorganisationen zu verstehen. Es wird weiterhin nicht unterschieden, ob es sich um einen privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verband handelt,10 womit auch der Begriff der Unternehmensvereinigung sehr weit gefasst ist.

Auch Konzerne unterliegen Art. 81 EGV. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit man wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen der Tochtergesellschaft ihrer Mut- tergesellschaft zurechnen kann. Von einer Zurechenbarkeit ist auszugehen, wenn die Unternehmen des Konzerns eine wirtschaftliche Einheit bilden und die Tochterunternehmen somit in ihrem Verhalten nicht mehr autonom sind, sondern völlig von den Weisungen der Muttergesellschaft abhängig sind. Im Einzelfall genügt hier auch eine Mehrheitsbeteiligung.11 Auf die in diesem Zusammenhang oft diskutierte Frage bezüglich sog. „konzerninterner Wettbewerbsbeschränkungen“ gibt es keine allgemeingültige Antwort; es kommt vielmehr auf den Einzelfall an. Oftmals gibt es zwischen den Konzernmitgliedern ohnehin keinen Wettbewerb mehr und, sofern Vereinbarungen zwischen den Mitgliedern nicht auf Dritte ausstrahlen, unterliegen sie auch keinem Verbot gemäß Art. 81 EGV.12

Nicht nur Unternehmen und Konzerne, sondern auch Staaten sind an Art. 81 ge- bunden. Er ist derart streng auszulegen, dass die Wettbewerbsregeln sogar auch auf in Drittstaaten ansässige Unternehmen anwendbar sind. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich die Vereinbarung auf das Hoheitsgebiet des gemeinsamen Marktes der EG erstreckt.13 Auch die Mitgliedsstaaten sind an die Wettbewerbsre- geln gebunden und dürfen auch nichts veranlassen, was die Wirksamkeit der Art. 81-89 EGV auszuschalten oder zu schwächen vermag. Außerdem dürfen die Mit- gliedsstaaten Unternehmen nicht genehmigen, gegen diese Vorschriften zu ver- stoßen.14 Nicht von den Wettbewerbsregeln erfasst werden „Träger öffentlicher Gewalt“. Ein Beispiel hierzu sind Vereinbarungen zwischen Gemeinden zur Erfül- lung öffentlicher Aufgaben.15

2.2 Kartellfreie Kooperationen

Eine Kooperation kann als „kartellfrei“ angesehen werden, wenn die tatbestands- mäßigen Voraussetzungen des Kartellverbots in Art. 81 Abs. 1 nicht erfüllt sind.16 Folglich ist jede unternehmerische Zusammenarbeit auf Wettbewerbsneutralität zu prüfen oder festzustellen, ob die oben genannten Tatbestände erfüllt sind. Das Ergebnis dieser Untersuchungen hängt von den Auswirkungen der Kooperation auf die Wettbewerbssituation im betrachteten Markt ab, die wiederum von den Gege- benheiten des jeweiligen Marktes abhängt, weshalb eine allgemeingültige Aussage hier nicht zu treffen ist.

Die Kooperationsbekanntmachung17 von 1968 sieht einen gewissen Informationsaustausch zwischen Unternehmen als sinnvoll und wettbewerbsrechtlich unbedenklich an. Durch die gemeinsame Sammlung und Auswertung von Daten sind Kosten- und Effizienzvorteile zu erzielen. Grundsätzlich unproblematisch ist die gemeinsame Sammlung allgemein zugänglicher Daten sowie die Weitergabe amtlicher Statistiken und, sofern keine Einschränkung der Handlungsfreiheit und keine Koordinierung des Marktverhaltens der Beteiligten damit einhergehen, ist die Weitergabe individueller Unternehmensdaten ebenso zulässig.

Bei Auftrags-, Umsatz-, Investitions- und Preismeldesystemen ist es besonders schwierig, zwischen wettbewerbsneutralen Informationen und solchen, die wett- bewerbsbeschränkendes Verhalten ermöglichen oder fördern, zu unterscheiden. Deshalb geht die Kommission grundsätzlich von einer Anwendung des Art. 81 Abs. 1 aus.

Bei Preismeldeverfahren liegt eine Verletzung des Art. 81 vor, wenn die Geschäfte eines oder mehrerer Beteiligten offen gelegt werden oder sie bei vorhandenen Marktkenntnissen eindeutig identifiziert werden können. Auch Umsatzmeldesyste- me und Informationsverfahren über Marktanteile sind wettbewerbsbeschränkend, wenn sie über wichtige Strategien und Verhaltensweisen der Unternehmung Auf- schluss geben.18 Besonders kritisch ist eine solche Vorgehensweise in einem oligo- polistischen Markt zu beurteilen, ebenso wie der Informationsaustausch über Prei- se, Umfang der Ausfuhren, Kapazitäten, Investitionen, laufende Produktion, Nach- frageentwicklung oder Auftragslage.19

Nach Ansicht der Kommission tragen gemeinsame Marktforschungsanstrengungen nicht zu einer Wettbewerbsbeschränkung bei. Aber auch hier gilt, dass Informati- onen, die normalerweise als streng vertraulich eingestuft werden und Unterneh- men automatisch oder auf Anfrage identifizieren, nicht ausgetauscht werden dür- fen. Ist ein Informationssystem kartellrechtlich relevant, kann es gemäß Art. 81 Abs. 3 freigestellt werden. Dies gilt z.B. für kleine Unternehmen, die aufgrund ih- rer wirtschaftlichen Größe ihre Vorhaben ohne ein solches Informationssystem nicht realisieren könnten. Voraussetzung für eine permanente Freistellung ist je- doch, dass es auch nach der Genehmigung des Informationssystems nicht zu ei- nem Parallelverhalten der Unternehmen auf dem Markt kommt.

Unbedenklich ist eine Zusammenarbeit in Bereichen, die das Angebot von Waren und Dienstleistungen sowie die wirtschaftlichen Entscheidungen von Unternehmen nicht betreffen. Hierzu seien beispielhaft die gemeinsame Buchführung, gemein- same Betriebs- und Steuerberatungsstellen sowie Kreditgarantiegemeinschaften genannt.

Werden Produktionsanlagen, Lager und Transporteinrichtungen gemeinsam ge- nutzt, liegt nur dann kein Tatbestand gemäß Art. 81 Abs. 1 vor,20 wenn die ge- meinsame Nutzung nicht über organisatorische und technische Regelungen hi- nausgeht.

Die Bildung von Arbeitsgemeinschaften zur Ausführung von Aufträgen ist kartell- rechtlich unbedenklich, sofern die an der Arbeitsgemeinschaft beteiligten Unter- nehmen nicht miteinander im Wettbewerb stehen oder alleine außerstande wären, die Aufträge durchzuführen.21 Unerheblich ist in diesem Fall, ob die Unternehmen in einem anderen Bereich im Wettbewerb stehen; lediglich das konkrete Umfeld ist für die Frage, ob die Arbeitsgemeinschaft kartellrechtlich von Bedeutung ist, inte- ressant.22

Die Kooperationsbekanntmachung erklärt den gemeinsamen Verkauf sowie Kun- den- und Reparaturdienste dann für unbedenklich, wenn sie von Nicht- Wettbewerbern vereinbart werden.23 Die kartellrechtliche Relevanz des gemein- samen Verkaufs kann nur mittels einer Spürbarkeitsprüfung entschieden werden, d.h. es wird die Frage gestellt, ob die Vereinbarung dazu geeignet ist, den Wett- bewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes spürbar zu beeinträchtigen.

Gemeinsame Werbung, die die Aufmerksamkeit des Käufers nur auf eine bestimm- te Branche lenken soll, schränkt den Wettbewerb nicht ein.24 Kartellrechtlich von Bedeutung sind solche Vereinbarungen nur, wenn gleichzeitig die Möglichkeit der eigenständigen Werbung eines Unternehmens eingeschränkt wird.25 Generell un- zulässig und nicht freistellungsfähig ist diskriminierende Werbung, die direkt gegen Konkurrenzprodukte gerichtet ist. Werden die Beteiligten in ihren individuellen Be- tätigungen nicht beeinträchtigt, fallen auch Gütezeichengemeinschaften nicht un- ter das Kartellverbot.26 Jeder Wettbewerber, dessen Erzeugnisse den definierten Qualitätsansprüchen genügen, muss jedoch die Möglichkeit haben, der Gütezei- chengemeinschaft beizutreten.27

2.3 Von Art. 81 erfasste horizontale Kooperationsformen

2.3.1 Forschung und Entwicklung

Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen werden sinnvoller Weise nach den verschiedenen Stadien der Kooperation beurteilt. Die puristische Forschung liegt weit vor dem Markteintritt der neu entwickelten Produkte und Technologien und eine Zusammenarbeit zwischen Unternehmen ist hier aus wissenschaftlicher Sicht sogar erwünscht und bringt Effizienzvorteile. Vereinbarungen in dieser Phase der Forschung und Entwicklung werden daher im Allgemeinen von Art. 81 Abs. 1 nicht erfasst.

Dieser Phase angelagert und kartellrechtlich wesentlich interessanter ist die Nut- zung der Forschungs- und Entwicklungsergebnisse, z.B. durch Lizenzierung, Pro- duktion und Verkauf. Die Vereinbarungen in dieser Phase unterliegen Art. 81 Abs. 1. Beträgt der relevante Marktanteil der kooperierenden Unternehmen weniger als 25%, wird eine Freistellung vom Kartellverbot ermöglicht. Bei einer ausreichenden Differenzierung wird der Wettbewerb wahrscheinlich nicht beschränkt und es kommt nicht zur Anwendung des Art. 81 Abs. 1. Das Hauptproblem bei For- schungs- und Entwicklungsvereinbarungen ist, dass nicht bestehende, sondern zukünftige Märkte zu beurteilen sind. Ist nur die Verbesserung bestehender Pro- dukte Gegenstand der Vereinbarung, bilden die bestehenden (inklusive der zu- künftigen, verbesserten) Produkte den relevanten Markt. Ein gänzlich neuer Markt entsteht hingegen, wenn bestehende Produkte oder Technologien derart verän- dert werden, dass sie ihren Vorgängern wenig ähnlich sind oder diese gar voll- ständig ersetzen.

Sog. „Hardcore-Beschränkungen“, also die Festlegung von Preisen, die Beschränkung der Produktion oder die Aufteilung von Märkten sind generell unvereinbar mit Art. 81 Abs. 1, auch wenn sie in einer Forschungs- und Entwicklungsvereinbarung enthalten sind.

2.3.2 Zusammenarbeit in der Produktion

Besonders für kleine und mittlere Unternehmen ist es sinnvoll, im Bereich der Produktion zusammenzuarbeiten. Oft sind Produktionsvereinbarungen zwischen diesen Unternehmen wettbewerbspolitisch unbedenklich, aber sogar zwischen großen Unternehmen können diese Vereinbarungen wettbewerbspolitisch unproblematisch und somit kartellrechtlich irrelevant sein.

Oft enthalten Vereinbarungen im Bereich der Produktion auch Klauseln über Pro- duktionsbeschränkungen oder die gegenseitige Herstellung von Gütern. Solche Vereinbarungen sind nur dann unbedenklich, wenn Produktions- bzw. Mindestab- nahmemengen nur als „Orientierungshilfe im Rahmen des normalen Bedarfs“28 dienen.

Finden Absprachen zur Abstimmung der Produktion statt, spricht man von sog. Rationalisierungskartellen. Vor allem, wenn sie unter Einsatz eines Gemeinschafts- unternehmens stattfinden, sind solche Kartelle als Wettbewerbsbeschränkung an- zusehen.

Von Spezialisierungsvereinbarungen spricht man, wenn sich die Kooperationspart- ner die Produktion untereinander aufteilen und zwar genau in dem Maße, dass sich jeder Partner auf seine spezifischen Stärken konzentriert. Wirtschaftlich be- trachtet sind solche Vereinbarungen zu begrüßen, da den beteiligten Unternehmen ein erheblicher Effizienzgewinn zugute kommen kann. Solche Vereinbarungen sind jedoch in der Regel an Verzichtserklärungen der Partner bezüglich der Herstellung von Produkten und gegenseitige Liefer- und Bezugsverpflichtungen geknüpft.29 Eine Beschränkung des Wettbewerbs liegt dann vor, wenn aufgrund dieser gegen- seitigen Verpflichtungen der Kooperationspartner Dritte davon ausgeschlossen werden, Geschäfte mit den Mitgliedern der Produktionsgemeinschaft zu machen.30 Auch Vereinbarungen über Investitionen und Kapazitäten, mit denen in der Regel die Probleme durch Überproduktion und beim Absatz gelöst werden sollen, fallen unter das Themengebiet der Abstimmung der Produktion. Ist mit einer solchen Vereinbarung nur ein besserer Informationsaustausch über die voraussichtliche Marktentwicklung verbunden, und wird dabei die Handlungsfreiheit der Unterneh- men nicht eingeschränkt, liegt kein Tatbestand nach Art. 81 Abs. 1 vor. Kommt es durch die Abstimmung von Investitionen zu Wettbewerbsbeschränkungen, kann mit einer Freistellung nur gerechnet werden, wenn die Vereinbarung nachweislich absolut notwendig für den Rationalisierungserfolg ist und zusätzlich keine weiteren Beschränkungen der Beteiligten damit verbunden sind.31

Sind Überkapazitäten strukturell bedingt, also im Falle einer Strukturkrise, können Kapazitätsabbau-Vereinbarungen (sog. „Strukturkrisen-Kartelle“) von der Kommis- sion freigestellt werden. Anzunehmen ist eine Strukturkrise, wenn ein Unterneh- men über einen längeren Zeitraum eine Minderauslastung hinnehmen musste und alle zugänglichen Marktinformationen nicht auf eine Besserung hoffen lassen.32

Normen- und Typenkartelle dienen der gemeinsamen Festlegung von Typen, Sor- ten oder anderen Kategorien der Produktion. Sie sind nicht zwangsläufig wettbe- werbsfeindlich, sie können sogar zu Produktivitätssteigerungen führen. Allerdings wird auch klar, dass die Festlegung von Normen auch eine wirksame Methode sein kann, Wettbewerber auszuschließen. Immerhin sind die potenziellen Vorteile sol- cher Vereinbarungen nicht von der Hand zu weisen, erhöht sich schließlich die Austauschbarkeit der Erzeugnisse zugunsten der Verbraucher.33 Nicht in Betracht kommt eine Freistellung dann, wenn mit dem Normen- und Typenkartell gleichzei- tig Preis-, Quoten- oder Konditionenabsprachen verbunden sind, die den Wettbe- werb der Beteiligten hinsichtlich Produktions- und Liefermengen, Preisen oder Be- dingungen einschränken oder gar aufheben.

2.3.3 Einkaufsvereinbarungen

Wiederum bei kleinen und mittleren Unternehmen besonders beliebt sind Zusam- menschlüsse im Bereich des Einkaufs. Dadurch können die Beteiligten ähnlich wie Großunternehmen in den Genuss von Mengenrabatten, Einsparungen bei den Transportkosten sowie einer verbesserten Lagerhaltung kommen. Nach der Kom- mission sind solche Vereinbarungen als kartellfrei anzusehen, sofern die Marktstel- lung der Beteiligten gering ist, keine Bezugsbindung oder Quotenregelungen vor- gesehen sind und wenn die Freiheit in der individuellen Verkaufspolitik nicht beein- trächtigt wird.34

Aufgrund der Marktstellung der betroffenen Unternehmen bzw. der Bedeutung der betroffenen Erzeugnisse können Einkaufsvereinbarungen aber wettbewerbsbe- schränkend im Sinne von Art. 81 Abs. 1 sein. In diesem Fall kann die Vereinbarung nach Art. 81 Abs. 3 EG freigestellt werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die beteiligten Unternehmen die Unerlässlichkeit ihrer Vereinbarung für das Errei- chen der Vorteile nachweisen können. Müssen allerdings mehr als 25% des Be- darfs über den gemeinsamen Einkauf erhalten werden, lehnt die Kommission hin- gegen eine Freistellung grundsätzlich ab. Kleine Unternehmen dürfen über diese Schranke jedoch hinaus.35

Auch Rationalisierungsbemühungen sind zu verneinen, wenn sie gleichzeitig an die Festsetzung von Einkaufspreisen oder Einkaufsquoten gebunden sind, aus denen in aller Regel gleiche Verkaufspreise resultieren oder es aufgrund von Ausschließlichkeitsbindungen zwischen Herstellern und Wiederverkäufern zu einer Kanalisierung der Importe kommt.36

Im Endeffekt relevant ist jedoch die eigentliche Wettbewerbsstruktur. Kommt es aufgrund der Einkaufsvereinbarung zu einer Nachfragemacht, die eingesetzt wird, um das Angebot zum Nachteil anderer Mitbewerber aufzuteilen oder zu beeinflussen, wird eine Freistellung gänzlich ausgeschlossen.

Von Einfuhrkartellen spricht man, wenn Importe in den gemeinsamen Markt gere- gelt werden. Es kommt hier nicht darauf an, ob die an der Vereinbarung beteilig- ten Unternehmen ihren Sitz innerhalb oder außerhalb des gemeinsamen Marktes haben, es ist jedoch eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitglieds- staaten erforderlich. Dies ist der Fall, wenn sich die Wettbewerbsbeschränkung nicht eindeutig auf ein bestimmtes Land lokalisieren lässt und dadurch die Wett- bewerbsstruktur des gesamten gemeinsamen Marktes beeinträchtigt wird. Eine solche Beeinträchtigung kann z.B. durch das Ausschalten eines wichtigen Wettbe- werbers oder durch Verbote von Direktimporten erreicht werden. Importkartelle müssen bei der Kommission angemeldet werden. Eine Freistellung vom Kartellver- bot kann analog den Einkaufskartellen erfolgen, wenn Preis-, Transport- und La- gerkostenvorteile erzielt werden und wenn wiederum keine Ausschließlichkeit des Bezugs und keine Beschränkung des Wiederverkaufs oder der Verwendung erfolgt. Eine Freistellung kann jedoch nicht erfolgen, wenn Importe verhindert, quotenmä- ßig beschränkt oder kanalisiert werden.

2.3.4 Verkaufsvereinbarungen

Grundsätzlich erklärt die Kooperationsbekanntmachung Verkaufsvereinbarungen als wettbewerbsbeschränkend, wenn nicht nur Regelungen über den gemeinsamen Verkauf unter Nicht-Wettbewerbern Gegenstand der Vereinbarung ist,37 sondern wenn auch miteinander im Wettbewerb stehende Unternehmen beteiligt sind. Finden solche Vereinbarungen unter Wettbewerbern statt, liegt der klassische Kartellfall vor, da der Preis- und Konditionenwettbewerb durch solche Verkaufssyndikate sehr stark eingeschränkt, bzw. sogar ausgeschaltet wird. Voraussetzung für eine Anwendung des Art. 81 Abs. 1 ist natürlich wieder eine spürbare Einschränkung des Wettbewerbs, sowie die Möglichkeit, dass es zu einer Einschränkung des Handels zwischen den EG-Mitgliedsstaaten kommt.

Nicht nur EG-weiten Verkaufskooperationen, sondern auch nationalen Verkaufs- gemeinschaften steht die Kommission kritisch gegenüber. Hier ist wiederum die Frage zu stellen, ob und in wie weit die Vereinbarung dazu geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten einzuschränken bzw. welche Art von anderen Handelsschranken durch die Vereinbarung zusätzlich aufgebaut werden. Unmittelbar beeinträchtigt wird der Handel zwischen den Mitgliedsstaaten dann, wenn sich der gemeinsame Verkauf auf Exporte in andere Mitgliedsstaaten erstreckt.

Auch EG-weite Absprachen zwischen Herstellern homogener Produkte aus verschiedenen Mitgliedsstaaten können dazu führen, dass das Angebot kanalisiert und uniformiert wird.38 Dies ist der Fall, wenn

- die Hersteller sich den Vertrieb ihrer Waren im Gebiet des anderen übertra- gen,
- ein Hersteller Aufträge, die im Gebiet eines Wettbewerbers auszuführen sind, an diesen abgibt,
- ein Hersteller bestimmte Mengen an den anderen liefert, nur um nicht selbst als Anbieter auf diesem Markt aufzutreten,
- der eine Hersteller zwar selbst mit Kunden auf seinem Markt Verträge ab- schließt, die Lieferung jedoch durch einen anderen Hersteller erfolgt („Mengenaustauschsystem“).39

Das Gemeinschaftsrecht kennt hingegen keine Sonderregelungen für Kartelle der Ausfuhr in Länder, die nicht innerhalb des gemeinsamen Marktes liegen. Somit fallen grundsätzlich alle diese Absprachen unter das Kartellverbot. Sind an solchen Absprachen auch Unternehmen aus verschiedenen Mitgliedsstaaten beteiligt, liegt eine wettbewerbsbeschränkende Koordinierung ihrer Verkäufe auch innerhalb der Gemeinschaft nahe. Wenn an einer Exportgemeinschaft mehrere Unternehmen aus ein und demselben Mitgliedsstaat beteiligt sind, ist das entscheidende Bewer- tungskriterium die Unternehmensgröße. Kleine und mittlere Unternehmen sind oft auf die Koordinierung ihrer Exporte in Drittstaaten angewiesen und haben somit Aussicht auf ein Negativattest oder gar auf eine Freistellung vom Kartellverbot. Ein Negativattest bescheinigt den Unternehmen die „Unschädlichkeit“ der von ihnen getroffenen Vereinbarung für den Wettbewerb innerhalb des gemeinsamen Mark- tes. Bei großen Unternehmen hingegen, die nicht nur die Exporte in Drittstaaten koordinieren, sondern auch den Absatz im Heimmarkt gemeinschaftlich regeln, kann die Exportvereinbarung zwar den Wettbewerb in Drittstaaten erhöhen, je- doch mit einer Beschränkung des Wettbewerbs im Heimmarkt einhergehen. Von einer Freistellung vom Kartellverbot wird hier in der Regel abgesehen.

2.3.5 Gemeinschaftliche Regelung von Preisen, Quoten und sonstigen Konditionen

Bereits an oberster Stelle im Katalog von Art. 81 Abs. 1 ist die Regelung von Prei- sen und Konditionen als besonderes Beispiel für Wettbewerbsbeschränkungen aufgeführt. Preis- und Konditionenabsprachen existieren in vielen Formen, in aller Regel werden sie als nicht freistellungsfähig nach Art. 81 Abs. 3 angesehen. Grundsätzlich verboten und mit geringen Aussichten auf Freistellung verbunden sind reine Preiskartelle.40 Laut Kommission gehören Preis- und Quotenabsprachen zu den schwersten Beschränkungen des Wettbewerbs überhaupt. Dabei ist nicht nur die Preisregulierung als Fest- oder Mindestpreis unzulässig, sondern sogar schon die Festlegung von Richtpreisen, da hier jeder Mitbewerber auf dem Markt sofort erkennt, welche Preispolitik seine Konkurrenten verfolgen. Die bloße Anpas- sung von Preisen deutet jedoch nicht zwangsweise auf eine verbotene abgestimm- te Verhaltensweise hin. Besonders in oligopolistischen Märkten ist ein Parallelver- halten der Preise öfter zu beobachten. Durch die hohe Markttransparenz fällt es den Unternehmen leicht, ihre Preise schnell an die des jeweiligen Konkurrenten anzupassen, ohne dass es dabei zu expliziten Absprachen hätte kommen müssen. Eine mittelbare Beeinflussung der Preise z.B. über Wirtschaftsverbände wird einer direkten Preisabsprache gleichgestellt.41 Die Festlegung von Quoten ist im Allge- meinen ebenfalls nicht freistellungsfähig, da sie nach Ansicht der Kommission „grundsätzlich ebenso wenig die Marktversorgung verbessern oder dem Interesse der Verbraucher dienen“.42

Preisähnliche Regelungen werden von der Kommission den Preisabsprachen gleichgesetzt. Unter solchen Regelungen kann man z.B. Exportunterstützungen oder die Verhinderung der Einfuhr von Billigprodukten verstehen. Diese sind auch als unzulässig zu betrachten, wenn staatliche Stellen daran mitgewirkt oder sie genehmigt haben.

Sofern die an einem Rabattkartell - d.h. bei kollektiven Vereinbarungen über die Gewährung von Rabatten - beteiligten Unternehmen keinen ausreichenden Hand- lungsspielraum mehr haben, fallen diese Vereinbarungen analog den Preisabspra- chen unter das Kartellverbot. Dies gilt einerseits für die Festsetzung von Mindest- preisen als auch andererseits für die von Höchstrabatten.43 Rabattkartelle können Drittunternehmen den Marktzutritt erschweren und auch den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten behindern. Letzteres ist z.B. nicht nur der Fall, wenn die Rabatt- vereinbarungen sich auf mehrere Staaten ausdehnen, sondern auch wenn sie den Sinn haben, Drittunternehmen vom heimischen Markt der kooperierenden Unter- nehmen fernzuhalten. Rabattvereinbarungen können auch das Ziel der Nichtge- währung von Rabatten haben. Dieses Problem stellt sich besonders in oligopolis- tischen Märkten, wo oft versucht wird, durch solche Vereinbarungen den Wettbe- werb auszuschließen, um somit homogene Preise zu erreichen.44 Je nach Gesamt- umsatz der Käufe können Verkäufer den Käufern Rabatte gewähren. Geschieht dies kollektiv unter mehreren im Wettbewerb stehenden Unternehmen, wird sich der Käufer dazu veranlasst sehen, seine Waren bei den Kartellmitgliedern zu be- ziehen, weil er größtmögliche Rabatte anstrebt. Dadurch werden Drittunterneh- men benachteiligt; bei besonders hohem Marktanteil des Gesamtumsatzrabatt- Kartells ist die Vereinbarung unzulässig.45 Auch Treuerabatte können eine ähnliche Wirkung wie Gesamtumsatzrabatte haben.

Werden zwischen im Wettbewerb stehenden Unternehmen kollektiv Konditionen festgelegt, so spricht man von einem Konditionenkartell. Beschränken solche Ver- einbarungen den Wettbewerb oder den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten, sind sie nach Art. 81 Abs. 1 verboten. In der Praxis zeigt sich oft, dass horizontale Konditionenbindungen bzw. -empfehlungen mit der Regelung von Preisen oder Preisbestandteilen verbunden sind und somit ebenfalls unter das Kartellverbot fal- len. Schwerwiegendere Wettbewerbsbeschränkungen resultieren aus kollektiven Vertriebsbindungen, die neben den Konditionen von Geschäften auch die Auswahl der Abnehmer innehaben, da sie die Absatzwege festlegen und zudem Parallelim- porte erschweren. Kollektive Vertriebsbindungen werden folglich von der Kommis- sion regelmäßig als unzulässig und nicht freistellungsfähig angesehen.46

3 Aktuelle und zukünftige Herausforderungen

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen haben sich in letzter Zeit rapide geändert. Es ist davon auszugehen, dass der rasante Technologiewan- del auch in Zukunft anhalten wird. Unternehmen passen sich an diese veränderte Umwelt an und werden diese auch als Chance nutzen, sich gänzlich neue Möglich- keiten zu erschließen. Das EG-Kartellrecht steht im Moment - und wird in Zukunft noch verstärkt - vor ganz neuen Problemen und Herausforderungen stehen.

3.1 Die veränderten Rahmenbedingungen

Der zunehmende Abbau staatlicher Handelsbeschränkungen führt zu einer Libera- lisierung des Weltmarktes und treibt die Globalisierung voran. Hinzu kommen die wesentlich verbesserten Kommunikationsmöglichkeiten durch die weltweite Ver- netzung mittels des Internets. Die Unternehmen sehen sich mit einem völlig neuen (globalen) Markt konfrontiert. Daraus resultieren oft überregionale Zusammen- schlüsse von Unternehmen sowie eine Konzentration auf Kernkompetenzen durch Spezialisierungsvereinbarungen.

Wettbewerbsrechtlich betrachtet führt die Vergrößerung der räumlich relevanten Märkte häufig zu einer Zunahme der potenziellen Wettbewerber und damit zu ei- ner Intensivierung des Wettbewerbs. Es ist allerdings zu beachten, dass in der Praxis Konzentrationstendenzen überwiegen und es dadurch zur Bildung enger Oligopole kommt.

Die Entstehung von neuen Märkten wurde in der Vergangenheit durch zunehmende Liberalisierung von Bereichen forciert, die früher staatlichen Monopolen vorbehalten waren. Ein eindrucksvolles Beispiel ist die Liberalisierung des deutschen Telefonmarktes, in dem es bereits nach kurzer Zeit zu einer enormen Intensivierung des Wettbewerbs kam.

In Hochtechnologiemärkten sind die Produktzyklen äußerst gering, neu entwickelte Produkte sind also schnell wieder veraltet. Unternehmen, die in solchen Märkten tätig sind, müssen sich vor allem durch Kreativität und Flexibilität auszeichnen.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich für Unternehmen die Notwendigkeit zur hori- zontalen Kooperation alleine schon aus dem Motiv der Ressourcenbündelung. Vor allem im Bereich der Grundlagenforschung entstehen hohe Lasten, die ein Unter- nehmen zunehmend schwerer alleine tragen kann. Wie schon an früherer Stelle erwähnt, werden Vereinbarungen im Bereich der Forschung und Entwicklung in der Regel von einem Kooperationsverbot freigestellt. In diesem Bereich kann das Internet zu einem schnellen Austausch der Forschungsergebnisse führen, aber mit seiner Hilfe kann es auch im Bereich des „Distributed Computing“ zu vor einiger Zeit unvorstellbarer Effizienz und geballter Rechnerleistung kommen. Auch kleine und non-profit-Unternehmen können dadurch intensiv Forschung und Entwicklung betreiben. Hier sei nur beispielhaft das „THINK“ - Projekt der University of Oxford und United Devices Inc. (UD) genannt.47 Es gibt allerdings noch eine Vielzahl an- derer frei zugänglicher „Distributed Computing“-Projekte im Internet, auf die hier jetzt nicht weiter eingegangen werden soll. Aber auch in Bereichen, in denen hohe Anfangsinvestitionen vonnöten sind, z.B. die Marktdurchdringung mit UMTS oder bei dem digitalen Pay-TV, ist die horizontale Zusammenarbeit unausweichlich. Das einstige Scheitern von DF148 und das aktuelle Insolvenzverfahren gegen Kirch Me- dia zeigen dies deutlich.

Schnelligkeit, Flexibilität und Innovation kreieren ein positives Klima für Marktneu- eintritte; gleichzeitig werden die Möglichkeiten der Marktteilnehmer, sich vom Markt abzuschotten, begrenzt. Die permanente Gefahr der Überholung von Pro- dukten und Produktfamilien sorgt dafür, dass bestehende Marktanteile zunehmend instabil werden.

Allerdings stellt sich das Problem, dass die extrem hohen Investitions- und Entwicklungskosten erhebliche Marktzutrittsschranken darstellen können, was die Anzahl der potenziellen Wettbewerber verringert.

3.2 Elektronische Marktplätze

Auch der Handel im Internet unterliegt dem EG-Kartellrecht und die Vertragspar- teien können auch hier gegen geltende Bestimmungen verstoßen. Elektronische Marktplätze im Internet bergen neben den teils erheblichen Vorteilen - wie z.B. die große Anzahl der im Wettbewerb stehenden Unternehmen sowie hohe Markt- transparenz - auch eine Vielzahl an potenziellen Wettbewerbsverstößen.

Unter dem Begriff „Elektronische Marktplätze“ verbergen sich unterschiedlichste Ausgestaltungsformen. Man kann sie wie folgt definieren: „Elektronische Markt- plätze stellen ein bestimmtes System von Lieferanten, Händlern, Dienstleistungs- bringern, Infrastrukturanbietern und Kunden dar, die das Internet zur Kommuni- kation und zur Durchführung von Transaktionen nutzen“.49 In der ersten Entwicklungsphase standen Plattformen, die von einem Anbieter zur Verfügung gestellt wurden. Käufer und/oder Verkäufer mussten an den Anbieter eine Gebühr entrichten, um auf dieser Plattform tätig zu werden. Diese Form eines Internetmarktplatzes ist vor allem für standardisierte Produkte geeignet, die dann in katalogähnlicher Weise angeboten werden.

Kartellrechtlich interessant ist, dass im Zuge der Entwicklung der elektronischen Marktplätze viele Anbieter ihre Selbständigkeit aufgegeben haben oder aufgeben mussten. Eine neue Phase in der Entwicklung der Marktplätze folgte, indem Kunden und Verkäufer immer öfter ihre eigenen Marktplätze gründeten, eine Entwicklung, die heute immer noch anhält.

Elektronische Marktplätze lassen sich auch nach ihrer Handelsstruktur klassifizie- ren. Hier sind vor allem Ausschreibungen und Auktionen von Interesse. Während sich der Käufer beim Ausschreibungsmodell verschiedene Angebote online anse- hen kann und sich danach für das für ihn passende entscheidet, gibt er bei Aukti- onen ein Angebot für eine Ware ab. Der höchstbietende Käufer erhält dann den Zuschlag.

Kartellrechtlich besonders von Interesse sind elektronische Marktplätze, die gemeinsam von im Wettbewerb stehenden Unternehmen zum Ein- bzw. Verkauf genutzt werden. Hier droht die Gefahr virtueller Kartelle. Für die nationalen und internationalen Kartellbehörden ist zu klären, ob es zu Behinderungen beim freien Zugang auf den Marktplatz kommt, ob die Vertraulichkeit beim Datenaustausch gewährleistet ist und ob das Betreiben des Markplatzes ein abgestimmtes Verhalten auf dem Markt begünstigt oder sogar dazu führt.

3.3 Neue kartellrechtliche Herausforderungen bei virtuellen Unter- nehmen

Als „virtuelle Unternehmen“ bezeichnet man die Zusammenarbeit rechtlich und ökonomisch selbständiger Unternehmen im Internet, die ihre Kernkompetenzen bündeln, um ein gemeinsames Ziel am Markt zu erreichen. Sie werden oft auf e- lektronischen Marktplätzen tätig. Eine bisher noch nicht eindeutig geklärte Frage ist, welcher Gesellschaftsform virtuelle Unternehmen zuzuschreiben sind.50 Auf diese Problemstellung soll aber hier nicht eingegangen werden. Wichtig ist nur, dass auch virtuelle Unternehmen zu den Adressaten des Art. 81 Abs. 1 gehören und somit in vollem Umfang dem EG-Kartellrecht unterliegen. Das heißt, sie ver- stoßen gegen geltendes Kartellrecht, wenn ihr Verhalten funktionierende Wettbewerbsmechanismen behindert oder gar außer Kraft setzt. Prinzipiell sind alle Aussagen aus den Kapiteln 2.2 und 2.3 auch auf virtuelle Unternehmen anwendbar, jedoch kommt es in der Praxis oft zu erheblichen Problemen.

Die Frage, ob ein virtuelles Unternehmen oder eine Zusammenarbeit zweier oder mehrerer virtueller Unternehmen den Wettbewerb spürbar beeinträchtigt, hängt unter anderem auch von der Dauer des Bestehens des virtuellen Unternehmens ab. Oft existieren virtuelle Unternehmen nur während der Dauer eines Projekts und lösen sich danach wieder auf. Kommt es während eines solchen Projektes zu von den Kartellbehörden erkannten Wettbewerbsverstößen, ist zum Zeitpunkt des Einschreitens der Behörden der Adressat von eventuellen strafrechtlichen Maßnahmen bereits nicht mehr vorhanden.

Weitere Probleme ergeben sich bei Absprachen unter den Kooperationspartnern. Als problematisch erweist sich hier der Nachweis, dass die getroffenen Absprachen den Wettbewerb auch spürbar beeinträchtigen. Noch viel schwerer ist es, ein ab- gestimmtes Verhalten überhaupt nachzuweisen, wenn das Internet zur Kommuni- kation genutzt wird, da die Möglichkeiten, sensible Daten sicher verschlüsselt und ohne Spuren über das Internet zu senden, bereits heute sehr weit fortgeschritten sind.

Fazit: Die rechtlichen Rahmenbedingungen der geltenden Wettbewerbsregeln sind theoretisch ohne Probleme auch auf virtuelle Unternehmen übertragbar. Virtuelle Unternehmen werden in Zukunft noch stärker an Bedeutung gewinnen und somit werden auch die Kooperationen zwischen virtuellen Unternehmen zunehmen, was eine dauernde Gefahr für den freien Wettbewerb darstellen wird. Für die Kartell- behörden wird es die größte Herausforderung sein, eine spürbare Wettbewerbsbe- schränkung festzustellen, nachzuweisen und in angemessener Zeit auch straf- rechtlich zu verfolgen. Dabei sollen die wesentlichen Vorteile, die sich durch die Zusammenarbeit virtueller Unternehmen ergeben, ebenfalls nicht verschwiegen werden: durch die Konzentration der Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen ist eine wesentlich effizientere Produktion möglich, was sich auch positiv auf den Wettbewerb und die Preise auswirken kann.

Literaturverzeichnis

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Schmidt, Ingo

Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 7. Auflage, Stuttgart 2001

[...]


1 Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit; ABl. Nr. C 003 vom 06/01/2001 Rz. 1-3

2 vgl. Bunte, WuW 1994, S. 7

3 ABl. 1997 C372/13

4 Emmerich, Kartellrecht §37

5 EuGH Slg. 1998, I-3886 (3895f.) „CNSD“

6 EuGH Slg. 1994, I-1508 (1518) = EuZW1994, 408 = JuS 1994, 882 Nr. 2 “Almedo”

7 EuGH 13.7.1962 „Ausgleichsklasse für Schrott“ Slg. 1962,653,675; 18.6.1975 „IGAV/ENCC“ Slg. 1975,699,713

8 Kommission, 23..4.1986 „Polypropylen“ ABl. 1986 L 230/1, 32 f.

9 EuGH v. 14.7.1981, Rs. 172/80 „Züchner / Bayerische Vereinbank“; Slg. 1981,2001

10 EuGH Slg. 1985, 391 (423 f.) „Clair“; EuG, WuW/E EuR293 (298 f. Tz. 13ff) „Cimenteries“

11 EuGH Slg. 1972, 619 (665) „ICI“; 1972, 787 (838) „Geigy“

12 Grdlg. EuGH Slg. 1996, I-5482 (5495ff. Tz 15ff.) = EuZw 1997, 84 = JuS 1997, 376 Nr. 11 „Viho- Parker”; Slg. 1999, I-8664 (8673 Tz. 18f.) = WM 2000, 569 „Allen”; BGHZ 81, 282 (288ff.) = NJW 1982, 1221

13 EuGH v. 20.6.1978, Rs. 28/77 „Tepea/Watts“; Slg. 1978, 1319

14 EuGH v. 16.11.1977, Rs. 13/77 „ATAB / INNO“; Slg. 1977, 2115 ; EuGH v. 7.11.1993, Rs. C-2/91 “Meng”; Slg. 1993, I-5751

15 EuGH v. 4.5.1988, Rs 30/87 „Bodson“; Slg. 1988,2479

16 vgl. Kommission, ABl. 1996 C291/10 „The Brittania Gas Condensate Field“ - Verneinung der spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedsstaaten.

17 ABl. 1968 C 75/3, berichtigt in ABl. 1968 C 93/3

18 Kommission, 8.9.1977 „COBELPA / VNP“ ABl. 1977 L242/10; 17.12.1980 „Gussglas“ ABl. 1980 L 383/19

19 vgl. Langen/Bunte „Art 81 Fallgruppen“ Rz. 13

20 Kooperationsbekanntmachung, II.4

21 Kooperationsbekanntmachung, II.5

22 Kommission, 5.12.1983 „VW / MAN“ ABl. 1983 L 376/11

23 Kommission, 23.2.1972 „Wild / Leitz“ ABl. 1972 L 61/27

24 Kooperationsbekanntmachung, II.7

25 Kommission 29.6.1970 „ASBL“ ABl. 1970 L 153/14; 10.7.1986 „Belasco“ ABl. 1986 L232/15 - bestätigt durch EuGH, 10.7.1989 Slg. 1989, 2117

26 Kooperationsbekanntmachung, II.8

27 Kommission 29.6.1970 „ASBL“ ABl. 1970 L 153/14; 16.10 1980 „Solnhofner Natursteinplatten“ ABl. 1980 L 318/32

28 vgl. Langen/Bunte 9. Auflage, S1943, Rz. 81

29 s. auch bei Mestm ä cker, S 340

30 Kommission, 22.7.1969 „Clime Chappée Buderus“ ABl. 1969 L 195/1; 23.12.1977 „JAZ/Peter II“ ABl. 1978 L 61/17; 5.12.1983 „VW/MAN“ ABl. 1983 L 376/11

31 Kommission 23.12.1975 „URG“ ABl. 1976 L 51/17

32 Kommission, 8. WB Ziff. 42 „Kunstfasern“; 11. WB Ziff. 46 „Kunstfasern“

33 Kommission, 15.12.1986 „X Open Group“ ABl. 1987 L 35/36

34 Kommission, 5.12.1979 „Lab“ ABl. 1980 L 51/19; vgl. EuGH, 25.3.1981 „Coöpertieve Stemsel-el Kleurselfabriek“ Slg. 1981, 851

35 Kommission, 15.7.1974 „Frubo“ ABl. 1974 L 237/16 - bestätigt durch EuGH, 15.5.1975 Slg. 1975, 563; Kommission, 9.7.1980 „National Sulphuric Acid“ ABl. 1980 L 260/31

36 Kommission 18.9.1980 „IMA-Statut“ ABl. 1980 L318/12; 2.12.1977 „CBR“ ABl. 1978 L 20/18

37 Kooperationsbekanntmachung, II.6; Rn.33

38 EuGH, 3.7.1985 „Binon/AMP“ Slg. 1985, 2015

39 Langen/Bunte, Band I, 9. Auflage „Art 81 Fallgruppen Rz. 138“

40 Kommission, 24. WB Ziff. 132; EuGH, 15.7.1970 „Chinin-Kartell“ Slg. 1970, 661; 14.7.1972 „Farbstoffe“ Slg. 1972, 619

41 EuGH, 21.1.1987 „Verband der Sachversicherer“ Slg. 1987, 405

42 Kommission, 1. WB Ziff. 3 16.7.1969 „Inter. Chininkartell“ ABl. 1969 L 192/5

43 Kommission, 29.12.1970 „Fliesen“ ABl. 1971 L10/15; EuGH 17.10.1972 „VCH“ Slg. 1972, 977

44 Kommission, 5. WB Ziff. 36 „Belg. Industrieholzkartell“

45 Kommission, 3.7.1973 „Gasöfen“ ABl. 1973 L 217/34

46 Kommission, 24.7.1963 „Convention Faience“ WuW/E EV 60; 2.12.1977 „CBR“ ABl. 1978 L 20/18

47 Ziel des Projektes ist das Screening von an der Krebsentstehung beteiligten Proteinen. Die University of Oxford verfügt über einen Pool an Molekülen, die viel versprechend bei der Entwicklung von Medikamenten gegen Krebs sind. UD stellt die Netz-Infrastruktur zur Verfügung und verteilt die auszuwertenden Datenpa- kete an die mehreren Millionen freiwilliger Teilnehmer des Projekts während die University of Oxford den Molekülpool UD zur Verfügung stellt. Die privaten PCs ergeben zusammen eine Rechenleistung, die sogar die meisten Hochleistungsrechner-Anlagen übertrifft. Aktueller Stand (Mai 2002) sind 120000 „CPU-Jahre“. Siehe auch http://members.ud.com/projects/cancer/index.htm und http://www.chem.ox.ac.uk/

48 DF1 war das erste digitale Pay-TV-Paket in Deutschland.

49 Immenga/Lange, RIW, 10/2000 S. 733

50 Ensthaler/Gesmann-Nuissl, B, 55. Jahrgang, Heft 45, S 2265 (2270)

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Horizontale Vereinbarungen im EG-Kartellrecht
Hochschule
Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Veranstaltung
Seminar EG-Kartellrecht
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
20
Katalognummer
V107029
ISBN (eBook)
9783640053049
Dateigröße
470 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Horizontale, Vereinbarungen, EG-Kartellrecht, Seminar, EG-Kartellrecht
Arbeit zitieren
Dominik Benkula (Autor:in), 2002, Horizontale Vereinbarungen im EG-Kartellrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107029

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