Inhalt
1. Einleitung
1.1. Fragestellung und Eingrenzung
1.2. Methodischer Ansatz
1.3. Literaturlage
2. Aussage der Quelle
3. Verständnis der Quelle
3.1. Historischer Hintergrund
3.2. Lothar von Süpplingenburg
4. Prüfung
4.1. Äußere Quellenkritik
4.2. Innere Quellenkritik
5. Resümee
5.1. Quellenimmanente Betrachtung
5.2. Im Vergleich mit der historischen Forschung
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Fragestellung und Eingrenzung
Bei der Betrachtung des elften und zwölften Jahrhunderts richtet sich das Interesse der Forschung nicht eben häufig auf die Person Lothars III. Das mag zum einen daher rühren, dass es wohl doch „auffälligere“ Könige und Kaiser waren, die die Aufmerksamkeit erregten, wie beispielsweise Heinrich IV. oder Friedrich I. Barbarossa, zum anderen aber auch daher, dass er und seine Regierungszeit häufig lediglich als eine Periode zwischen den Epochen des Salierund Staufergeschlechts gesehen wurde.1
Andererseits wurde in jüngerer Zeit auch betont, dass gerade durch dieses Intermezzo das außergewöhnliche an Lothars Herrschaft deutlich wurde. So sei beispielsweise dessen Bejahung des Wahlkönigtums und die Berufung auf die Hausmachtstellung des Monarchen wegweisend für die Politik der Herrschenden in folgenden Jahrhunderten gewesen.2
Dabei stellt sich auch die Frage, inwiefern Lothars Zeitgenossen dessen Rolle als Herrscher einschätzten und welches Bild des Königs in der zeitgenössischen Betrachtungsweise gefördert wurde.
Im Rahmen dieser Hausarbeit soll daher das Hauptaugenmerk vor allem auf die Wahl Lothars III. vom sächsischen Herzog zum König gerichtet werden, wie sie in der Chronik des sächsischen Annalisten oder Annalista Saxo dargestellt wird.3 Dieses Werk wurde aus dem Grunde gewählt, da es interessant erscheint, das Bild und die Auffassung über die Person Lothars von Süpplingenburg in der Betrachtung eines Werkes zu sehen, das sich nicht als eine punktuelle Schilderung des Ereignis der Königswahl im Jahr 1125 versteht, wie das beispielsweise in der „Narratio de electione Lotharii“4 der Fall ist, sondern aufgrund seiner historiographischen Form einer Reichschronik diesen Herrscher im Verlauf der Geschichte betrachtet.
Es soll also durch diese Hausarbeit der Versuch gemacht werden, das Jahr 1125 und damit die Wahl Lothars III. zum König anhand der Darstellung des Annalista Saxo zu beleuchten und zu klären, welches Bild des Königs der Chronist hier aufzeigt.
1.2. Methodischer Ansatz
Der methodische Ansatz dieser Arbeit besteht darin, im folgenden die Aussage der Quelle darzustellen. Diese Aussage wird in Kapitel 3 um Anmerkungen zum Verständnis, also Erklärungen zum historischen Kontext und der Person Lothars III. ergänzt.
In Kapitel 4 steht dann wiederum die Arbeit an der Quelle im Vordergrund, die mit Hilfe der quellenkritischen Methode auf ihren Gehalt hin geprüft werden soll, um dann in Kapitel 5 ein Ergebnis in Bezug auf die Fragestellung dieser Hausarbeit zu präsentieren. Dazu wird abschließend versucht, eine Einordnung der Darstellung des Annalista Saxo in den Forschungsstand Lothar III. betreffend zu erreichen
1.3. Literaturlage
Die Quelle an sich ist, wie die meisten Werke dieser Zeit, in den Monumenta Germaniae Historica zu finden, ediert von Georg Waitz in den Scriptores 6. Bei der Anfertigung dieser Hausarbeit wurde dabei allerdings hauptsächlich auf eine Übersetzung von Eduard Winkelmann zurückgegriffen, die in der Reihe „Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit“ erschien und erstmals im Jahr 1894 von Wilhelm Wattenbach herausgegeben wurde. Hier wurde die 3. Auflage von 1941 benutzt.
Als Forschungsliteratur zur Verfasserschaft des Annalista Saxo und dessen Werken wurde ein sehr umfangreiches Werk von Klaus Naß aus dem Jahr 1996 mit dem Titel „Die Reichschronik des Annalista Saxo und die sächsische Geschichtsschreibung im 12. Jahrhundert“ herangezogen, dass die meisten Fragen bezüglich der Entstehung der Quelle erschöpfend behandelt.
Die Person Lothars III. betreffend, wurde in erster Linie auf das Lexikon des Mittelalters zurückgegriffen, um überblicksartig das Leben dieses Herrschers darzustellen. Aber auch ältere Biographien des Kaisers wie z.B. „Lothar von Supplinburg“ von Wilhelm Bernhardi aus dem Jahr 1879 wurden herangezogen, um einzelne Aspekte aus dem Leben des Sachsenherzogs zu klären.
2. Aussage der Quelle
Das Hauptaugenmerk wird bei der Betrachtung der Chronik des Annalista Saxo vor allem auf die Königswahl im Jahre 1125 gelegt.5Zusätzlich dazu werden noch weitere Stellen aus dem Werk herangezogen, um die Darstellung des sächsischen Herzogs in diesem Werk zu beleuchten.
Die Quelle beschreibt, nachdem kurz erwähnt wird, dass Herzog Lothar unverrichteter Dinge von einem Feldzug gegen die Slawen heimkehrte, wie die Wahl am 24. August 1125 vonstatten ging und welche Qualitäten Herzog Lothar aufweist.
Bereits zu Beginn des Berichtes über die Königswahl wird gesagt, dass Herzog Lothar von allen„[...]Bischöfen, Herzögen, Markgrafen und Grafen[...]“einheitlich zum neuen König gewählt wurde.
Seine Qualitäten als Herrscher und Feldherr werden gelobt und seine zahlreichen Siege hervorgehoben. Dabei wird er mit Julius Cäsar verglichen, dem das Glück in der Schlacht ebenfalls immer hold war. Als besonderes Beispiel wird explizit die Schlacht am Welfesholz erwähnt, in der er Kaiser Heinrich V., der Sachsen angegriffen hatte, besiegte und in die Flucht schlug. Genauso wie er bei Skulenburg dem Kaiser eine Niederlage zufügte.
Doch nicht nur durch sein Geschick als Krieger wird er zum König, sondern auch als„[...]eifriger Verteidiger der Kirche[...]“sei er der„[...]passendste[...]“Mann, dem man die Herrschaft übertragen konnte. Es wird gesagt, dass er„[...]ein Mann von ganzer Klugheit[...]“war und ihm wird auch attestiert, dass er der einzig mögliche Vereiniger von Kirche und Reich sei.
Nach den Jahren des Konfliktes zwischen Kirche und Reich, der durch Lothars Vorgänger betrieben wurde, sei er ein Mann, der als Fürst und Katholik ein „[...]Verteidiger aller Getreuen der Kirche[...]“ist und der aufgrund aller dieser Tugenden durch einstimmigen Beschluß der Kirche und der Fürsten zum König gewählt wurde.
3. Verständnis der Quelle
3.1. Historischer Hintergrund
Nachdem die Aussage der Quelle beleuchtet wurde, soll nun ein kurzer Überblick über den historischen Kontext gegeben werden, in den die Königswahl eingebettet ist. Dabei soll nicht versucht werden, eine genaue Betrachtung über die Bedeutung dieser Wahl nach Darstellung des Annalista Saxo anzustellen, sondern lediglich der historische Zusammenhang dargestellt werden.
Der Königswahl im Jahre 1125 war eine Zeit des Konfliktes vorausgegangen, sowohl was die weltliche als auch die geistliche Macht im Reich betrifft. So hatte beispielsweise der Investiturstreit und die „Wende von Canossa“ 1077 eine neue Qualität in den Beziehungen zwischen Königtum und Papsttum zur Folge. Dieses Verhältnis zwischen zwei oftmals konkurrierenden Mächten erwies sich infolge des Investiturstreites immer häufiger als sehr angespannt und symbolisierte auch das Ende des sakralen Königtums und des Gottesgnadentums.6 Doch auch im Reich selber sah sich der Kaiser einer starken Opposition gegenüber. Vor allem die Geschlechter der Welfen und der Sachsen demonstrierten unter der Herrschaft Heinrichs IV. ihr Erstarken durch die Wahl zweier Gegenkönige in den Jahren 1077 und 1081.7
Die Konflikte im Reich und die Opposition der Fürsten erreichten einen vorläufigen Höhepunkt in den Jahren 1104-1106 mit dem Abfall des Sohnes Heinrichs IV., dem späteren Kaiser Heinrich V., von seinem Vater und der Übergabe der Reichsinsignien an diesen.
Zwar konnte Kaiser Heinrich der V. einen Ausgleich mit der Kirche durch das Wormser Konkordat im Jahre 1123 erreichen, was ein Ende des Investiturstreites bedeutete, die Opposition der deutschen Fürsten gegen den Kaiser blieb aber auch unter seiner Herrschaft weiterhin bestehen. Auch er versuchte, ein Erstarken der Fürsten einzudämmen und die beherrschende Rolle des Königtums zu sichern.8 So belehnte er beispielsweise Lothar von Süpplingenburg mit dem Herzogtum Sachsen, um zu verhindern, dass dieses an Heinrich den Schwarzen überging und somit in welfische Hand fiel.9
Doch Lothar berief sich sogar noch stärker als seine Vorgänger auf seine Rechte als Herzog, so dass Sachsen nach wie vor ein Zentrum des Widerstandes gegen alle Versuche des Kaisers war, Territorialpolitik im Reich zu betreiben.10Die Versuche Heinrichs, in die innersächsischen Verhältnisse einzugreifen, führten letzten Endes dazu, dass der Konflikt zwischen den beiden Parteien, also Kaiser und Fürstenopposition, mit Waffen ausgetragen wurde. Unter der Führung Lothars unterlag Heinrich V. im Jahre 1115 in der Schlacht am Welfesholz. Dies bedeutete die dauerhafte Stärkung des deutschen Fürstentums und auch das Erstarken Lothars von Süpplingenburg.11
Nach dieser Niederlage konzentrierte sich Heinrich stärker darauf, eine Übereinkunft mit dem Papsttum zu erreichen, was ihm in dem oben genannten Wormser Konkordat gelang.
Heinrich V. starb im Jahre 1125. Er hatte zwar seinen Neffen Friedrich von Schwaben zu seinem Erben erklärt, ihn jedoch nicht explizit zu seinem Nachfolger designiert.12
Im selben Jahr wurde in Mainz eine Wahlversammlung der Fürsten durch Erzbischof Adalbert von Mainz einberufen, auf der nicht Friedrich zum König gewählt wurde, sondern Lothar von Süpplingenburg, der künftige Lothar III.
3.2. Lothar von Süpplingenburg
Lothar wurde 1075 als Sohn des Grafen Gebhardt geboren. Seit 1100 mit Richenza von Northeim verheiratet, konnte Lothar bei seiner Erhebung zum Herzog von Sachsen im Jahre 1106 nur verhältnismäßig kleinen territorialen Besitz vorweisen.13Erst durch die Erbschaft seiner Großmutter Gertrud und Teile des Besitzes Heinrich des Fetten, sowie Ländereien Gertruds von Braunschweig, der Mutter Richenzas, erweiterte sich Lothars Machtposition in Sachsen erheblich.14
Wie bereits in Kapitel 3.1. angesprochen, brachte Lothar als Anführer der Fürstenopposition Kaiser Heinrich V. starken Wiederstand entgegen.
Durch die bereits mehrfach erwähnte Schlacht am Welfesholz gelang es Lothar, die Einflußnahme des Kaisers in Sachsen zu beenden, was sich auch darin äußerte, dass er die Markgrafen der Lausitz und von Meißen gegen den Willen Heinrichs V. einsetzen konnte.15Unter der Herrschaft Lothars entwickelte sich Sachsen zu einem der einflußreichsten Herzogtümer.
Seiner Wahl im Jahre 1125 folgte 1127 die Erhebung Konrads von Schwaben, ebenfalls ein Neffe Heinrichs V. zum Gegenkönig, was die Herrschaft Lothars im Reich nicht wesentlich beeinträchtigte, wohl auch deshalb, da Lothar, anders als seine Vorgänger stärker mit dem Papst zusammenarbeitete und daher die Kirche auf seiner Seite wußte, die Konrad exkommunizierte. 1135 beendete ein für Lothar siegreicher Zug durch Schwaben das Gegenkönigtum und Konrad wurde wieder als Reichsfürst in die Kirchengemeinschaft aufgenommen.16
Aufgrund seiner Unterstützung Papst Innozenz II. während des kirchlichen Schisma und dessen Rückführung nach Rom, wurde er 1133 von diesem zum Kaiser gekrönt. Aufgrund der Erneuten Vertreibung Innozenz II. aus Rom durch Anaklet II. und Roger II. von Sizilien brach Lothar 1136 erneut zu einem Italienzug auf. In dessen Verlauf setzte er seinen Schwiegersohn Heinrich den Stolzen als Markgraf von Tuszien ein und erklärte ihn zu seinem Nachfolger. Auf dem Rückmarsch nach Deutschland starb der Kaiser am 4. Dezember 1137 in Tirol.17
4. Prüfung
4.1.Äußere Quellenkritik
Nachdem die wichtigste Person, die in der Chronik des Annalista Saxo betreffend das Jahr 1125 erwähnt wird und die Königswahl Lothars betrachtet wurden, soll an dieser Stelle kurz ein Überblick über das Werk und den Verfasser dieser Reichschronik gegeben werden und im Anschluß daran die Quelle mit Hilfe der quellenkritischen Methode untersucht werden.
Die vorliegende Quelle, die allgemein als die Reichschronik des Annalista Saxo bezeichnet wird, ist, wie der Name schon sagt, eine Chronik der Jahre 741 bis 1139 in annalistischer Darstellungsweise. Als Reichschronik wird sie deshalb bezeichnet, da sie sich in erster Linie mit den Geschehnissen im Deutschen Reich dieses Zeitraumes und dem vorhergehenden karolingischen Herrschaftsbereich befaßt.
Der anonyme Autor dieser Chronik wird als Annalista Saxo oder sächsischer Annalist bezeichnet. Wer sich hinter diesem „Pseudonym“ verbirgt, konnte in der historischen Forschung nicht abschließend geklärt werden. Die häufigste These dazu ist, dass es sich um Abt Arnold vom Kloster Berge handelte.18 Das Jahr der Geburt dieses Abtes ist nicht überliefert, es ist nur bekannt, dass er 1166 starb. Das Kloster Berge leitete er seit 1119. Ab dem Jahre 1134 war er gleichzeitig Abt von Nienburg.19 Durch die Kompilation unterschiedlicher Quellen in dieser Reichschronik, darunter eben auch zahlreiche Quellen aus dem Kloster Berge, wurde begründet dass er der Verfasser gewesen sein könnte.20 Allerdings läßt sich die Verfasserschaft dieses Abtes nicht einwandfrei nachweisen. Es gibt sogar diverse Argumente, die gegen ihn sprechen. So z.B., dass über die Person dieses Abtes selbst einige Angaben nicht in der Reichschronik enthalten sind, wie beispielsweise eine Anmerkung zur Übernahme des Klosters Berge durch diesen im Jahre 1119.21
Bei der hier vorliegenden Untersuchung wird davon ausgegangen, dass es sich bei dem Verfasser der Reichschronik um einen sächsischen Kompilator handelt, der unterschiedliche Quelle aus verschiedenen Regionen Sachsens zusammentrug, möglicherweise als Auftragsarbeit.22Dem Autor kann also eine gewisse Nähe sowohl räumlich, als auch möglicherweise in der Sympathie Lothar gegenüber nachgesagt werden, wenn der Entstehungsraum des Werkes betrachtet wird.
Zum Entstehungszeitraum läßt sich sagen, dass dieser vermutlich zwischen 1148 und 1152 liegt, wobei die letzte Jahresdarstellung in der Chronik das Jahr 1139 beschreibt. Der spätere Entstehungszeitraum läßt sich unter anderem dadurch begründen, dass im Werk Personen erwähnt sind, die erst nach Abschluß der Chronik in Amt und Würden gelangt sind, wie z.B. der Erzbischof von Bremen 1148.23 Die Chronik kann also durchaus als zeitgenössischer Bericht in Bezugnahme auf die Wahl Lothars III. 1125 gesehen werden. Auch wenn eine unmittelbare zeitliche Nähe nicht gegeben ist, kann der Verfasser als Zeitzeuge eingeordnet werden.
Wie bereits oben erwähnt besteht die Reichschronik des Annalista Saxo aus einer Kompilation unterschiedlichster Quellen. So z.B. unter anderem der Werke Thietmars von Merseburg und Ekkehards von Aura.24 Es muß also davon ausgegangen werden, dass das Geschichtsbild des Annalista Saxo stark durch die Darstellung in diesen Quellen geprägt war.
Die Absicht, die hinter der Anfertigung der Chronik stand, war vermutlich, eine allumfassende Reichschronik zu verfassen, deren Hauptaugenmerk auf dem sächsischen Herrschaftsgebiet lag. Dass diese Chronik als Tendenz eine Legitimationfunktion der sächsischen Politik aufweist, erscheint möglich, kann allerdings nicht vorbehaltlos angenommen werden. Die prosächsische „Färbung“ der Quelle gründet wohl aus dem sächsischen Entstehungsraum des Werkes.25
Die Edition in der die Chronik des Annalista Saxo in den Monumenta Germaniae Historica überliefert ist, kann als vollständige Wiedergabe betrachtet werden, da der Beginn der Aufzeichnung im Werk selbst belegt ist. Es ist allerdings nicht letztendlich geklärt, ob das Ende der Chronik bereits im Jahre 1139 zu sehen ist oder ob es sich womöglich bis 1142 fortsetzte. Eventuell sind diese letzten drei Jahre verlorengegangen.26
Wird die Frage nach der Originalität der Aufzeichnung gestellt, so läßt sich sagen, dass der sächsische Annalist sein Werk in erster Linie auf ihm zur Verfügung stehende Quellen stützte. Ob er die Ereignisse der Wahl Lothars zum König als Augenzeuge miterlebte, kann nicht ausgeschlossen, aber auch nicht endgültig geklärt werden. Sollte es sich bei dem Verfasser um besagten Arnold von Berge handeln, so ist es möglich, dass er Augenzeuge war, da er sich auch in späterer Zeit oft in der Nähe des Kaisers aufhielt.27
Zusammenfassend läßt sich also sagen, dass die Glaubwürdigkeit der Quelle in Bezug auf die oben angeführten Punkte im wesentlichen darauf beruht, inwieweit die Quellen glaubwürdig sind, die der Annalista Saxo herangezogen hat. Betreffend die Wahl Lothars III. kann gesagt werden, dass er bei seiner positiven Darstellung des Sachsenherzogs der Darstellungsweise der Paderborner, Nienburger und Ilsenburger Annalen folgt, die für Lothar günstige Beschreibung seiner Person also nicht erst in der Chronik des Annalista Saxo entstand.28
4.2. Innere Quellenkritik
Nachdem die Quelle auf ihre Textgestalt und Verfasserschaft geprüft wurde, kann sie nun auf die Glaubwürdigkeit betreffend der Darstellung der Königswahl von 1125 untersucht werden.
Der Horizont des Annalista Saxo läßt sich in zwei unterschiedliche Bewertungskriterien einteilen, die räumliche und die zeitliche Nähe. Wie bereits oben erwähnt, kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Autor um einen Zeitzeugen dieser Königswahl handelte. Demzufolge stand er auch unter dem Eindruck den zum einen diese Königswahl auf ihn gemacht haben muß, zum anderen die Auswirkungen der Politik Lothars III., die er miterlebte.
Inwieweit er jedoch als Augenzeuge anwesend war, läßt sich nicht nachprüfen und auch die Quelle selbst gibt darüber keine Auskunft. Doch erscheint dies bei der Betrachtung der Darstellung der Wahl nicht von entscheidender Bedeutung zu sein, da deren Ablauf nur kurz angesprochen und ansonsten verstärkt auf die Würdigkeit Lothars zur Ausübung der Königswürde eingegangen wird. Davon ausgehend, dass der Verfasser die Schlacht am Welfesholz und die Belagerung Skulenburgs nicht selbst miterlebt hat, sondern sich dabei auf andere Quellen berufen mußte, stellt sich hier die Frage, inwieweit er Lothars militärisches Geschick richtig beurteilen konnte. War dieses wirklich so groß wie es dargestellt wird oder geht der Annalista Saxo lediglich von dem für Lothar positiven Ergebnis dieser kriegerischen Handlungen aus?
Die Würdigkeit und das positive Bild Lothars erwähnt der sächsische Annalist möglicherweise deshalb so explizit, weil er den Kaiser in späterer Zeit selber auf diese Weise erlebt hat. Dies könnte insbesondere dann zutreffen, wenn es sich bei dem Verfasser wirklich um Abt Arnold gehandelt hat, der den Kaiser des öfteren begleitete.
Womit nun die Tendenz des Autors beleuchtet werden kann. Wie wollte er den König darstellen? In der recht knappen Beschreibung des Wahlvorganges in Mainz an sich läßt sich erkennen, dass der Verfasser diesen entweder nicht kannte oder bewußt Teile auslassen wollte. Denn laut anderer Darstellungen, wie beispielsweise der bereits angesprochenen„Narratio de electione Lotharii“wurde zwar gegen Ende der Wahl Lothar als neuer König anerkannt, es wird allerdings auch gesagt, dass mehrere Kandidaten zur Wahl standen, z.B. Friedrich von Schwaben und dass in Mainz nicht alles so einstimmig und reibungslos ablief, wie es der Annalista Saxo darstellt.29
Es hat den Anschein, dass der Verfasser die Würdigkeit Lothars durch diese angebliche Einstimmigkeit noch hervorheben wollte. Dass er eine hohe Meinung von dem König hatte, zeigen auch diverse andere Stellen der Chronik, wie beispielsweise die Darstellung des Jahres 1137 und des Todes Lothars.30 Auch dadurch, dass Lothar als Freund der Kirche dargestellt wird, zeigt sich, dass er in der Chronik Sympathieträger ist, wenn man die vorhergehende negative Schilderung der Person Heinrichs V. betrachtet.
Abschließend läßt sich also sagen, dass der Annalista Saxo stark mit Kaiser Lothar III. sympathisierte und daher auch die durchweg die positiven Aspekte dessen Herrschaft und sein Geschick hervorhebt. Dies schlägt sich auffallend in den meisten Darstellungen des Kaiser in der Reichschronik nieder und insbesondere in der Schilderung der Königswahl von 1125.
5. Resümee
5.1. Quellenimmanente Betrachtung
Die Fragestellung dieser Hausarbeit war, welches Herrscherbild Lothars III. von Süpplingenburg in der Reichschronik des Annalista Saxo dargestellt wurde. Mit Berücksichtigung der wahrscheinlichen Herkunft des Autors aus dem sächsischen Raum läßt sich hierbei erklären, dass er Kaiser Lothar in einem sehr guten Licht erscheinen ließ. Laut der Darstellung des sächsischen Annalisten habe es keinen besseren Kandidaten für die Königswürde gegeben und auch keinen anderen, der von allen Parteien respektiert wurde.
Chroniken im Mittelalter waren zumeist parteilich.31Gerade wenn der Autor des untersuchten Werkes wirklich Abt Arnold von Berge war, der Lothar nahe stand, wird deutlich, dass dies auch im Falle der Reichschronik des Annalista Saxo zum tragen kommt. Oft ist auch gesagt worden, dass dieses Bild Lothars III. entstanden ist, um ihn im Gegensatz zu Konrad III. zu zeigen, während dessen Herrschaft das Werk entstanden ist und der vom Autor abgelehnt wurde.32
Gleichzeitig muß aber auch gesagt werden, dass diese Reichschronik mit Sicherheit nicht das primäre Ziel hatte, die Herrschaft Lothars zu glorifizieren. Als Reichschronik sollte sie sich eben in erster Linie mit der Geschichte des Reiches befassen. Dass sie dabei eine stark sächsische Färbung aufweist ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass der Horizont des Verfasser stark auf dieses Territorium konzentriert war.
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass die Reichschronik des Annalista Saxo Lothar III. als herausragende Herrscherpersönlichkeit darstellt, das Werk aber kaum als Propaganda für diesen König zu werten ist, wenn man diesen modernen Begriff überhaupt auf mittelalterliche Werke anwenden darf.
5.2. Im Vergleich mit der historischen Forschung
Wie bereits in der Einleitung angesprochen, war die Untersuchung der Herrschaft Lothars III. lange Zeit nicht Schwerpunkt der mediävistischen Forschung. Dieser lag eher bei den Vorgängern und Nachfolgern des Sachsen. In der national geprägten Forschung des 19. Jahrhunderts wurde Lothar sogar der Ruf des „Pfaffenkönig“ angehängt, der stark „romhörig“ gewesen sein soll.33Dementsprechend kann auch die Darstellung des Kaisers in der Reichschronik nicht im Vordergrund der Forschung gestanden haben.
In letzter Zeit steht dagegen das Zukunftsweisende in der Politik dieses Herrschers immer stärker im Mittelpunkt der Untersuchung. Nämlich zum einen, dass Lothar erster Vertreter des Wahlkönigtums und damit der Fürstenverantwortung war und zum anderen, dass er gleichzeitig die spätere Bedeutung der eigenen Hausmacht begründete.34
Es läßt sich also feststellen, dass das Herrscherbild Lothars von Süpplingenburg im Werk des Annalista Saxo nicht grundsätzlich auf bloße Sympathie aufgrund der Nähe zu diesem Herrscher zurückzuführen ist, sondern dass auch dieser Verfasser womöglich bereits die nicht unbedeutende Rolle Lothars für die spätere Reichspolitik erkannt hatte, die ihm erst heutzutage zugestanden wird. Dabei muß gesagt werden, dass der sächsische Annalist nichts von der späteren Übernahme Lothars Politik ahnen konnte. Auch hat er bei der Beschreibung der Qualitäten des Sachsen mit Sicherheit stark übertrieben. Aber zumindest unbewußt hat er bereits erkannt, dass diesem Kaiser eine nicht unbedeutende Rolle in der Ausübung der Herrschaft über das mittelalterliche Deutschland zukam.
6. Literaturverzeichnis
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SCHMIDT, ULRICH: Königswahl und Thronfolge im 12. Jahrhundert, Köln/Wien, 1987.
WAITZ, GEORG (Hg.): Annalista Saxo, in: MGH SS 6, 1844, S. 542-777.
WAITZ, GEORG (Hg.): Narratio de electione Lotharii Saxoniae ducis in regem Romanorum, in MGH SS 12, 1856, S. 509-512.
WATTENBACH W. (Hg.): Der sächsische Annalist. Nach der Ausgabe der Monumenta Germaniae, 3., unveränderte Auflage, Leipzig, 1941 (Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit 54).
[...]
1NONN, ULRICH: Geblütsrecht, Wahlrecht, Königswahl: Die Wahl Lothars von Supplinburg 1125, in: GWU 44, 1993, S. 146.
2LAUDAGE, JOHANNES: Symbole der Politik - Politik der Symbole. Lothar III. als Herrscherpersönlichkeit, in: JOCHEN LUCKHARDT und FRANZ NIEHOFF (Hgg.): Heinrich der Löwe und seine Zeit. Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125-1235. Katalog der Ausstellung Braunschweig 1995, Bd. 2, München, 1995, S. 91.
3WAITZ, GEORG (Hg.): Annalista Saxo, in: MGH SS 6, 1844, S. 542-777. WATTENBACH W. (Hg.): Der sächsische Annalist. Nach der Ausgabe der Monumenta Germaniae, 3., unveränderte Auflage, Leipzig, 1941 (Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit 54).
4WAITZ, GEORG (Hg.): Narratio de electione Lotharii Saxoniae ducis in regem Romanorum, in MGH SS 12, 1856, S. 509-512.
5WAITZ, GEORG (Hg.): Annalista Saxo, S. 762, 49 - S. 763, 13. WATTENBACH W. (Hg.): Der sächsische Annalist., S. 133-134.
6JORDAN, KARL: Investiturstreit und frühe Stauferzeit (1056-1197), in: HERBERT GRUNDMANN (Hg.): Gebhardt. Handbuch der Deutschen Geschichte, Bd. Stuttgart, 1981, S. 341.
7Ebenda, S.341-344.
8Ebenda, S. 357.
9Ebenda, S. 355. 1, 9., neu bearbeitete Auflage,
10Ebenda, S. 357.
11Ebenda, S. 358.
12 SCHMIDT, ULRICH: Königswahl und Thronfolge im 12. Jahrhundert, Köln/Wien, 1987 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 7), S.34-35.
13HARTMANN, WILFRIED: Lothar III. Ein Kaiser des Übergangs, in: REINHOLD SCHNEIDER: Kaiser Lothars Krone. Leben und Herrschaft Lothars von Supplinburg, Zürich, 1986, S.10.
14 PETKE, W.: Lothar III. (v. Süpplingenburg), in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München/Zürich, 1991, Sp. 2125.
15Ebenda.
16BERNHARDI, WILHELM: Lothar von Supplinburg, Leipzig, 1879, S. 578-580.
17PETKE, W.: Lothar III. Sp. 2126.
18NAß, KLAUS: Die Reichschronik des Annalista Saxo und die sächsische Geschichtsschreibung im 12. Jahrhundert, Hannover, 1996, S. 1-2.
19 SCHMALE, FRANZ-JOSEF: Arnold Abt von Berge, in: Lexikon des Mittelalters, Bd.1, München/Zürich, 1980, Sp. 1005.
20NAß, KLAUS: Reichschronik, S. 370-371.
21Ebenda, S. 372.
22Ebenda, S. 375.
23Ebenda, S. 366-367.
24Ebenda, S. 348.
25Ebenda, S. 357-358.
26Ebenda, S. 343-344.
27 SCHMALE, FRANZ-JOSEF: Arnold Abt von Berge, Sp. 1005. 10
28NAß, KLAUS: Reichschronik, S. 359
29NONN, ULRICH: Geblütsrecht, S. 154-155.
30WAITZ, GEORG (Hg.): Annalista Saxo, S. 774.
31GOETZ, HANS-WERNER: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im hohen Mittelalter, Berlin, 1999, S. 246.
32NAß, KLAUS: Reichschronik, S. 359-360.
33LAUDAGE, JOHANNES: Symbole, S. 91.
34Ebenda.
- Arbeit zitieren
- Christoph Merkel (Autor:in), 2002, Der Annalista Saxo über Lothar III. und die Königswahl des Jahres 1125, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107183