Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Bevölkerungsanteil der Sklaven im klassischen Athen
3. Versklavung
3.1. Gewaltsame Versklavung
3.2. „Natürliche“ Sklaverei
3.3. Der Sklavenhandel
4. Grundbedürfnisse
5. Rechte und Strafen
6. Arbeitsbereiche
6.1. Bergwerkssklaven
6.2. Sklaven in der Landwirtschaft
6.3. Kriegsdienst
7. Freilassungen
8. Fazit
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„ F ü r einige gilt, da ß sie von Natur entweder frei oder Sklaven sind, und f ü r diese ist es vorteilhaft und gerecht, als Sklaven zu dienen. “ 1
Wie gestaltete sich das normale Leben eines Sklaven im klassischen A- then, und welche Bedeutung spielten sie im Allgemeinen in der herausragenden Polis Griechenlands?
Ohne Frage waren die Sklaven ein grundlegendes und völlig natürliches Element der Gesellschaft und nur wenige stellten dieses System in Frage. Diejenigen die es dennoch taten, wurden von ihren eigenen Zeitgenossen kritisiert bzw. widerlegt.2 Aber neben dieser selbstverständlichen Rolle und den heute allgemein gängigen Bildern der Sklaverei für die gesamte Anti- ke, erfährt man wenig über die wirklichen Verhältnisse zur damaligen Zeit. Diese Arbeit versucht einen Einblick in diese Situation zu geben, um eine genauere Vorstellung zu ermöglichen, wie das tatsächliche Leben eines Sklaven ausgesehen haben mag.
Beginnend mit den beiden grundlegenden Fragen, welchen Anteil die Sklaven an der Gesamtbevölkerung ausmachten und wer überhaupt zu ihnen gehörte bzw. wie die Versklavung von statten ging, wird das Haupt- augenmerk auf den allgemeinen Lebensverhältnissen und der Arbeitswelt, dieser formal untersten Gesellschaftsschicht liegen. Abschließend werden die Umstände und das Verfahren der Freilassung behandelt. Besonders letzteres ist in der heutigen Forschung noch sehr im Unklaren, da in die- sem Fall die antiken Quellen nur wenig Informationen preisgeben.
Bei den Quellen ist zudem grundsätzlich zu beachten, daß sie fast gänzlich von Autoren verfaßt wurden die aus der damaligen Oberschicht stammten und deren Ansichten bzw. Vorstellungen vertraten.
2. Bevölkerungsanteil der Sklaven in Athen
In einer Gesamtbetrachtung der Sklavenzahlen Athens in der geschichtli- chen Forschung ergibt sich folgendes Problem: Es wird mit Zahlen, die von 20.000 bis 400.000 Sklaven reichen gearbeitet.3 Wodurch natürlich äußerst unterschiedliche Interpretationen entstehen können. Thukydides zumindest benennt in seinem Peleponnesischen Krieg, daß zu einen Zeit- punkt im Sommer 413 v. Chr. über 20.000 Sklaven übergelaufen seinen.4 Diese Zahl gibt einen Hinweis darauf, daß es in ganz Attika wesentlich mehr Sklaven gegeben hat, da nicht alle übergelaufen sein werden und daß die Größenordnung weit in den Zehntausenden lag.
In der heutigen Forschung wird für das 5. Jahrhundert meistens von einer Anzahl von 80.000 bis 100.000 Sklaven bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 250.000 bis 300.000 Menschen in Gesamtattika ausgegangen.5 Da- neben wird die Zahl der männlichen Bürger auf etwa 20.000 bis 40.000 Personen geschätzt.6 Überlegungen gehen davon aus, daß im Verlauf des Peleponnesischen Krieges die Zahl der Vollbürger auf etwas über 20.000 zurückging.7
Basierend auf diesen Annahmen und der Feststellung, daß in großen Anwesen reicher Athener eine Vielzahl von Sklaven beschäftigt wurden, muß davon ausgegangen werden, daß ein sehr großer Anteil der ärmeren Bevölkerung nur wenige bzw. gar keine Sklaven besessen hat.
3. Versklavung
Seit dem 6. Jahrhundert vergrößerte sich wieder der Bedarf an Sklaven in Athen. Dieser Wandel von einer älteren Haussklaverei zu einer intensiveren Kaufsklaverei wird durch die verstärkte Durchsetzung der Geldwirtschaft und einem einsetzenden Wirtschaftswachstum erklärt.8
3.1. Gewaltsame Versklavung
Zu den Quellen aus denen der größte Bedarf an Sklaven gedeckt wurde, gehören vor allem die versklavten Kriegsgefangenen, sowie der Men- schenraub durch Land- und Seepiraterie.9 Primär wurden in diesen Fällen eher Nichtgriechen, also aus griechischer Sicht Barbaren, versklavt. An- scheinend herrschte eine gewisse Hemmung selber Griechen als Sklaven zu halten.10 Es bestanden zudem deutliche Unterschiede in der Behand- lung von griechischen und nichtgriechischen Sklaven.11 Bei Barbaren exis- tierten diese Bedenken offensichtlich nicht, da sie mit Sklaven quasi gleichgesetzt wurden.12 Besonders durch die Nähe, zu den Barbaren in den Jahrhunderten zuvor gegründeten Kolonien, wurden sie Ziel für neue Versklavungen. Athen wurde so die Möglichkeit gegeben, aus einer „rei- chen Quelle“ seinen Bedarf an Sklaven zu decken.13
Nach dem Ende einer kriegerischen Auseinandersetzung, oblag es dem Sieger, wie er die besiegte Bevölkerung behandelte. Die männliche Bevöl- kerung wurde oftmals erschlagen. Frauen und Kinder hingegen wurden zu unterschiedlichen Teilen in die Sklaverei geschickt.14 Diese Gefahr der Versklavung war letztendlich jedem Griechen bewußt. Gleichzeitig konnte dieses Wissen als politisches Druckmittel eingesetzt werden. In Athen im besonderen, um die eigenen Bündnispartner im attischen Seebund gefü- gig zu machen und seine Vormachtstellung zu behaupten.15 In Athen wur- den ganze Massenversklavungen teilweise durch Vollversammlung be- schlossen. Als Beispiele dienen hierzu Skione und Melos.16 Daneben lag es im eigenen Ermessen eines Feldherren, inwieweit und auf welche Wei- se er Versklavungen durchführen ließ.17
Gefangene wurden oftmals von Verwandten oder Mitbürgern freigekauft. Dadurch ergab sich eine Geldquelle, die lukrativer als der eigentliche Sklavenhandel sein konnte.18
Auch wenn es als gerecht angesehen wurde, Kriege zum Zweck der Versklavung durchzuführen,19 sind keine größeren Unternehmungen in diesem Zusammenhang bekannt.20
Neben dieser Quelle wurden Menschen auf Raubzügen von Piraten gefangengenommen und in die Sklaverei verkauft.21 Während der Hochzeit und relativen Sicherheit des attischen Seebundes, ging diese Art der Skavenbeschaffung jedoch im starken Maße zurück.22
3.2. „Natürliche“ Sklaverei
Neben dieser gewaltsamen Methode der Versklavung existierten mehrere andere Möglichkeiten für die Deckung des Sklavenbedarfes in Athen.
Kinder von Sklaven wurden automatisch in die Sklaverei hinein geboren. Bei Kindern aus Mischverhältnissen gilt als wahrscheinlich, daß die soziale Stellung der Mutter den Ausschlag gegeben hat.23
Daneben waren ausgesetzte Kinder ebenfalls zur Unfreiheit verdammt. Durch dieses Verfahren konnten auch eigentlich bürgerliche Kinder zu Sklaven werden.24
Eine Art von Schuldsklaverei, die in weiten Teilen Griechenlands üblich war,25 existierte seit den solonischen Reformen nicht mehr. Ebensowenig konnte ein Bürger mit der Sklaverei für ein Vergehen bestraft werden.26
3.3. Sklavenhandel
Die wichtigste Quelle um direkt an Sklaven heranzukommen, existierte in Form des Sklavenhandels.27 Auf Märkten boten die jeweiligen Händler ihre menschliche Ware auf Podesten und Bühnen an. Die Sklaven konnten nun wie ein normales Stück Vieh oder jegliche andere Handelsware er- worben werden.28 Dabei traten nicht nur freie Bürger als Käufer auf, son- dern auch Metoiken. Die Metoikenbrüder Lysias und Polemarchos be- schäftigten z.B. in ihrer Waffenfabrik bis zu 120 Sklaven.29 Sklavenhändler verkauften nicht nur Sklaven, die ihnen in ihrer eigenen Polis angeboten wurden. Sie betrieben auch Handel mit weit entfernten Ländern, welche ihrerseits Sklaven verkaufen.30
Der Preis eines Sklaven lag im Allgemeinen zwischen 100 und 200 Drachmen, konnte jedoch im Einzelfall bei über 300 Drachmen liegen. Dabei scheint das Geschlecht keine so entscheidende Rolle gespielt zu haben, wenn man die Preise der Versteigerung des Metoiken Kephisodo- ros im Jahre 414 v. Chr. betrachtet.31 Das ausschlaggebende Moment waren anscheinend die individuellen Fähigkeiten des einzelnen Sklaven.
4. Grundbedürfnisse
Für die grundlegenden Bedürfnisse der Sklaven war der jeweilige Herr zuständig. Aber es existierten keine grundsätzlichen Vorschriften, wie ein Sklavenbesitzer seine Unfreien zu versorgen hatte.32 Er bestimmte, inwieweit er ihnen Kleidung, Nahrung,33 Unterkunft oder medizinische Versorgung zukommen ließ. Auch für eine rituelle Bestattung nach dem Tode des Sklaven hatte der Herr zu sorgen.
Wenn man auch davon ausgehen darf, daß das Leben eines normalen Sklaven sehr schwer und reich an Entbehrung gewesen ist, darf davon ausgegangen werden, daß der Herr seinen Sklaven zumindest eine eini- germaßen sichere Grundexistenz garantiert hat. In wenigen Fällen aus besonderer Nächstenliebe, sondern aus dem sehr einfachen Grund, daß nur ein gesunder und halbwegs kräftiger Sklave seine Arbeit zur Zufriedenheit und Vorteil seines Herren verrichten konnte.34
Es existierten zusätzlich auch gewisse Vorstellungen in der Gesellschaft, die eine rücksichtslose Behandlung der Sklaven in weiten Bereichen un- terband.35 Platon sah auch eine Gefahr für die Stabilität des Staates durch drohende Sklavenaufständen, bei zu menschenunwürdigen Sklavenhal- tungverhältnissen.36
Als zusätzlicher Anreiz für gute Arbeitsergebnisse des Sklaven diente die Aussicht auf eine Verbesserung der eigenen Lebenslage. Dieses konnte in Form von zusätzlichen Nahrungsrationen, einfacheren Arbeitsbedingungen oder einem höheren Status in der Sklavengruppe, wie z.B. einer Aufsichtsposition, geschehen.37
Das Ideal in der attischen Sklavenhaltung sah vor, daß die Sklaven in gesonderten Räumlichkeiten oder Gebäuden des Bürgers wohnen. Auch die Geschlechtertrennung war vorgesehen. Dieses Ideal wurde jedoch nur in den Anwesen der reichen Bürger erreicht. Der normale Bürger, sofern er überhaupt Sklaven besaß, hatte überhaupt nicht die nötige ökonomische Grundlage um diesem Leitbild zu entsprechen.38
In Athen selber existierten keine gesonderten Bekleidungsordnungen für Sklaven. Sie bekamen von ihren Herren einfache Kleidung gestellt und waren auf der Straße nicht von der normalen ärmeren Bevölkerung, ins- besondere der Theten oder Metoiken zu unterscheiden. Pseudo- Xenophon kritisiert in diesem Zusammenhang, daß es unmöglich wäre, die ärmeren Bürger von den Metoiken und Sklaven zu unterscheiden. Es war aus diesem Grunde in der Öffentlichkeit verboten, einen fremden Sklaven zu schlagen. Durch die fehlende Möglichkeit der Unterscheidung wäre es möglich gewesen, einen athenischen Bürger zu schlagen.39
5. Rechte und Strafen
Im Prinzip besaßen Sklaven im klassischen Athen keinerlei Rechte. Sie waren gänzlich Eigentum ihres Herren bzw. des Staates40 und wurden von ihrer gesellschaftlichen Stellung her als praktische Werkzeuge angese- hen.41 Ihr Herr vertrat sie vor Gericht und vor selbigen galt ihre Aussage im allgemeinen nur, wenn sie unter Folter vorgenommen wurde.42 Der Herr konnte sogar den Namen eines neu erworbenen Sklaven ändern, welches eine weitere Form der gewaltlosen Demütigung darstellte.43
Körperliche Bestrafungen in Form von Schlägen mit der Peitsche oder dem Stock galten als völlig selbstverständlich.44 Allerdings war es einem Herren nur erlaubt seine eigenen Sklaven zu bestrafen.
Das Töten eines Sklaven war im Normalfall verboten und wurde mit dem unbeabsichtigten Totschlag eines Metoiken gleichgesetzt. Jedoch bleibt es fraglich, ob nicht der Herr durchaus die Möglichkeiten hatte, ungestraft und unter Anwendung seiner weitreichenden Kompetenzen über die Sklaven, seine Tat ungestraft zu begehen.45
Die Möglichkeit der Sklaven sich gegen diese Ungerechtigkeiten zu weh- ren waren sehr begrenzt. Auf der einen Seite konnte er versuchen seinen Herren zu schädigen, indem er seinen Arbeitseinsatz verminderte,46 was jedoch zugleich eine weitere Bestrafung bedeuten konnte. Des weiteren konnte er versuchen zu fliehen. Ein entlaufender Sklave machte sich je- doch zusätzlich des Vergehens des Diebstahls an seiner eigenen Person schuldig und mußte mit harten Strafen bei seiner erneuten Gefangennah- me rechnen.47
Der einzige offizielle Weg, um auf seine mißliche Lage aufmerksam zu machen und auf Minderung zu hoffen, war die Möglichkeit des Sklaven, zu bestimmten Schreinen oder Tempeln zu fliehen. In ihnen konnte er Schutz vor seinem Peiniger suchen.48
Eine besondere Stellung nahmen die sogenannten demosioi49 und choris oikountes50 ein. Die demosioi waren eine bestimmte Art von Staatsskla- ven, die wichtige Positionen im Staate einnahmen. Sie besaßen eigene Wohnungen und konnten es zu Wohlstand bringen. Die choris oikountes wohnten ebenfalls nicht direkt bei ihren Herren und konnten relativ unab- hängig von ihm wirtschaften.51 Im 4. Jahrhundert leitete der Sklave Pasion z.B. das größte Bankunternehmen in Athen und erhielt später sogar das attische Bürgerrecht.52 Im Prinzip waren diese privilegierten Sklaven auch rechtlos, aber es ist anzunehmen, daß sie über gesonderte Rechte verfüg- ten.
6. Arbeitsbereiche
Sklaven wurden in fast allen Tätigkeitsbereichen des Staates und der Ge- sellschaft als Arbeiter und Diener eingesetzt. Allein die Zahl der eingesetz- ten Staatssklaven, die als Beamte, Bauarbeiter oder Diener verwendet wurden, war beträchtlich.53 Eine besondere Stellung und gleichzeitig ein Beispiel für die Selbstverständlichkeit der Sklaverei in Athen, stellten die skythischen Bogenschützen da. Sie bildeten eine eigenständige Polizei- truppe von 300 Polizisten, die für die öffentliche Ordnung verantwortlich waren.54 Auch in Gerichten und in der staatlichen Münze waren sie zahl- reich anzutreffen und bildeten die einzigen nicht wählbaren Ämterperso- nen des Staates.55
Daneben waren sie auch normale Hausdiener, Lehrer, Bankangestellte, Ärzte, Musiker und Künstler, normale Arbeiter, niedere Priester, etc. Auch vermieteten verschiedene Herren ganz professionell ihre durchaus große Anzahl an Sklaven für die unterschiedlichsten Arbeiten. Der Feldherr Nikias soll bis zu 1.000 Sklaven besessen haben und diese an die attischen Bergwerke vermietet haben.56
Der Wert der Arbeit den die Sklaven verrichteten war absolut gleichwertig zu derjenigen freier Bürger. Sie wurden für dieselbe Tätigkeit gleichwertig bezahlt.57 Der Unterschied war allerdings, daß ein Bürger für sich selbst arbeitete, und ein Sklave sein Gehalt zu unterschiedlichen Teilen an seinen Herren abzugeben hatte.58
6.1. Bergwerkssklaven
Das wahrscheinlich schwerste Schicksal erfuhren die Sklaven, die in den Bergwerken in den athenischen Silberbergwerken von Laureion zu arbei- ten hatten. Bis zu 20.000 im 5. und 35.000 Sklaven im 4. Jahrhundert ar- beiteten gleichzeitig unter schwersten Bedingungen.59 Die staatlichen Mienen wurden verpachtet und von Soldaten bewacht. Die zu arbeitenden Schichten dauerten vermutlich 10-12 Stunden, was aus der Brenndauer der gefundenen Grubenlampen errechnet wurde. Rücksicht auf Ge- schlecht, Alter oder Gesundheitszustand wurde in den Bergwerken an- scheinend nicht genommen. Bestrafungen bis zum Tode, welche ansons- ten unüblich waren, wurden durchgeführt. Die Stollen in denen das kost- bare Silber abgebaut wurde, hatten nur ein Ausmaß von einer Höhe von 90 cm, einer Breite von 60 cm und waren bis zu 40 Metern lang.60 Auch wenn heute in den Ausgrabungen Belüftungsschächte gefunden wurden, müssen die Bedingungen der Arbeit als äußerst menschenfeindlich ange- sehen werden.
Es scheint also kein Zufall gewesen zu sein, daß besonders die Arbeit in den Bergwerken fast ausschließlich von Sklaven geleistet wurde und als besonders unwürdig für einen Freien gegolten hat.61
6.2. Landwirtschaft
Entgegen früheren Annahmen, daß in der Landwirtschaft besonders viele Sklaven gearbeitet haben, scheinen die Sklaven in diesem Wirtschaftsfeld eine eher geringere Rolle, als im Gewerbe der Stadt gespielt zu haben.
Auf den großen Landgütern der reichen Athener waren mit Sicherheit zahlreiche Sklaven beschäftigt62, aber die überwiegende Zahl von Kleinbauern, war nicht in der Lage sich einen oder sogar mehrere Sklaven zu leisten. Dieses ergibt sich aus der heute möglichen Berechnungen der Erträge der damaligen Böden. Es war für einen freien Bauern einfach nicht möglich, sich einen Sklaven, als zusätzlichen Gehilfen zu leisten.63 Er kostete eher mehr, als daß er dem Bauer hilfreich war.
Zu Zeiten der intensiveren Bearbeitung, wie z.B. der Ernte, indem ein ho- her Arebeitsaufwand von Nöten war, halfen sich die benachbarten Bauern gegenseitig oder es wurden kurzzeitig Tagelöhner eingestellt.64 Aristoteles selber riet den Bauern, daß sie sich eher einen Ochsen anschaffen soll- ten, als einen Sklaven.65 Dieses scheint plausibel, da ein Rind als Zugtier dienen konnte und selber als Nahrungsquelle zur Verfügung stand. Auch war es für den ärmeren Bauern in erster Linie wichtiger seine militärische Ausrüstung in Ordnung zu halten, die seinen bürgerliche Status ausmach- te, als Geldmittel in einen neuen Sklaven zu investieren.66
Die Begründung einiger Forscher, daß die Bauern Sklaven gehabt haben müssen, um ihre Aufgaben in der Volksversammlung in Athen zu erfüllen, wird durch Untersuchung der Teilnahme an diesen Versammlungen entkräftet. Selten kamen mehr als 6.000 bis 7.000 Bürger zur Volksversammlung und am unwahrscheinlichsten die ärmeren Bauern, die den weitesten und teuersten Anreiseweg hatten.67
6.3. Kriegsdienst
Anders als in Sparta, wo die Heloten als natürliche militärische Truppentei- le eingesetzt wurden,68 war diese Praktik in Athen nicht üblich.69 Nur in äußersten Notlagen wurden sie als Soldaten und Ruderer in den Krieg geschickt. In diesen Fällen ist bekannt, daß die eingesetzten Sklaven zu- vor freigelassen wurden oder ihnen die Freiheit zumindest versprochen worden war. Ob die Sklaven nach dem Krieg tatsächlich ihre Freiheit zu größeren Teilen erhielten, ist jedoch nicht überliefert.70 Die Ausrüstung der neu entstandenen Truppen dürfte allerdings, im Gegensatz zu den durch- aus vollbewaffneten Heloten71 Spartas, eher minderwertiger gewesen sein.
7. Freilassungen
Da die antiken Quellen nur sehr wenig über die tatsächlichen Größenord- nungen von Freilassungen berichten, ist es schwer, verläßliche Aussagen über die wahre Dimension dieser zu benennen. Werden allerdings Infor- mationen von Freilassungsschalen genommen, ergeben sich Schätzun- gen von 50-60 Freilassungen in einem Jahr in ganz Attika. Selbst bei ei- nem Vielfachen und einer geringen Annahme von 20.000 Sklaven ist es ein sehr geringer Anteil der in Athen lebenden Sklaven, die ihre Freiheit erhielten.72
Eine Freilassung bedeute auch keine Erhebung in den Bürgerstatus, son- dern ähnelte eher dem der Metoiken. Weiterhin war es auch üblich, daß der ehemalige Sklave weiter bestimmte Leistungen für seinen früheren Herren erbrachte. Die am weitesten verbreitete und angewendete Freilas- sungsbedingung war die paramone.73 Der Freigelassene war verpflichtet über einen bestimmten Zeitraum, in der Regel sogar sein restliches Le- ben, seinem früheren Herren weiterhin zu dienen. Oftmals zu denselben Bedingungen wie vor seiner Freilassung. Der Gewinn für den Sklaven lag in der Tatsache, daß seine Nachkommen frei geboren wurden.
Die Freilassung selbst erfolgte zunächst nur durch eine einseitige Erklä- rung des Herren, wobei keine staatlichen Eingriffe oder Rituale verlangt wurden.74 Erst im Laufe des 5. und zunehmend im 4. Jahrhundert wurden verstärkt rituelle Elemente, wie z.B. das der Sklaven einem Gott geweiht wurde und eine Freilassungszeremonie stattfand, etabliert.75 Zusätzlich wurde dieser nun öffentliche Vorgang durch aufgestellte Inschriften weiter beurkundet.76 Durch diese Formen der Freilassung wurde die neu gewonnene Freiheit des Sklaven etwas gesichert. Allerdings wurden auch ältere, kranke Sklaven von ihren Herren in die Freiheit entlassen, damit sie nicht weiterhin für Kosten aufkommen mußten.77
Einen Hinweis auf eine steigende Anzahl von Freilassungen geben die häufiger auftauchenden Testamente, in denen verfügt wurde, daß ehemalige Sklaven freigelassen werden sollten.78 Allerdings ist diese Meinung in der heutigen Forschung noch umstritten.79
8. Fazit
Auch wenn das Sklavensystem im antiken Athen weitaus komplexer und facettenreicher war, als es bei einer oberflächlichen Betrachtung er- scheint, darf es nicht darüber hinweg täuschen, daß die Sklaven zu einem überwiegenden Teil ein besonders schweres Schicksal erleiden mußten. Um so interessanter ist die Tatsache, daß es keine größeren Sklavenauf- stände gegeben hat, noch größere Teile der Bevölkerung etwas gegen das harte Los, was ihnen theoretisch selber drohte, unternommen haben. Es scheint für uns ein Widerspruch, daß Sklaven in vielfältiger Weise als niedriger angesehen wurden, gleichzeitig aber den athenischen Nach- wuchs lehrten, die öffentliche Ordnung aufrecht erhielten oder durchaus zu großem Reichtum kommen konnten.
Gleichzeitig zeigt es, wie sehr die Sklaverei als vollkommen normales E- lement in der damaligen Gesellschaft verwurzelt war.
Die alleinige Grundlage für die athenische Blütezeit und wirtschaftliche Stärke bildet die Sklaverei nicht. Der großer Teil der grundlegenden Arbei- ten wurde von Sklaven, freien Bürgern und Fremden gemeinsam geleistet.
Quellenverzeichnis
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Literaturverzeichnis
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Vogt, Joseph, Die Sklaverei im antiken Griechenland, in: Antike Welt, Heft 2, 1978, S. 49-56.
[...]
1 Aristol. pol. I, 5, 1255a 2.
2 Aristol. pol. I, 3, 1253b 20 u. Vogt, 1978, S. 56.
3 Finley, 1977, S. 77.
4 Thuk. VII, 27, 5.
5 Brockmeyer, 1979, S. 115.
6 Schuller, 1995, S. 37 u. Brockmeyer, 1979, S. 105.
7 Ameling, 1998, S. 292.
8 Schuller, 1995, S. 79.
9 Gschnitzer, 1981, S. 117.
10 Gschnitzer, 1981, S. 117.
11 Klees, 1998, S. 47.
12 Aristol. pol. I, 2, 1252b 9.
13 Vogt, 1978, S. 51.
14 Klees, 1998, S.20.
15 Thuk. III, 36-50 u. Klees, 1998, S. 20.
16 Thuk. V, 116, 4.
17 Klees, 1998, S. 25.
18 Klees, 1998, S. 30.
19 Aristol. pol. I, 8, 1256b 23-26.
20 Klees, 1998, S. 41.
21 Gschnitzer, 1981, S.117.
22 Klees, 1998, S. 50.
23 Klees, 1998, S. 60.
24 Klees, 1998, S. 59.
25 Diog. Laert. IV, 46.
26 Klees, 1998, S. 58.
27 Klees, 1998, S. 52.
28 Vogt, 1978, S. 51.
29 Austin/Vidal-Naquet, 1984, S. 83.
30 Gschnitzer, 1981, S. 117.
31 Austin/Vidal-Naquet, 1984, S. 250.
32 Brockmeyer, 1979, S. 111.
33 Plat. nom. VIII, 848c.
34 Klees, 1998, S. 61.
35 Xen. Ag. oik. XIII, 9.
36 Klees, 1998, S. 63.
37 Klees, 1998, S. 63.
38 Klees, 1998, S. 75-80.
39 Xen. Ag. Ath. pol. I, 10.
40 Austin/Vidal-Naquet, 1984, S. 82.
41 Aristol. pol. I, 4, 1254a 1-8.
42 Austin/Vidal-Naquet, 1984, S. 83
43 Klees, 1998, S. 57.
44 Xen. Ag. mem. II, 2, 16.
45 Klees, 1998, S. 201 vgl. Plat. Nom. IX, 868a.
46 Klees, 1998, S. 106.
47 Klees, 1998, S. 107.
48 Brockmeyer, 1979, S. 112.
49 Thalheim, demosioi, Thalheim, RE, 9. Halbbd., 1958, Sp. 161-162.
50 Szanto, choris oikountes, RE, 6. Halbbd., 1970, Sp. 2438.
51 Klees, 1998, S. 146.
52 Finley, 1977, S. 65.
53 Vogt, 1978, S. 53
54 Vogt, 1978, S. 52.
55 Brockmeyer, 1979, S. 109.
56 Vogt, 1978, S. 54.
57 Brockmeyer, 1979, S. 110.
58 Austin/Vidal-Naquet, 1981, S. 83.
59 Brockmeyer, 1979, S. 120f.
60 Klees, 1998, S. 117-121.
61 Klees, 1998, S. 124.
62 Ameling, 1998, S. 293.
63 Ameling, 1998, S. 298.
64 Ameling, 1998, S. 302f.
65 Aristol. pol. I, 2, 1252b 12.
66 Ameling, 1998, S. 299.
67 Ameling, 1998, S. 312f.
68 Brockmeyer, 1979, S. 116.
69 Vogt, 1978, S. 54.
70 Vogt, 1978, S. 55.
71 Vogt, 1978, S. 55.
72 Klees, 1998, S. 298f.
73 Bernecker, E., paramone, RE, 36. Halbbd., 1965, Sp. 1212-1214. u. Brockmeyer, 1979, S.130.
74 Brockmeyer, 1979, S. 129f.
75 Brockmeyer, 1979, S. 130.
76 Vogt, 1978, S. 54.
77 Klees, 1998, S. 331.
78 Vgl. Diog. Laert. III, 42 u. Diog. Laert. V., 13-15.
79 Klees, 1998, 301f.
- Arbeit zitieren
- Udo Steinniger (Autor:in), 2001, Sklaverei im klassischen Athen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107236