Deutsche Einflüsse in Chile 1933-1945


Hausarbeit, 2002

11 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Deutsche Einflüsse auf Chile während der 30er Jahre
2.1. Deutsch-chilenische Beziehung in den 20er und 30er Jahren
2.2. Die Deutsch-Chilenen und die NSDAP-Auslandsorganisation
2.3. Deutsche Flüchtlinge in Chile
2.4. Die Krise in Chile
2.5. Die MNS
2.6. Nationalistische Bestrebungen beim Militär
2.7. Verschlechterung der deutsch- chilenischen Beziehungen ab 1940

3. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Durch die große Entfernung Südamerikas zu Europa und dem vorherrschenden amerikanischen Einfluss sind die Beziehungen zwischen Deutschland und Südamerika nicht unbedingt erstrangig. Doch spielt der Außenhandel eine beachtenswerte Rolle. In Chile haben deutsche Einflüsse, trotz dessen, dass die Entfernung Santiagos von Deutschland etwa 18.000 km beträgt, vor allem Ende des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert besondere Bedeutung.

Nach der Unabhängigkeit der einstigen spanischen Kolonien von ihrem Mutterland, besitzt seit etwa 1820 England im lateinamerikanischen Außenhandel eine dominierende Stellung. Zumeist hat es damit auch einen großen politischen Einfluss. Dies sollte sich erst Anfang des 20. Jahrhunderts ändern, als die Vereinigten Staaten die Rolle Großbritannien übernehmen. Chile kann mit britischer Unterstützung zu Beginn der 1880er von Bolivien und Peru die Atacamawüste erobern. Damit kommt Chile in den Besitz reichhaltiger Salpetervorkommen, die künftig einen Großteil des Exportes ausmachen.

Seit der Reichsgründung (1871) steigt auch spürbar der Anteil deutscher Kaufleute in Lateinamerika. Doch nahmen der Export nach Lateinamerika 1880 nur 0,95 % des Außenhandelsvolumen des Deutsche Reiches ein und selbst 1913 übersteigt er nicht 8 %. Und auch der Anteil der deutschen Investitionen macht vor dem ersten Weltkrieg nur etwa 10 % des in Südamerika angelegten Geldes aus. Deutschland war in Lateinamerika nach Großbritannien, der USA und Frankreich die viertwichtigste Handelsnation. Dabei kommt Chile in der Relation gesehen recht großer Anteil zu. Denn in Chile wurden fast so viele Investitionen getätigt wie im bevölkerungs- und flächenmäßig zehn mal so großen Brasilien. Dafür verantwortlich war, neben der beherrschenden Stellung Chiles im Salpeterabbau, auch die starken Verbindungen zwischen deutschen und chilenischen Militärs.

Deutschlands Armee stellte in Europa einen großen Macht- doch letztendlich auch einen großen Unsicherheitsfaktor dar. Um die Ausbildung seiner Armee zu verbessern holte so Chile 1883 als erstes lateinamerikanisches Land eine deutsche Militärmission unter General Emil Körner ins Land. Diese militärische Verbindung wurde weiter ausgebaut. So wurde General Körner sogar Oberbefehlshaber der chilenischen Armee und bis 1914 besuchten 130 chilenische Offiziere zur „Weiterbildung“ Deutschland. Aus diesen guten militärischen Verbindungen konnte natürlich auch die Waffenindustrie profitieren. Im ersten Weltkrieg rissen diese Beziehungen allerdings ab. Doch bleibt Chile im Krieg neutral.

2. Deutsche Einflüsse auf Chile während der 30er Jahre

2.1. Deutsch-chilenische Beziehung in den 20er und 30er Jahren

Zur Zeit der Weimarer Republik festigten sich aber wieder die Beziehungen zwischen Deutschland und Chile. So wurden 1925, gegen den Willen der Ententemächte Frankreich und Großbritannien, erneut deutsche Offiziere zur militärischen Beratung und Ausbildung ins Land gerufen. Allerdings führt die Reduzierung der chilenischen Armee in den 30er Jahren zu einem Abzug der deutschen Offiziere bis 1937.

Auch der deutsche Lateinamerikahandel steigt nach Überwindung der Anfangskrise der Weimarer Republik wieder an. 1934 wurde durch eine „Deutsche Handelsdelegation für Südamerika“ eine Exportoffensive gestartet und 1938 betrug der Anteil Südamerika 15 % des deutschen Außenhandels. Zu Chile bestanden Anfang der 30er wieder sehr gute wirtschaftliche und politische Beziehungen. Und auch der Gesandte in Chile lobte die besonders deutschfreundliche Haltung des Landes. Schließlich wurde die deutsche Gesandtschaft in Santiago in eine Botschaft umgewandelt, was auch die Bedeutung Chiles stärker hervorhob.

2.2. Die Deutsch-Chilenen und die NSDAP-Auslandsorganisation

In Südchile entstand seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine größere Kolonie Deutscher Auswanderer, die vor allem in unwegsamen Gebieten neues Land erschlossen. Chile hatte zu Beginn der 30er Jahre lebten in Chile etwa 4,3 Millionen Einwohner. Unter ihnen befanden sich etwa 30.000 Volksdeutsche sowie 9.000 Reichsdeutsche, die noch die deutsche Staatsbürgerschaft besaßen. Die wichtigsten deutschen Siedlungsgebiete lagen zwischen Valdivia und Llanquihue in der 10. Region. Auch in Santiago lebte ein beträchtlicher Anteil Deutscher und Deutschstämmiger.

In dem von der Weltwirtschaftskrise erfassten Deutschland, fanden Hitlers Nationalsozialisten immer größeren Zuspruch. Der Aufstieg Hitlers hatte Auswirkungen auf die etwa eine Millionen Deutschen die weltweit, außerhalb der deutschen Grenzen lebten. So wurde als Teil der NSDAP-Auslandsorganisation (NSDAP-AO) in Santiago 1931 von Willi Köhn, Richard Zeissig und General von Knauer die NSDAP-Landesgruppe-Chile gegründet. Sie kämpfte verbissen gegen die Einwanderung jüdischer Flüchtlinge und versuchte vor allem die deutsche Kolonie im Süden Chiles zu durchdringen und gleichzuschalten. Vor allem bei letzterem hatte sie recht großen Erfolg.1 So wurde 1936 von der chilenischen NSDAP, dem Deutsch- Chilenischen Bund, dem Deutschen Jugendbund und den deutschen Schulen das „Deutsche Haus“ gegründet. Zu diesem Zeitpunkt wurden die meisten deutschen Organisationen durch die NSDAP geleitet. Und auch die nationalsozialistische Propaganda stieß hier oft auf fruchtbaren Boden. So wurde infolge der NS-Rassenlehre von deutsch-chilenischen Mischehen abgeraten, was der NSDAP selbst die Ablehnung der chilenischen Rechten einbrachte, die sonst mit ihr sympathisierte.

2.3. Deutsche Flüchtlinge in Chile

Mit der Machtergreifung Hitlers zu Beginn des Jahres 1933 begann auch eine große Zahl von Regimegegnern und von im 3. Reich unerwünschten, diskriminierten und schließlich verfolgten Juden auszuwandern bzw. zu flüchten. So fanden zwischen 1933 und 1945 über 10.000, hauptsächlich jüdische Emigranten den weiten Weg von Deutschland nach Santiago. Dabei stellte sich Chile mit seiner unsicheren wirtschaftlichen und politischen Lage nicht unbedingt als attraktives Exilland dar. Zudem war Chile ja schon lange ein hauptsächlich katholisches Einwanderungsland. Deshalb gibt es eine traditionelle Ablehnung von Nichtkatholiken, insbesondere von Juden. Um die guten Beziehungen zum Deutschen Reich nicht zu belasten, gab es auch eine starke Zurückhaltung beim Thema jüdische Einwanderung. So veröffentlichte die größte chilenische Tageszeitung bis zum Januar 1946 keinen einzigen Artikel, der die Judenverfolgung als Ursache der Emigration kritisch dargestellt hätte. Es bestanden ferner recht strenge Einwanderungsgesetze.

So konnten nach dem chilenischen Asylgesetz nur folgende Personen mit einer Einwandererlaubnis rechnen:

„a) Nahe Angehörige in Chile ansässiger Personen,

b) eine Quote von jährlich 50 Familien unter folgenden Bedingungen:

1. der Familienvater soll einen industriellen Beruf ausüben oder in der Lage sein, einen kleinen industriellen Betrieb in Chile aufzubauen;
2. er soll nachweisen können, dass ihm zum Zweck der Auswanderung nach der Auswanderung ein größerer Kapitalertrag im Ausland zur Verfügung gestellt wird;
3. der Familienvater soll nicht über 45 Jahre alt sein; er soll möglichst viele Kinder haben“2

Doch in der Praxis wurden die Bestimmungen weniger streng gehandhabt. Ein Visum für Bolivien und Argentinien war jedoch einfacher zu erhalten. Aufgrund des besonders in Bolivien für Mitteleuropäer ungünstigen Klimas und der enormen Höhenlage, gab es aus den Nachbarländern, über die langen und nur schwer zu kontrollierenden Grenzen einen starken Zustrom von Flüchtlingen nach Chile. Hinzu kommen noch lückenhafte Listen über die Visaerteilungen der chilenischen Konsulate in Deutschland. Somit ist die Gesamtzahl deutscher Emigranten auch unklar, es muss aber wohl von mindestens 12.000 ausgegangen werden.3 Die ankommenden Flüchtlinge wurden auch teilweise diskriminiert. Neben rechten Chilenen, wurden Juden vor allem von Deutschen in den von NSDAP-Propaganda durchdrungenen Gebieten gemieden und ignoriert.

Besonders in der Anfangszeit haben es die Emigranten schwer im neuen Land Arbeit zu finden. Doch sind viele von ihnen gut gebildet und entstammen dem kaufmännischen oder unternehmerischen Milieu. So konnten einige mit gerettetem Geld oder neu aufgenommenen Krediten in Chile schließlich einige hundert Fabriken -vor allem im Textilbereich- gründen und somit neue Arbeitsplätze schaffen. Sobald die Flüchtlinge ökonomisch eingebunden waren, wurden sie von der Masse der Chilenen schnell akzeptiert und genossen sogar wegen der, den Deutschen zugeschriebenen Pünktlichkeit, Ordnungsliebe und Arbeitsamkeit recht hohes Ansehen. Letztendlich stellen die deutschen Flüchtlinge einen wirtschaftlich Gewinn für Chile dar.

Die Exilanten gründen auch neue Organisationen. So wird zum Beispiel 1936 das „Comité Contra el Antismitismo“ (C.C.A.) gegründet. Diese wirkte anfangs nur auf erzieherischer und kultureller Ebene, bekämpfte aber schließlich auch antisemitische Propaganda. Im Gegensatz zur Bewegung „Das Andere Deutschland“, welches politischer ausgerichtet war und auch zu drei Vierteln aus deutschen Juden bestand, war das C.C.A. nicht „mit dem Gesicht nach Deutschland“ gerichtet, da eine Remigration sich anfangs unmöglich und auch später schwierig gestaltete. Viele Flüchtlinge blieben auch nach 1945 im Land und nahmen die chilenische Staatsbürgerschaft an. Die meisten Emigranten mussten zwischen Judentum, deutscher Kultur und Loyalität gegenüber der neuen, fremden chilenischen Heimat eine neue Identität bilden.

2.4. Die Krise in Chile

Die Weltwirtschaftskrise schwächt auch die immer noch stark auf Salpeter ausgerichtete Exportwirtschaft Chiles. Daraus resultiert schließlich der Zusammenbruch des chilenischen Finanzwesens und eine sehr hohe Arbeitslosigkeit. So kommt es 1931 zum Sturz der Militärdiktatur von General Carlos Ibáñez del Campo. Es folgt nun eine tiefe politische Krise mit sechs Präsidenten innerhalb eines Jahres. Erst Präsident Arturo Alessandri Palma (1920- 1925 und 1932-1938) konnte die gesellschaftliche und politische Anarchie mindern und die Lage wieder etwas stabilisieren.

Die Zuspitzung der gesellschaftlichen Gegensätze und die Unfähigkeit der liberalen Demokratie die wirtschaftliche Lage zu verbessern enttäuschte vor allem die Mittelschicht und das Militär. So erhielten neue, meist extreme Ideologien und Gruppen starken Zulauf. Dies war zur Zeit der Weltwirtschaftskrise, die auch immense Probleme in der Politik und den gesellschaftlichen Strukturen vieler anderer Länder auslöste, keine spezifisch chilenische Erscheinung. Neben Sozialisten und Populisten wuchs auch die Anhängerschaft ultranationalistischer Strömungen. Diese wollten einen 3. Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus gehen und sind stark von den faschistischen Staaten in Europa beeinflusst worden. Mit gesellschaftlicher Disziplin und nationalem Kult sollten die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise überwunden und die gesamte Entwicklung vorangetrieben werden.

2.5. Die MNS

Die Movimiento Nacional Socialista (MNS) war eine rechtsextreme Partei, die am 5. 4. 1932 nach dem Beispiel der deutschen NSDAP gegründet worden war. Zu ihrem Parteiführer schwang sich Gonzáles von Marées auf. Die MNS gewann vor allem unter enttäuschten Soldaten und Offizieren, sowie in der Mittelschicht und in der deutsch-chilenischen Bevölkerung rasch Anhänger. Sie vertrat eine extrem deutschfreundliche Haltung und hatte einen sehr starken Drang zur Nachahmung seines nationalsozialistischen Vorbildes. So übernahm sie auch deren Symbole, Gruß und Uniformen und nannte sich selbst „nacista“. Es werden paramilitärische Überfallkommandos, die Tropas Nacistas de Asalto eingesetzt, welche vor allem gegen Linke eingesetzt wurden. Die Linken bildeten zur Verteidigung schließlich eigene Milizen und es kam oft zu blutigen Auseinandersetzungen mit Toten auf beiden Seiten. Die MNS versuchte besonders die Jugend zu erreichen und rief dazu, ähnlich wie im Deutschen Reich ab 1935 Arbeitsdienste in Leben. Auch der Antisemitismus wurde übernommen, er resultierte aber aus der judenfeindlichen katholischen Tradition und wurde nicht rassisch-biologisch begründet. Doch spielte er keine herausragende Rolle, da um 1930 nur etwa 2.200 Juden in Chile lebten. Die MNS betont jedoch ihre nationale Verwurzelung in Chile, was mitunter zu Reibungspunkten mit den Deutschen und der chilenischen NSDAP führte, welche einer Assimilierung entgegenwirkten. Vor den Kongresswahlen 1937 änderte sich die Taktik der Partei: die Tropas Nacistas blieben zwar bestehen, doch wurde nun auf Gewalt verzichtet und es sollte die Macht mit legalen und friedlichen Mitteln erworben werden. Doch blieb ein Überraschungserfolg bei den Wahlen aus.

Auf der Suche nach neuem Wählerpotential wendete sich nun die MNS gegen die chilenische NSDAP und die faschistischen Staaten und ging sogar ein Bündnis mit der linken Frente Popular ein. Das Bündnis scheiterte jedoch und vor der Präsidentenwahl 1938 stellte sie sich hinter Exdiktator Ibáñez. Doch da seine Erfolgschancen sehr gering waren, versucht man einen Putsch. Auch dieser schlug fehl. Gonzáles von Marées und General Ibáñez stellten sich und rieten ihren Anhängern das linke Volksfrontbündnis zu unterstützen. Dieses gewannen mit ihrem Kandidaten Pedro Aguirre Cerda auch knapp die Präsidentschaftswahl, nichtsdestotrotz verlor die MNS trotz Umbenennung in Vanguardia Popular Socialista bis Anfang der 40er Jahre jegliche Unterstützung und Popularität. Gonzáles von Marées selbst trat 1945 in die Liberale Partei ein.

2.6. Nationalistische Bestrebungen beim Militär

Auch oder vielmehr besonders in der Armee und der Marine gab es starke nationalistische Tendenzen. Denn das Militär ist meist Hort konservativer, nationaler und autoritärer Gedanken. So bildete die Deutsche Reichswehr zur Zeit der Weimarer Republik einen stark völkisch und antidemokratisch eingestellten „Staat im Staate“, welcher zu den Förderern und Nutznießern des hitlerischen Aufstieges gehörten. Und zu eben dieser Deutschen Reichswehr hatte das enttäuschte chilenische Militär sehr enge Kontakte. Viele chilenische Offiziere waren in Deutschland gewesen, sprachen sehr gut Deutsch und einige waren durch die Heirat deutscher Frauen familiär mit dem Deutschen Reich verbunden. So gibt es schon sehr früh Sympathien für Faschismus und Nationalsozialismus. Es entstehen so viele kleinere Zusammenschlüsse und Organisationen, die zum Teil an Möglichkeiten eines Putsches arbeiteten und von NSDAP- Mitgliedern geleitet wurden. Besondere Bedeutung in dieser Hinsicht kam dabei der Liga de Clubes Militares Alemanes zu, der sich 1938 in Liga Nacionalsocialista de Ex Combationes del Imperio umbenannte und dem neben vielen deutsch-chilenischen Veteranen und aktiven NSDAP-Funktionären auch viele chilenische Offiziere Haupt- oder Ehrenamtlich angehörten. Doch zog man auch Lehren aus der gescheiterten Militärdiktatur des Carlos Ibáñez del Campo und versuchte nicht mit aller Macht die Regierungsgewalt in Chile zu gewinnen. Dennoch bereitete ein Teil der Streitkräfte einen Putsch gegen den Präsidenten vor, bei dem zahlreiche Admiräle und Generäle, darunter Exdiktator Ibáñez, aber auch Gonzáles von Marées beteiligt waren. Die Planungen standen auch im Einvernehmen mit der argentinischen Armee und es sollten letztendlich wieder Beziehungen zu Hitlerdeutschland wiederaufgenommen werden. Im Januar 1944 konnten diese Bestrebungen durch den britischen Geheimdienst enttarnt und der Anschlag verhindert werden. Die militärischen Anführer wurden jedoch einfach nur in den Ruhestand versetzt. Dieses Beispiel offenbart, wie stark der Einfluss nationalistischer Gruppen auch in den 40er Jahren war.

2.7. Verschlechterung der deutsch- chilenischen Beziehungen ab 1940

Im 2. Weltkrieges wurde die deutsche Ökonomie auf Kriegswirtschaft umgestellt. Zudem beherrschten die Alliierten den Atlantik und somit kam es 1940 merklich zum Abflauen und schließlich zum Erliegen des deutschen Südamerikahandels. Und im U-Bootkrieg versenkte Deutschland auch chilenische Frachtschiffe. Schließlich nahm, aufgrund der wirtschaftlichen Stärke und Kraft der Vereinigten Staaten, auch der US-amerikanische Einfluss auf die Politik Chiles immer weiter zu.

Der parteilose deutsche Botschafter Freiherr von Schoen bemerkte, „dass sich in Chile, seit Ende der 30er Jahre, vor allem seit Kriegsausbruch, eine antideutsche Stimmung breit machte, die 1941 kulminierte und sich dann über zwei Jahre bis zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen im Januar 1943 hinzog... [und] macht hierfür die Tätigkeit der NSDAP-AO verantwortlich.“4 So wollte die NSDAP-Landesgruppe durch antisemitische Propaganda die traditionelle ablehnende Haltung vieler Chilenen weiter festigen. Doch Aufgrund der geringen Zahl von Juden schien wohl der Aufwand übertrieben. Die damit verbundene nationalsozialistische Rassenlehre fand zudem bei den Chilenen keinen Anklang. Schließlich wurden ca. 30 Deutsche in Valdivia wegen Spionageverdacht und der Gefährdung der inneren Sicherheit angeklagt, was von deutscher Seite der Einflussnahme der USA in Chile zur Last gelegt wurde. Im 3. Reich antwortete man auf den Prozess mit einer Strafaktion in Berlin: hier wurden mehrere in Deutschland lebende Chilenen in Schutzhaft genommen. Im Jahr 1942 bezeichnet die chilenische Regierung die NSDAP als Gefahr für die innere Sicherheit und bildete einen Untersuchungsausschuss. Nahe Zeitgleich wird in Valparaiso ein Spionagenetz aufgedeckt, was dann im Januar 1943 zum Verbot der NSDAP und dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reich und seinen Verbündeten führte. Trotz weitverbreiteter Deutschlandsympathie wurde, wenn auch erst Anfang 1945 die Kriegserklärung an das 3. Reich erteilt. Über 300 Persönlichkeiten appellierten zwar in einem offenen Brief an den Präsidenten, die Neutralität Chiles zu wahren, doch hatten sie damit genauso wenig Erfolg, wie Expräsident Alessandri, welcher eine Volksabstimmung zur Frage der Kriegserklärung durchsetzen wollte.

3. Schlussbemerkung

Es ist nun sicherlich deutlich geworden, dass es in Chile seit Ende des 19. Jahrhunderts starke deutsche Einflüsse gab. Sie gingen zum einen von deutschen Siedlern und Flüchtlingen aus, zum anderen gab es besonders auf dem militärischen Sektor enge Kontakte zwischen Chile und dem Deutschen Reich. Viele chilenische Offiziere waren zu „Fortbildungsaufenthalten“ in Deutschland und bewunderten den deutschen Militarismus. Die innovationsreiche deutsche Wirtschaft hatte -neben ihrer handelspolitischen Rolle- indirekt Auswirkungen auf Chile. So führte das deutsche Haber-Bosch-Verfahren zur künstlichen Salpeterherstellung zum Wegfall von Chiles weltbeherrschender Stellung im Salpeterexport und zum Zusammenbruch nahezu eines ganzen Industriezweiges.

Die Weltwirtschaftskrise führte in den 30er Jahren in sehr vielen Staaten zu wirtschaftlichem und politischem Chaos. Oft fanden radikale Parteien und Strömungen starken Zulauf. Nicht zu letzt wurde die chilenische Rechte -bestehend vor allem aus Mittelschichtlern, aus Militärs und aus Deutsch-Chilenen- stark von den Nationalsozialisten beeinflusst, auch wenn sich durch starke amerikanische Einflüsse in den 40ern das deutsch-chilenische Verhältnis verschlechterte. Durch die guten deutsch-chilenischen Kontakte und das meist gute Ansehen, welches die Deutschen in der chilenischen Bevölkerung genossen, wurde Chile, nachdem es zwischen 1933 und 1945 ein Fluchtland für deutsch-jüdische und politische Emigranten war, zu Kriegsende zum Exil für deutsche Nazis.

Und selbst die Militärdiktatur des 1915 geborenen und 1933 in die Armee eingetretenen Auguste Pinochet hatte sicherlich eine ihrer Wurzeln in den, gerade vom Militarismus Deutschlands mitgeprägten autoritären Bestrebungen, Ideen und Einstellungen der Militärs in den dreißiger Jahren.5 Sie war ein rechter Gegenentwurf zu der von Links angeregten Politik, welche den staatlichen Einfluss auf die Wirtschaft enorm ausdehnte. „… [Der 1973 von Pinochets und anderen Militärs verübte] Putsch richtetet sich nicht nur gegen die Regierung Allende, sondern gegen die gesamte Entwicklung seit der Volksfront im Jahre 1938, die von den neuen Machthabern als ‚dekadent’ und ‚gescheitert’ diskreditiert wurde.“6

Literaturverzeichnis

NOHLEN, Dieter/NOLTE, Detlef: Chile. In: Handbuch der dritten Welt. Band 2: Südamerika. Hrsg. von D. Nohlen/ F. Nuscheler. Bonn. 3. Auflage. 1995; S. 277- 338

O’ SHAUGHNESSY, Hugh: Pinochet. The Politics of Torture. New York. 2000

PRÖSSER, Claudius: „Neue Ordnung“ nach deutschem Vorbild. NS-Bewegung und Nazis in Chile 1931-1945. In: Lateinamerikanische Nachrichten. Nr. 252/253 (Juni/Juli 1995); S. 50-54

WOJAK, Irmtrud: Exil in Chile. Die deutsch-jüdische und die politische Emigration während des Nationalsozialismus 1933-1945. Berlin. 1994

[...]


1 So traten von den 9.000 Reichsdeutschen etwa 11,2 % der NSDAP-Landesgruppe bei. Ein recht großer Anteil der deutschen Bevölkerung, im vergleich mit dem Anteil der deutschen NSDAP-Mitglieder in den jeweiligen Landesgruppen von Argentinien und Brasilien. Vgl. Wojak, Irmtrud: Exil in Chile. Die deutsch-jüdische und die politische Emigration während des Nationalsozialismus 1933-1945. Berlin. 1994, S. 130

2 Jüdische Auswanderung nach Südamerika. hrsg. v. Hilfsverein der Juden in Deutschland e. V. Berlin. 1939. Zitiert nach: Wojak, 1994, S. 88

3 dazu Wojak, S. 119- 126

4 Wojak, 1994, S. 145. Zur weiteren Biographie von Schoens siehe ebd. S. 145 - 151 9

5 O’ Shaughnessy, Hugh: Pinochet. The Politics of Torture. New York. 2000

6 Nohlen, Dieter/Nolte, Detlef: Chile. In: Handbuch der dritten Welt. Band 2: Südamerika. Hrsg. von D. Nohlen/ F. Nuscheler. Bonn. 3. Auflage. 1995; S. 277- 338, S. 289

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Deutsche Einflüsse in Chile 1933-1945
Hochschule
Technische Universität Dresden
Veranstaltung
Geschichte Chiles
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
11
Katalognummer
V107237
ISBN (eBook)
9783640055111
Dateigröße
418 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutsche, Einflüsse, Chile, Geschichte, Chiles
Arbeit zitieren
Jörg Hauptmann (Autor:in), 2002, Deutsche Einflüsse in Chile 1933-1945, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107237

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