Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Generation Porno
2.1 Begriffsdefinition
2.2 Rechtlicher Hintergrund
2.3 Die Attraktivität der Onlinepornografie
2.4 Die Pornografie-Nutzer*innen
3. Pornografiekonsum im Jugendalter
3.1 Motive zur Nutzung von Pornografie
3.1.1 Wissensgewinn und Lernen
3.1.2 Selbstbefriedigung
3.1.3 Soziale Motive
3.2 Mögliche Auswirkung von Pornografiekonsum
3.2.1 Die ungewollte Konfrontation mit Pornografie
3.2.2 Das Selbstbild
3.2.3 Rollenbilder von Männern und Frauen
3.2.4. Der Umgang mit der eigenen Sexualität und Pornografie
3.2.5 Sexualisierte Gewalt und harte Pornografie
4. Fazit
5. Literatur
1. Einleitung
Der Pornografiekonsum Jugendlicher wurde vor etlichen Jahren durch Titel wie „Sexuelle Verwahrlosung: Voll Porno!“ vom Stern aufgegriffen. Die Darstellung wirkte dramatisch. Jugendliche würden Pornos teilweise mit ihren Eltern auf der Couch schauen, Mädchen hätten schon mit 14 Jahren mit einer Gruppe von Männern Sex und würden damit angeben, so liest man. Es wird von einer sexuellen Revolution geschrieben, angetrieben von Pornografie. Liebe und Zärtlichkeit spielten dabei keine Rolle, von emotionalem Notstand ist die Rede (vgl. Stern 2007). Dem gegenüber stehen aktuellere Meldungen, in denen es heißt, dass Pornografiekonsum eher eine erzieherische Herausforderung, denn ein Problem ist (vgl. Stern 2017).
Durch Smartphones, WLAN und mobiles Internet ist der Zugriff auf Pornografie denkbar einfach, teilweise kostenfrei und ohne Hürden möglich geworden, auch für Jugendliche (vgl. Weber und Daschman 2010, S.167). Laut der Jim Studie besitzen 97 % der 12 bis 19-Jährigen ein Smartphone und 84 % nutzen dieses auch fast täglich für das Internet (vgl. mpfs 2018, S. 8, 28). Das legt nahe, dass Jugendliche recht problemlos und unbeobachtet Zugang zu pornografischen Inhalten haben können.
Dass Pornografie bei vielen, insbesondere männlichen, Jugendlichen ein regelmäßiger Bestandteil ihrer Lebenswelt ist, belegen einige Studien. Die Speak! Studie beispielsweise zeigt, dass 60 % der Jugendlichen bereits Kontakt mit Pornografie haben und gut 27 % sind regelmäßigere Konsumenten (vgl. Maschke und Stecher 2018, S. 73).
In der Diskussion zum Pornografiekonsum gibt es verschiedene Positionen. Einerseits werden verschiedene Nutzen für Jugendliche gesehen, wie beispielsweise um sich als „Erwachsene*r“ zu positionieren, um sich gegen Normen zu opponieren oder um in der Peergroup Anerkennung zu erfahren (vgl. Vogelsang 2017, S. 63). Andererseits werden auch negative Folgen diskutiert. So werden zum Beispiel sexuelle Verunsicherung, negativer Einfluss auf das eigene Selbstvertrauen und freizügigeres Sexualverhalten aufgeführt (vgl. Owens et al. 2012, S. 116).
Um die Erkenntnisse der genannten Beiträge zu vertiefen, fragt der vorliegende Beitrag: Hat der Konsum von Pornografie Auswirkungen auf Jugendliche, und wenn ja, welche?
In einem ersten Schritt wird der Begriff Pornografie für diesen Beitrag definiert, da es keine einheitliche Definition von Pornografie gibt und ein gemeinsames Verständnis für den Begriff notwendig ist. Anschließend wird, um einen grundlegenden Überblick über das Thema zu vermitteln, die rechtliche Grundlage sowie die Verfügbarkeit und Verbreitung von Onlinepornografie dargestellt.
Des Weiteren wird auf die Zahlen und Geschlechterdifferenzen der Rezipient*innen von Pornografie genauer eingegangen. Mit diesem Schritt wird ein Überblick geschaffen, wie stark Pornografie in die Lebenswelt der Jugendlichen eingezogen ist.
Im nächsten Schritt folgt die Auseinandersetzung mit dem Pornografiekonsum im Jugendalter. Dabei werden zuerst die Motive der Jugendlichen zur Nutzung von Pornografie gesammelt, um verständlich zu machen, warum pornografische Inhalte im Jugendalter von Interesse und Bedeutung sein können.
Im Anschluss wird die Frage, ob Pornografiekonsum Auswirkungen auf Jugendliche hat, betrachtet. Dabei werden die möglichen Auswirkungen des Pornografiekonsums aus verschiedenen Quellen erarbeitet und diskutiert.
Abschließend wird vor dem Hintergrund der herausgearbeiteten Themen ein Fazit gezogen.
2. Generation Porno
2.1 Begriffsdefinition
Eine einheitliche Definition von Pornografie gibt es aufgrund von subjektiven, kulturellen und gesellschaftlichen Unterschieden nicht (vgl. Vogelsang 2017, S. 22). In diesem Beitrag richtet sich das Verständnis für Pornografie nach der Definition von Wikipedia: „ Pornografie ist die direkte Darstellung der menschlichen Sexualität oder des Sexualakts, in der Regel mit dem Ziel, den Betrachter [die*den Betrachter*in – Anm. d. Verf.] sexuell zu erregen. Dabei werden die Geschlechtsorgane in ihrer Aktivität häufig bewusst betont.“ (Wikipedia 2020)
2.2 Rechtlicher Hintergrund
Nach deutschem Gesetz wird zwischen einfacher (vgl. § 184 StGB) und harter Pornografie (vgl. § 184a StGB) unterschieden. Bei einfacher Pornografie ist die Verbreitung an Minderjährige strafbar (vgl. § 184 StGB). Harte Pornografie meint grundsätzlich illegale Inhalte, also Gewalt-, Tier-, Kinder- und Jugendpornografie. Die Produktion, der Erwerb, Besitz und die Verbreitung harter Pornografie ist generell strafbar (vgl. § 184a StGB).
Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien stuft Pornografie als jugendgefährdend, harte Pornografie als schwer jugendgefährdend ein (vgl. Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien). Da die sexuelle Entwicklung Jugendlicher in unseren Gesetzen als schützenswertes Gut gesehen wird und die Gefährdung dessen durch Pornografie zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, sind solche Gesetze und Verbote durchaus als sinnvolle Maßnahme zu betrachten (vgl. Walther 2003, S. 3).
Nach diesen Gesetzen dürfte einfache Pornografie nur für Erwachsene zugänglich und seitens der Anbieter auch nur einer geschlossenen, nachgewiesenermaßen erwachsenen Benutzergruppe zugänglich gemacht werden. Harte Pornografie dürfte für niemanden zugänglich sein (vgl. Bauder und Hajok 2019, S. 2).
2.3 Die Attraktivität der Onlinepornografie
Cooper beschrieb 1998 die Triple A’s, Access, Affordability und Anonymity. Diese können auch weiterhin als wichtige Faktoren für das steigende Interesse an Pornografie gesehen werden (vgl. Cooper 1998, S.187).
Access, also der Zugang und die Verfügbarkeit von Pornografie, wird durch das Internet stark vereinfacht. Man kann jederzeit und von überall darauf zugreifen, ohne große Hürden, wie eine Alters- oder Zugangskontrolle. Das Internetangebot für Onlinepornografie ist sehr umfangreich. Bei dem weltweiten Internetseiten-Ranking sind drei Onlinepornoseiten unter den ersten zehn gelistet. Das Ranking folgt nach dem Volumen des Datenverkehrs der Internetseiten (vgl. SimilarWeb 2020).
Pornhub landet auf Platz 10 und gehört zu den größten Onlineportalen für kostenlose Pornografie. Für 2016 gab Pornhub an, dass sie täglich 64 Millionen Besucher hatten. Davon nutzten 72 % mobile Geräte, wie Smartphones oder Tablets (vgl. safersurfing 2017).
Affordability, die Erschwinglichkeit des Angebots, stellt bei Onlinepornografie kein Problem dar, da die meisten Onlineportale kostenlose Pornovideos anbieten (vgl. SimilarWeb 2020).
Anonymity, also die Anonymität des Angebots, ist im Internet zumindest augenscheinlich gewahrt. Weder Eltern, noch Partner*innen, Freund*innen oder Nachbar*innen erfahren im Normalfall von dem Pornokonsum.
Zu ergänzen wäre hier noch die Heterogenität des Angebots. Es findet sich im Internet auch Pornografie, die besonderen Vorlieben gerecht wird, jenseits des üblichen heterosexuellen Geschlechtsakts (vgl. Vogelsang 2017, S. 28).
2.4 Die Pornografie-Nutzer*innen
Die erste Begegnung mit Pornografie machen Jungen im Schnitt mit 13,2 Jahren, davon in 44 % der Fälle ungewollt oder zufällig. Bei den Mädchen liegt das Durchschnittsalter bei 14,7 Jahren, von ihnen treffen 56 % zufällig oder ungewollt auf pornografische Inhalte. Bei beiden Gruppen ist häufig der Freundeskreis Ursprung der pornografischen Inhalte, 67 % der Jungen und 34 % der Mädchen kommen durch ihre Peers in Kontakt mit Pornografie (vgl. Weber und Daschman 2010, S. 177f).
Der Pornografiekonsum ist vor allem bei männlichen Jugendlichen immer alltäglicher und normaler. Diese Ergebnisse werden durch verschiedene Studien gestützt. Die Dr. Sommer Studie von Bravo untersuchte 1.228 Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren. 37 % der Jugendlichen hatten keine pornografischen Inhalte gesehen. 69 % der Jungen und 57 % der Mädchen hatten bereits Kontakt mit entsprechenden Bildern oder Filmen. 8 % der befragten Jungen schauten regelmäßig Pornos und lediglich 1% der befragten Mädchen. 35 % der Jungen nutzen Pornografie gelegentlich. Viele Mädchen lehnten Pornografie ab (46 %) und wollten diese auch nicht anschauen (50 %). Jungen hingegen empfanden sie als erregend (57 %) und 47 % waren der Meinung, etwas davon lernen zu können (vgl. Bravo 2009, S. 97, 99).
Ähnliche, wenn auch leicht differierende Ergebnisse, findet man bei der Speak! Studie. Von 2.719 befragten Jugendlichen hatten 40 % im Alter von 14 bis 16 Jahren noch keinen Kontakt mit pornografischen Inhalten. Von den Mädchen hatten 40 % pornografische Inhalte bereits gesehen, bei den Jungen 82 %. Ebenfalls schauten Jungen Pornos regelmäßiger mit 48 % als Mädchen mit 8 %. Von den Jugendlichen, die regelmäßig Pornos nutzten, schauten 39 % der Jungen und 14 % der Mädchen fast täglich Pornos.
Je älter die Jugendlichen werden, desto höher die Anzahl der Pornorezipient*innen und die Häufigkeit der Nutzung (vgl. Maschke und Stecher 2018, S. 73). Mit diesem Altersunterschied lässt sich die leichte Differenz zwischen der Bravo Studie und der SPEAK! Studie erklären.
Pornhub, mit 64 Millionen Benutzern täglich, gibt als Durchschnittsalter 35 Jahre an, 60 % der Seitenbesucher sind jünger. Von den Besuchern sind 74 % Männer und 26 % Frauen (safersurfing 2017). Der Geschlechterunterschied ist der einzig signifikante, Pornografiekonsum ist in allen Bildungsgängen anzutreffen (Vgl. Maschke und Stecher 2018, S. 76). Männliche Jugendliche haben durch den höheren Pornografiekonsum auch wesentlich häufiger Kontakt mit harter Pornografie (Vgl. Schmidt und Matthiesen 2011, S. 358).
3. Pornografiekonsum im Jugendalter
3.1 Motive zur Nutzung von Pornografie
Pornografiekonsum gehört vor allem für männliche Jugendliche zu ihrem Internet-Alltag, der auch nicht mehr verheimlicht werden muss. Bei einer Befragung der Jungen nach Gründen von Pornografiekonsum gaben sie an, dass es ihnen besonders um Wissensgewinn und Selbstbefriedung, aber auch um soziale Motive geht (Vgl. Grimm 2010, S. 5). Mädchen sind an Pornografie nicht besonders interessiert. Nach Schmidt und Matthiesen sind bei ihrer Interviewstudie 50 % der Mädchen Pornografie gegenüber desinteressiert, 25 % ablehnend und 25 % aufgeschlossen. (Vgl. Matthiesen et al. 2011, S. 336)
3.1.1 Wissensgewinn und Lernen
Pornografie wird von Jugendlichen unter anderem zu Informations- und Aufklärungszwecken genutzt. Auch auf heikle und schambesetzte Fragen, die im Rahmen der Sexualaufklärung für Jugendliche nicht konkret genug behandelt werden, finden sich dort Antworten. Pornografie bietet konkrete visuelle Antworten bezüglich verschiedenster sexueller Praktiken. Außerdem sind Themen wie Verhütung, Sexualität in Paarbeziehungen und sexuelle Identitätsentwicklung jenseits des gesellschaftlichen Mainstreams für Jugendliche von besonderem Interesse (Vgl. Döring 2013, S. 13-17, 25, 28).
Bei Jugendlichen ohne sexuelle Paarerfahrung wird Pornografie auch als Vorbereitung für die ersten sexuellen Paarhandlungen genutzt. So hoffen manche, dass sie sich damit sicherer fühlen und besser wissen, wie sie sich verhalten sollten.
Außerdem nutzen einige sie als Anregung und Horizonterweiterung ihres eigenen Sexlebens. Sie nutzen die Vorlagen der Pornografie und setzen insbesondere Koitusstellungen in ihrem Sexleben in die Realität um (Vgl. Schmidt und Matthiesen 2011, S. 372).
3.1.2 Selbstbefriedigung
Zum größten Teil schauen sich männliche Jugendliche Pornos allein an und masturbieren dabei. Dies begründen sowohl Mädchen als auch Jungen damit, dass männliche Jugendliche ihren Trieben nachgeben müssen und Pornografie dabei hilfreich sein kann. Da diese Triebsteuerung als natürliches Verhalten bei Jungen gesehen wird, ist der Konsum von Pornografie bei Jungen auch selbstverständlicher als bei Mädchen (Vgl. Grimm 2010, S. 6). Dabei sind die männlichen Jugendlichen allerdings nicht ausschließlich Opfer ihrer Triebe, sie suchen auch sexuelle Erfahrungen und Anregungen und wollen sich zum Teil die Zeit vertreiben. Beginnen sie eine Partnerschaft nimmt der Pornokonsum mit Selbstbefriedigung rapide ab, denn sie können nun auf eine Ressource aus ihrer Erinnerung zurückgreifen und ihre Fantasie benutzen (Vgl. Schmidt und Matthiesen 2011, S. 360).
Mädchen, insbesondere wenn sie selbst noch keinerlei Erfahrungen gesammelt haben, stehen der Pornografie und der Masturbation kritisch gegenüber und finden Pornos nicht erregend. Von den Mädchen, die durch Pornos schon mal erregt wurden, waren einige darüber irritiert (Vgl. Matthiesen et al. 2011, S. 338 f.). Sieht man diesen Befund im Zusammenhang mit der weiterhin verbreiteten geschlechterstereotypen Vorstellung, dass Mädchen eher keine Triebe haben wie Jungen und somit eher eine „Schlampe“ sind, wenn sie sexuell aktiv sind (Vgl. Grimm 2010, S. 6), dann erscheint die Irritation über die sexuelle Erregung nachvollziehbar. Darüber hinaus finden die Mädchen im umfangreichen Angebot der Pornos im Internet nicht unbedingt die Filme, die sie möglicherweise attraktiv und erregend finden könnten (Vgl. Matthiesen et al. 2011, S. 349).
3.1.3 Soziale Motive
Schmidt und Matthiesen befragten 160 Jugendliche zwischen 16 und 19 Jahren. Dort gaben 56 % der befragten Jungen an, mit anderen Jungen Pornos geschaut zu haben. Hier finden oft der erste Kontakt mit Pornos und ebenfalls das extremste Pornoerlebnis statt. Dabei wird dann das Darstellen der eigenen Lässigkeit und Kompetenz relevant, auch bei schockierendem Material. Im Gegensatz zur Nutzung in Jungengruppen ist die Nutzung auf Partys mit anderen Jungen und Mädchen deutlich seltener mit 10 % bei den Jungen (Vgl. Schmidt und Matthiesen 2011, S. 360).
Bei den Mädchen gaben 33 % an, im Kreise ihrer Freundinnen Pornos geschaut zu haben. Hier geht es häufig darum, etwas Verbotenes zu tun und Tabus zu brechen. Neben Neugier und Spaß spielt der Faktor, sich etwas besser mit Pornos auszukennen, eine Rolle. Auf Partys mit anderen Jugendlichen beiden Geschlechts gaben 23 % der Mädchen an, Pornos gesehen zu haben, häufig auf Initiative der Jungen hin (Vgl. Matthiesen et al. 2011, S. 333f., 339).
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