Karl Marx und Lenin - die sozialistischen Theorien im Vergleich


Hausarbeit, 2002

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


DIE MARXSCHE THEORIE DER SOZIALISTISCHEN REVOLUTION

Karl Marx geht in seiner sozialistischen Theorie davon aus, dass gesellschaftliche Veränderungen einer bestimmten geschichtlichen Richtlinie nach erfolgen: die menschliche Freiheit, die er mit dem Kommunismus identifiziert, wird durch eine notwendige geschichtliche Entwicklung erreicht; das Proletariat befreit sich durch sein ihm eigenes Streben nach Freiheit aus der Unterdrückung. Der Klassenkampf ist für Marx ein Produkt von veränderten materiellen Existenzbedingungen, die historisch unausweichlich eintreten. Somit kann der Sozialismus „nicht in einer beliebigen Phase der gesellschaftlichen Entwicklung auftreten, sondern nur in einer bestimmten Phase dieser Entwicklung.“[1]

Im Zusammenhang mit den verschiedenen geschichtlichen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts wurde die Sicht des Sozialismus von Marx immer wieder modifiziert, ohne jedoch die Grundauffassung der historischen Notwendigkeit einer sozialistischen Revolution in Frage zu stellen. Ein Fehler, der Lenin bei der Interpretation der marxschen Theorie unterstellt wird, ist sein angebliches Unvermögen, die Modifizierungen der Theorie in verschiedenen historischen Kontexten wahrzunehmen. Möglicherweise beschränkte er sich darauf, allgemeine Grundsätze des Sozialismus auf die ihm vorliegende historische Situation zu beziehen. Somit hat er das Werk von Marx (und auch Engels) zwar als zusammenhängende Einheit behandelt, aber ohne die verschiedenen Versionen der Revolutionstheorie zu berücksichtigen, die von Marx und Engels geschaffen wurden. Auch war zu der Zeit, als Marx und Engels ihre Theorie ausformulieren, die Theorie die einzige Basis des Sozialismus; eine einfache Übertragung auf die Realität und Praxis ist somit mehr als schwierig, insbesondere wenn man das theoretische Konstrukt quasi ohne zu modifizieren in seiner Gesamtheit und mit all seinen Begriffen übernimmt. Was, zum Beispiel, sind im Falle Rußlands „Produktivkräfte“? Kann man diese Begrifflichkeit für die betroffenen Stände verwenden?

„Solange die Theorie nicht unmittelbar praktische Bedeutung hatte (...), war ein praktisches Begreifen relativ leicht, ging es doch nur um ein allgemeines, abstraktes Begreifen. Je mehr jedoch die Theorie an unmittelbar praktischer Bedeutung gewann (...), je notwendiger präzises und konkretes Verständnis wurde, desto stärker mussten die Interpretationsschwierigkeiten zutage treten“.[2]

Die von Lenin angewendete sozialistische Revolutionstheorie soll hier grob in zwei Teile geteilt werden: die Auffassung von Marx und Engels bis 1850 und die abgewandelte Theorie nach 1850; danach möchte ich auf Lenins Interpretation dieser Revolutionstheorie und auf deren Anwendung eingehen.

Die Theorie der sozialistischen Revolution von Marx und Engels bis 1850

Marx ging zu Anfang der Begründung seiner Theorie davon aus, dass nicht der Staat seine Bürger bedinge, sondern die Bürger den Staat; damit werden historische Entwicklungen nicht von staatlichen Institutionen herbeigeführt, sondern indirekt von den Bürgern, die diese Institutionen schaffen. Alle Ideen für politische Aktion und Veränderung sind nach Marx in den ökonomischen Verhältnissen der betroffenen Gesellschaft zu suchen. Mit dieser These wird die materialistische Geschichtsauffassung begründet. Basis dieser Gedanken ist die Frage nach einer Verbindung von philosophischen Theoriekonstrukten mit der Realität, der materiellen Umgebung (in diesem Fall der deutschen) und die Ablehnung jedes (zur damaligen Zeit als Interpretationstheorie beliebten) Idealismus. Der Mensch soll im Rahmen seiner Lebensbedingungen betrachtet werden: „Was die Individuen also sind, das hängt ab von den materiellen Bedingungen ihrer Produktion.“[3]

Die materialistische Geschichtsforschung wird auf eine empirische Basis gestellt, indem aufgezeigt wird, dass „jeder wirksame Fortschritt in der Entwicklung der Produktivkräfte zu neuen Formen der Arbeitsteilung führt und dass letztere die verschiedenen Eigentumsformen bestimmen“[4]. Das gesellschaftliche Bewusstsein bestimmt somit nicht die Geschichte, sondern die Geschichte bestimmt das gesellschaftliche Bewusstsein. Laut Marx und Engels arbeitet das Bewusstsein bis zu der Stufe der materiellen Entwicklung unselbständig, auf der materielle und geistige Arbeit vollkommen getrennt sind: erst dann ist Raum vorhanden, das Bewusstsein als von der Gesellschaft separat funktionierend zu begreifen und sich von ihr zu emanzipieren. Die materielle Produktion und die bürgerliche Gesellschaft haben demnach eine Art Wechselwirkung aufeinander; Ergebnis dieser Wechselwirkung ist nicht nur das Gebilde und die Funktionsweise des Staates an sich, sondern auch alle anderen theoretischen Erzeugnisse des Bewusstseins, wie zum Beispiel Religion, Philosophie und Moralvorstellungen.

Probleme in dieser „Autonomie“ ergeben sich aus der Weiterentwicklung der Produktivkräfte: sind die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht mehr auf dem gleichen Stand wie die Produktivkräfte, müssen sie sich selbst einer Umwandlung unterziehen. Diese kann nur durch Revolution erfolgen, denn nach Marx und Engels ist es unmöglich, sich aus einem bestimmten Zustand der Entwicklung durch theoretische Kritik zu befreien: man kann eine bestimmte geschichtliche Epoche nicht aus ihren Ideen, wohl aber Ideen aus dem Wesen einer Epoche erklären. Die materielle Basis bildet die Grundlage für jeden gesellschaftlichen zustand, und nur durch eine revolutionäre Veränderung dieser Basis kann eine Weiterentwicklung zur Freiheit – die ja das Grundbedürfnis des Menschen ist – erfolgen. Demnach ist Revolution ein unausweichlicher, „mechanischer“ Vorgang, was Marx und Engels durch das wiederholte Auftreten von Revolutionen in der Geschichte der Menschheit zu beweisen versuchen.

Zum siegreichen Ausgang einer Revolution müssen nicht nur genug Produktivkräfte mobilisiert sein; maßgeblich für den Erfolg ist der Angriffspunkt. Eine Revolution kann nur dann funktionieren, wenn sie sich gegen die Grundlagen richtet, auf denen die bürgerliche Gesellschaft beruht („revolutionäres Subjekt“): das Privateigentum, das den materiellen Unterschied zwischen den Klassen bestimmt und somit die Gesellschaft „organisiert“. Produktionsmittel sind begrenzt, und ihre Aneignung ist einem großen Teil der Produzierenden nicht möglich; durch die kapitalistische Großindustrie werden die Produktivkräfte extrem entwickelt und somit universelle Kräfte der Gesellschaft ohne lokale Einschränkung. Eine Revolution, die den Staat seiner Entwicklung gemäß neu strukturieren soll, muss also das Privateigentum als Grundlage der gesellschaftlichen Ordnung aufheben, um die Produktivkräfte den Individuen unterzuordnen und sie der Masse zugänglich zu machen. Privateigentum spaltet das Volk in Besitzer und ausgebeutete Masse, Produktivkräfte sind im Kapitalismus durch das Eigentum von den Individuen getrennt; dies stellt sich den natürlichen Fähigkeiten des Menschen entgegen, der dazu bestimmt ist, sich im Laufe seiner Entwicklung die Produktivkräfte anzueignen. Die Existenz des Menschen im Kapitalismus wird von Marx und Engels daher als „unmenschlich“ empfunden. Das Proletariat ist der Inbegriff universellen Leidens überall auf der Welt: es trägt die Lasten der Gesellschaft, ohne ihren Nutzen genie0en zu können, und wird von der Bourgeoisie, also den Grundbesitzern, unterdrückt.

Der Ausgang aus dieser Situation wird durch ein alle Nationen übergreifendes Revolutionspotential ermöglicht; in allen vorangegangenen Revolutionen wurden nur Tätigkeiten umverteilt und nicht – was eigentlich notwendig wäre – die Art der Tätigkeiten verändert. Nur durch eine Revolution kann die herrschende Klasse gestürzt werden; eine Revolution ist allerdings auch das einzige Mittel, die „stürzende“ Klasse zu emanzipieren, ein „Revolutionsbewusstsein“ zu schaffen: „weil die stürzende Klasse nur in einer Revolution dahin kommen kann, sich den ganzen alten Dreck vom Halse zu schaffen und zu einer neuen Begründung der Gesellschaft befähigt zu werden.“[5]

Marx und Engels haben mit „Die deutsche Ideologie“ einen theoretischen Standpunkt festgelegt, der – trotz des auf Deutschland gemünzten Namens – von einer internationalen kommunistischen Bewegung ausgeht; im „Kommunistischen Manifest“ konkretisieren sie ihre Auffassung im Zusammenhang mit den historischen Gegebenheiten.

So stellen sie fest, dass in den meisten kapitalistischen Ländern die Produktivkräfte die Produktionsmöglichkeiten weit überschreiten und somit gehemmt werden; die gegebene Beschaffenheit der Produktionsverhältnisse müssten daher aufgehoben werden, um die Produktivkräfte voll entwickeln zu können. Die Aufgabe der Bourgeoisie, mit ihren Mitteln die Produktivkräfte zu entwickeln, ist somit abgeschlossen und ihre Herrschaft kann nicht mehr im Sinne der Gesellschaft sein. Im Gegenteil: Eine Herrschaft der Bourgeoisie bedroht die Existenz der Gesellschaft und ist widernatürlich. Dies äußert sich zum Beispiel durch Produktionskrisen, die sich zum damaligen Zeitpunkt periodisch wiederholten und enorme Verluste an erzeugten Produkten brachten.

Die Gesellschaft bringt die materiellen Voraussetzungen für eine Revolution also mit; wie sieht es mit den „Revolutionären“ aus? Kann das Proletariat einen Umsturz des Regimes tragen?

Das Proletariat ist genau wie die Produktivkräfte von der Bourgeoisie geschaffen; wie oben erläutert, führt der einzige Weg zur Freiheit und Genese der Gesellschaft über eine Neuverteilung der Produktivkräfte an die ganze Gesellschaft und die daraus erfolgende Entstehung neuer Produktionsverhältnisse. Nur die Arbeiterklasse besitzt die Fähigkeit, sich effektiv als große Kraft zu organisieren: die Bedingung ihrer Unterdrückung ist das Privateigentum an Produktionsmitteln; werden sie aus ihrer Abhängigkeit befreit, wird gleichzeitig die ganze Gesellschaft von der Klassenteilung befreit.

Die Notwendigkeit dieses Vorgangs begründen Marx und Engels wieder auf einer historischen Basis: konnte man bislang im Rahmen des wirtschaftlichen Fortschritts eine Entwicklung des Menschen zu höheren Gesellschaftsstufen – z.B. vom Kleinbürger zum Bourgeois – beobachten, so sinkt die Arbeiterklasse mit der Entwicklung der Industrie immer weiter nach unten. Die Ständeaufteilung verschiebt sich: die Bourgeoisie muss die Arbeiter ernähren, anstatt von ihnen ernährt zu werden. Die Folge ist eine fortschreitende Verelendung, die im 19. Jahrhundert erwiesenermaßen deutlich zu beobachten war, gerade im Zuge der Industrialisierung; die eigene Existenz der Produktivkräfte wird durch deren Degradierung gefährdet, das Versorgungssystem auf den Kopf gestellt.

Wie kann aber eine hochgradig degradierte Arbeiterklasse dazu fähig sein, sich revolutionär zu verbinden und dem System des Kapitalismus ein Ende zu setzen? Das Manifest wurde nicht von Arbeitern, sondern von intellektuellen Bürgern der Bourgeoisie verfasst, und ist nach wie vor als theoretisches Konstrukt zu sehen, besonders wenn man bedenkt, dass zu Zeitpunkt seines Entstehens keine Arbeiterbewegung mit dem für Marx und Engels obersten Ziel einer „Arbeiterkoalition“ agierte.

Dennoch fühlen sich Marx und Engels durch die Ereignisse der auf lange Sicht weniger gut geglückten Februarrevolution 1848 in ihrer These bestätigt (auch wenn dagegen spricht, dass im hoch industrialisierten und konfliktbeladenen England keine Revolution stattfindet): eine organisierte Arbeiterpartei muss die Massen aus der Verelendung führen, um das Regime des Kapitalismus erfolgreich stürzen zu können. Es bedarf einer kommunistischen Partei – von Marx und Engels in ihrem „Appell“ von 1850 untermauert. Diese Sichtweise wurde von Lenin zur Begründung der Wichtigkeit und taktischen Orientierung der Bolschewiki angewendet; Lenin schuf ein eigenes Konzept für die russische Revolution im Geiste von Marx und Engels.

Die kommunistische Theorie sollte im Verlauf der praktischen historischen Entwicklung weitergeführt werden:

Die Marxsche Theorie der sozialistischen Revolution nach 1850

Von vornherein kann man festhalten, dass sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die geschichtlichen Ereignisse in der Staatsführung und Gesellschaftsgenese häuften (Deutsch-Französischer Krieg, Führung Deutschlands unter preußischer Herrschaft) und dass diese Ereignisse von Marx und Engels im allgemeinen als der Revolution nützliche Fortschritte ausgelegt wurden. Durch die niedergeschlagene Revolution von 1848 entstand die Notwendigkeit, andere beweg- und Zielgründe für eine proletarische Revolution zu finden (eine erste Modifikation der Theorie wurde ja schon durch das Eingeständnis der Notwendigkeit einer Führungspartei vollzogen).

Die Auffassung aus dem Manifest, dass die Produktivkräfte über die kapitalistische Produktionsweise hinausgewachsen sind, wird neu formuliert: „Eine Revolution ist nur in den Perioden möglich, wo diese beiden Faktoren, die modernen Produktivkräfte und die bürgerlichen Produktionsformen, miteinander in Widerspruch geraten (...). Eine neue Revolution ist nur möglich im Gefolge einer neuen Krisis. Sie ist aber auch ebenso sicher wie diese.“[6]

Der früher von Marx und Engels als permanent angesehene Widerspruch zwischen Produktionsformen und Produktivkräften ist also nur bei einer wirtschaftlichen Krise vorhanden; auch werden die Produktivkräfte in ihrer Entwicklung keinesfalls von den kapitalistischen Produktionsformen eingeschränkt! Eine wirtschaftliche Bedrohung der Gesellschaft ist vonnöten, damit das Spannungsfeld auf ein Maß heranwächst, das eine Revolution forciert.

Durch diese Erkenntnis bewegen Marx und Engels sich von der reinen, beinahe idealistischen Theorie zur Praxis hin: die neue Einschätzung unter Einbeziehung von Krisen kommt der Realität wesentlich näher, die Argumente werden tragender. Es wird vermutet, dass Marx und Engels durch ihren Exilaufenthalt zur Revidierung ihrer Theorie gezwungen waren und sie so perfektionieren konnten: die These, dass alles Unglück der Menschheit auf wirtschaftlicher Ungleichheit basiert, war bis dahin von beinahe keinen praktischen wirtschaftlichen Gegebenheiten untermauert worden. Erst jetzt werden von Marx und Engels solide Grundsätze für die Notwendigkeit des Sozialismus entwickelt, Basis ist die Untersuchung des Kapitalismus, des vorherrschenden gesellschaftlich-ökonomischen Systems. Diese Studien zur ökonomischen Realität, zum Kapitalismus als Verursacher seines eigenen Untergangs, beginnen 1859 mit der Veröffentlichung der Arbeit „Zur Kritik der politischen Ökonomie“; perfektioniert wurden sie in „Das Kapital“, in dem marxistische Geschichtsauffassung und ökonomische Studien zu einem Gesamtkonzept der sozialistischen Bewegung verbunden werden. Grundmotivation von Marx im „Kapital“ ist es, „das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen.“[7]Demnach war das theoretische Konstrukt im Rahmen der vorangegangenen Überlegungen also keinesfalls ausgereift, die These der Notwendigkeit der sozialistischen Revolution und des Widerspruches zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen hypothetisch, nicht belegt, sondern aus der Theorie des historischen Materialismus abgeleitet. Bis zum Zeitpunkt der Entstehung des “Kapitals“ genügte es als Beweis, Verelendung und Arbeitslosigkeit als Gründe für die Ungerechtigkeit des Kapitalismus anzuführen; durch die Aufdeckung bestimmter Gesetzmäßigkeiten in der Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft wurde eine neue Basis der sozialistischen Revolutionstheorie geschaffen.

Zunächst analysiert Marx im „Kapital“ die Grundstruktur des ihm vorliegenden Wirtschaftssystems; der Produzent – nämlich die Arbeiterklasse – verfügt nicht über eigene Produktionsmittel, sondern ist von denen durch das System des Eigentums getrennt. Zwei Klassen entstehen: die Eigentümer und die Arbeiter, die für die Eigentümer Lohnarbeit verrichten. Durch den Verkauf von Arbeit entsteht eine Warenzirkulation, in der die Arbeitskraft einen gewissen Mehrwert produziert, also nicht „nur den Wert zu reproduzieren vermag, welcher der für seinen Ankauf vorgeschossenen Geldsumme gleich ist, sondern auch einen überschüssigen Wert“[8]Dadurch, dass mit dieser Art der Warenzirkulation der Handel als Mittel zur Befriedigung der Grundbedürfnisse in den Hintergrund tritt und Geld als Möglichkeit, Kapital ohne Wertverfall zu erwerben, in den Vordergrund (Selbstzweck), ergibt sich eine ständige und immer weiter anschwellende Bewegung des Kapitals. Marx bezeichnet diese als „rastlose Bewegung des Gewinnens“ und sieht in ihr den Grundzweck des Kapitalismus; mit Ausnahme der immer stärker benötigten Arbeitskraft werden keine neuen Werte im Bereich der Waren geschaffen, Ziel ist der größtmögliche Profit. Um diesen zu erreichen, muss der Mehrwert vergrößert werden, was den Effekt der Ausbeutung der Arbeiterklasse hat und somit den Unterschied zwischen Arbeit und Kapital vertieft. Um die Arbeiterklasse weiterhin für sich funktionalisieren zu können, muss ihre Existenz gesichert werden, dies geschieht für Marx im Kapitalismus durch den Markt: Waren werden zu ihrem Gegenwert verkauft, wobei ein Produktionsüberschuss, der durch Mehrarbeit des Arbeiters entstanden ist, nicht mit einkalkuliert und somit nicht bezahlt wird. Der Arbeiter produziert durch Mehrarbeit einen neuen Wert, der puren Profit für den Kapitalisten bringt.

Um den Mehrwert zu steigern, werden Mittel wie Lohnsenkung und Steigerung der Arbeitsproduktivität angewandt und Gewinn akkumuliert, der jedoch von der kapitalistischen Gesellschaft unproduktiv konsumiert wird, d.h. ein Produktionszyklus wird immer mit dem gleichen Ausgangswert begonnen. Da aber die Stellung des Kapitalisten im System von seinen angehäuften Gesamtgewinnen abhängt und somit ein Konkurrenzkampf vorliegt, muss das investierte Kapital vergrößert werden, d.h. ein Teil des gewonnenen Mehrwerts muss in den Produktionszyklus einfließen. Zur Optimierung der Produktion werden modernste Mittel benötigt, was einen ununterbrochenen technischen Fortschritt bedingt.

Kapitalismus bedeutet demnach für Marx das Weiterführen eines ununterbrochenen Akkumulationsprozesses, unter dem die Arbeiterschaft als „Produktionsmittel“ leidet und sich keine volle Entfaltung des Individuums einstellen kann. Durch Kapitalismus wird ein beständiger Druck auf den Markt ausgeübt, der die Effektivität der Arbeitskraft bremst; die Modernisierung ersetzt menschliche Arbeitskraft durch Maschinen, die technische Weiterentwicklung verschlingt das erworbene Kapital, immer mehr Gesellschaftsschichten werden aus dieser Bewegung der Produktivität ausgegrenzt, weil ihre Mittel nicht ausreichen, und die „degradierte“ Klasse wird immer größer.

Aus diesem „Produktionsvorgang“ erklärt sich Marx den anwachsenden Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und dem privaten Charakter der Aneignung und das sich daraus ergebende Auftauchen von Wirtschaftskrisen und der sozialistischen Revolution.

„Das Kapitalmonopol wird zur Fessel der Produktionsweise, die mit und unter ihm aufgeblüht ist.“[9]Die gesellschaftliche Revolution wird evolutionstheoretisch unumgänglich: alle von Marx beschriebenen Umstände sind gegeben, die sozialistische Bewegung sieht sich in der Rolle des – theoretisch legitimierten – „Vollstreckers“. Der gesellschaftliche Entwicklungsprozess vollzieht sich mit unserer Mithilfe, aber unabhängig von unserem Willen, und gipfelt unausweichlich in einer revolutionären Umwandlung des Kapitalismus in den Kommunismus.

Marx spricht also von einer Art „Naturgewalt“, die Rolle des aktiven aufständischen Arbeiters verliert nicht an Bedeutung, der Erfolg der Umwälzung ist aber von dem Entwicklungsgrad der Gesellschaft abhängig und nicht von der Gewissensentscheidung der Arbeiterklasse; dies bedeutet allerdings nicht, dass politische Passivität gerechtfertigt wäre: die Ende des 19. Jahrhunderts von der sozialistischen Bewegung aufgegriffene Interpretation eines „primitiven Determinismus“ entspricht nicht Marx Vorstellungen, auch wenn sie in einer bereits sich entwickelnden Revolution als theoretische Stütze wirken kann.

Die Probleme einer Auffassung der Revolution als natürliche Gegebenheit können jedoch so vielschichtig ausgelegt werden, dass die Revolution aufgegeben wird: tritt kein Erfolg an, so wird der natürliche Zeitpunkt der Revolution als nicht passend angesehen und das Scheitern als von der Natur gewollt entschuldigt, wie es in Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts der Fall war: die sozialistische Partei manövriert sich in eine abwartende Stellung, unfähig, Initiative zu ergreifen. Solche und ähnliche Interpretationen veranlassten Marx am Ende seines Lebens zu sagen, dass wenn dies der Marxismus sein solle, er mit Sicherheit kein Marxist sei.

Naturwissenschaftlicher Determinismus ist kein Bestandteil der marxschen Theorie – im Gegenteil, das Vorhandensein von bestimmten objektiven Gesetzen und die Einsicht des Menschen darüber soll ein Katalysator für die Revolution sein, ein Ausdruck der Willens, die Notwendigkeit zu realisieren.

Nun soll analysiert werden, welche Ansatzpunkte für sein Revolutionsverständnis Lenin in der Marxschen Theorie findet. Ist es richtig, ihm vorzuwerfen, dass er seine eigene, freie Auslegung als das Marxsche „Original“ verkaufen wollte und sich somit theoretischen Schutz verschaffen wollte? Oder verhält es sich so, wie es oben bereits kurz angesprochen wurde: hat Lenin zwar begriffen, war aber nicht Fähig, das theoretische Konstrukt auf seine Realität zu übertragen? Es soll mit einer Beschreibung von Lenins Ausgangslage begonnen werden.

LENINS AUFFASSUNG DER THEORIE DER SOZIALISTISCHEN REVOLUTION

Als vielleicht wichtigster Ausgangspunkt für den Aufbau der leninistischen Theorie ist Lenins Stellung zu sehen: im Unterschied zu Marx und Engels, seinen „Lehrmeistern“, hatte Lenin von Beginn seiner theoretischen Entwicklung an eine Stellung als Parteiführer inne und all sein Handeln und seine Polemiken wurden ausgelöst durch die Anwesenheit eines praktischen politischen Kampfes.

Aus dieser Stellung Lenins wird deutlich, daß Lenin eine enge Verbindung von Theorie zu Praxis zog und ziehen mußte; all sein politisches Wirken war auf die Tätigkeit als Revolutionär ausgerichtet, und sein theoretisches Wissen bestimmte die Vorgänge in der Partei. Wie bereits erwähnt, stellte sich eine strikte Anwendung der marxschen Prinzipien auf Lenins Realität als schwierig heraus, und das unter Umständen, weil er die Theoriezu gut kannte. Was war es für ein Wissen, das Lenin anwendete, um nach der „elitären“ Absonderung der Bolschewiki aus dem sozialistischen Kreis eine Revolution hervorzurufen?

Um herauszufinden, was unter Lenins Revolutionsverständnis zu verstehen ist, ist es sinnvoll, die Position des politischen Theoretikers und Marxkenners Plechanow zu analysieren, bei dem Lenin „sein Handwerk gelernt“ hat – auch wenn er später von Plechanows Theorie abweichen wird.

Zu Anfang soll bereits der grundlegende Unterschied zwischen Lenin und Plechanow genannt werden: während erster sobald als möglich sich der Aufgabe einer praktischen sozialistischen Revolution stellte, blieb Plechanows Standpunkt ein theoretischer: er verbrachte die Jahre von 1880 bis 1917 im westeuropäischen Exil und hatte somit die Stellung eines Analytikers und Beobachters, aus der er schon bald erkannte, was für eine sozialistische Revolution in seiner Heimat hinderlich war: die bürgerliche Gesellschaft hatte ein bisher unzureichendes Gefälle zwischen Bourgeoisie und Proletariat hervorgebracht, was zur Folge hatte, daß der „Motor“ der sozialistischen Revolution – das Proletariat – noch nicht die ihm eigene Aktivität entwickeln konnte. Plechanow versuchte deshalb, die russische Intelligenz, die vormals in der Volkstümlerbewegung (der auch Plechanow angehörte, weswegen er ins Exil mußte) aktiv war und damit scheiterte, für das Prinzip des Marxismus zu gewinnen, um eine revolutionäre Kraft zu schaffen. Dabei bedachte er nicht, daß es dem Prinzip der „natürlichen Gesetzmäßigkeit“ des Marxismus widerspricht, eine Gesellschaft zur Revolution zu führen, die dafür noch nicht bereit ist. Die Volkstümler vertraten die Ansicht, daß das herausragende Merkmal eines sozialistischen Systems in Rußland die gemeinschaftliche Verwaltung von Land durch die Bauern sei; eine bäuerliche Gemeinschaft unter der Fahne des Sozialismus erschien ihnen als einzig wahre Lösung für eine sinnvolle Verwaltung, kapitalistische oder auch liberalistische Tendenzen, die auch in Rußland damals bereit aufkamen, lehnten sie ab. Sie sahen die Notwendigkeit eines Kampfes um politische Freiheiten für den Zweck der Aufklärung der Bauern, die sie als revolutionäre Kraft mobilisieren wollten.

Plechanow als „Ex-Volkstümler“ war von der Statik, die die Gruppierung nach dem mißlungenen Umsturz 1881 (das Attentat auf den Zar war zwar erfolgreich, resultierte aber in einem noch stärker reaktionären politischen Kurs) kennzeichnete, enttäuscht und setzte sich mit dem Marxismus auseinander. Er bediente sich des Beispiels des Sozialismus in Westeuropa und vertrat bald die Meinung, daß Rußland einer „Europäisierung“ bedürfe, um die benötigten Gegebenheiten für einen Klassenkampf des Proletariats und damit für den einzigen Weg, den Kapitalismus zu vermeiden, zu schaffen. Stark kennzeichnend für Plechanows Marxismustheorie ist die Verteufelung der bürgerlichen- oder Dorfgemeinschaft als Fundament und reaktionäres Instrument des russischen Despotismus. Diese Einstellung beeinflußte den Marxismus, den er in Rußland einführte. Auch vertat er eine verschärfte Meinung der historischen Notwendigkeit der sozialistischen Revolution, was seinem Marxismus einen stark objektiven Charakter gab: die Gesellschaft verhalte sich nach objektiven, universalen Gesetzen, die vom menschlichen Willen völlig unabhängig seien, und sobald die benötigten gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen gegeben sind, wird sich ein von den Sozialisten gestützte Revolution ereignen. Vor diesem Hintergrund wird eine voluntaristische Revolution, wie sie die Volkstümler anstreben, automatisch zum Scheitern verurteilt. Der Mensch ist für Plechanow in seinem gesellschaftlichen Verhalten determiniert, und alle Phasen der gesellschaftlichen Entwicklung – also auch der Kapitalismus, obwohl er nicht akzeptiert wird – sind notwendig zur Reifung des Staates.

Diese Verallgemeinerung der marxschen Theorie wurde von europäischen Marxisten genauso wenig geschätzt wie von russischen Volkstümlern; erstere warfen Plechanow die Nicht-Berücksichtigung der russischen Verhältnisse vor, während die anderen ihn der „Kapitulation vor dem Kapitalismus“ bezichtigten. Dennoch schuf Plechanow mit seiner Theorie die Basis für die Verbreitung des Marxismus in der russischen Intelligenz, zu der auch Lenin gehörte, der von Plechanow zwar viel gelernt hat, aber sich im Gegensatz zu diesem mit der praktischen Durchführung der sozialistischen Revolution beschäftigte. Bald waren auch die ersten Lücken in Plechanows Interpretation zu erkennen: sobald die Klassenunterschiede in Rußland anfingen, sich zu manifestieren, wurde klar, daß kein historisches Raster auf diese Situation angewendet werden kann. Wie sollte Plechanows objektive Theorie in der Praxis funktionieren, wo sich doch ihr Vordenker im westeuropäischen Exil befand und auch nach den dortigen Maximen handeln wollte?

Das russische Proletariat war in keinster Weise zu einer starken revolutionären Kraft, die dem Staat vorstehen sollte, gewachsen. Es war notwendig, die aktuelle Situation in Rußland im Rahmen des dortigen Gesellschaftsgefälles zu analysieren, um eine passende treibende Kraft für die sozialistisch Revolution finden zu können. Dies war der Standpunkt von Lenin, dessen politische Laufbahn am Anfang stand und der von vornherein nach praktischen Lösungen für den marxistischen Gedanken suchte: „Die Anziehungskraft, die Lenin (...) ausübt, rührt – wie bei Mao Tse-tung und Che Guevara – vor allem aus der bei ihm mehr als bei Karl Marx und anderen Klassikern des Marxismus unmittelbar in historischen Fakten fassbaren Einheit von Theorie und Praxis, von reflektierender Publizistik und politischer Aktivität.“.[10]Beeinflußt wurde Lenin damals zum einen durch die Ideologie von Kultur und Wissenschaft, die den Erkenntnissen der Forschung und der technischen Entwicklung unbegrenzte Möglichkeiten zuschrieb und so den gesellschaftlichen Fortschritt als unaufhaltsam ansah; zum anderen durch die reale Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft, die nicht den Gesetzmäßigkeiten des Marxismus entsprach: weder verschärften sich die Klassenkämpfe wie erwartet, noch entwickelte sich der Kapitalismus in die bestimmende Richtung der grenzenlosen Akkumulation, die nach Marx und Engels die Voraussetzungen für mobilisierten Arbeiterwiderstand bot. Das Prinzip der freien Konkurrenz in Westeuropa – wo das Fundament und somit der Ansatzpunkt des Marxismus stand - stellte sich nicht ein; es gab keinen Raum für revolutionäre Praxis, wodurch die Marxisten ins politische Aus gedrängt wurden. Und obwohl die Lage in Rußland von der in Westeuropa grundverschieden war, wurde Lenin dennoch von der westlichen Theorie beeinflußt. So war er sich zwar einiger, aber eben nicht aller Implikationen des angewandten Marxismus bewußt: Er übernahm den Marxismus der westlichen Denkweise, modifizierte ihn aber so, daß er sich von anderen Interpreten deutlich abhob. Kennzeichend für Lenins theoretische Haltung ist die Aufstellung eines Verhältnisses zwischen bewußtem und spontanem Element der gesellschaftlichen Entwicklung und der Revolution. Die Arbeiterpartei hat demnach die Aufgabe, „in die spontane Arbeiterbewegung bestimmte sozialistische Ideale hineinzutragen, sie mit sozialistischen Überzeugungen, die auf dem Niveau der moderner Wissenschaft stehen müssen, zu verbinden, sie mit dem systematischen politischen Kampf für die Demokratie als ein Mittel zur Verwirklichung des Sozialismus zu verbinden, mit einem Wort, diese spontane Bewegung mit der Tätigkeit derrevolutionären Parteizu einem unauflöslichen Ganzen zu verschmelzen.“[11]

Ein ebenfalls sehr individuelle Interpretation der Marxschen Lehre findet man in Lenins Anschauung des historischen Materialismus, den Lenin als Basisgedanken akzeptiert und verteidigt, seine Bedeutung für die Entwicklung er Gesellschaft jedoch modifiziert: die These der Determination, des Handelns des Menschen ohne seinen eigenen Willen, wird von Lenin nicht übernommen. Lenin akzeptierte den Marxismus – im großen Unterschied zu Plechanow – nicht als Sammlung objektiver Gesetzmäßigkeiten, sondern betont, daß von Marxismus nur in Bezug auf eine bestimmte historische Situation gesprochen werden könne; man könne Gesellschaften nach marxistischen Richtlinien untersuchen, aber diese Richtlinien nicht bedingungslos und voraussagend anwenden. Vor diesem theoretischen Hintergrund Lenins wird verständlich, warum er weder an unweigerlich festgelegte Entwicklungsbahnen noch an die „Willenlosigkeit“ des Menschen glauben konnte – außerdem wurde durch die reale Lage in Rußland bewiesen, daß diese Interpretation nicht gültig sein konnte. Für Lenin bedeutete der Determinismus des historischen Materialismus keineswegs das Wegfallen der menschlichen Vernunft oder des Willens, da ja die Geschichte von Handelnden, also von den wiederum in ihr lebenden Menschen, mitgestaltet und bestimmt wird, auch wenn gewisse Handlungen aus einer Notwendigkeit erfolgen. Das Lenin diese Auffassung vertrat, wird unter anderem dadurch gerechtfertigt, daß sich zu seiner Wirkungszeit tatsächlich eine beginnende Mobilisierung der Massen einstellt, die die Geschichte mitbestimmen und neue gesellschaftliche und wirtschaftliche Formen erstreben.

Aus einer Analyse der wirtschaftlichen Verhältnisse ergab sich für Lenin eine weitere Uminterpretation von Begrifflichkeit: während Marx den Begriff „Notwendigkeit“ auf die Notwendigkeit einer Revolution im Großen und Ganzen bezieht, geht Lenin ins Detail: er sieht in dem Verhältnis vom Kapital zur Arbeiterklasse – dessen Beschaffenheit bereits bei der Beschreibung der marxschen Theorie ausführlich beschrieben wurde – dieNotwendigkeit zur Ausbeutung der Arbeiterklasse und schafft es somit, den Begriff der Notwendigkeit auf einen der Revolution vorangehenden Teil auszudehnen. Lenin war nicht der Auffassung, daß Kapitalismus allein durch seine Beschaffenheit zum Scheitern verurteilt ist und dadurch die Voraussetzung für die sozialistische Revolution schafft. Diese Einstellung wäre in einem industriell unterentwickelten Land wie Rußland auch nicht tragbar gewesen. Da er jedoch trotzdem die These vertrat, daß die sozialistische Revolution von der Arbeiterklasse durchgeführt werden muß, deren Entwicklung mit dem Fortschreiten der kapitalistischen Produktionsverhältnisse untrennbar verbunden ist, mußte er beweisen, daß auch in der russischen Gesellschaft eine Vergrößerung des Marktes und damit der kapitalistischen Akkumulation stattfand.

So bezeichnete er die zunehmende Verarmung der Bevölkerung als Stärkung des Kapitalismus, die – zwar langsam, aber dennoch unaufhörlich – fortschreitende Industrialisierung als Möglichkeit zur Erweiterung des Marktes durch Effizienzsteigerung und Spezialisierung. Marx‘ Widerspruchsthese, die besagt, daß das Bestreben des Kapitals, die Löhne auf niedrigstem Niveau zu halten ein Spannungsverhältnis erzeugt, ist für Lenin dennoch eine Tatsache: „Die Entwicklung der Produktion von Produktionsmitteln drängt den genannten Widerspruch nur zeitweilig zurück, hebt ihn aber nicht auf. Er kann nur mit der Beseitigung der kapitalistischen Produktionsweise beseitigt werden“[12], stellt aber kein Hindernis für die volle Entwicklung des Kapitalismus in Rußland dar. Daraus wird deutlich, daß es für Lenin keine Notwendigkeit des Verfalls des Kapitalismus nur aufgrund seines Bestehens gab. Vor welchem Hintergrund wird nun für Lenin eine sozialistische Revolution notwendig?

Anstatt die verbreitete Theorie eines Konflikts zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, die sich gegenseitig in ihrer Entwicklung behindern, zu vertreten, begreift Lenin den Auslöser für eine Revolution im Bestehen des Widerspruchs zwischen dem der bürgerlichen Gesellschaft eigenen gesellschaftlichen Charakter der Produktion und dem kapitalistischen Charakter der Aneignung. Warum sollte ein kapitalistisches System, dessen Akteure sich auf eine bestimmte Form des Zusammenlebens geeinigt haben, von selbst zusammenbrechen?

Somit holt Lenin die marxistische Theorie „auf den Boden der Tatsachen“: die realen Klassenkämpfe im Rußland seiner Zeit sind der Angriffspunkt für seine sozialistische Revolution, nicht der durch natürliche Gesetzmäßigkeiten determinierte Zusammenbruch des kapitalistischen Systems. Der Mensch als Agitator wird aus seinem Zustand der „Willenlosigkeit“ geführt und zum bewußten Gegner der kapitalistischen Klassenunterschiede. Lenin definiert seine revolutionäre Kraft, nämlich die von der Ausbeutung betroffene Arbeiterklasse, und bestimmt somit,welcheKlasse einen notwendigen Umsturz verursacht, ohne davon auszugehen, daß der Umsturz naturgemäß von alleine erfolgt. Damit widerspricht er einem der wichtigsten Glaubenssätze der damaligen Marxisten. So war der Sozialismus zwar für Lenin das sinnvollste System, aber er konnte keinesfalls aus einer historischen Notwendigkeit entstehen. Die einzige unvermeidliche Tendenz der Entwicklung begriff er in der Entstehung einer ausgebeuteten Arbeiterklasse im kapitalistischen System, die im Spannungsverhältnis zur wohlhabenden Bourgeoisie steht. Der unvermeidliche Sturz des Kapitalismus nur aus diesem Spannungsverhältnis erschien Lenin nicht logisch; somit entwirft er die These der Möglichkeit des Sozialismus, die der bisherigen marxistischen Auffassung der Notwendigkeit des Sozialismus entgegensteht und vielleicht den wichtigsten Unterscheidungspunkt zwischen Lenins Sozialismustheorie und der Sozialismustheorie von anderen Marx-Interpreten bildet.

Obwohl sich Lenin auf die revolutionäre und freiwillige Kraft des Volkes bezieht, geht er nicht so weit, zu behaupten, daß die Schaffung eines sozialistischen Systems zu jeder Zeit der gesellschaftlichen Entwicklung möglich wäre; dies wäre eine idealistische Auffassung, die Lenin ablehnt. Die grundlegenden Voraussetzung für eine Revolution werden von einem bestimmten Daseinszustand des kapitalistischen Systems geschaffen; schließlich muß Ungleichheit erst empfunden werden, bevor sie bekämpft werden kann. Um vor diesem Hintergrund eine sozialistische Umstrukturierung vollziehen zu können, muß jedoch das gesellschaftliche Subjekt – nämlich das Proletariat – über seine Situation aufgeklärt werden. Aus diesem „Muß“ ergibt sich eine neue Dimension der Notwendigkeit für die sozialistische Theorie: die Einbeziehung des Menschen, der als „Motor“ für die sozialistische Revolution agieren soll. Ohne eine Aufklärung und Mobilisierung der Arbeiterklasse wird man nie eine revolutionäre Kraft erreichen. Dies rückt wiederum den passiven Faktor des Marxismus, der sich auf eine historische Determination der Menschen und somit der Gesellschaft beruft, in den Hintergrund. Somit unterscheidet sich Lenin in seiner theoretischen Methodik von den damaligen Marxisten – auch wenn er zweifellos an einen Sieg des Sozialismus, der in der Natur des Menschen als beste politische Form liegt, glaubte. Das Voraussehen einer sozialistische Revolution bedeutete für Lenin, die Arbeiterklasse zu organisieren, um die Revolution herbeizuführen.

Auf der Basis der Unumgänglichkeit eines Umsturzes des politischen Systems, nach dem das Proletariat die Macht im Staat erst übernehmen muß, um die Verhältnisse zu ändern, entwickelte Lenin seine politische Theorie. Im Zentrum stand daher der Gewinn der politischen Macht, ohne die kein sozialistisches System errichtet werden konnte. Die Ausübung eines politischen Drucks war eine Notwendigkeit, um der Arbeiterklasse eine Artikulationsmöglichkeit zu geben; bisher wurde der notwendige Druck weder durch Gewerkschaften noch durch die sozialistische Partei erzielt, die im Kapitalismus in ihrer Handlungsweise stark eingeschränkt sind und allenfalls anpassen, nicht aber dauerhaft verbessern können.

Aus Lenins Verständnis der nicht vorhandenen geschichtlichen Notwendigkeit ergab sich eine neue, vom klassischen Marxismus abweichende Rolle der Partei als meinungsbildendes und „erziehendes“ Organ. Die Partei durfte nicht in passiver, abwartender Haltung einer sich sowieso – also auch ohne Hilfe - einstellenden Revolution gegenüberstehen. Dies ließ die Anforderungen an eine sozialistische Partei natürlich enorm wachsen: sie musste einen „Plan“ für die Revolution entwerfen und entsprechend der ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklungsstufe eine sinnvolle Kräfteverteilung erzielen, um den Sozialismus durchsetzen zu können. Damit stellt die Partei die am besten organisierte Kraft der revolutionären Bewegung dar: „Das Neue auf diesem Gebiete besteht bei Lenin darin, (...) a) dass die Partei die höchste Form des Klassenorganisation des Proletariats ist (Gewerkschaften, Genossenschaften, deren Arbeit sie zusammenzufassen und zu lenken berufen ist; b) dass die Diktatur des Proletariats nur durch die Partei als ihre richtunggebende Kraft verwirklich werden kann; c) dass die Diktatur des Proletariats nur dann vollkommen sein kann, wenn eine einzige Partei (...) sie führt; d) dass ohne eiserne Disziplin in der Partei die Aufgaben der Diktatur des Proletariats zur Unterdrückung der Ausbeuter (..) nicht erfüllt werden können.“[13]

Wie muss man sich nun Lenins „Idealbild“ einer sozialistischen Partei vorstellen?

Zunächst bedarf es einer gefestigten, avantgardistischen Führungsposition der Partei, um nicht von den Schwankungen der sozialistischen Bewegung der Massen abhängig zu sein und die Bewegung als souveräne Kraft durch die Revolution führen zu können. Voraussetzung hierfür ist das Bewusstsein der Notwendigkeit einer „geplanten Revolution“, um erfolgreich zu sein: keine gesellschaftliche Strömung kann die Partei von ihrem Plan abbringen, weder langsame, friedliche „Apathie“ noch heftige, gewalttätige Aktionen: „..wir sind eine Partei, die die Massen zum Sozialismus führt, und keineswegs eine Partei, die jede Wendung, jede Depression in der Stimmung der Massen mitmacht.“[14] Ihre Rolle als realer Faktor, der die historische Initiative in den Händen hat, muss der Partei zu jedem Zeitpunkt des Kampfes gegen den Kapitalismus klar sein. Diese theoretische Basis der Partei als „Gestalter“ des Klassenkampfes bildet auch die Grundlage für die praktische Organisationsstruktur der Partei.

Zunächst ist es für die Schaffung einer Partei als Avantgarde der Arbeiterklasse notwendig, Sonderinteressen der in ihr wirkenden Personen (bedingt beispielsweise durch gesellschaftliche Stellungen oder durch Berufe), auszuschalten und eine innere Homogenität herzustellen. In einer abgesondert organisierten Partei sollen die revolutionären Ideen klassenübergreifend getragen werden, indem man alles, was in der Klasse an gemeinsamen Interessen besteht zum Kernpunkt der Argumentation macht. So ist es nach Lenin möglich, jede ideologische Strömung in die Arbeiterklasse zu tragen, ohne dass sie von Individualinteressen beeinflusst, verfälscht oder nicht mitgetragen wird. Durch die organisatorische Absonderung wird auch die Basis für die Resistenz der Partei gegenüber verschiedenen Klassenschwankungen geschaffen. Nun bedarf es noch eines weiteren entscheidenden Elementes: der Disziplin, um die Taktik, auf die man sich geeinigt hat, anzuwenden. Voraussetzung für das Vorhandensein einer solchen Disziplin ist das Wissen um die Richtigkeit der eigenen Vorgehensweise. Die Partei als Repräsentant der Arbeiterklasse in ihrer Totalität ist die einzige mit der notwendigen Disziplin ausgestattete Organisationsform und somit berechtigt, als höchste Instanz der Arbeiterbewegung zu wirken. Diese „berechtigte Steuerung“ der Revolution löst jede echte Spontaneität, die dem Vorgang eines Umsturzes historisch eigen ist, auf. Wobei niemals gewährleistet werden kann, dass die Partei praktisch und wahrhaftig nicht von den Strömungen der Arbeiterklasse beeinflusst wird; es ginge zu weit, zu behaupten, dass eine Partei, die stark in der Arbeiterklasse verwurzelt ist, nicht auch automatisch von dieser beeinflusst wird. Aus dieser Tatsache ergibt sich die Konsequenz, dass Parteimitglieder, die die Avantgarde-Stellung der Partei gefährden könnten, in ihrem Wirken eingeschränkt oder sogar ausgestoßen werden. Voraussetzung für eine solche Kontrolle der Strömungen innerhalb der Partei ist eine stark zentralistische Organisationsstruktur derselben, denn nur so kann die notwendige Kontrolle der innerparteilichen Ideologie betrieben werden. Zentralismus hat jedoch nicht nur die Bevorteilung einer übergeordneten Gruppe zu folge, sondern resultiert auch in einer zunehmend wachsenden Einseitigkeit der Ideen, da intellektuelle Strömungen von „unten“ blockiert werden. Handlungsinitiative kommt ausschließlich von zentral ermächtigten Machtträgern; diese Organisationsstruktur der Partei zeigt deutlich Lenins Abwendung von Demokratie zu einseitiger Kontrolle. Wie oben erläutert, hätten demokratische Entscheidungsprozesse für Lenin lediglich die Wirksamkeit der Partei eingeschränkt.

In der Formulierung der Partei als Avantgarde schafft Lenin eine theoretische Brücke zurück zu Marx: er greift den Begriff der historischen Notwendigkeit erneut auf und bezieht ihn auf die Aufgabe der Partei, sich als Avantgarde in den spontanen Lauf der Dinge einzuschalten. Grundlage für Lenins Parteitheorie bleibt aber dennoch der Glaube an eine willensgesteuerte Revolution: die Partei „bildet aus“, sie informiert, um entsprechend ihrer natürlichen Aufgabe den Willen der Menschen in Richtung eines sozialistischen System lenken zu können.

Das Proletariat schien Lenin nicht nur deshalb als am besten geeigneter träger einer sozialistische Revolution, weil es zahlenmäßig am überlegensten war, sondern auch deshalb, weil es sich in einer sozial ungünstigen Lage befand. Nur das Proletariat konnte einen kompletten Umsturz des Systems erreichen, da es durch seine Stellung bis zur Erfüllung aller seiner Forderungen kämpfen würde. Deshalb erschien es Lenin sinnvoll, das Proletariat mit so breit gefächerten Forderungen wie nur möglich auszustatten; Manipulation durch die Partei sollte einen möglichst breiten Forderungskatalog hervorbringen, der nicht nur die Interessen des Proletariats abdeckt, sondern auch die der Bauern, der Bourgeoisie etc. Das Proletariat bekam damit den Status eines „Zugpferdes“ der Revolution. Die Partei war – wenn man es so ausdrücke kann – der Kutscher, der das Pferd lenkte, und im Wagen saß das Volk.

Von Lenin wird diese tragende Stellung des Proletariats als „Hegemonie“ bezeichnet. Die Partei führt das Proletariat durch eine demokratische Revolution, in der das Proletariat die Macht übernimmt, um dann gleich in eine sozialistische Revolution überzugehen, in der die Besitzverhältnisse umgestaltet werden: „Wir sind für die ununterbrochene Revolution. Wir werden nicht auf halbem Wege stehen bleiben.“[15]

Um das Proletariat zu gewinnen, musste man einen zur jeweiligen historischen Situation passenden Bewegungsanstoß geben; zu Lenins Zeit bot es sich an, den Ersten Weltkrieg als Ursache von Leiden zum einem Sturz des kapitalistischen Systems auszunutzen.

Der Kapitalismus als Weltsystem hatte für Lenin einen zur Revolution „gereiften“ Status erreicht, als er um 1915 seine intensiven Studien über den Imperialismus aufnahm; dies machte die eigene, spezifische „Reife“ Russlands unwichtig. Lenin ging davon aus, dass der Kapitalismus einem Weltwirtschaftssystem gleich kam, das im allgemeinen ausgereift war; auch wenn der Kapitalismus in Russland noch längst nicht so weit entwickelt war wie in Westeuropa, änderte das nichts an der allgemeinen Bereitschaft des Kapitalismus für einen sozialistischen Umsturz. Damit legitimierte er die sozialistische Revolution auch in Russland vor den traditionellen Marxisten, die der Meinung waren, dass wegen der geringen Industrialisierung in Russland der Kapitalismus noch nicht das richtige „Reifestadium“ erreicht habe und dass deswegen nur eine bürgerlich-demokratische Revolution möglich sei. Die Revolution des Proletariats war für Lenin eine Revolution, die durch ihre Radikalität alle anderen Revolutionen, also auch die bürgerlich-demokratischen, in sich vereint. Der Kapitalismus als imperialistisches System erschien Lenin als Ursache allen Übels; für ihn war die Welt längst zwischen den wirtschaftlich vorherrschenden Mächten aufgeteilt, die dort um die Vorrangstellung kämpften. Der Kapitalismus an sich verursacht durch das Entstehen eines Konkurrenzdrangs den Zwang zur ständigen Neuverteilung der Ressourcen. Um ertragreiche Gebiete wird daher gekämpft. Erst nach dem Ende des Kapitalismus wird für Lenin Frieden herrschen können.

Die vorangegangenen Gedanken bilden die Basis der sozialistischen Theorie Lenins; auf genaue historische Fakten soll hier nicht eingegangen werden, ausgenommen eines kurzen Abrisses des Ablaufs der sozialistischen Revolution in der Realität. Vor welchem Hintergrund nahm Lenin 1917 seine praktische politische Tätigkeit auf?

Unterdrückung und Polizeiüberwachung, gepaart mit Hungersnöten und Arbeitslosigkeit, bilden die Grundlage für die russische Revolution von 1917, in der das autokratische System der Zarenherrschaft gestürzt wurde.

Von Historikern werden die Vorgänge des Jahres 1917 in die Februarrevolution und die Oktoberrevolution aufgeteilt; bereits durch die Februarrevolution konnte der Zar gestürzt werden: die Garnisonen der Regierung, bislang damit beschäftigt, Hungerdemonstrationen und Streiks niederzuschlagen, stellen sich auf die Seite des Volkes. Ein Arbeiter- und Soldatenrat sowie ein provisorisches Komitee der Duma werden gewählt. Ab Mitte März nimmt eine provisorische Regierung ihre Arbeit auf, was den Zar zur Abdankung zwingt.

Im Rahmen der Oktoberrevolution kehrt Lenin in sein Heimatland zurück; es gilt, ein völlig neues Regierungskonzept für Russland zu schaffen, das erstmals ohne autokratische Kontrolle durch das Zarenregime arbeitet. Nach seiner durch das Exil bedingten langen Abwesenheit musste sich Lenin erst wieder in die veränderten russischen Verhältnisse „eindenken“. Nach seiner Interpretation war Russland dazu bereit, sich im Rahmen des weltbeherrschenden Kapitalismus industriell weiterzuentwickeln, und das russische Proletariat war dazu bereit, die Grundsätze der sozialistischen Lehre aufzunehmen. In Wahrheit war aber bereits das kapitalistische System mit einer Industrialisierung des Agrarstaates Russland weitgehend überfordert, da der Schaffung von Absatzmärkten die Schaffung einer Infrastruktur vorangehen müsste, wofür jedoch keine Mittel vorhanden waren. Die russische Gesellschaft befand sich zum Zeitpunkt von Lenins Rückkehr in einem Zustand der Resignation, und zwar sowohl das Proletariat als auch die Bourgeoisie betreffend; der unterentwickelte Kapitalismus war vom Weltwirtschaftsgeschehen isoliert, anstatt in ein System mit ihm einbegriffen: „Lenin vergisst im Allgemeinen den sozialökonomischen Stagnations-Charakter der ‚asiatischen Staatsordnung’ nicht, aber wie wenig die einfache Warenproduktion sich weiterentwickelt, wie stark die sich privatisierende Naturalwirtschaft im Veränderungs- und Auflösungsprozeß der Dorfgemeinden ‚weiterlebt’, wird von ihm oft unterbetont.“[16]Wie sollte man in einem Land, dass sich zu einem großen Teil aus Analphabeten zusammensetzt, die marxschen Theorien lehren? Wie eine Bourgeoisie, die sich aus ihrer zufriedenstellenden Lage heraus lediglich durch Phlegma und Passivität auszeichnet, zum Mitwirken bei einem Umsturz des Systems, in dem sie sich ja sicher wähnt, bewegen? Die Revolution gegen die Unterdrückung des Zarenregimes war geglückt; nun blieb die Schwierigkeit, eine Führung zu schaffen, die nach den Prinzipien des lenischen Marxismus handelte. Notwendig dafür war der von Lenin formulierte Gedanke einer strikten Parteiführung, die vom Westen als „Terrorregime“ empfunden wurde, für Lenin aber wahrscheinlich nichts anderes darstellte als den krampfhaften Versuch, seine Ideologie aufrecht zu erhalten – auch gewaltsam. Die Notwendigkeit einer starken Partei war ja von Lenin nie in Frage gestellt worden. Jetzt mu0ßte man die praktische Arbeitsweise organisieren.

Lenin war sich der Schwierigkeit einer Durchsetzung seiner Ziele mit Sicherheit bewusst; vielleicht war er auch zu sehr - trotz aller Modifikationen – von der Idee des „westlichen“ Sozialismus geprägt. Sein System als eine Regierung des „Parteiterrors“ (wie es vielleicht später unter Stalin zu bezeichnen war) anzusehen, wäre jedoch übereilt. Im Gegenteil, Lenin schuf dem Volk eine gegenüber dem autokratisch-starren Zarenregime weitgefächerte Mitwirkungsmöglichkeit, was sich auch in der Einstimmung der Parteiziele auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse zeigte. Der Punkt, an dem Lenins Kalkulation nicht mehr zutraf, war das Ausbleiben eines wirtschaftlichen Fortschritts. Der Sozialismus als Weg aus der Verelendung hat sich als nicht tragbar erwiesen, genauso wenig, wie er – wie von Lenin vorausgesetzt – als „Weltsystem“ etablieren konnte. Vielleicht trifft Marx’ These von der natürlichen Entwicklung des Menschen zum Kapitalismus, bedingt aus dem Bedürfnis nach Akkumulation (von Gütern UND Macht), zu; aber der Sozialismus scheint - zumindest bis jetzt – nicht zwangsläufig die nächste Stufe zu sein.

Jan Jaroslawski, Theorie der sozialistischen Revolution, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1973

Wladimir I. Lenin, Werke, IV. Ausgabe

Marx, Karl, Das Kapital, MEW Bd. 23, 24, 25

Josip Stalin, Lenin

W.I. Lenin, Briefe an Maxim Gorki 1908-1913, Verlag für Literatur und Politik, Wien 1924

W.I. Lenin, Staat und Revolution, Dietz Verlag, Berlin 1970

Dieter Oberndörfer und Wolfgang Jäger, Marx-Lenin-Mao: Revolution und neue Gesellschaft, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1973, 2. Auflage

Erwin Hölzle, Lenin 1917-Die Geburt der Revolution aus dem Kriege

Lenin Studienausgabe 2, Fischer Verlag

Rudi Dutschke, Versuch, Lenin auf die Füße zu stellen, Wagenbach

[...]


[1]Jan Jaroslawski: Theorie der sozialistischen Revolution, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1973, S. 26 u.

[2]a. a. O., S. 28 Mitte

[3]Marx/Engels, Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 20

[4]Jaroslawski, S. 30 Mitte

[5]Marx/Engels, Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 69-70

[6]Marx/Engels, Revue, Mai bis Oktober 1850, MEW Bd. 7, S. 421-463

[7]Marx, Das Kapital, Bd. I, MEW Bd. 23, S. 15-16

[8]Jaroslawski, S. 51 oben

[9]Marx, Das Kapital, Bd. 1, MEW Bd. 23, S. 167

[10]Dieter Oberndörfer / Wolfgang Jäger, Marx-Lenin-Mao, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1973, S. 70

[11]Lenin, Unsere nächste Aufgabe, Werke Bd. 4, S 211

[12]Lenin, Zur sogenannten Frage der Märkte, Werke Bd. 1, S. 93-96

[13]J.W Stalin, Lenin, Unterredung mit der Amerik. Arbeiterdelegation, S. 42

[14]Lenin, Über zwei Briefe, Werke Bd. 15, S. 292

[15]Lenin, Das Verhältnis der Sozialdemokratie zur Bauernbewegung, Werke Bd. 9, S. 232

[16]Rudi Dutschke, Versuch, Lenin auf die Füße zu stellen, S. 97

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Karl Marx und Lenin - die sozialistischen Theorien im Vergleich
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
26
Katalognummer
V107629
ISBN (eBook)
9783640058839
Dateigröße
545 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
bestimmt nicht die Krone des Wissens und hauptsächlich aus einem Buch herausgezogen, aber kurz und nützlich zusammengefaßt
Schlagworte
Karl, Marx, Lenin, Theorien, Vergleich
Arbeit zitieren
Eva Ludwig (Autor:in), 2002, Karl Marx und Lenin - die sozialistischen Theorien im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107629

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