Das Große Kirchenschisma von 1054


Term Paper (Advanced seminar), 2002

19 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhalt

Vorwort

1. Das Schisma von 1054

2. 4. Ökumenisches Konzil und Acacianisches Schisma

3. Vom Bilderstreit bis zum Schisma des Photios
3.1. Photios – 1. Phase
3.2. Zwischenbetrachtung: Bulgarenfrage
3.3. Photios – 2. Phase

Epilog

Literaturverzeichnis

Vorwort

Das sog. Große Kirchenschisma vom Jahre 1054 ist der historische Fixpunkt für die Trennung des Christentums in eine orthodoxe Kirche im Osten und eine katholische Kirche im Westen.

Das sich die Vorgänge im Jahre 1054 in Konstantinopel so sehr zuspitzen, dass die Legaten des römischen Papstes den Patriarchen von Konstantinopel mit dem Bann belegten und dieser mit nicht minderer Vehemenz den Bann erwiderte, ist aber nicht Ergebnis eines einmaligen Streits, der wohl auch aus der Welt geschafft hätte werden können, sondern die Ursachen liegen in einem Jahrhunderte lang dauernden Prozess. Auch ist das Jahr 1054 nicht das Ende dieses Prozesses der Trennung.

Erst in jüngster Vergangenheit konnte wieder ein Weg der Annäherung eingeschlagen werden, der den tiefen Spalt zwischen der orthodoxen und katholischen Kirche hoffentlich mehr und mehr zu überbrücken vermag.

In dieser Arbeit soll versucht werden ein Bild der Trennung zu zeichnen. Als historische Fixpunkte werden die Jahre 484 – 519 und das sog. Acacianisches Schisma, 858 – 880 und das sog. Schisma des Photius, sowie das Jahr 1054 und das sog. Große Kirchenschisma näher betrachtet, im Hinblick auf eine prozesshafte Entwicklung bis zur endgültigen Trennung.

Theologische Aspekte werden genannt, jedoch aufgrund mangelnder Kompetenz oberflächlich bleiben müssen.

1. Das Schisma vom Jahre 1054

Die konkrete historische Begebenheit, die mit all ihren Folgen den Bruch der christlichen Kirchengemeinschaft heraufbeschor, war der Einfall der Normannen in Gebiete Unteritaliens, die damit sowohl byzantinische, als auch päpstliche Besitzungen bedrohten. Als Papst Leo IX. von seinem Kaiser Heinrich III. keine wirksame Unterstützung erhielt, wandte er sich an den byzantinischen Kaiser Konstantin IX. Monomachos[1]. Die Idee war ein militärisches Bündnis in beiderseitigem Interesse. Jedoch fand sich im Patriarchen von Konstantinopel, Michael Kerullarios, ein erbitterter Gegner solch einer Allianz zwischen römischem Papst und byzantinischem Kaiser[2], die seine Stellung gegenüber dem römischen Rivalen erheblich geschwächt hätte. So brach er einen Streit vom Zaun, dessen Ursachen viele Jahrhunderte schon gärten und dessen Folgen ebenso viele Jahrhunderte einen Keil in die Christenheit trieben, der bis heute besteht.

Im Jahre 1053 stiftete Kerullarios den Erzbischof Leo von Orchid an, einen Brief zu verfassen, an den Bischof von Trani gerichtet, aber doch eigentlich an die Kurie und den Papst selbst[3], indem all die Riten, die in der lateinischen Kirche seit Jahrhunderten gewachsen waren, und die aber der byzantinischen Kirche missfielen, angeprangert und verurteilt wurden. Einerseits ging es um theologische Streitfrage, aber auch um rituelle Unterschiede, wie das Fasten am Samstag und v. a. den Gebrauch von ungesäuertem Brot beim Abendmahl, was als Abfall zum Judentum gebranntmarkt wurde[4].

Die Antwort auf dieses Schreiben lieferte Kardinal Humbert von Silva Candida, der persönliche Berater und Sekretär des Papstes, mit nicht minderer Vehemenz. Er verurteilte darin u. a. die Verheiratung von Priestern niederen Standes und brachte auch das von Leo angeführte filioque (ein Bestandteil des Gebets, das in der lateinischen Kirche etwa seit Karl dem Großen gebräuchlich war und damit der Theorie von einer Natur des Geistes entgegentrat) in die Diskussion[5]. Außerdem beschuldigte er die griechische Kirche mehr als neunzig Häresien und begründete damit in überspitztem Maße das päpstlichen Primat[6].

Dieser Schlagabtausch von Vorwürfen hätte lange weitergehen können, denn in Kerullarios und Humbert fanden sich zwei in Ehrgeiz, Vehemenz, aber auch Starrsinn ebenbürtige Persönlichkeiten. Einzig die Niederlage der päpstlichen Truppen gegen die Normannen und die Gefangennahme des Papstes veranlassten ihn, sich nochmals an den byzantinischen Kaiser zu wenden[7]. Diese Niederlage des Papstes machte nun eine Allianz nötiger den je, um überhaupt noch Interessen in Süditalien wahrnehmen zu können. Zuvor mussten jedoch die kirchlichen Streitigkeiten beigelegt werden, und so sandte Papst Leo eine Gesandtschaft nach Konstantinopel[8]. Die Legaten waren keine geringeren als Kardinal Humbert selbst, sowie Friedrich von Lothringen, der spätere Papst Stephan IX., und Erzbischof Petrus von Amalfi[9]. Doch war die Gesandtschaft nicht ein Zugeständnis des Papstes, sondern fast schon eine neue Herausforderung an die griechische Kirchen, denn man führte eine Fülle von Dokumenten mit sich, unter denen sich auch Briefe an Kerullarios und ein Schreiben an den Kaiser befanden[10]. Das Schreiben an den Kaiser schlug formell ein Bündnis gegen die Normannen vor, erneuerte aber gleichzeitig die Ansprüche der päpstlichen Jurisdiktion über Süditalien und das einstige Illyricum[11]. Die Briefe an Kerullarios dagegen enthielten v. a. Vorwürfe, wie das Primat über die orientalische Kirche anzustreben, lateinische Riten verächtlich gemacht zu haben, sich unrechtmäßig als ökumenischer Patriarch zu bezeichnen und sogar die Infragestellung der Legitimation seines Patriarchats[12].

Was sich nun in Konstantinopel abzuspielen begann, glich mehr einem Schauspiel als ernstszunehmenden Verhandlungen. Gegenseitige Polemik machte jedes persönliche Gespräch zwischen den Legaten Roms und dem byzantinischen Patriarchen hinfällig[13]. Selbst der Kaiser, der die Legaten durchaus freundlich empfing[14] und versuchte den Meinungsstreit zu dämpfen, konnte der aufgeheizten Stimmung keinen Einhalt gebieten[15]. Unter diesen Umständen, beschloss die römische Legation schließlich Konstantinopel zu verlassen. Vorher jedoch legte man am 16. Juli 1054 eine Bannbulle gegen den Patriarchen und seine Parteigänger in einem schauspielhaft – feierlichen Akt auf den Altar der Hagia –Sophia, vergleichbar mit dem Petersdom in Rom, danieder. Diese wohl von Humbert selbst verfasste Bulle belegt den „Pseudopatriarchen“ Kerullarios und seine Anhänger mit dem Anathem[16] und wiederholte noch mal alle Vorwürfe der letzten Tage, von der Priesterehe bis zur Auslegung des Heiligen Geistes.

Zu einer Synode des Patriarchen am 24. Juli erschienen die Legaten trotz der nochmaligen Bemühungen des Kaisers schon nicht mehr. Auf dieser Synode wurde der Bann gegen Kerullarios als Bann der gesamten griechischen Kirche gedeutet und das Anathema auf die Legaten und ihre Hintermänner zurückgesprochen[17].

Damit war das in die Geschichte als „groß“ eingegangene Schisma von 1054 perfekt.

Verwunderlich für die Nachwelt ist das Stillschweigen, das nun folgte. Es gab keinerlei Widersprüche oder Bemühungen um eine Einigung. Verwunderlich v. a. deshalb, weil es schwerwiegende Argumente gab, denn juristisch war der von Humbert ausgesprochene Bann eine Eigenmächtigkeit, für die es keine Grundlage in Rom gab. Papst Leo war schon am 19. April 1054 gestorben und der Papststuhl zum Zeitpunkt des Bannspruchs noch vakant[18]. Rein formell erlischt ein päpstlicher Legat beim Tode des betreffenden Papstes. Auch der Form nach richtete sich der Bann ja nicht gegen die gesamte griechische Kirche, sondern allein gegen Kerullarios und seine Parteigänger. Genauso wenig wie Kerullarios seinerseits den Papst oder die römische Kirche exkommunizierte, sonder nur die Legaten[19]. Dennoch wurde von beiden Seiten dieser faktische Bruch ohne offiziellen Widerspruch akzeptiert oder hingenommen. Die Gründe dafür aber liegen in einer jahrhundertlangen Entfremdung und es sollte fast ebenso viele Jahrhunderte dauern, wieder eine Annäherung zu versuchen.

2. 4. Ökumenisches Konzil und Acicianisches Schisma

Im Jahre 451 fand in Chalkedon das 4. Ökumenische Konzil der christlichen Gesamtkirche statt[20]. Wichtigster zu behandelnder Punkt war der Streit über die Natur Christi. Geschlossen konnten die Patriarchen von Konstantinopel und Rom hier einen Sieg über die Theologie des Patriarchen Kyrillos von Alexandreia erringen. An einem Zusatz in den Beschlussakten des Konzils musste Rom jedoch Anstoß finden: Im Kanon 28 wurde festgehalten, dass die Bischöfe von Rom und Konstantinopel völlig gleichgestellt zu betrachten sind, obzwar dem Papst der erste Ehrenrang zugesichert blieb. Dies war ein kirchenpolitischer Sieg Konstantinopels. Schon auf dem 2. Ökumenischen Konzil von Konstantinopel 381 wurde der Anspruch des Neuen Rom auf die führende Stellung in der östlichen Kirche betont, so dass nächst dem römischen Papst dem Bischof von Konstantinopel der höchste Rang in der christlichen Kirche zukam[21]. War man sich in dogmatischen Fragen in Rom und Konstantinopel noch einig gewesen wurden nun gegensätzliche Interessen zu Tage gebracht. Erst 453 konnte der Papst vom Kaiser dazu gebracht werden, das Konzil zu billigen[22]. Hier begann der Wettkampf und Rangstreit der beiden Kirchenzentren.

In Italien hatten sich die Verhältnisse im 5. Jahrhundert n. Chr. tiefgreifend verändert. Im Jahre 410 war Rom von den Westgoten unter König Alerich erobert worden. Die Kirchen wurden von den gotischen Eroberern weitgehend verschont. Sie selbst waren bereits arianische Christen[23]. Dem Untergang des Weströmischen Reiches konnte die Regierung in Konstantinopel nichts weiter als zusehen, da selbst von dem Ansturm der Völkerwanderung schwer getroffen und geschwächt. 476 hatte man deshalb Odoaker, Heerkönig der Westgoten, als Verwalter des Weströmischen Reiches eingesetzt, oder besser akzeptiert, und war heilfroh, dass er die Oberherrschaft des oströmischen Kaisers anerkannte. Der Schein blieb gewahrt, faktisch aber war Italien und der gesamte Westen verloren[24]. Die Germanen waren nun für die Päpste eine wenn auch unangenehme Realität, die man zur Kenntnis nehmen musste. Dennoch gehörte man kirchenrechtlich ins Einzugsgebiet des römischen Kaisers in Konstantinopel, wenn er auch noch so fern schien.

Neben diesen neuen Problemen trat nun auch ein alter Streit wieder neu hervor. Die Auseinandersetzungen von Chalkedon zwischen Anhängern der Zweinaturenlehre und den oppositionellen Monophysitisten war unterschwellig nie beendet worden und die Schwäche Konstantinopels hatte den Gegnern die Möglichkeit gegeben, sich neu zu sammeln und zu formieren. Daraufhin verfasste Kaiser Zenon 482 eine Einigungsformel, das sog. Henotikon. Es sollte ein Kompromiss sein, indem man den Monophisitistn entgegen kam und die Anhänger der Zweinaturenlehre beruhigte[25]. Dieses Edikt war aber nicht nur ein Verständigungsversuch, sondern auch ein „taktisches Meisterstück“[26], denn ohne das gesamte Konzil von Chalkedon, und damit auch die Beschlüsse zur Rechtsgrundlage der Konstantinopler Patriarchen, zu verwerfen, wurde hier eine Lösung gefunden. Jedoch war die Durchsetzung nicht so einfach. 482 flüchtete der gewählte Bischof von Alexandreia Johannes Talaja nach Rom, wo das Henotikon noch nicht bekannt war. In Alexandreia war er an der Übernahme seines Amtes gehindert worden und informierte nun dem Papst in einer Klageschrift nur einseitig über das Henotikon[27]. Das noch an Papst Simplicius gerichtete Schreiben erreicht schon seinen Nachfolger Felix II., der seit 483 im Amt war[28]. Dieser warf dem Patriarchen von Konstantinopel Acacios sein Schweigen gegenüber kirchlichen Vorgängen im byzantinischen Reich vor[29]. Felix II. sandte sodann Legaten nach Konstantinopel, die Acacios persönlich vor den römischen Stuhl zitieren sollten[30]. Der dachte aber nicht daran, sich in Rom richten zu lassen, erstens, weil man in Byzanz die Anklage Talajas für falsch, denn einseitig hielt und zweitens, weil man der Auffassung war, dass ein Patriarch kirchlich nur vor einer allgemeinen Synode gerichtet werden könne, nicht aber vom Papst allein. Der Anspruch vom Primat Roms war in Konstantinopel nicht wirklich zur Kenntnis genommen[31]. Daraufhin wurde auf einer römischen Synode von 484 der Patriarch Acacius von Konstantinopel erst recht für abgesetzt erklärt. An den Kaiser schrieb man im Hinblick auf sein Henotikon, dass er zwar die höchste Stelle in menschlichen Dingen habe, er aber wissen müsse, dass das was Gottes Wille ist, von den gottverordneten Verwaltern zu empfangen ist. Der Kaiser solle sich also den Bischöfen in kirchlichen Fragen unterordnen. Er solle in der Kirche lernen, nicht lehren[32]. Die römische Absetzung des Acacius wurde in Konstantinopel zunächst nicht wirksam. 485 ging der Papst dann noch weiter, indem er auch die Patriarchen von Alexandreia und Antiochia für abgesetzt erklärte[33]. Aber der Papst hatte im byzantinischen Osten so gut wie keinen Einfluss, und so blieb Acacius bis zu seinem Tod 489 im Amt[34]. Das Acacanische Schisma aber war Fakt.

Da der Papst schnell merkte wie wenig Bedeutung seinen Worten beigemessen wurde, weder vom Patriarchen, noch vom Kaiser, suchte er eine Verbindung zu den wirklichen Machthabern in Italien. Am Ende des 5. Jahrhunderts, kam es dann auch zu einer intensiveren Begegnung mit dem ostgotischen König Theoderich[35], der 492 Odoaker besiegt hatte. Theoderich selbst war arianischer Christ, dennoch legte er wert auf eine gute Beziehung zur Mehrheitskirche in Italien. In der Folge nutzten die römischen Päpste die germanische Herrschaft zum Ausbau ihrer eigenen Position.

Das Verhältniss zu Konstantinopel blieben weiter ungeklärt. Gestützt durch Theoderich, der eine Einigung zwischen Rom und Konstantinopel nicht allzu wünschenswert finden musste[36], blieb das Schisma auch nach dem Tod des Acacius bestehen. Seit 492 war Gelasius I. Papst in Rom. 494 verfasste er die Theorie der Zwei Gewalten, die ein Eingreifen des Kaisers in kirchliche Angelegenheiten als Unrecht ansah, obwohl im römischen Reich seit Konstantin d. Gr. der Kaiser das Oberhaupt und Beschützer der Kirche war. Als Patriarch Ephemios von Konstantinopel endlich von der Wahl Gelasius` erfuhr, beschwerte er sich in Rom, dass man ihm nichts von dem Amtsantritt mitgeteilt hatte. Gelasius antwortete darauf, er habe als der Höhergestellte nicht einem Tiefergestellten Bericht zu geben und außerdem bestehe seit 484 keine kirchliche Gemeinschaft mehr, weil sich Konstantinopel vom Heiligen Petrus losgesagt habe[37]. Das war eine deutliche Absage an eine mögliche Beilegung des Schismas, das über 30 Jahr wehren sollte.

Erst 519 konnte die Einheit wiederhergestellt werden[38]. Mit der Vertreibung der Germanen aus Italien unter Kaiser Justinian, verlor Rom auch die machtpolitische Stütze für den Weg zur Eigenständigkeit. Nun musste sich der Papst in die byzantinische Reichskirche wieder ein-, bzw. dem Kaiser unterordnen[39].

Eine Zwischenbilanz dieser ersten großen Auseinandersetzung zeigt eine Polarisierung innerhalb der Reichskirche, deren Grund in der widersprüchlichen Stellungnahme zu den Beschlüssen von Chalkedon und dem Henotikon war, und die eine Einheit der Kirche bedrohte[40]. Aber auch die Reichseinheit war in Frage gestellt. Eine Verbindungslinie zwischen bestimmten Glaubenvorstellungen und ethnisch – kulturellen Unterschieden war gegeben. Eine sprachliche Einheit zwischen Ost und West war schon lange zerbrochen. Die eigene Kultur und damit auch politische Selbstbewusstsein und Selbstverständnis traten immer mehr in den Fordergrund. Diese Autonomiebestrebungen wurden auch gestützt durch die Lockerung vom Reichszentrum während der Germanenherrschaft[41], die durch Justinian nur kurzfristig unterbrochen wurde.

3. Vom Bilderstreit bis zun Schisma des Photios

Die von Kaiser Justinian wiederhergestellte Reichseinheit sollte nur von kurzer Dauer sein. 568 brachen die Langobarden in Italien ein und Spanien wurde in einer Gegenoffensive der Westgoten überrannt[42]. Die byzantinische Verwaltungsgewalt im Westen des Reichs beschränkte sich nun nur noch auf Rom und einpaar andere Gebiete, aber von den Langobarden quasi umlagert[43]. Das Zentrum des Reichs selbst, Konstantinopel, wurde durch die große slawische Landnahme am Ende des 6. Jahrhunderts und Anfang des 7. Jahrhunderts stark bedroht[44]. Byzanz musste seine Kräfte sammeln und verlagerte seine Politik nun notwendigerweise gen Osten, so dass Rom nicht mehr als ein Außenposten des Reichs war[45]. Die Schwäche Roms zwang nun hier dazu, sich eine neue machtpolitische Stütze zu suchen, um eine Selbstständigkeit zu erlangen und sich von der Abhängigkeit von Byzanz loszumachen. Die schon vor Justinian sich abzeichnende stärkere Hinwendung des Papsttums zu den germanischen Völkern, ist als klare Positionierung gegenüber dem byzantinischen Kaisertum zu sehen. Man wurde sich immer fremder, nicht nur in dogmatischen und theologischen Fragen, waren die Probleme des Ostens nicht mehr die des Westens[46], sondern auch in Sitten und Gebräuchen. Als auf dem sog. Trullanischen Konzil von 690/91 in Konstantinopel wieder mal der Vorrang für den Bischof von Konstantinopel erneut bestätigt wurde, dazu aber auch Beschlüsse gefasst wurden, die den Gebräuchen der westlichen Kirche entgegengesetzt waren, z.B. die Anerkennung der Priesterehe und die Verwerfung des römischen Sabbatfestes[47], wagte man in Rom noch keinen starken Protest. Der byzantinische Arm reichte durchaus noch bis an den Stuhl Petri, wie das Beispiel von Papst Martin gezeigt hatte, der wegen seiner Einsprüche in einem byzantinischen Gefängnis 656 gestorben war[48]. Aber die Beziehungen waren stark belastet. Im Winter 710/11 reiste zum letzten Mal ein Papst an den Kaiserhof in Konstantinopel. Er wurde zwar ehrenvoll empfangen, aber zu sagen hatte er nichts mehr[49]

Im Jahre 715 wurde Gregor II. neuer Papst in Rom[50], ein energischer Mann und waschechter Römer. Er strebte eine Distanzierungspolitik von Byzanz an, damit Rom endlich wieder zu alter Größe aufstreben konnte. Byzanz und der Kaiser gaben ihm im Folgenden auch genügend Anlässe, die ihn zwangen, seinen eigenen Weg zu gehen.

Als Kaiser Leon III. im Zuge des Streits um die Verehrung der Heiligenbilder 729 ein Edikt erlassen wollte, weigerte sich der amtierende Patriarch von Konstantinopel, mit dem Hinweis darauf, dass ohne ein allgemeines Konzil eine solche Entscheidung nicht getroffen werden könne, dieses zu unterschreiben. Daraufhin ließ der Kaiser ihn absetzten und setzte seinen Kandidaten an dessen Stelle, der das Edikt unterschrieb[51]. Da hatte Gregor II. einen wirklichen Anlass gefunden. Jedoch scheint ein politischer Hintergrund hier wichtiger, als die Frage der Bilderverehrung. Noch unter Kaiser Justinian II. hatte man die Steuern aus den päpstlichen Patrimonien in Unteritalien drastisch gesenkt, wohl um die gefährdete Herrschaft in Italien wieder zu sichern. Leon III. aber widerrief dieses Privileg, was Gregor II. jedoch nicht akzeptierte. Als man daraufhin versuchte, den Papst zu verhaften, kam es zu einem Aufstand in Rom. Dieser Verrat gegen die kaiserlichen Verordnungen konnte als Widerstand gegen die kaiserliche Bilderpolitik gerechtfertigt werden[52]. Der Papst schrieb an den Kaiser, gestützt auf die Theorie der Zwei Gewalten des Gelasius, einen Brief, in dem er deutlich ausdrückte, dass die Bilderfrage eine Angelegenheit der Kirche sei, die daher von kirchlichen Amtsträgern entschieden werden müsse[53]. Aber erst sein Nachfolger Georg III. konnte auf einer großen italienischen Synode die kaiserliche Bilderpolitik verwerfen[54]. Nun sucht Kaiser Leon mit einer großen Flotte die kaiserliche Macht in Italien wiederherzustellen, jedoch erlag diese 732 schweren Stürmen in der Adria. Außerdem hatte er das Illyricum, zusammen mit Kalabrien und Sizilien der Jurisdiktion des Papstes entzogen. Nun war das Maß voll, und was eigentlich militärische und politische Machtdemonstration sein sollte, wurde zum entscheidenden Fehler der byzantinischen Kirchenpolitik[55], denn es trieb Rom nur noch weiter von Byzanz weg, direkt in die Arme des Frankenkönigs Pippin. Im Winter 753/54 machte Papst Stephan II. eine denkwürdige Reise in das fränkische Gallien zu König Pippin, um ihn um Hilfe gegen die Langobarden in Italien zu bitten. Die beiden schlossen ein Bündnis und bald kam der Frankenkönig nach Italien und half dem bedrängten Papst militärisch. Die eroberten Gebiete (das Exarchat von Ravenna und Pentapolis) schenkte er dem Stuhl Petri und so entstand der Kirchenstaat. Später wurde dieser Akt zur Legende der Konstantinische Schenkung ausgeschmückt[56].

Am Weihnachtstag des Jahres 800 wurde Karl d. Gr., Pippins Sohn, im Petersdom zu Rom von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt und gesalbt. Dieses Ereignis war die endgültige politische Trennung des einstigen Römischen Imperiums in zwei Kaiserreiche, die der späteren religiösen Trennung vorausging. Von Byzanz aus konnte die Erhebung Karls zum Kaiser nicht anders als Usurpation sein, denn für die damalige Welt galt das Axiom, dass es nur einen Kaiser geben könne, genauso wie es nur eine wahre Kirche geben könne[57]. Wer hier als der wahre Kaiser angesehen wurde, ist offensichtlich. Aber auch in Rom galt dieses Axiom durchaus noch und bald stellte man auch in Byzanz fest, dass Rom nicht ein zweites Kaiserreich nebenanstellen wollte, sondern das geschaffene an Stelle des alten Reichs treten lassen wollte. Die Realität um 800 sah so aus, dass sich nun zwei Kaiserreiche gegenüberstanden. So konnte man im Osten nicht mehr als sich unversöhnlich, sowohl zum Kaiser, als auch zum Papst stellen[58], denn an militärischer Kraft fehlte es in Byzanz, das sich auch von dem aus Osten anrückenden Islam bedroht fühlen musste. Die Macht Karls wuchs indes rasch an. Er breitete sich sogar auf byzantinischen Besitzungen aus, die er nun als Druckmittel benutzen konnte. Gegen die Rückerstattung der besetzten Gebiete fand sich die Regierung unter Kaiser Michael I. bereit, die Anerkennung der Kaiserwürde Karls auszusprechen. Im Jahre 812 wurde Karl in Aachen von byzantinischen Gesandten als Basileus begrüßt[59]. Dem weströmischen Kaisertum fehlte es zwar in der Folgezeit mitunter an Kontinuität, aber das Papsttum hielt an seiner neuen Stellung und seinen Ansprüchen fest. Es hatte ja jetzt die Option, jederzeit seinen eigenen Kaiser krönen zu können.

3.1. Photios – 1. Phase

Zwischen Konstantinopel und Rom herrschte in den folgenden Jahren weitgehend Funkstille[60]. 856 wurde Michael III. in jugendlichem Alter neuer Kaiser, nach dem seine Mutter Theodora entmachtet und deren Minister und Vertrauter ermordet worden war. Parteikämpfe, Nachwehen des Bilderstreits, machten es notwendig, alle Gegner der neuen Regierung durch ergebene Männer zu ersetzten, um damit die Herrschaft zu sichern[61]. Gegner waren hier v. a. die, die sich gegen den eigentlichen Inhaber der Regierungsgeschäfte Caesar Bardas stellten. Dazu gehörte auch der Patriarch von Konstantinopel, Ignatios, der sich im Streit der Parteien nicht hatte behaupten können. Ignatios wurde zur Abdankung gedrängt und aus dem Laienstande wurde Photios, ein schon damals berühmter Gelehrter an der Universität von Konstantinopel[62] und als Botschafter in Bagdad und Chef der kaiserlichen Kanzlei mit viel politischem Gespür ausgestattet[63], zum neuen Patriarchen von Konstantinopel erhoben. Seine Wahl löste aber schließlich bei der Gegenpartei, den Ignatianern, heftige Proteste aus, die nur durch den Einsatz von kaiserlichen Milizen und der Androhung des Kirchenbanns niedergeschlagen werden konnten[64]. Gemäß der Tradition sandte der neue Patriarch an seine Amtsbrüder in Rom, Alexandreia, Antiochia und Jerusalem nun seine Inthronistika[65]. Der Papst Nikolaus I. schrieb sowohl an den Kaiser, als auch an den neuen Patriarchen zurück. Dem Kaiser teilte er seine Überraschung mit, dass ein byzantinischer Patriarch ohne Zustimmung des Heiligen Stuhls zurückgetreten war, und dass man ihn dann durch einen Laien ersetzt hat. Aufgrund dessen sei nun eine Anerkennung des Photios seinerseits nicht möglich, bevor nicht der Fall geprüft und zur endgültigen Entscheidung ihm vorgelegt sei. Solange aber sei Ignatios der legitime Patriarch von Konstantinopel[66]. Damit signalisierte Nikolaus die alten Ansprüche des Papsttums auf das Primat und nahm Photios gleichzeitig jede Entscheidungs- und Spruchgewalt. Scheinbar nebenbei verlangte der Papst in seinem Schreiben außerdem die Rückerstattung des Illyricums und der päpstlichen Patrimonien in Süditalien. Das Schreiben an Photios gestaltete er entsprechend abweisend, indem er betonte, dass ihm die allzu schnelle Ernennung als ungültig erscheine. Wenn aber seine Legaten zu einer günstigen Beurteilung gegen ihn und die Ereignisse kommen sollten, so wäre er bereit ihn schließlich vor dem Stuhl Petri als Patriarchen anzuerkennen[67].

Die Legaten des Papstes, Radoaldo von Porto und Zacharias von Anagni, kamen im Winter des Jahres 860/ 61 nach Kontantinopel. Die Synode der Entscheidung wurde für Ostern angesetzt, so dass viel Zeit blieb, um das Ergebnis in die gewünschte Richtung zu lenken[68]. So konnten Photios und der Hof die Legaten auch dazu bringen, auf den Kompromiss, dass man zwar den Fall des Ignatios noch einmal betrachten wolle, eine endgültige Entscheidung aber schon auf der Synode und nicht erst in Rom erfolgen sollte, einzugehen. Die Legaten entschieden dann auch zu Gunsten des Photios, erklärten Ignatios für abgesetzt und sicherten die Legitimität des neuen Patriarchen ab[69]. Damit hatten sie sicherlich ihre Kompetenzen überschritten, denn der Papst hatte sie lediglich zur Überprüfung des Falls geschickt, entscheiden wollte er selbst. Was ihn aber noch ärgerlicher stimmte, als sie nach Rom zurückkehrten, war nicht ihre voreilige Entscheidung, sondern vielmehr, dass die Sache des Illyricums nicht einmal auf der Tagesordnung des Konzils gestanden hatte[70]. So sprach er keine offizielle Anerkennung für Photios aus und behielt sich ein Druckmittel in der Hinterhand, um in der Frage noch etwas erreichen zu können. Damit wurde die rechtliche Situation des Photios ein politischer Joker des Papstes[71]. Als aber von Seiten des Kaisers in dieser Hinsicht nichts geschah, ließ Nikolaus auf einer Synode in der Laterankirche im August 863 Photios für abgesetzt erklären und auch die damaligen Legaten von 861 mussten für ihre Voreiligkeit büßen, sie wurden abgesetzt und exkommuniziert. Ignatios wurde in das Amt des Patriarchen von Konstantinopel neu eingesetzt[72].

3.2. Zwischenbetrachtung: Bulgarenfrage

Warum Michael III. zu den Ansprüchen des Papstes auf das Illyricum geschwiegen hatte und selbst auf das Druckmittel der Anerkennung Photios` nicht reagierte, lässt sich mit einem Blick auf eine andere politische Angelegenheit erklären: die Bulgarenfrage, denn eine große Bedeutung für die Festigung der Machtstellung hatte die Christianisierung der slawischen Welt erlangt[73]. Es galt, wen man nicht besiegen kann, den muss man bekehren. Ost und West buhlten geradezu um diese neuen Christen, die den eigenen Einfluss- und Machtbereich ausweiten konnten.

Das Volk der Bulgaren, türkisch – mongolischen Ursprungs, war im 7. Jahrhundert in den Norden des Balkans eingefallen, mittlerweile sesshaft geworden und immer mehr slawisiert worden[74]. Das Herrschaftsgebiet der Bulgaren bezog sich im Westen und Norden auf das alte Illyricum, nur der Süden war noch byzantinischer Einflussbereich[75]. Wenn der Papst also Ansprüche auf das gesamte Illyricum stellte, so mussten zunächst die Bulgaren unter die römische Einflusssphäre gelangen. Andererseits war natürlich auch Byzanz daran interessiert, durch Missionierung der Bulgaren das gesamte Gebiet wieder in ihren Machtbereich einzugliedern. Nach der Bekehrung des Bulgaren – Kahns Boris unter byzantinischer Kirchenhoheit hielt man daher alle Ansprüche des Papstes für hinfällig. Aber immer noch trieben sich sowohl byzantinische, als auch römische Missionare in Bulgarien herum[76]. Boris Kahn war nicht so loyal, dass er nicht auch bei einem besseren Angebot zur römischen Seite gewechselt wäre. Für ihn waren nur eigene Interessen von belang.

3.3. Photios – 2. Phase

Photios war verärgert durch die römischen Praktiken der „Missionsbuhlerei“, bei der nicht nur die byzantinischen Missionare vertrieben wurden, sondern auch orthodoxe Riten verächtlich gemacht wurden und die päpstlichen Missionare ein Glaubensbekenntnis verbreiteten, das den bald berühmten Zusatz filioque (und vom Sohne) enthielt, d. h. ein Bekenntnis, dass der Heilige Geist vom Vater und vom Sohne ausgehe[77]. Das war in den Augen der Byzantiner Häresie. Er schrieb an die orientalischen Patriarchen einen Brief (Enzyklika), in dem er gegen diese Praktiken Anklage erhob, das filioque als häretisch brandmarkte und sie bat, zu einer Synode zur Verurteilung der Sache in Konstantinopel zu erscheinen[78]. Die Tatsache, dass er vom Papst abgesetzt worden war, schien hier niemanden zu interessieren. Photios hatte Kaiser Michael III. und Caesar Bardas hinter sich.

Das Konzil fand im August/ September 867 in Konstantinopel statt. Hier wurde die Absetzung und Exkommunikation des Papstes Nikolaus I. ausgesprochen (authentische Texte der Synode sind jedoch nicht erhalten)[79]. Überlegungen weshalb dieser Bann jetzt erst, oder nun doch, ausgesprochen wurde, führen in Richtung eines verzweifelten Behauptungsaktes seitens Photios`. Die Einmischung des Papstes in die Bulgarenmission war nicht nur eine kirchenpolitische Einmischung, sondern auch eine machtpolitische in die kaiserlichen Belange. Ein gewisser Druck vom Kaiser und seinen Ratgebern muss deshalb angenommen werden[80]. Der theologische Streit um den Zusatz filioque war sicher ein ausreichender Anlass und wie es scheint, konnte Photios auch die anderen Patriarche von der Häresie unter der Autorität des Papstes überzeugen[81], doch wird man in Zukunft feststellen können, dass theologische Streitigkeiten ohne machtpolitischen Nebenverdienst keine solche Vehemenz zeigen.

Was den Druck auf Photios noch verstärkte, war eine Palastverschwörung, der schon am 21. April 865 Caesar Bardas zum Opfer gefallen war[82]. Jetzt, kurz nach der Beendigung des Konzils, brach sie vollends aus. Kaiser Michael II. wurde am 24. September 867 von seinem einstigen Freund und Mitkaiser ermordet, der nun als Basileios I. der Makedonier den Thron bestieg[83]. Damit verlor Photios seine letzte Stütze, denn Basileios schlug kirchenpolitisch eine endgegengesetzte Richtung an. Vermutungen, dass Rom bei dieser Verschwörung seine Hände im Spiel hatte, liegen nahe, sind aber nicht zu beweisen. Jedenfalls ließ Basileios I. Photios in ein Kloster einschließen und berief Ignatios wieder auf den Patriarchenthron (23. November 867)[84]. Außerdem wurden zum neuen Papst Hadrian II. Kontakte geknüpft und um die Entsendung von Legaten zu einem allgemeinen Konzil gebeten. Dieses fand 869/ 70 in Konstantinopel statt und exkommunizierte Photios[85]. Die Legaten betonten nach diesem Erfolg das Primat des Papstes in besonderem Maße, doch Basileios war nicht ein Spielball der Politik, unfähig seiner eigenen Interessen. Er hatte seinen Trumpf im Ärmel: Auf diesem Konzil waren auch Gesandte aus Bulgarien anwesend, um endgültig eine Entscheidung darüber herbeizuführen, welcher Kirche die bulgarische Kirche unterstellt werden sollte. Durch geschickte Ausnutzung der Rivalität zwischen Rom und Konstantinopel, konnte Boris Kahn sein Ziel nun verwirklichen. Der Kaiser ließ durch den Patriarchen Ignatios für Bulgarien einen Erzbischof und mehrere Bischöfe ernennen, so dass die bulgarische Kirche nun unter Hoheitsrecht des Patriarchen von Konstantinopel über eine gewisse Autonomie verfügte[86].

Bald holte Basileios Photios wieder aus seinem Exil an den Hof zurück, als Erzieher und Lehrer seiner Söhne[87], denn bevor er Patriarch wurde, war er schon ein berühmter Gelehrter gewesen. Als Ignatios am 23. Oktober 877 starb, bestieg Photios diesmal kanonisch unanfechtbar am 26. Oktober den Patriarchenthron abermals[88]. Rom war bereit, ihn wieder zu restituieren, unter der Bedingung, dass Photios die entsprechende Reue zeigen würde. Mit einem Konzil im Jahre 880 wurde die Aussöhnung bekräftigt und das Schisma des Photios offiziell beendet[89].

Was nun als Grundlage für eine Wiederannäherung weitergetrieben hätte werden können, verlief jedoch im Sande. Man führte, jeder für sich, sein eigenes Leben. Die Beziehungen zueinander erwärmten sich erst wieder, als die Gefahr der Normannen in Unteritalien sowohl römische, als auch byzantinische Interessen zu tangieren begann. Auffällig ist, dass mal wieder die Machtpolitik weltlicher Interessen den Kontakt und das Vorgehen bestimmen sollte.

Besonders wichtig erscheint hier die Konstellation der Personen. In Papst Leo IX. fand sich der Vertreter der clunyazensischen Reformbewegung, die die alten Ansprüche auf Primat und Besitz neu formulierte und aufleben ließ. In Konstantinopel war der äußerst ehrgeizige Michael Kerullarios Patriarch geworden. Als dieser auf den ebenso energischen Humbert traf, prallten zwei Persönlichkeiten, zwei „unbeherrschte Hitzköpfe“[90] aufeinander, „die beide draufgängerisch und hemmungslos, geradewegs auf ihr Ziel lossteuerten, bereit, von den jahrhundertealten latenten Gegensätzen den Schleier herabzuziehen und die Welt vor ein Entweder – Oder zu stellen“[91].

Nachbetrachtend könnte man in dem Jahr 1054 ein willkürliches Datum sehen, denn es standen formell noch Wege offen, eine Versöhnung herbeizuführen. Ein wirkliches Band, das solche Bemühungen hätte knüpfen können, war aber schon zu dünn und beide Seiten sahen von ihren Standpunkten aus keine Notwendigkeit, eine neue Einheit herzustellen.

Noch tiefere Risse sollten dann die Kreuzzüge hinterlassen, als die Retter aus dem Abendland bei ihren Brüdern und Schwestern im Osten wie Eroberer erschienen und tiefe antiabendländische Ressentiments hinterließen.

Jahrhunderte lang betrachtete man sich nun feindselig, argwöhnisch oder ängstlich.

Epilog

Im Mai 2001 unternahm Papst Johannes Paul II. eine „Pilgerfahrt auf den Spuren des Apostels Paulus“[92]. Im Rahmen seiner Reise besuchte er auch Athen und den Erzbischof Griechenlands, Christodolus. Diese historische Begegnung sollte der Anfang einer neuen Epoche in der Kirchengeschichte sein, denn es war der erste Besuch seid mehr als 1000 Jahren eines römisch – katholischen Papstes auf griechischem Boden. Umso mehr wurde von dieser Begegnung erwartet. Doch es wurde bei den Worten des Erzbischofs auch offensichtlich, dass die alten Wunden und Risse keinesfalls mit einem Besuch abgeheilt werden könnten. Man sei sich in dieser Zeit des Zusammenwachsens Europas bewusst über die immer noch schwer überwindbare Barriere der Kirchentrennung, will aber durchaus bemüht sein, mit viel Kraft und Arbeit einen neuen Dialog zu beginnen. Der entscheidende Schritt sei getan, der Papst sei gekommen, nun erwarte man von der katholischen Kirche „eine einzige Vergebungsbitte“[93]. Und was so viele vor ihm über Jahrhunderte nicht geschafft oder über sich gebracht hatten, konnte Papst Johannes Paul II. mit nur einigen Worten: „[…] möge der Herr uns Vergebung gewähren, das erbitten wir von Ihm“[94] Die Worte sind gesprochen, die Taten müssen folgen.

Literaturverzeichnis

- Aland, Kurt; Geschichte der Christenheit. Von den Anfängen bis an die Schwelle der Reformation; Verlagshaus Ger Mohn; Gütersloh 1980; Bd. 1
- Beck, Hans –Georg; Die Ostkirche vom Anfang des 10. Jahrhunderts bis Kerullarios; in: Jedin, Hubert (Hrsg.); Handbuch der Kirchengeschichte (HKG); Bd.III: Die mittelalterliche Kirche; 1. Halbbd.: Vom kirchlichen Frühmittelalter zur gregorianischen Reform; Freiburg 1966
- Beck, Hans – Georg; Geschichte der orthodoxen Kirche im byzantinischen Reich; Vandehoeck und Ruprecht; München 1980 (= Die Kirche in Ihrer Geschichte. Ein Handbuch; Hrsg. von Bernd Moeller; Bd.1)
- Besuch des Papstes Johannes Paul II. von Rom in Athen; www.at/koild/dokumente/doku-027.htm; (10.01.2003)
- Chadwick, Henry/ Evans, G.R. (Hrsg.); Weltatlas der Alten Kulturen. Das Christentum; Christian Verlag; München 1988
- Clévenot, Michel; Als Gott noch ein Feudalherr war. Geschichte des Christentums im 9. – 11. Jahrhundert; Edition Exodus; Freiburg/ Luzern 1991
- Döpmann, Hans – Dieter; Die Ostkirchen vom Bilderstreit bis zur Kirchenspaltung von 1054; Ev. Verlagsanstalt; Leipzig 1990 (= Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen; hrsg. von Haendler, Gert/ Meier, Kurt/ Rogge, Joachim; Bd. I/8)
- Haendler, Gert; Die Rolle des Papsttums in der Kirchengeschichte bis 1200. Ein Überblick und 18 Untersuchungen; Vandenhoeck und Ruprecht; Göttingen 1993
- Morkosch, Reinhold/ Walz, Herbert; Mittelalter; Neukirchener Verlag; 1989 (= Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen; hrsg. von Obermann, Heiko A./ Ritter, Adolf Martin/ Krumwiede, Hans – Walter; Bd. 2; 3.Auflage)
- Ostrogorsky, Georg; Geschichte des byzantinischen Staates; Verlag C.H. Beck; München 1980
- Zufriedene Gesichter nach dem Papst – Besuch in Griechenland; www.griechische-botschaft.de/weeknews/2001/mai/170501a.htm; (10.01.2003)

[...]


[1] Chadwick, Henry/ Evans, G.R. (Hrsg.); Weltatlas der Alten Kulturen. Das Christentum; Christian Verlag; München 1988; S. 58

[2] Beck, Hans –Georg; Die Ostkirche vom Anfang des 10. Jahrhunderts bis Kerullarios; in: Jedin, Hubert (Hrsg.); Handbuch der Kirchengeschichte (HKG); Bd.III: Die mittelalterliche Kirche; 1. Halbbd.: Vom kirchlichen Frühmittelalter zur gregorianischen Reform; Freiburg 1966; S. 471

[3] Beck; HKG; S. 473

[4] Döpmann, Hans – Dieter; Die Ostkirchen vom Bilderstreit bis zur Kirchenspaltung von 1054; Ev. Verlagsanstalt; Leipzig 1990 (= Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen; hrsg. von Haendler, Gert/ Meier, Kurt/ Rogge, Joachim; Bd. I/8); S. 132

[5] Morkosch, Reinhold/ Walz, Herbert; Mittelalter; Neukirchener Verlag; 1989 (= Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen; hrsg. von Obermann, Heiko A./ Ritter, Adolf Martin/ Krumwiede, Hans – Walter; Bd. 2; 3.Auflage); S 56

[6] Döpmann; S. 132

[7] Döpmann; S. 132

[8] Beck; HKG; S. 473

[9] Beck; HKG; S. 473/474

[10] Chadwick/ Evans; S. 58

[11] Döpmann; S. 133

[12] Döpmann; S. 133

[13] Beck; HKG; S. 474

[14] Döpmann; S. 133

[15] Chadwick/ Evans; S. 58

[16] Beck; HKG; S. 474

[17] Beck; HKG; S. 475

[18] Döpmann; S. 134

[19] Beck; HKG; S. 475

[20] Ostrogorsky, Georg; Geschichte des byzantinischen Staates; Verlag C.H. Beck; München 1980; S. 35

[21] Ostrogorsky; S. 35

[22] Beck, Hans – Georg; Geschichte der orthodoxen Kirche im byzantinischen Reich; Vandehoeck und Ruprecht; München 1980 (= Die Kirche in Ihrer Geschichte. Ein Handbuch; Hrsg. von Bernd Moeller; Bd.1); S. 8

[23] Haendler, Gert; Die Rolle des Papsttums in der Kirchengeschichte bis 1200. Ein Überblick und 18 Untersuchungen; Vandenhoeck und Ruprecht; Göttingen 1993; S. 26

[24] Ostrogorsky; S. 38

[25] Haendler; S. 162

[26] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 10

[27] Haendler; S. 163

[28] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 11

[29] Haendler; S. 163

[30] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 11

[31] Beck; geschichte der orthodoxen Kirche; S. 11

[32] Haendler; S. 163

[33] Haendler; S. 164

[34] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 11

[35] Haendler; S. 28

[36] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 12

[37] Haendler; S. 164

[38] Beck, Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 19

[39] Haendler; S. 30

[40] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 15

[41] Beck; Geschichte der othodoxen Kirche; S. 16

[42] Ostrogorsky; S. 55

[43] Haendler; S. 176

[44] Ostrogorsky; S. 64

[45] Haendler; S. 176

[46] Aland, Kurt; Geschichte der Christenheit. Von den Anfängen bis an die Schwelle der Reformation; Verlagshaus Ger Mohn; Gütersloh 1980; Bd. 1; S. 203

[47] Ostogorsky; S. 106

[48] Haendler; S. 30

[49] Haendler; S. 30

[50] Haendler; S. 31

[51] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 71

[52] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 71-72

[53] Haendler; . 176

[54] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 72

[55] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 73

[56] Haendler; S. 180/ S. 33

[57] Ostrogorsky; S. 150

[58] Ostrogorsky; S. 161

[59] Ostrogorsky; S. 161

[60] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 97

[61] Clévenot, Michel; Als Gott noch ein Feudalherr war. Geschichte des Christentums im 9. – 11. Jahrhundert; Edition Exodus; Freiburg/ Luzern 1991; S. 147

[62] Clévenot; S. 146

[63] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 98

[64] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 100

[65] Clévenot; S. 147

[66] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 100

[67] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 100/ 101

[68] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 101

[69] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 101

[70] Beck; geschichte der orthodoxen Kirche; S. 101

[71] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 102

[72] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 102/ 103

[73] Ostrogorsky; S. 183

[74] Clévenot; S. 149

[75] Beck; geschichte der orthodoxen Kirche; S. 104

[76] Clévenot; S. 150

[77] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 105

[78] Clévenot; S. 150

[79] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 105

[80] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 106

[81] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 106

[82] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 106

[83] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 107

[84] Ostrogorsky; S. 188

[85] Clévenot; S. 150

[86] Ostrogorsky; S. 189

[87] Clévenot; S. 151

[88] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 110

[89] Clévenot; S. 151

[90] Beck; Geschichte der orthodoxen Kirche; S. 147

[91] Ostrogorsky; S. 282

[92] Zufriedene Gesichter nach dem Papst – Besuch in Griechenland; www.griechische-botschaft.de/weeknews/2001/mai/170501a.htm; (10.01.2003)

[93] Besuch des Papstes Johannes Paul II. von Rom in Athen; www.at/koild/dokumente/doku-027.htm; (10.01.2003)

[94] Besuch des Papstes Johannes Paul II. von Rom in Athen; www.at/koild/dokumente/doku-027.htm; (10.01.2003)

Excerpt out of 19 pages

Details

Title
Das Große Kirchenschisma von 1054
College
University of Leipzig
Course
Hauptseminar
Grade
1,7
Author
Year
2002
Pages
19
Catalog Number
V107677
ISBN (eBook)
9783640059225
File size
505 KB
Language
German
Keywords
Große, Kirchenschisma, Hauptseminar
Quote paper
Alexandra Wernerowna Rebelein (Author), 2002, Das Große Kirchenschisma von 1054, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107677

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