Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1. Aufbau und Ziele der Hausarbeit
- 1.2. Zur Quellenlage
- 2. Zum Begriff der Varietät
- 3. Die Behörde als Institution
- 4. Behördensprachliche Kommunikation
- 4.1. Einführung in die Problematik (Beglaubigung – Legalisierung)
- 4.2. Fachsprache und ihre Terminologie (Selbstmord – Selbsttötungsdelikt)
- 4.3. Der behördliche Text (Beispieltexte)
- 5. Fazit
- Bibliographie
1. Einleitung
1.1. Aufbau und Ziele der Hausarbeit
Im Rahmen des Forschungsfeldes der Soziolinguistik beschäftige ich mich in dieser Hausarbeit speziell mit dem Phänomen der institutionalisierten Sprachvarietät, insbesondere der Behördensprache.
Zunächst möchte ich etwas näher auf den Terminus Varietät eingehen und somit den Bezug zur Soziolinguistik herstellen und mich anschließend dem Begriff der Institution widmen.
Im Anschluß daran verbinde ich beide Kapitel und gehe zu Beispielen aus der institutionellen Praxis über, werde diese darstellen und analysieren und zum Ende der Arbeit die daraus resultierenden Schlüsse ziehen.
Der Schwerpunkt dieser Hausarbeit liegt somit in wenigen ausgesuchten Beispielen, anhand derer ich die Problematik der institutionellen Sprache darstellen werde.
Dabei werde ich mich in der anschließenden Diskussion mit dem Pro- und Contra einer institutionalisierten, formellen Amtssprache gegenüber der „normalen“ Standartsprache beschäftigen sowie mich mit den Gründen für die Existenz dieser Sprachvarietät auseinandersetzen.
1.2. Zur Quellenlage
Zur Quellenlage muß ich bemerken, daß die von mir verwendeten Beispiele aus persönlichen Erfahrungen mit Behörden stammen und somit nicht niedergeschrieben und bibliographiert sind. Andere Beispiele stammen aus Vertragstexten, die ebenfalls nicht bibliographisch erfaßt werden können, da sie direkt aus den Verträgen zitiert wurden. Da es sich um persönliche Vertragstexte handelt, kann ich oftmals keine näheren Angaben machen, da diese Angaben unter das Datenschutzgesetz fallen. Jedoch sind ähnliche Textkorpora fast überall in Verträgen und Verordnungen zu finden und somit in gewisser Weise nachprüfbar.
Einen anderen Teil der vorliegenden Quellen konnte ich dem Internet entnehmen und die zugrundeliegende Web-Adresse als bibliographische Angabe verwenden. Falls jedoch die Internetquellen nicht zu recherchieren sein sollten, so kann es sich nur um eine temporäre Netzpräsens der zitierten Quelle handeln. Ich habe jedoch versucht, dauerhaft im Netz archivierte Websites als Quellen heranzuziehen.
Im Rahmen der Diskussion und Analyse habe ich auf linguistische Standartliteratur zurückgegriffen und mich weniger auf bereits vorhandene Spezialliteratur zur Behördensprache konzentriert. Ein Grund dafür ist die doch geringe wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der institutionellen Sprachvarietät.
2. Zum Begriff der Varietät
Der Begriff der Varietät in der Sprachwissenschaft bezeichnet eine „kohärente Sprachform“, deren Kriterien außersprachlich definiert werden[1]. Folglich handelt es sich bei dem Begriff der Varietät um einen Überbegriff, den man in verschiedene Unterbegriffe, die sich aufgrund außersprachlicher Faktoren unterscheiden, untergliedern kann.
Diese außersprachlichen Faktoren sind zum Beispiel die Geographie, der „soziale Raum“, die funktionale Ausrichtung und andere[2]. Als weitere außersprachliche Parameter werden die Schicht/Klasse, das Alter, das Geschlecht, die Gruppe und die soziale Rolle gesehen[3].
Da ich mich mit der Sprache der Behörden auseinandersetze, stellt die funktionale Ausrichtung den außersprachlichen Faktor zur Varietätendefinition dar. Somit handelte es sich hierbei um die Varietät der Fachsprache[4].
Die Fachsprache als Varietät unterscheidet sich von der Standartsprache darin, daß sie neben einem „erweiterterten und spezialisierten Wortschatz“ auch syntaktische und textuelle Besonderheiten aufweist und bestimmte Wortbildungsmodelle stark bevorzugt[5]. Die Anwendung der Fachsprache erfolgt, um bestimmte fachspezifische Sachverhalte und Besonderheiten der jeweiligen Disziplin sprachlich zu erfassen und wiederzugeben[6].
3. Die Behörde als Institution
Im Rahmen der Soziolinguistik beschäftige ich mich mit der institutionellen Varietät der deutschen Sprachen insbesondere am Beispiel der Behörden.
Somit gilt es zunächst den Begriff der Institution und der Behörde zu klären. Eine Institution ist eine meißt staatliche Einrichtung wie zum Beispiel eine Behörde[7]. Und Behörde bedeutet: „von Staat, Stadt, Gemeinde od. Kirche mit der Erledigung von Amtsgeschäften beauftragte Gruppe von Beamten; deren Dienststelle;...“[8] und daraus ergibt sich ein wichtiger Aspekt in bezug auf den Charakter der behördlichen Kommunikation.
Die Behördensprache, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen werden, steht oftmals im Gegensatz zur „normalen“ Sprache, die man in der Alltagskommunikation verwendet. Dies läßt sich auf die Funktion der behördlichen Kommunikation zurückführen, die andere Ziele verfolgt als die Alltagssprache.
Man muß jedoch bedenken, daß Institution und Behörde Hyperonyme zu einzelnen weiteren Unterkategorien der staatlichen Organisation wie Polizei, Gericht, Arbeitsamt, Magistrat etc darstellt, die jeweils über ihre eigenen Fachsprachen verfügen aber ebenso in vielen Bereichen sich eine gemeinsame Varietät teilen.
4. Behördensprachliche Kommunikation
Im folgenden Kapitel versuche ich anhand ausgesuchter Beispiele die institutionelle Kommunikation zu charakterisieren. Wie bereits erwähnt, konzentriere ich mich hierbei auf Erfahrungen aus meinem persönlichen Umfeld und nicht auf bekannte Lehrbuchbeispiele. Ebenso analysiere ich die vorliegenden Beispiele und berufe mich dabei nicht auf bereits vorhandene wissenschaftliche Untersuchungen, sondern werde selbst die jeweiligen Schlüsse ziehen.
4.1. Einführung in die Problematik
Wer kennt nicht die Situation, wenn man in Behördenkontakt tritt und plötzlich auf unverständliche Formulierungen stößt? Neben schier endlos wirkenden Sätzen und komplexen Wortbildungsgeschöpfen begegnen einem auch besondere Termini technici.
Ich selbst hatte vor längerer Zeit einen Behördengang zu erledigen, mit dem ich in die Problematik der behördensprachlichen Kommunikation einführen möchte.
Es handelte sich um eine Personenstandsurkunde. Diese ist Eigentum der Behörde und wird nur als Kopie ausgehändigt. Um die Echtheit der Kopie zu bezeugen, muß diese von der zuständigen Behörde beglaubigt werden. Dies ist ein kurzer Aufwand, der entsprechend bezahlt werden muß. Mit dieser beglaubigten Kopie hatte ich mich an eine ausländische Behörde zu wenden, die jedoch diese „einfache“ Beglaubigung nicht akzeptierte. Für die internationale Geltung solcher Dokumente ist eine höhergestellte Behörde zuständig, die mir besagte beglaubigte Kopie der Personenstandsurkunde wiederum beglaubigen mußte. Jedoch stellte sich für mich bald heraus, daß die zuständige Behörde keine Dokumentenbeglaubigungen vornimmt. Nach ein paar weiteren Gängen durch verschiedene Behörden erfuhr ich, daß es sich in meinem Falle nicht um eine Beglaubigung handle, sondern um eine Legalisierung der Dokumentenkopie. Nach Erhalt der nun legalisierten Kopie konnte ich erkennen, daß es fast nichts anderes war, als eine Beglaubigung von einer höheren Stelle. Für den Außenstehenden erscheint beides gleich, aber, neben den Gebühren, gibt es wichtige Unterschiede. Diese Unterschiede basieren auf juristischen Grundlagen und sind somit von wesentlicher Bedeutung.
An diesem Beispiel wird deutlich, daß die fachsprachliche Kommunikation unter anderem auf exakt definierten Termini beruht. Somit kann man ein und die selbe Tätigkeit in zwei klar voneinander abgegrenzte Tätigkeiten aufschlüsseln, da jeweils der gleiche Handlungsakt (je nach dem, von welcher Behörde er ausgeführt wird) verschiedene Konsequenzen mit sich führt.
Auf dieses Beispiel werde ich später in der Diskussion nochmals zurückgreifen.
4.2. Fachsprache und ihre Terminologie
Gerade haben wir gesehen, daß sich Fachsprache gegenüber der Standartsprache besonders in der Terminologie unterscheidet. Daher möchte ich nun etwas näher auf die Terminologie der institutionellen Varietät des Deutschen eingehen, genauer gesagt auf die Fachsprache Jura. Ein besonders einprägsames Beispiel, welches die Bedeutung genau definierter Wortbildung in Fachsprachen verdeutlicht, ist die Gegenüberstellung des standartsprachlichen Selbstmord und des juristischen Selbsttötung.
Der Begriff des Selbstmordes existiert in der Fachsprache Jura nicht. Denn ein Selbstmord ist per definitionem nicht möglich. Um dies zu verstehen, müssen wir das Kompositum Selbstmord in seine Morpheme „selbst“ und „mord“ zerlegen. Ein Mord ist ein Tötungsdelikt an einem anderen Menschen aus niederen Beweggründen[9], von langer Hand vorbereitet und somit geplant und verstößt gegen die allgemeine Rechtslage und ist daher strafrechtlich zu belangen. Folglich ist ein Selbstmord rein formaljuristisch gar nicht möglich. Von daher kann man auch nicht von Selbstmord sprechen, sondern muß den Terminus Selbsttötung zur Beschreibung des Sachverhaltes wählen.
Wie im vorhergehenden Beispiel, liegt auch hier eine umfassende Definition der fachsprachlichen Terminologie zugrunde. Dadurch ist das Lexem exakter, eindeutig und grenzt sich gegenüber der Standartsprache ab.
4.3. Der behördliche Text
Nun komme ich zu einigen Formulierungen aus Vertragstexten, auf die ich näher eingehen werde. Zunächst ein Beispiel aus dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Österreich (Doppelbesteuerung – Gesetz zu dem Abkommen vom 24. August 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen[10] ):
„Ist eine Person mit Ausnahme eines unabhängigen Vertreters im Sinne des Absatzes 6 für ein Unternehmen tätig und besitzt sie in einem Vertragsstaat die Vollmacht, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen, und übt sie die Vollmacht dort gewöhnlich aus, so wird das Unternehmen ungeachtet der Absätze 1 und 2 so behandelt, als habe es in diesem Staat für alle von der Person für das Unternehmen ausgeübten Tätigkeiten eine Betriebsstätte, es sei denn, diese Tätigkeiten beschränken sich auf die in Absatz 4 genannten Tätigkeiten, die, würden sie durch eine feste Geschäftseinrichtung ausgeübt, diese Einrichtung nach dem genannten Absatz nicht zu einer Betriebsstätte machten[11].“
Hierbei handelt es sich um die Textart eines Vertrags- und Gesetzestextes. Der formulierte Gesetzestext ist ein Vertrag zwischen zwei Nationen und umfaßt typische Merkmale eines reinen Gesetzestextes wie auch eines Vertragstextes.
Dieses Beispiel verdeutlicht eine wesentliche Besonderheit solcher Textsorten. Alle wichtigen Aspekte werden unter einem Punkt behandelt und somit in einer Hypotaxe ausgedrückt.
Besonders augenscheinlich ist bei dieser Art von Texten der Einschub von Querverweisen, die bezug auf andere Stellen nehmen und die gemachten Aussagen genauer qualifizieren oder einschränken. Wie man anderen Beispielen dieser Textsorte entnehmen kann, sind diese einer strengen Gliederung unterworfen, die im Gesamtkontext alle Informationen enthält. Die Funktion dieser subjektiv oftmals verwirrenden Struktur ist es, alle Aspekte der Eindeutigkeit und Genauigkeit zu berücksichtigen. Hier muß man textlinguistische Aspekte mit einbeziehen, um derartige Textarten adäquat zu untersuchen. Gerade in bezug auf die Gliederung und die daraus resultierenden Querverweise fällt auf, daß es sich bei diesen Bezugshinweisen nicht um Deiktika wie in den meisten anderen Textsorten handelt. Obwohl die Referenzargumente hinweisend bzw. verweisend sind und somit eine deiktische Funktion erfüllen, können diese jedoch nicht als solche angesehen werden, da sie als sprachlich explizierte Äußerungen erscheinen[12]. Von daher greifen bei der Betrachtung solcher fachsprachlichen Texte textlinguistische Ansätze nicht.
Neben dem komplexen Satzbau und den Querverweisen unterscheidet sich die behördliche Varietät insbesondere in den Wortbildungsmechanismen von denen der Standartsprache. Aus dem vorliegenden Beispiel möchte ich kurz auf ein Lexem näher eingehen. Würde man in der normalen Sprachverwendung von „einem Staat, mit dem man einen Vertrag hat“ sprechen, also einen Relativsatz einschieben, so wird in der institutionellen Sprachvarietät von einem Vertragsstaat gesprochen. Hierbei handelt es sich um ein Substantivkompositum mit dem Fugenelement „s“. Die Substantivkomposition ist in dieser fachsprachlichen Varietät sehr aktiv und überwiegt alle anderen Wortbildungsmechanismen. Insbesondere Komposition und Derivation sind hierbei von großer Bedeutung. Die Funktion dieser ausgeprägten und sehr aktiven Wortbildung ist die Satzverkürzung und die damit verbundene Prägnanz des Auszudrückenden. Gerade die substantivische Komposition des Deutschen vermag die Vermeidung von Relativsätzen und ausführlichen Erläuterungen[13].
In dem vorliegenden Text ist ebenso das Lexem Betriebsstätte zu finden, welches genau den gleichen Regularien unterliegt.
Nun komme ich zu einem anderen Beispiel aus einem persönlichen Kaufvertrag für eine Eigentumswohnung. Von daher ist es mir nicht möglich eine genaue bibliographische Angabe zu machen. In dem genannten Kaufvertrag findet sich folgende Formulierung:
„Der Veräußerer bewilligt und beide Vertragsteile beantragen, eine Eigentumsvormerkung für den Erwerber im Rang nach den in Ziffer 1.bezeichneten und etwaig unter Mitwirkung des Erwerbers beantragten Eintragungen einzutragen.“
Hier treffen wir wieder auf substantivische Kompositionen wie Eigentumsvormerkung und Derivationen wie Veräußerer. Ebenso existiert ein Querverweis auf einen anderen Vertragspunkt, der in benanntem näher definiert wird. Wie im vorangegangen Beispiel lassen sich hier textlinguistische Ansätze nicht umsetzen, da es keinerlei textimmanente Referenzen gibt.
Interessant hierbei ist lediglich die Formulierung; insbesondere am Satzende. Stilistische Feinheiten und deren Ästhetik werden außer acht gelassen. Wortwiederholungen und Worthäufungen sind ein fester Bestandteil behördlicher und vertraglicherTexte. Sprachliche „Kreativität“ wird zugunsten einer sachlich, formalen Sprache aufgegeben, obwohl dennoch, im Rahmen der Eindeutigkeit und Prägnanz kreative Wortbildungsmechanismen aktiv sind.
Wortwiederholungen sind beabsichtigt, da sich hinter den jeweiligen Lexemen eindeutige Definitionen befinden, die nicht oder nur sehr schwerlich durch Synonyme wiedergegeben werden können.
Ein weiteres Beispiel aus dem angeführten Kaufvertrag verdeutlicht noch einmal die besonderen Wortbildungsmechanismen der institutionalisierten Sprache.
„Vorliegen der Lastenfreistellungserklärungen hinsichtlich der nicht übernommenen Belastungen beim Notar zum bedingungslosen Gebrauch oder mit einem Treuhandauftrag, wonach er davon Gebrauch machen darf, wenn die Gläubiger bestätigen, dass der für die Lastenfreistellung verlangte Betrag, der den Kaufpreis nicht übersteigen darf, eingegangen ist.“
Die Komposita Lastenfreistellungserklärungen und Treuhandauftrag verdeutlichen die Produktivität der deutschen Wortbildungsmöglichkeiten. Auch hier ist wieder zu sehen, daß Substantivkomposita einen Relativsatz oder eine syntaktische Subordination ersetzen können[14].
Ebenso liegt hier eine verstärkte Verwendung von Präpositionen wie hinsichtlich [15] oder Relativadverbien wie wonach [16] vor, die in der alltäglichen Standartsprache eher unüblich sind, geschwollen wirken oder gar als antiquiert betrachtet werden.
In bezug auf die Produktivität und Aktivität von Substantivkomposita soll noch kurz folgendes Beispiel fungieren:
„Es können für das Vertragsobjekt bebaubarkeitseinschränkende Abstandsflächenübernahmeerklärungen im Sinne des Art. 7 BayBO bestehen.“
Die beiden Komposita bebaubarkeitseinschränkende und Abstandsflächenübernahmeerklärungen zeugen weiter von den sehr hohen Kompositionsbildungsmöglichkeiten des Deutschen. Solche „Wortungetüme“ existieren lediglich in Sprachen, die über ähnliche Wortbildungsmöglichkeiten wie das Deutsche verfügen. Andere Sprachen, wie z.B. das Französische müssen hierbei auf syntaktische Strukturen zurückgreifen[17].
In der deutschen Standartsprache und besonders in der alltäglichen Kommunikation wird jedoch viel seltener auf die Möglichkeiten der Komposition und Derivation zurückgegriffen als in der schriftlichen und vor allem behördlichen Sprachebene.
Zur Verdeutlichung ebengenannter Phänomene soll noch kurz die sogenannte salvatorische Klausel [18] dienen:
„Teilunwirksamkeiten im weitesten Sinne berühren die Wirksamkeit der übrigen Klauseln nicht.“
Weitere salvatorische Formulierungen sind:
„Sollte eine oder mehrere Bestimmungen dieses Vertrages ganz oder teilweise rechtsunwirksam sein, so wird dadurch die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. An die Stelle der unwirksamen Bestimmungen tritt rückwirkend eine inhaltlich möglichst gleiche Regelung, die dem Zweck der gewollten Regelung am nächsten kommt[19].“
„Sollten einzelne Bestimmungen des Vertrages einschließlich dieser Regelungen ganz oder teilweise unwirksam sein oder werden, oder sollte der Vertrag eine Regelungslücke enthalten, bleibt die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen oder Teile solcher Bestimmungen unberührt. Anstelle der unwirksamen oder fehlenden Bestimmungen treten die jeweiligen gesetzlichen Regelungen.“
Hierbei kann man textlinguistische Prinzipien durchaus zur Anwendung bringen. Anstatt expliziter Verweise dienen Demonstrativpromina oder rekursive Äußerungen im Sinne von Deiktika zur Kontextherstellung und zum Verständnis des Textes. Ebenso kann man hier den Bezug zur Thema-Rhema-Struktur herstellen[20].
Solche Fälle sind in der behördlichen Kommunikation doch eher selten zu finden und wenn, dann sind diese oftmals dennoch durch explizite Verweise versehen.
In bezug auf explizite Verweise muß noch § 38 Absatz 5 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG) vom 20.04.1994 genannt werden.
Dort heißt es: „Bei Sicherheitsüberprüfungen ist das Sicherheitsüberprüfungsgesetz anzuwenden.[21] “
Hier haben wir es mit einem expliziten Verweis zu tun anstatt mit einer genauen Erklärung und Schilderung im laufenden Text.
Bei genauerer Betrachtung der Inhaltsseite stellt man fest, daß die getroffene Aussage logisch ist und normalerweiser keiner Erwähnung bedarf. Solche banal erscheinenden Äußerungen und die damit verbunden Querverweise finden sich sehr häufig bei dieser Textsorte. Dinge, Handlungsabläufe, Hinweise, die in der normalsprachlichen Kommunikation nicht genannt werden, da sie dem Sprecher und somit meißt auch dem Rezipienten als so offensichtlich erscheinen, werden jedoch in dieser Varietät bewußt ausgedrückt, um mögliche Mißverständnisse von vornherein aus dem Wege zu räumen.
5. Fazit
Im Rahmen meiner bisherigen Untersuchungen bin ich bereits auf einige Beispiele der institutionalisierten Sprache eingegangen. Doch weitaus treffendere und lustigere Beispiele für behördliche Kommunikation und deren Problematik kann man zuhauf in satirischen Darbietungen und im Internet finden.
Einen sehr treffenden Text hierfür möchte ich kurz anführen. Es handelt sich hierbei um das Märchen „Rotkäppchen“ in Behördensprache und findet sich in dieser Form auf mehreren Witzseiten im Internet. Die komplette beamtensprachliche Geschichte ist als Anlage der Hausarbeit beigefügt. Ich möchte nur kurz den einleitenden Satz anführen:
„Im Kindsfall unserer Stadtgemeinde ist eine hierorts wohnhafte, noch unbeschulte Minderjährige aktenkundig, welche durch ihre unübliche Kopfbekleidung gewohnheitsrechtlich Rotkäppchen genannt zu werden pflegt.“[22]
Hier bemerkt man sofort den im Vergleich zur Standartsprache komplizierten Ausdruck, um einfache Sachverhalte sprachlich auszudrücken. Im Vergleich dazu stelle ich nun den Originalanfang des Märchens gegenüber:
„Es war einmal ein kleines süßes Mädchen, das hatte jedermann lieb, der sie nur ansah, am allerliebsten aber ihre Großmutter, die wußte gar nicht, was sie alles dem Kinde geben sollte. Einmal schenkte sie ihm ein Käppchen von rotem Samt, und weil ihm das so wohl stand und es nichts anders mehr tragen wollte, hieß es nur das Rotkäppchen.“[23]
Auf dieses Beispiel möchte ich nicht näher eingehen, da es sich um einen gestellten Text handelt.
Nach den ersten Eindrücken dieses gestellten Textes, der wirklich übertrieben erscheint, stellen tatsächliche Äußerungen im Verbalen wie auch im Schriftlichen der institutionellen Kommunikation besondere Aufmerksamkeit her. Leider konnte ich diesbezüglich nur sehr weniges Material finden. Jedoch gibt es Linguisten, die professionell in der Varietätenforschung arbeiten und diese haben genau hier eine beträchtliche Leistung erbracht.
Nachdem ich also an konkreten Materialien gearbeitet und kurz bezug auf doch nicht allzu ernstzunehmende Textfundstücke genommen habe, möchte ich mich wieder der ernsthaften Untersuchung der Materie widmen.
Besonders auffällig an der institutionalisierten Sprache ist der schriftliche Charakter. Auch verbale Äußerungen erscheinen schriftsprachlich, da diese durch die schriftliche Fixierung der Varietät stark beeinflußt sind. Der umgangssprachliche Terminus des „Amtsschimmels“ zeugt von diesem Phänomen, da sich der Schimmel vom lateinischen Simile ableitet und die behördlichen Formularvordrucke meint[24].
Die Sprache der Juristen und Beamten unterscheidet sich in viellerlei Hinsicht von der, des normalen Sprechers und es entstehen somit Verständigungsschwierigkeiten, die die Kommunikation behindern. Dies führte mittlerweile dazu, daß Linguisten Sprachkurse für Juristen und Beamte anbieten, damit es zu einer verständlichen Kommunikation zwischen „Kunde“ und „Experte“ kommen kann[25].
Besonders der Nominalstil und Schachtelsätze verkomplizieren eine Verständigung. Als Beispiel sei folgendes erwähnt: „Betreff: Stornierung des Seminars ‚Deutsch für Anwälte'. Sehr geehrte Damen und Herren, in vorbezeichneter Angelegenheit muss ich leider aufgrund der derzeitigen Arbeitsbelastung die Teilnahme von. . . und meine Teilnahme stornieren.“[26]
Diese Teilnahmeabsage wird noch übertroffen durch folgendes Beispiel, welches wirklich real ist und nicht erfunden wurde: „Die Ladung von Beteiligten ist als untunlich unterblieben, da diese zweckmäßiger durch Übersendung von Ablichtungen über Form und Inhalt der vorliegenden Verfügung von Todes wegen unterrichtet werde.“[27]
Im Klartext heißt dieser Satz: Ich habe den Angehörigen des Verstorbenen eine Kopie des Testaments zugeschickt.
Nach diesen kurzen Beispielen möchte ich nun zum Ende der Hausarbeit kommen. In der Darstellung der Problematik und den Beispielen aus dem anschließenden Fazit kann man erkennen, daß die Varietät der institutionalisierten Sprache durchaus einen gewissen Sinn erfüllt, aber auch, welch übertriebene Auswüchse entstanden sind.
Zum einen ist es in Behörden und im juristischen Bereich äußerst wichtig, sich präzise und umfassend auszudrücken, so daß alle möglichen Mißverständnisse oder Unklarheiten sprachlich aus dem Weg geräumt werden. Definitionen, die einen Nominalstil hervorrufen und Querverweise erfüllen somit einen ganz wichtigen Zweck. Wie in jeder anderen Fachsprache auch, dient sie zur schnellen und eindeutigen Verständigung zwischen denen, die sich in diesem jeweiligen Fache bewegen. Zum anderen führt dies jedoch auch zur Ausgrenzung nicht fachbezogener Personen. Besonders die übertriebene Verwendung der institutionellen Varietät stellt eine Verständigungsschwierigkeit dar. Oftmals, insbesondere im Umgang mit Außenstehenden, kann es zu Mißverständnissen und Unklarheiten kommen, die nicht sein müßten. Daher auch die erwähnten Bemühungen von Linguisten, zu einem einfacheren Sprachstil zu gelangen.
Zum Abschluß läßt sich sagen, daß eine institutionelle Varetät im internen Umgang von großer Bedeutung ist und eine Effizienz und Effektivität herstellt. Im Kontakt zu Außenstehenden sollte jedoch ein anderer Sprachstil gefunden werden.
Johannes Brauburger
Bibliographie
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- BStBl I 2002
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Krämer, Sauer. 2003. Lexikon der populären Sprachirrtümer. München, Zürich. Piper-Verlag.
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Internetquellen:
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- http://autsch.rtl.de/frames.html
- http://jurcom5.juris.de/bundesrecht/s_g/htmltree.html
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- http://www.sekretaer-in.de/mustertexte/salvatorische.htm
- http://www.wams.de/data/2002/11/24/19252.html
- http://www.welt.de/daten/2001/03/21/0321ku241899.htx
- http://www.welt.de/daten/2001/03/24/0324jw242617.htx
- Anlage -
Rotkäppchen für Beamte Rotkäppchen auf Amtsdeutsch
Im Kindsfall unserer Stadtgemeinde ist eine hierorts wohnhafte, noch unbeschulte Minderjährige aktenkundig, welche durch ihre unübliche Kopfbekleidung gewohnheitsrechtlich Rotkäppchen genannt zu werden pflegt.
Der Mutter besagter R. wurde seitens ihrer Mutter ein Schreiben zustellig gemacht, in welchem dieselbige Mitteilung ihrer Krank- und Pflegebedürftigkeit machte, der Grossmutter eine Sendung von Nahrungs- und Genussmittel zu Genesungszwecken zuzustellen.
Vor ihrer Inmarschsetzung wurde die R. seitens ihrer Mutter über das Verbot betreffs Verlassen der Waldwege auf Kreis- und Bezirksebene belehrt. Dieselbe machte sich infolge Nichtbeachtung dieser Vorschrift straffällig und begegnete beim übertreten des amtlichen Blumenpflückverbotes einem polizeilich nicht gemeldeten Wolf ohne festen Wohnsitz. Dieser verlangte in gesetzwidriger Amtsanmassung Einsicht in das zu Transportzwecken von Konsumgütern dienende Korbbehältnis und traf in Tötungsabsicht die Feststellung, daß die R. zu ihrer verschwägerten und verwandten, im Baumbestand angemieteten Grossmutter eilend war.
Da wolfseits Verknappung auf dem Ernährungssektor vorherrschend waren, faßte er den Entschluss, bei der Großmutter der R. unter Vorlage falscher Papiere vorsprachig zu werden. Weil dieselbige wegen Augenleidens arbeitsunfähig geschrieben war, gelang dem in Freßvorbereitung befindlichen Untier die diesfallsige Täuschungsabsicht, worauf es unter Verschlingung der Bettlägerigen einen strafbaren Mundraub zur Durchführung brachte. Ferner täuschte das Tier bei der später eintreffenden R. seine Indentität mit der Grossmutter vor, stellte ersterer nach und in der Folge durch Zweitverschlingung der R. seinen Tötungsvorsatz unter Beweis.
Der sich auf einem Dienstgang befindliche und im Forstwesen zustängige Waldbeamte B. vernahm Schnarchgeräusche und stellt deren Urheberschaft seitens des Tiermaules fest. Er reichte bei seiner vorgesetzten Dienststelle ein Tötungsgesuch ein, das dortseits zuschlägig beschieden und pro Schuss bezuschusst wurde.
Nach Beschaffung einer Pulverschiessvorrichtung zu Jagdzwecken gab er in wahrgenommener Einflussnahme auf das Raubwesen einen Schuss ab. Dieser wurde in Fortführung der Raubtirtvernichtungsaktion auf Kreis- und Bezirksebene nach Empfangnahme des Geschosses ablebig. Die gespreitzte Beinhaltung des Totgutes weckte in dem Schussgeber die Vermutung, dass der Leichnahm noch lebendes Menschenmaterial beinhalte.
Zwecks diesbezüglicher Feststellung öffnete er unter Zuhilfenahme eines einseitig angeschliffenen und mit Spitze und Handgriff versehenen stück Bandstahl, welches im allgemeinen Messer genannt zu werden pflegt, den Kadaver zur Totvermarktung und stiess hierbei auf die noch lebhafte R. nebst beigefügter Grossmutter. Durch die unverhoffte Befreiung aus dem Nahrungsmittelverwertungsorgan besagten Wolfes bemaechtigte sich bei genannten Personen ein gesteigertes, amtlich nicht zulässiges Lebensgefühl, dem sie durch groben Unfug, öffentliches Ärgernis erregenden Lärm und Nichtbeachtung diverser anderer Polizeverordungen Ausdruck verliehen, was ihre Haftpflichtigmachung zur Folge hatte. Der Vorfall wurde von den kulturschaffenden Gebrüdern Grimm zu Protokoll genommen und starkbekinderten Familien in Märchenform zustellig gemacht. Wenn die oben aufgeführten Personen nicht durch Hinschied abgegangen und in Fortfall gekommen sind, sind dieselbigen derzeitig noch lebhaft.
http://autsch.rtl.de/frames.html
[...]
[1] Bußmann 1990. S. 827.
[2] Bußmann 1990. a.a.O.
[3] LNP 1996. S. 311ff.
[4] Bußmann 1990. a.a.O.
[5] Lewandowski 1994. S. 293.
[6] Lewandowski 1994. a.a.O.
[7] Wahrig 2000. S. 684.
[8] Wahrig 2000. S. 248.
[9] http://149.219.195.60/worte/rw02046.html
[10] BStBl I 2002 S.584
[11] BGBl. II vom 24. August 2000 S. 734
[12] LNP 1996. S. 178
[13] Fleischer/Barz 1995. S. 89
[14] Fleischer/Barz 1995. S. 89
[15] Wahrig 2000. S. 643
[16] Wahrig 2000. S. 1407
[17] Störig 2002. S. 152f
[18] http://www.sekretaer-in.de/mustertexte/salvatorische.htm
[19] http://www.sekretaer-in.de/mustertexte/salvatorische.htm
[20] LNP 1996. S. 238
[21] http://jurcom5.juris.de/bundesrecht/s_g/htmltree.html
[22] http://autsch.rtl.de/frames.html
[23] KuH Grimm S. 308ff
[24] Krämer/Sauer 2003. S. 183f
[25] http://www.welt.de/daten/2001/03/21/0321ku241899.htx
[26] http://www.welt.de/daten/2001/03/24/0324jw242617.htx
[27] http://www.wams.de/data/2002/11/24/19252.html
- Arbeit zitieren
- Brauburger, Johannes (Autor:in), 2003, Kommunikationskonflikte in Institutionen - Behördliche Sprache versus normalsprachliche Kommunikation anhand ausgesuchter Beispiele, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107820